BT-Drucksache 17/9552

Steuerliche Abzugsfähigkeit von Managerbezügen einschränken

Vom 8. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9552
17. Wahlperiode 08. 05. 2012

Antrag
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Richard Pitterle, Dr. Axel Troost,
Matthias W. Birkwald, Eva Bulling-Schröter, Harald Koch, Ralph Lenkert,
Ulla Lötzer, Sabine Stüber, Johanna Voß und der Fraktion DIE LINKE.

Steuerliche Abzugsfähigkeit von Managerbezügen einschränken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Vorstandsbezüge der DAX-Konzerne haben im Jahr 2011 einen neuen All-
zeitrekordwert erreicht. Mit ihnen ist auch die Kluft zu den Gehältern der übri-
gen Beschäftigten drastisch gestiegen. Weder die bisherigen Maßnahmen zu
deren Begrenzung noch die Finanz- und Wirtschaftskrise haben diese Entwick-
lung stoppen können.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den steuerlichen Betriebsausgabenabzug für die jeweiligen Gesamtbezüge
der einzelnen Vorstandsmitglieder auf das 20fache des unteren Facharbeiter-
lohns der Branche zu beschränken;

2. den vorhandenen Einflussspielraum bei Unternehmen, an deren Kapital der
Bund unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, dahingehend auszuschöpfen,
dass die jeweiligen Gesamtbezüge der einzelnen Vorstandsmitglieder nicht
mehr als das 20fache des unteren Facharbeiterlohns der Branche betragen.

Berlin, den 8. Mai 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Das Gerechtigkeitsempfinden zahlreicher Bürgerinnen und Bürger wird nicht
nur durch das massive Wachstum der Vorstandsbezüge, sondern auch durch

deren immer stärkere Abkoppelung von den durchschnittlichen Gehältern der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verletzt. Diese Einkommensunterschiede
entbehren einer angemessenen Grundlage. Sie können nicht aus Begabung, Aus-
bildung, Qualität der Arbeit, Verantwortung und Engagement der Vorstandsmit-
glieder abgeleitet werden. Die exzessiv hohen Bezüge der Vorstände und Vor-
standsvorsitzenden der DAX-Konzerne treffen inzwischen auch auf Kritik aus
den eigenen Reihen bzw. nahestehenden Kreisen. So sagte der Präsident des Ver-

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bandes der Familienunternehmer Mitte März dieses Jahres: „Kein Topmanager
ist das 300- oder 400fache eines einfachen Angestellten wert“ und forderte, wie
auch die Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW), die Einfüh-
rung einer Obergrenze. Der Hamburger Wirtschaftsrechtler Prof. Dr. Michael
Adams äußerte: „Muss ein Vorstand mehr als das 50fache der Bundeskanzlerin
verdienen? Das 180fache eines Professors oder 15 Mal so viel wie ein Nobel-
preisträger?“

Nach Untersuchungen von Joachim Schwalbach (Vergütungsstudie 2011) ist das
Verhältnis der durchschnittlichen Pro-Kopf-Gehälter zwischen Vorstandsmit-
gliedern und normalen Beschäftigten bei den 30 DAX-Konzernen im Schnitt
vom 14- auf das 49fache im Zeitraum von 1987 bis 2010 gestiegen. Damit
näherte sich dieses Verhältnis bereits im Jahr 2010 wieder an seinen Vorkrisen-
rekord aus dem Jahr 2007 in Höhe des 54fachen. Mit Bezug auf die im Vergleich
zu den übrigen Vorstandsmitgliedern deutlich höheren Vergütungen der Vor-
standschefs der DAX-Konzerne ist dieses Verhältnis im Jahr 2010 durchschnitt-
lich auf das 81fache gestiegen, wobei Volkswagen als Spitzenreiter fast das
200fache erreichte – im Verhältnis zum unteren Facharbeiterlohn fällt diese
Relation noch deutlich höher aus. Dabei lag das Verhältnis zwischen den Ver-
gütungen des Vorstandsvorsitzenden und dem Durchschnittslohn der normalen
Beschäftigten lange Zeit bei rund dem 20fachen. Dessen starker Anstieg ist eine
Entwicklung der letzten 15 Jahre. Auch andere Studien bestätigen die wach-
sende Kluft zwischen der Bezahlung von Vorstandsmitgliedern bzw. Vorstands-
vorsitzenden und der durchschnittlichen Entlohnung der normalen Beschäftig-
ten bei den Großkonzernen.

Angesichts der deutlich gestiegenen Vorstandsbezüge im Jahr 2011 dürften die
genannten Verhältniszahlen inzwischen um ein Mehrfaches höher ausfallen und
neue Rekordwerte erreichen. Das zeigt insbesondere die Entwicklung der Ver-
gütungen für die Chefs der DAX-Unternehmen. Nach einer krisenbedingten
Delle hatten diese bereits im Jahr 2009 das Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2007
erreicht und bewegen sich seitdem von Jahr zu Jahr auf einem jeweils neuen Re-
kordwert. Sie stiegen im Jahr 2011 mit durchschnittlich 6,1 Mio. Euro auf einen
neuen Allzeitrekord – die Steigerung gegenüber dem Vorjahr beträgt fast 20 Pro-
zent. Innerhalb von acht Jahren konnten die Chefs der Großkonzerne ihre Be-
züge nahezu verdoppeln, während die Löhne der normal Beschäftigten im
selben Zeitraum (2003 bis 2011) nur um rund 18 Prozent zunahmen – das reichte
gerade mal aus, um die Inflation auszugleichen. Neue Rekordwerte verzeich-
neten u. a. folgende Konzernchefs: Bei der Deutschen Post konnte deren Chef
Frank Appel im Jahr 2011 eine Vergütung in Höhe von 5,2 Mio. Euro einstrei-
chen. Das sind über 18 Prozent mehr gegenüber dem Vorjahr und fast 21 Prozent
mehr im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2007. BMW-Chef Norbert Reithofer
konnte 2011 seine Bezüge gegenüber 2007 um über 63 Prozent (über 44 Prozent
gegenüber 2010) auf rund 6,2 Mio. Euro steigern. RWE-Chef Jürgen Großmann
steigerte sein Einkommen im Vergleich zu 2007 gar um über 115 Prozent (über
25 Prozent im Vergleich zu 2010) auf 8,4 Mio. Euro. Spitzenverdiener Num-
mer 2 ist Siemens-Chef Peter Löscher, der im Jahr 2011 9,8 Mio. Euro verdiente
– eine Steigerung um fast 61 Prozent gegenüber dem Jahr 2007 und immerhin
um knapp 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mittlerweile kassieren auch die
Topmanager der Banken wieder munter; so knüpft die Deutsche Bank AG 2011
an ihre exorbitanten Vergütungen von vor der Krise an, auch wenn diese Rekord-
werte aufgrund der schwelenden Bankenkrise noch nicht wieder erreicht wurden.
So bekam deren Chef Josef Ackermann 2011 Bezüge in Höhe von 9,4 Mio. Euro,
was immerhin einer Steigerung von über 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr ent-
spricht. Im Vergleich zu seinen Kollegen bekam er im Jahr 2011 die dritthöchste
Vergütung für einen DAX-Vorstandschef (nach Volkswagen und Siemens).

Absoluter Topverdiener war im Jahr 2011 VW-Chef Martin Winterkorn, der
17,5 Mio. Euro verdiente. Das entspricht einer Steigerung um über 257 Prozent

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gegenüber dem Jahr 2007 (4,9 Mio. Euro) und von fast 58 Prozent gegenüber
dem Vorjahr 2010 (11,1 Mio. Euro). Nicht nur der VW-Chef bekam eine
Rekordvergütung sondern zugleich auch der gesamte VW-Vorstand. Dessen acht
Männer kassierten insgesamt mehr als 70 Mio. Euro, fast doppelt so viel wie im
Vorjahr mit knapp 37 Mio. Euro.

Ursächlich für das rasche und überproportionale Wachstum der Einkünfte von
Topmanagern ist unter anderem die Einführung des Benchmarking ab den 70er-
Jahren. Dadurch werden die Bezüge nicht durch Leistung bestimmt, sondern
durch einen Vergleich mit ähnlichen Unternehmen, wobei in der Regel bei Neu-
einstellung etwas draufgelegt wird. Zusätzlich sorgen Ausreißer nach oben
regelmäßig dafür, dass auch die Bezüge der übrigen Manager anziehen. Damit
hat sich ein Mechanismus etabliert, der dafür sorgt, dass, unabhängig von der
realwirtschaftlichen Entwicklung, die Managerbezüge immer weiter in die Höhe
schießen und die Kluft zu den übrigen Beschäftigten immer tiefer wird. Hinzu
kommt, dass die Mitglieder der Aufsichtsräte, welche in Aktiengesellschaften
über die Bezahlung der Topmanager entscheiden, meist selbst Topmanager sind
oder waren. Von diesen kann daher ein Interesse an einer Begrenzung von Ma-
nagervergütungen nicht erwartet werden. Auch aufgrund dieses „Schmorens im
eigenen Saft“ wurde und wird die Spirale immer weiter nach oben getrieben.

Das ungebremste und überproportionale Wachstum der Bezüge für Topmanager
ist seit über zehn Jahren Gegenstand der politischen Debatte. Aber sowohl die
unter der rot-grünen Koalition umgesetzten Maßnahmen des Corporate Gover-
nance Kodex und des Gesetzes zur Offenlegung der Vorstandsvergütungen als
auch das Gesetz für Angemessenheit der Vorstandsvergütung der großen Koali-
tion von 2009 erwiesen sich als Papiertiger. Selbst die Finanz- und Wirtschafts-
krise konnte die Vergütungsexzesse der Unternehmenschefs nur kurzfristig
dämpfen. Langfristig bedarf es daher einer wirksamen Obergrenze für die Be-
züge von Topmanagern. Allerdings ist deren Umsetzung mit verfassungsrecht-
lichen Problemen behaftet, da Obergrenzen das Feld der Vertragsfreiheit berüh-
ren. Es bedarf daher hier einer umfassenden Debatte, um geeignete Maßnahmen
zu finden. Kurzfristig schnell und einfach umzusetzen ist dagegen eine Begren-
zung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Managervergütungen als Betriebs-
ausgaben.

Nach geltendem Steuerrecht können in Deutschland Managervergütungen und
Abfindungen komplett steuerlich als Betriebsausgaben abgesetzt werden. Sie
vermindern somit den zu versteuernden Gewinn und führen daher für die Vergü-
tungen zahlenden Unternehmen zu geringeren Steuerzahlungen. Das Steuer-
recht setzt somit keinerlei Anreize, die gegen Vergütungsexzesse wirken; eine
Prüfung auf Angemessenheit findet nicht statt.

Eine Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben ist
keineswegs fremd im deutschen Steuerrecht. Ganz allgemein wird an mehreren
Stellen auf die Frage der Angemessenheit abgestellt (z. B. bei der steuerlichen
Abzugsfähigkeit von Dienstwagen). Konkret listet § 4 (ab Absatz 5) des Einkom-
mensteuergesetzes eine Vielzahl von Sachverhalten (z. B. Geschenke, Bewir-
tungen) auf, bei denen die steuerliche Abzugsfähigkeit von Aufwendungen als
Betriebsausgaben beschränkt oder gar nicht zulässig ist. Im Körperschaftsteuer-
recht existieren zusätzliche Einschränkungen, z. B. hinsichtlich der Abzugs-
fähigkeit von Zinsaufwendungen bei Körperschaften (sog. Zinsschranke, § 8a
des Körperschaftsteuergesetzes). Nicht zuletzt findet sich dort eine Beschrän-
kung, die eins zu eins auf Managervergütungen übertragen werden kann: Gemäß
§ 10 Absatz 4 des Körperschaftsteuergesetzes sind Aufsichtsratsvergütungen je-
der Art nur zur Hälfte steuerlich als Betriebsausgaben absetzbar. Verfassungs-
rechtlich ist eine Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von exzessiven

Managervergütungen daher unbedenklich. Auch im internationalen Vergleich
gibt es entsprechende Beispiele: So können in den USA Firmen die Vergütungen

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ihrer Topmanager nicht unbegrenzt von der Steuer absetzen: Ohne gesonderte
Begründung besteht eine Obergrenze in Höhe von 1 Mio. US-Dollar.

Die Beschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit für die Gesamtbezüge der
einzelnen Vorstandsmitglieder auf das 20fache des unteren Facharbeiterlohns
der Branche wirkt überhöhten Zahlungen entgegen. Mit dem Bezug auf das
20fache des untersten Facharbeiterlohns wird eine dynamische Höchstgrenze
bei der steuerlichen Absetzbarkeit gesetzt. Sie dient zudem als Ansporn für Ma-
nager darüber nachzudenken, wie man die untere Facharbeiterlohngruppe besser
entlohnen kann. Darüber hinaus soll die Bundesregierung mit gutem Beispiel
vorangehen, indem sie in den Unternehmen, an denen der Bund direkt oder in-
direkt beteiligt ist, für eine entsprechende Begrenzung sorgt. Eine entsprechende
Umsetzung ist in einem überschaubaren Zeitrahmen über auslaufende Anstel-
lungsverträge möglich, weil Vorstandsmitglieder für höchstens fünf Jahre be-
stellt werden können.

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