BT-Drucksache 18/10334

Schuldenerleichterungen für Griechenland

Vom 14. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10334
18. Wahlperiode 14.11.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Klaus Ernst, Dr. Diether Dehm, Andrej Hunko,
Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann, Thomas Lutze, Thomas Nord,
Richard Pitterle, Michael Schlecht, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Schuldenerleichterungen für Griechenland

Griechenland hat in den vergangen Jahren in historisch einmaligem Ausmaß sei-
nen Staatshaushalt beschnitten. Das Haushaltsdefizit von 15 Prozent des Brutto-
inlandsprodukts (BIP) im Jahre 2009 wurde auf inzwischen 3 Prozent gesenkt.
Parallel ist durch die Kürzungsmaßnahmen das Bruttoinlandsprodukt um 26 Pro-
zent gefallen und die Arbeitslosigkeit auf derzeit 25 Prozent, die Jugendarbeits-
losigkeit auf 50 Prozent gestiegen (Eurostat bzw. European Parliament, Econo-
mic Governance Support Unit: „Greece’s financial assistance programme (Sep-
tember 2016)“, 29. September 2016). Das Durchschnittseinkommen ist um
35 Prozent gefallen, das staatliche Gesundheitssystem kollabiert und die Armuts-
quote ist auf 36 Prozent gestiegen (Eurostat).
Trotz oder gerade wegen dieser Kürzungspolitik gelten die griechischen Staats-
schulden nach Einschätzung verschiedener Akteure als dauerhaft nicht tragfähig.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat aus diesem Grund seine Beteiligung
am dritten Finanzhilfeprogramm bis auf Weiteres abgelehnt.
Die Eurogruppe erklärte sich im Juli 2015 bereit, nach dem Abschluss der
ersten Programmüberprüfung Maßnahmen zur Schuldenerleichterung zu erwägen
und damit die Voraussetzung für eine Beteiligung des IWF zu schaffen. Am
24./25. Mai 2016 hat die Eurogruppe einige Vorfestlegungen zu Schuldenerleich-
terungen getroffen und anschließend eine Erklärung veröffentlicht.
Der IWF hat im Anschluss daran seine Position klargestellt. Demzufolge beste-
hen nach wie vor Vorbehalte gegen seine Programmbeteiligung (IMF: Transcript
of a Conference Call on Greece, 25. Mai 2016, www.imf.org/external/np/tr/2016/
tr052516.htm). Diese Position dürfte nach wie vor Bestand haben. Die Beteili-
gung des IWF am dritten Finanzhilfeprogramm ist demnach nach wie vor nicht
gesichert. Aus Sicht des IWF fehlt zum einen die Quantifizierung der von der
Eurogruppe in Aussicht gestellten Schuldenerleichterungen. Zudem wird der
IWF die Schuldentragfähigkeit nach seinen eigenen Maßstäben bewerten. Wie in
seiner vorläufigen Schuldentragfähigkeitsanalyse vom 23. Mai 2016 dargelegt,
hält der IWF den von der Eurogruppe unterstellten mittelfristigen Primärüber-
schuss von 3,5 Prozent des BIP aufgrund der seiner Ansicht nach schwachen po-
litischen Institutionen in Griechenland und der über Jahrzehnte wohl zweistelli-
gen Arbeitslosenrate für „höchst unwahrscheinlich“. Selbst ein plausibleres Pri-
märüberschuss-Ziel von 1,5 Prozent des BIP wäre aus Sicht des IWF noch ambi-
tioniert. Um einen Abbau des Schuldenbergs zu erlauben, hält der IWF zudem bis
zum Jahr 2040 einen Bruttofinanzbedarf des griechischen Staats von unter

http://www.imf.org/external/np/tr/2016/tr052516.htm
http://www.imf.org/external/np/tr/2016/tr052516.htm
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10 Prozent des BIP für geboten. Dagegen geht die Eurogruppe von einem vertret-
baren Bruttofinanzbedarf von mittelfristig bis zu 15 Prozent und langfristig bis zu
20 Prozent des BIP aus.
Unter diesen Umständen erscheint es rätselhaft, wie das weitere Engagement des
IWF sichergestellt werden soll, welches die Bundesregierung „für unabdingbar
erachtet“ (Bundestagsdrucksache 18/5780, S. 2).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hält die Bundesregierung weiter daran fest, den IWF am dritten Finanzhilfe-

programm für Griechenland zu beteiligen?
2. Gehört zu der Beteiligung des IWF aus Sicht der Bundesregierung auch ein

finanzieller Beitrag?
3. Strebt die Bundesregierung eine entsprechende Entscheidung des IWF bis

spätestens Anfang des Jahres 2017 an, und ist sie bereit, dafür die notwendi-
gen Voraussetzungen zu schaffen?

4. Welche Folgen hätte es für das laufende Programm, wenn der IWF keine
Entscheidung über eine Beteiligung mit eigenen Mitteln treffen würde?

5. Welche Folgen hätte es für das laufende Programm, wenn sich der IWF ge-
gen eine Beteiligung mit eigenen Mitteln entscheiden würde?

6. Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt
der Entscheidung über weitere Schuldenerleichterungen und bestimmten
Wahlen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union?

7. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung seit der Sitzung der Eu-
rogruppe vom 25. Mai 2016 unternommen, um die Beteiligung des IWF am
laufenden Finanzhilfeprogramm sicherzustellen?

8. Welche Gespräche im Zusammenhang mit Finanzhilfen für Griechenland hat
die Bundesregierung seit Anfang Juni 2015 mit Vertretern des IWF geführt
(bitte mit Angabe des Datums, der jeweils höchstrangigen Gesprächsteilneh-
mer auf Seiten der Bundesregierung bzw. des IWF und der Gesprächsthe-
men)?

9. Welche dieser Gespräche standen auch im Zusammenhang mit der Tragfä-
higkeit der griechischen Staatsschulden und/oder Schuldenerleichterungen?

10. Ist an die Bundesregierung vom IWF der Wunsch nach einer weiteren Quan-
tifizierung der von der Eurogruppe in Aussicht gestellten Schuldenerleichte-
rungen herangetragen worden, und wie hat die Bundesregierung hierauf rea-
giert?

11. Hat die Bundesregierung sich mit einzelnen, mehreren oder allen Staaten der
Eurogruppe seit dem 25. Mai 2016 über die Quantifizierung der in der Erklä-
rung der Eurogruppe vom 25. Mai 2016 in Aussicht gestellten Schuldener-
leichterungen verständigt?
Wenn ja, wann und in welcher Form, mit welchem Ziel und welchem Ergeb-
nis fand eine solche Verständigung statt?

12. Ist der IWF aus Sicht der Bundesregierung dazu mandatiert, einen Primär-
überschuss von 3,5 Prozent des BIP für höchst unwahrscheinlich zu betrach-
ten und eine Schuldentragfähigkeitsanalyse auf der nach seinen Maßstäben
noch vertretbaren Annahme von maximal 1,5 Prozent des BIP durchzufüh-
ren?

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13. Ist der IWF aus Sicht der Bundesregierung dazu mandatiert, eine Schulden-

tragfähigkeitsanalyse auf der nach seinen Maßstäben noch vertretbaren An-
nahme eines Bruttofinanzbedarf des griechischen Staates von maximal
10 Prozent des BIP bis zum Jahr 2040 durchzuführen?

14. Hält die Bundesregierung es für möglich, den IWF am Programm zu beteili-
gen, auch wenn dessen Schuldentragfähigkeitsanalyse einen mittelfristigen
Primärüberschuss von maximal 1,5 Prozent des BIP unterstellt und trotzdem
ihrerseits an der Vorgabe eines mittelfristigen Primärüberschusses des grie-
chischen Staatshaushalts von 3,5 Prozent des BIP festzuhalten?

15. Hält die Bundesregierung an der Monetarisierung griechischen Staatsvermö-
gens in Höhe von 50 Mrd. Euro fest, obwohl statt der ursprünglich bereitge-
stellten 25 Mrd. Euro für die Rekapitalisierung griechischer Banken wesent-
lich weniger dafür benötigt wurde und entsprechend mit deutlich geringeren
Erlösen aus dem Verkauf von Bankbeteiligungen zu rechnen ist?

16. Mit welchen Erlösen aus der Monetarisierung griechischen Staatsvermögens
rechnet die Bundesregierung im Zeitraum 2015 bis 2030?
Wie viele dieser Erlöse stammen aus Privatisierungen, und wie viele aus der
sonstigen Bewirtschaftung von Staatsvermögen?

17. Wie erklärt die Bundesregierung sich die Diskrepanz zwischen ihren Erwar-
tungen zu Privatisierungserlösen und der Schuldentragfähigkeitsanalyse des
IWF vom 23. Mai 2016, die mit Privatisierungserlösen von 5 Mrd. Euro im
Zeitraum von 2015 bis 2030 operiert?

18. Auf welchem Weg hat die Bundesregierung versucht, auf den IWF wegen
dessen Annahmen für die Schuldentragfähigkeitsanalyse einzuwirken?
Welche rechtlichen Möglichkeiten stehen der Bundesregierung hierfür zur
Verfügung?

19. Plant die Bundesregierung, den Deutschen Bundestag bis Ende des Jah-
res 2016 hinsichtlich einer erwartbaren wesentlichen Änderung des dritten
Finanzhilfeprogramms zu konsultieren?
Oder schließt die Bundesregierung einen entsprechenden Konsultationsbe-
darf bis Ende des Jahres 2017 aus?

Berlin, den 11. November 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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