BT-Drucksache 17/9701

Umgang mit Werkverträgen und Subunternehmertum am Flughafen Berlin Brandenburg International

Vom 16. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9701
17. Wahlperiode 16. 05. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze,
Herbert Behrens, Karin Binder, Dr. Martina Bunge, Heidrun Dittrich,
Dr. Dagmar Enkelmann, Klaus Ernst, Katja Kipping, Sabine Leidig, Yvonne Ploetz,
Ingrid Remmers, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Harald Weinberg,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Umgang mit Werkverträgen und Subunternehmertum am Flughafen
Berlin Brandenburg International

Auf der Baustelle des Flughafens Berlin Brandenburg (BER) kam es Medienbe-
richten zufolge zu zahlreichen Verstößen gegen Sicherheitsauflagen und selbst-
auferlegte Verpflichtungen, auf Lohndumping per Werkverträge zu verzichten
(http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/431796_kontraste/10119478_
kontraste- vom-12-04-2012).

Eigentümer der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, dessen Aufsichtsratsvor-
sitzender der Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit ist, sind zu
26 Prozent der Bund und zu je 37 Prozent die Länder Berlin und Brandenburg.
Insbesondere Beschäftigte aus dem europäischen Ausland wurden systematisch
um ihren Lohn betrogen. Zahlreiche betroffene Beschäftigte wandten sich mit
ihren Problemen an das Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte in Berlin beim
Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Verstöße waren in den Bereichen der
Scheinselbstständigkeit, der Verletzung des Baumindestlohns und des Lohnbe-
trugs festzustellen.

Die Systematik der Fälle lässt den Schluss zu, dass diese Fälle von Verstößen
gegen geltendes Recht unter Duldung bzw. in einigen Fällen sogar unter Mit-
wirkung der Flughafengesellschaft geschahen. In dem im oben genannten Bei-
trag in der ARD-Sendung „Kontraste“ geschilderten Fall wurde zum Beispiel
nachträglich bekannt, dass der Bus, mit dem die Beschäftigten ohne individuelle
Kontrolle in den Sicherheitsbereich der Flughafenbaustelle gebracht wurden,
von der Flughafengesellschaft gechartert wurde.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Kontrollen wurden von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, ande-
ren Arbeitsbereichen des Zolls, etwaigen anderen Bundesbehörden oder der

Aufsicht des Bundes unterstehenden Körperschaften auf der Baustelle des
neuen Flughafens Berlin Brandenburg (BER) sowie der in direktem Zusam-
menhang dazu stehenden Baustellen öffentlich finanzierter Infrastrukturmaß-
nahmen in der Umgebung des Flughafens durchgeführt?

a) An wie vielen Tagen innerhalb welcher Zeiträume fanden solche Kontrol-
len statt?

Drucksache 17/9701 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

b) Wie viele Einzelpersonen und Unternehmen wurden dabei kontrolliert
(bitte nach Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer, Soloselbstständigen,
Mehrpersonengesellschaften und Kapitalgesellschaften aufschlüsseln)?

2. Ist es zutreffend, dass die Finanzkontrolle Schwarzarbeit – zum Beispiel im
Falle des Flughafens Berlin Brandenburg (BER) – keinerlei Informationen
über die Ergebnisse von die durch Kontrollen ausgelösten Ermittlungen ge-
ben darf?

Wenn ja, warum?

3. Wie viele Verfahren wegen Verstößen gegen

a) das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäfti-
gung,

b) das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz,

c) Steuergesetze (bitte gesondert nach Steuerarten),

d) sozialrechtliche Vorschriften über die Verpflichtung zur Zahlung von So-
zialversicherungsbeiträgen (bitte Scheinselbstständigkeit gesondert aus-
weisen),

e) Strafgesetze, insbesondere wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Ar-
beitsentgelt und

f) Arbeitsschutzgesetze sowie Unfallversicherungsrecht

wurden dabei durch diese Behörden bzw. Körperschaften eingeleitet bzw.
die Sachverhalte zuständigkeitshalber anderen Behörden bzw. Sozialver-
sicherungsträgern mitgeteilt?

4. Wie viele solcher Verfahren wurden von Landesbehörden oder Sozialver-
sicherungsträgern zuständigkeitshalber an den Zoll bzw. etwaige andere
zuständige Bundesbehörden abgegeben?

5. Wie viele der im Zuständigkeitsbereich des Bundes geführten Verfahren
sind noch offen, wie viele wurden eingestellt (und aus welchen Gründen),
und welchen Ausgang nahmen die übrigen Verfahren?

6. Gegen wie viele unterschiedliche Unternehmen wurde dabei ermittelt?

Gab es Unternehmen, gegen die in mehreren Fällen ermittelt wurde, und
wenn ja, welche?

7. Wurde gegen unmittelbare Auftragnehmer der Flughafen Berlin-Schöne-
feld GmbH, andere öffentliche Stellen oder öffentliche Unternehmen ermit-
telt, und wenn ja, gegen welche?

Gab es Unternehmen, gegen die in mehreren Fällen ermittelt wurde?

8. Haben sich im Verfahren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Flughafen
Berlin-Schönefeld GmbH oder deren Tochtergesellschaften Kenntnis von
Verstößen der oben genannten Art hatten oder bei Anwendung gehöriger
Sorgfalt hätten haben können?

9. Haben sich im Verfahren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass unmittelbare
Auftragnehmer der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH, andere öffentliche
Stellen oder öffentliche Unternehmen Kenntnis von Verstößen der oben ge-
nannten Art hatten oder bei Anwendung gehöriger Sorgfalt hätten haben
können?

10. Kam es bei Kontrollen, Ermittlungen oder bereits im Vorfeld von Ermittlun-
gen im Zusammenhang mit Verstößen der oben genannten Art zu Verzöge-
rungen infolge von Personalmangel beim Zoll oder anderen involvierten

Bundesbehörden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9701

Wurden Überlastungsanzeigen aktenkundig gemacht?

11. In wie vielen Fällen, in denen die Finanzkontrolle Schwarzarbeit oder an-
dere Behörden Verstöße der oben genannten Art aufgedeckt haben, stellte
dies auch eine Verletzung der Verträge zwischen der Flughafen Berlin-
Schönefeld GmbH (oder deren Tochtergesellschaften) und deren Auftrag-
nehmern dar?

a) In wie vielen Fällen und in welchem Umfang wurden Vertragsstrafen,
Kündigungen oder Auftragssperren geltend gemacht, und gegen welche
Unternehmen?

b) Waren solche Vertragsstrafen, Kündigungen oder Auftragssperren Ge-
genstand gerichtlicher Verfahren, und wenn ja, mit welchem Ausgang?

12. Auf welche Maßnahmen hat der Bund als Gesellschafter der Flughafen
Berlin-Schönefeld GmbH hingewirkt, um auch auf zivilrechtlichem Wege
eine Kontrolle der Auftragnehmer und deren Subunternehmer mit dem Ziel
der Verhinderung der oben genannten Rechtsverstöße und Verstöße gegen
arbeitnehmerbezogene Standards der Ausschreibung und der geschlossenen
Verträge zu erreichen?

13. Wie viele Personen haben auf der Grundlage der durch die im Miteigentum
des Bundes stehende Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH ausgegebenen
Baustellenausweisen auf der Flughafenbaustelle gearbeitet?

a) Wie viele davon waren entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
(bitte insgesamt und nach Herkunftsländern aufschlüsseln)?

b) Wie viele davon waren als Soloselbständige tätig, und aus welchen
Ländern kamen sie (bitte insgesamt und nach Herkunftsländern auf-
schlüsseln)?

14. Inwiefern hat sich der Bund als Gesellschafter der Flughafen Berlin-Schö-
nefeld GmbH dafür eingesetzt, dass bei der Vergabe der Aufträge im
Zusammenhang mit dem regulären Betrieb des Flughafens Berlin Branden-
burg (BER) Unternehmen beauftragt werden, die eine Gewähr für die Ein-
haltung der Schutzvorschriften für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
bieten und die Mitbestimmungsrechte achten?

15. Ist es zutreffend, dass bei der Vergabe der Aufträge für Reinigungsdienst-
leistungen ausnahmslos Unternehmen ohne Betriebsrat den Zuschlag erhal-
ten haben?

Wie erklärt sich dies die Bundesregierung?

16. a) Wie viele Kräfte der Bundespolizei, des Zolls und etwaiger weiterer
Bundesbehörden verrichteten zu Zeiten des Betriebs des früheren Flug-
hafens Berlin-Tempelhof dort ihren Dienst?

b) Wie viele Kräfte der Bundespolizei, des Zolls und etwaiger weiterer
Bundesbehörden verrichten auf den Flughäfen Berlin-Tegel und Berlin-
Schönefeld derzeit ihren Dienst?

c) Wie viele Kräfte der Bundespolizei, des Zolls und etwaiger weiterer
Bundesbehörden werden auf dem neuen Flughafen Berlin Brandenburg
(BER) nach dessen Eröffnung ihren Dienst verrichten (bitte die Angaben
nach Behörden ordnen)?

17. a) Wie viele Beschäftigte privater Sicherheitsdienste arbeiteten zu Zeiten
des Betriebs des früheren Flughafens Berlin-Tempelhof dort?

b) Wie viele Beschäftigte privater Sicherheitsdienste arbeiten jeweils auf

den Flughäfen Berlin-Tegel und Berlin-Schönefeld derzeit?

Drucksache 17/9701 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
c) Wie viele Beschäftigte privater Sicherheitsdienste werden auf dem
neuen Flughafen Berlin Brandenburg (BER) nach dessen Eröffnung ar-
beiten?

18. Anhand welcher Daten und Prognosen wird der Personalbedarf für die
Wahrnehmung der Aufgaben von Bundespolizei, Zoll und etwaigen weite-
ren Bundesbehörden oder im direkten oder indirekten (Mit-)Eigentum des
Bundes stehender Unternehmen am neuen Flughafen Berlin Brandenburg
(BER) ermittelt?

Steht dieses Personal jeweils tatsächlich zum Zeitpunkt der Eröffnung zur
Verfügung?

Berlin, den 16. Mai 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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