BT-Drucksache 18/10315

Durchführung, Kontrolle und tatsächliche Kosten der in den Jahren 2015 und 2016 von der Bundesagentur für Arbeit finanzierten Deutschkurse für Flüchtlinge

Vom 10. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10315
18. Wahlperiode 10.11.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Frank Tempel, Sigrid Hupach,
Nicole Gohlke, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, Kerstin Kassner, Katja Kipping,
Jan Korte, Katrin Kunert, Norbert Müller (Potsdam), Harald Petzold (Havelland),
Kersten Steinke, Azize Tank, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak,
Harald Weinberg, Katrin Werner, Birgit Wöllert, Pia Zimmermann und
der Fraktion DIE LINKE.

Durchführung, Kontrolle und tatsächliche Kosten der in den Jahren 2015 und 2016
von der Bundesagentur für Arbeit finanzierten Deutschkurse für Flüchtlinge

Bereits seit Jahren mangelt es an flächendeckenden und ausreichenden Integrati-
ons- und Sprachkursen. Das Angebot an Integrationskursen, in denen Deutsch
gelernt werden kann, ist enorm gestiegen und kann doch nicht Schritt halten mit
der noch deutlich stärker wachsenden Nachfrage nach diesen Kursen. Zahlen aus
dem Bundesministerium des Innern zeigen, dass immer mehr Menschen, die das
Recht oder die Pflicht haben, einen Kurs zu besuchen, auf einen Platz warten
müssen (www.sueddeutsche.de/politik/migranten-run-auf-deutschkurse-1.3174
463).
Das Sprachkursangebot müsste nicht nur ausgebaut und verstetigt, sondern auch
qualitativ verbessert werden. Inhaltlich und didaktisch müssten die Kurse stärker
auf die unterschiedlichen individuellen Bedarfe, Vorkenntnisse und Bildungsni-
veaus ausgerichtet werden. Dies betrifft die Kurszusammensetzung, das Lern-
tempo, die Inhalte und individuell festzusetzende Zielsetzungen (Bundestags-
drucksache 18/9190).
Grundlage für die spontan eingerichteten Einstiegskurse der Bundesagentur für
Arbeit (BA) war die mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom
24. Oktober 2015 eingeführte Regelung des § 421 des Dritten Buches Sozialge-
setzbuch (SGB III), durch die die BA die Möglichkeit erhalten hatte, die Teil-
nahme von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern mit guter Bleibeperspektive
an Sprachkursen zur Erlangung erster Kenntnisse der deutschen Sprache zu för-
dern. Darunter wurden aber nur Personen aus den Ländern Syrien, Iran, Irak und
Eritrea gefasst. Die Eintritte in die Kurse mussten spätestens bis zum 31. Dezem-
ber 2015 erfolgen. Die Teilnahme an den Kursen war auf längstens acht Wochen
begrenzt. Es konnten bis zu maximal 320 Unterrichtsstunden (8 Wochen x
40 Unterrichtstunden je Woche) gefördert werden (www.arbeitsagentur.de/web/
content/DE/Institutionen/Traeger/Einstiegskurse/Detail/index.htm?dfContentId=
L6019022DSTBAI782320).
Laut einem Bericht der Bundesregierung „Durchführung, Kontrolle und tatsäch-
liche Kosten der 2015/2016 von der Bundesagentur für Arbeit finanzierten
Deutschkurse für Flüchtlinge“ (Ausschussdrucksache 18(11)746) sind der BA
von den Trägern rund 233 000 Eintritte in die Kurse gemeldet worden. Die
Hauptgruppe bildeten dabei Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus Syrien

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mit einem Anteil von knapp 73 Prozent, gefolgt von Asylbewerberinnen und
Asylbewerbern aus dem Irak mit einem Anteil von fast 15 Prozent. Etwas mehr
als die Hälfte der Eintritte erfolgte in Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen
(47 000 Eintritte), Bayern (27 200 Eintritte), Baden-Württemberg (23 050 Ein-
tritte) und Berlin (22 150 Eintritte).
Aus den Mitteln der BA sollten nach Angaben aus dem Sommer bzw. Herbst
2015 130 Mio. Euro für Sprach- und Integrationskurse für nach Deutschland Ge-
flüchtete zur Verfügung gestellt werden (www.mdr.de/fakt/fakt-deutschkurse-
fuer-fluechtlinge-100.html). Bis Anfang September 2016 wurden von den Trä-
gern 12 594 Sprachkurse mit 198 638 Teilnehmerinnen und Teilnehmern abge-
rechnet. Die Ausgaben der BA belaufen sich für die bisher abgerechneten Kurse
auf insgesamt knapp 306 Mio. Euro (Ausschussdrucksache 18(11)746).
Einem Medienbericht (ARD-Sendung FAKT vom 6. September 2016) zufolge
hat die BA Ausgaben, Auftragsvergabe und Erfolg der aus ihren Mitteln 2015
initiierten Kurse evaluiert. Dieser Evaluationsbericht wird aber der Öffentlichkeit
seitens der BA mit Verweis auf das Geschäftsgeheimnis vorenthalten. Kritisiert
wird im Rahmen dieses Medienberichts, dass es kaum Qualitätsanforderungen
und nur unzureichende Kontrollen gab und dass die Teilnehmerzahlen oft einge-
brochen sind (z. B. wegen Umverteilungen im Rahmen des Asylverfahrens, so
dass am Ende z. B. nur noch eine Teilnehmerin bzw. ein Teilnehmer anwesend
war).
In ihrem Bericht (Ausschussdrucksache 18(11)746) hält die Bundesregierung die
Kritik an der Umsetzung der Einstiegskurse an der einen oder anderen Stelle für
nachvollziehbar, rechtfertigt aber Unregelmäßigkeiten mit der damaligen Sonder-
situation und den besonderen Rahmenbedingungen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die BA eine

interne Evaluierung der von ihr finanzierten Einstiegskurse vorgenommen
hat?

2. Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die BA die
Veröffentlichung des internen Evaluationsberichtes, sofern ein solcher vor-
liegt, mit Verweis auf das Geschäftsgeheimnis unter Verschluss hält (ARD-
Sendung FAKT vom 6. September 2016)?

3. Inwieweit wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass dieser interne
Bericht der Öffentlichkeit oder zumindest den Mitgliedern des Deutschen
Bundestages zur Verfügung gestellt wird?

4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von den Kernaussagen des in-
ternen Prüfberichts (bitte im Einzelnen die Kernaussagen auflisten und aus
Sicht der Bundesregierung bewerten)?

5. Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass es einen Prüf-
bericht des Bundesrechnungshofes zum internen Prüfbericht der BA bzw. zu
den von der BA geförderten Sprachkursen gibt?

6. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von den Kernaussagen des Prüf-
berichts des Bundesrechnungshofes zum internen Prüfbericht der BA bzw.
von den von der BA finanzierten Deutschkurse für Flüchtlinge (bitte im Ein-
zelnen die Kernaussagen auflisten und aus Sicht der Bundesregierung bewer-
ten), und welche Schlussfolgerungen zieht sie hieraus?

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7. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass die
Integration von Flüchtlingen im Allgemeinen und die Finanzierung der
Sprachkurse eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und daher nicht von den
Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung, sondern mit den Mitteln des Bun-
deshaushaltes zu finanzieren ist?

8. Wie viele Träger haben nach Kenntnis der Bundesregierung wie viele Ein-
stiegskurse für wie viele Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit guter
Bleibeperspektive durchgeführt?

9. Wie viele Träger, die nach Kenntnis der Bundesregierung Einstiegskurse für
Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive durchge-
führt haben, wurden von der BA mit welchem Ergebnis geprüft (bitte auflis-
ten)?

10. Welche Träger sind nach Kenntnis der Bundesregierung bundesweit die
20 wichtigsten/größten Anbieter/Nutznießer der Einstiegskurs-Maßnahmen?

11. Was ist der letzte Stand der tatsächlich ausgegebenen und der noch zu erwar-
tenden Kosten für die Einstiegskurse der BA, und wie bewertet die Bundes-
regierung die Kosten-Nutzen-Bilanz dieser Kurse?

12. Wenn das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in seiner Unterrich-
tung auf Ausschussdrucksache 18(11)746 der auch nach seiner Auffassung
zum Teil nachvollziehbaren Kritik an den Einstiegskursen entgegenhält,
diese seien vor dem Hintergrund der „Lücke bis zum Ausbau des Angebots
an Integrationskursen und Kursen zur berufsbezogenen Sprachförderung“ zu
sehen, warum hat sich die Bundesregierung dann nicht früher um einen Aus-
bau des Angebots von Integrationskursen bemüht, etwa durch eine Anhe-
bung der seit vielen Jahren viel zu niedrigen Honorare für Lehrkräfte in In-
tegrationskursen (dies ist erst Mitte des Jahres 2016 erfolgt)?

13. Warum wurden mit großer Öffentlichkeitswirkung weitere gesetzliche Ver-
pflichtungen zur Integrationskursteilnahme geschaffen, obwohl die vorhan-
denen Integrationskursangebote nicht einmal dem aktuellen Bedarf entspre-
chen?

14. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die gegenwärtige Trägerpau-
schale ausreichend ist, um Honorare für Lehrkräfte in Höhe von mindestens
35 Euro pro Unterrichtseinheit zahlen zu können, und auf welche Annahmen
und Berechnungen stützt sie sich dabei (welchen Anteil macht die Entloh-
nung der Lehrkräfte im durchschnittlichen Kostenkalkül der Träger aus, wie
stark müssen die Kurse besucht sein, damit ein Träger sich bei einer Min-
desthonorierung in Höhe von 35 Euro pro Unterrichtseinheit finanzieren
kann usw.)?

15. Wie ist der Stand der Erarbeitung des dem Haushaltsausschuss des Deut-
schen Bundestages bis Mitte Oktober 2016 zugesagten Berichts der BA zu
den Einstiegskursen?

16. Wie sind die aktuellen Angaben zum Integrationskursbesuch für das laufende
Jahr 2016 (bitte Angaben zu Zulassungen, neuen Teilnehmenden, Abfluss
von Haushaltsmitteln usw. zum letzten verfügbaren Stand machen und Ver-
gleichswerte des Wortjahres nennen)?

17. Wie viele Asylsuchende und Geduldete (bitte differenzieren, auch wichtigste
Herkunftsländer) haben zum aktuellsten Stand im Jahr 2016 eine Zulassung
zum Integrationskurs erhalten bzw. den Kurs tatsächlich begonnen?

Drucksache 18/10315 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

18. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Erfahrungen und Auswir-

kungen der Anhebung der Mindesthonorargrenze auf 35 Euro pro Unter-
richtseinheit, beispielsweise auf die Zahl der (aktiven) Lehrkräfte, und wel-
che Kenntnisse hat die Bundesregierung dazu, in welchem Umfang die Min-
desthonorargrenze von den Trägern eingehalten wird?

19. Wie ist derzeit die durchschnittliche Kursgröße, wie war diese Ende des Jah-
res 2015 (bitte auch nach unterschiedlichen Kurstypen differenzieren)?

Berlin, den 10. November 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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