BT-Drucksache 18/10593

Mängel bei der Aufsicht über bedeutende Banken

Vom 6. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10593
18. Wahlperiode 06.12.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Klaus Ernst, Annette Groth, Inge Höger,
Andrej Hunko, Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann, Katrin Kunert,
Thomas Lutze, Thomas Nord, Richard Pitterle, Michael Schlecht,
Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Mängel bei der Aufsicht über bedeutende Banken

Bei der europäischen Bankenaufsicht häufen sich Fehler und Unstimmigkeiten.
Jüngst ist offenkundig geworden, dass die Deutsche Bank beim jüngsten Stress-
test eine Sonderbehandlung erfahren hat. Die Aufseher bei der Europäischen
Zentralbank (EZB) hatten der Deutschen Bank erlaubt, den Verkauf von Anteilen
an der chinesischen Hua Xia Bank in der Bilanz zu verbuchen, obwohl dieser zum
Stichtag Ende 2015 noch nicht abgeschlossen war. Hierdurch fiel das Ergebnis
der Deutschen Bank beim Stresstest viel positiver aus („Mehr als eine lästige Fuß-
note“, Handelsblatt 10. November 2016). Zweifel an der Qualität der Bankenauf-
sicht der EZB äußert auch der Europäische Rechnungshof. So hat dieser bei seiner
Prüfung der EZB als Problem festgestellt, dass die EZB-Bankenaufsicht zu „we-
nig eigene Leute“ hat und deshalb „zu sehr auf die von den nationalen Behörden
ernannten Aufseher angewiesen ist“ („Kein ausreichender Einblick“, Handels-
blatt, 17. November 2016). Gleichzeitig hat die Bankenaufsicht innerhalb der
EZB keine Kontrolle über die für ihre Aufsichtsaufgaben erforderliche finanzielle
und personelle Ausstattung. Schwierig sei dies, so die Rechnungsprüfer, auch für
die Gewährleistung der Unabhängigkeit der beiden Aufgaben der EZB – zum ei-
nen Geldpolitik, zum anderen Bankenaufsicht (vgl. Europäischer Gerichtshof,
Sonderbericht 29/2016).
Die Aufsicht über systemrelevante Banken im Euro-Währungsgebiet wurde vor
zwei Jahren auf die EZB übertragen. Ein großer Teil der Aufsichtstätigkeit, die
zuvor von den nationalen Behörden wahrgenommen wurde, ist seitdem auf den
dort im Jahr 2014 neu errichteten sogenannten Einheitlichen Aufsichtsmechanis-
mus („Single Supervisory Mechanism“ – SSM) übergegangen. Dieser setzt sich
aus der EZB und den Aufsichtsbehörden der teilnehmenden Mitgliedstaaten zu-
sammen.
Die bekannt gewordenen Mängel wecken starke Zweifel an der Funktionstüch-
tigkeit des SSM und einer wirksamen Aufsicht und Kontrolle über bedeutende
(i. e. systemrelevante) Banken. Eng verbunden damit ist die Frage nach der Re-
chenschaftspflicht und der parlamentarischen Kontrolle der Aufsichtsbehörden.
Sind Zuständigkeiten und Bedarfe nicht klar geregelt, droht Verantwortung wie
ein Spielball hin und hergeschoben zu werden. Bei der EZB kommt erschwerend
hinzu, dass der dort angesiedelte gemeinsame Aufsichtsmechanismus einem Ziel-
konflikt mit der Geldpolitik unterliegt. Als „unabhängige Institution“ ist die EZB
den Weisungs- und Kontrollrechten der Regierungen und Parlamente in besonde-
rer Weise entzogen. Allein dem Europäischen Parlament (EP) kommt eine ver-
gleichsweise schwache Kontrollfunktion des SSM-Aufsichtsgremiums zu.

Drucksache 18/10593 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Entspricht es nach Kenntnis der Bundesregierung bei den jährlich stattfin-
denden Stresstests der Europäischen Bankenaufsicht („European Banking
Authority“ – EBA) der gemeinhin üblichen Praxis, dass Operationen, wie
beispielsweise die Veräußerung von Unternehmensanteilen, in der Bilanz
verbucht werden dürfen, auch wenn diese zum Stichtag noch nicht abge-
schlossen sind, und auf welcher rechtlichen Grundlage ist ein solcher Vor-
gang zulässig?

2. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung zutreffend, dass das Personal der
EBA, die den Stresstest durchführt, zunächst Bedenken gegen eine Aus-
nahme für die Deutsche Bank angemeldet hatte, bis das EBA-Aufsichtsgre-
mium, in dem die nationalen Bankenaufseher der Europäischen Union (EU)
sitzen, die Erlaubnis erteilte (vgl. „Mehr als eine lästige Fußnote“, Handels-
blatt, 10. November 2016), und mit welcher Begründung wurde diese Ent-
scheidung von Seiten des EBA-Aufsichtsgremiums nach Kenntnis der Bun-
desregierung gerechtfertigt?

3. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des EBA-Aufsichtsgremiums in
Hinsicht auf die genehmigte besondere Behandlung der Deutschen Bank,
und zu welchem Zeitpunkt wurde sie davon in Kenntnis gesetzt?

4. Inwieweit obliegt es der EZB-Bankenaufsicht, derartige Vorgänge zu recht-
fertigen, und teilt die Bundesregierung die Einschätzung der EZB-Banken-
aufseherin Danièle Nouy, die Deutsche Bank sei „nicht anders als andere
Banken“ behandelt worden („EZB will Deutsche Bank nicht besonders be-
handelt haben“, Wirtschaftswoche, 24. Oktober 2016)?

5. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Fall?

6. Für wie viele bedeutende (d. h. systemrelevante), grenzüberschreitend tätige
Bankengruppen des Euro-Währungsgebietes fungiert die EZB im Rahmen
des SSM nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell als Heimataufseherin
oder konsolidierende Aufseherin und übernimmt mit ihrem Personal in vol-
lem Umfang die leitende Koordinierung von sogenannten Supervisory Col-
leges – Aufsichtskollegien?

7. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil in Relation zu
allen als bedeutend eingestuften grenzüberschreitend tätigen Bankengruppen
des Euro-Währungsgebietes (bitte in Prozent und absoluter Zahl angeben)?

8. Wie sind die Zuständigkeiten und die Verantwortlichkeit bei den sogenann-
ten Supervisory Colleges – Aufsichtskollegien – über bedeutende grenzüber-
schreitend tätige Bankengruppen zwischen der EZB und den nationalen Auf-
sichtsbehörden (National Competent Authorities, NCAs) verteilt?

9. Wie kann aus Sicht der Bundesregierung die EZB ihre Aufgaben in der Be-
aufsichtigung von bedeutenden (d. h. systemrelevanten) Banken wirksam
und zielführend bewerkstelligen, wenn sie, wie der Europäische Rechnungs-
hof feststellt, „unzureichend“ besetzt ist und keine Kontrolle über die Zu-
sammensetzung der Teams zur Beaufsichtigung grenzüberschreitend tätiger
Banken hat (Europäischer Gerichtshof, Sonderbericht)?

10. Auf welche Ursachen und Faktoren führt die Bundesregierung den derzeit
„unzureichenden Personalbestand“ (Europäischer Rechnungshof, Sonderbe-
richt Nr. 29/2016) bei der EZB-Bankenaufsicht, insbesondere bei der Beauf-
sichtigung der bedeutenderen Banken im Rahmen des SSM, zurück?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10593

11. Warum wurde nach Kenntnis der Bundesregierung versäumt, eine ausführli-

che Analyse des Personalbedarfs für den neuen und deutlich anspruchsvolle-
ren Rahmen des Gemeinsamen Aufsichtsmechanismus (SSM) durchzufüh-
ren?

12. Sollte die EZB aus Sicht der Bundesregierung mehr Kontrolle über die Zu-
sammenstellung und Fähigkeiten der Aufsichts- und Prüfungsteams oder
über die Ressourcen, die sie beitragen kann, bekommen?

13. Stellen sich nach Erkenntnissen und nach Einschätzung der Bundesregierung
die personellen Engpässe als ein Problem und eine Beeinträchtigung der Fä-
higkeit der Teams dar, die Banken in ihrem Zuständigkeitsbereich wirksam
zu beaufsichtigen?

14. Ist es dem Bundesministerium der Finanzen vor Erscheinen des Berichts des
Europäischen Rechnungshofes bekannt gewesen, dass bei den Aufsichtsprü-
fungen vor Ort nur „sehr wenige“ EZB-Mitarbeiter vertreten sind und die
Aufsichtsprüfungen in den meisten Fällen von der Aufsichtsinstanz des Her-
kunfts- oder Aufnahmelandes der Bank geleitet werden, obwohl die Aufgabe
der Aufsicht vor Ort hinsichtlich bedeutender Institute ebenfalls im Verant-
wortungsbereich der EZB liegt (vgl. Europäischer Rechnungshof, Sonderbe-
richt 29/2016)?

15. Wie stellt sich dieses Problem nach Kenntnis und aus Sicht der Bundesregie-
rung für Kreditinstitute mit sogenanntem Heimatstandort in Deutschland und
wie für Kreditinstitute mit Heimatstandort in den anderen der am SSM be-
teiligten Mitgliedstaaten dar?

16. Welche der bedeutenden Institute haben ihren sogenannten Heimatstandort
in Deutschland, und bei wie vielen dieser Institute wurden die Aufsichtsprü-
fungen vor Ort durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
(BaFin) geleitet?

17. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Europäischen Rech-
nungshofes, dass „der organisatorische und finanzielle Aufbau des SSM
zusätzliche Risiken für die Unabhängigkeit der geldpolitischen Funktion
und der Aufsichtsfunktion“ birgt (Europäischer Gerichtshof, Sonderbericht
29/2016), und welchen Reformbedarf leitet die Bundesregierung hieraus ab?

18. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem Bericht des Europäischen Rechnungshofs?

19. Wie viele Fragen hat die Bundesregierung bislang über die Euro-Gruppe
mündlich oder schriftlich an die EZB gerichtet und auf diese Weise von ihren
Unterrichtungs- und Beteiligungsrechten im Gemeinsamen Aufsichtsmecha-
nismus (SSM) Gebrauch gemacht?

20. Wie oft haben andere Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe nach Kenntnis der
Bundesregierung von diesem Fragerecht Gebrauch gemacht (bitte Fragen
nach Datum der Einreichung, jeweiligen Mitgliedstaat unter Angabe des In-
halts/Gegenstands der Frage auflisten)?

21. Besteht innerhalb der Euro-Gruppe ein entsprechendes Verfahren, schriftli-
che und mündliche Fragen an die EZB zu stellen?

22. Inwiefern verfügt die BaFin über standardisierte Berichtsformate zur Über-
sendung von Beschlussentwürfen, Protokollen und Sitzungsunterlagen des
Aufsichtsgremiums an das Bundesministerium der Finanzen?

Berlin, den 6. Dezember 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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