BT-Drucksache 17/9435

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/9145 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stabilisierungsmechanismusgesetzes

Vom 25. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9435
17. Wahlperiode 25. 04. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/9145 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stabilisierungsmechanismusgesetzes

A. Problem

Mit Urteil vom 28. Februar 2012 (Az.: 1 BvE 8/11) hat das Bundesverfassungs-
gericht § 3 Absatz 3 des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im
Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (StabMechG) für ver-
fassungswidrig erklärt, soweit das dort bezeichnete Gremium, bestehend aus
neun Mitgliedern des Haushaltsausschusses, nicht nur in Fällen der Ankäufe
von Staatsanleihen, die die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität am
Sekundärmarkt tätigt, Beteiligungsrechte des Plenums des Deutschen Bundes-
tages wahrnimmt. Das Bundesverfassungsgericht hat außerdem klargestellt,
dass bei der Zusammensetzung dieses Gremiums der Grundsatz der Spiegel-
bildlichkeit beachtet werden muss.

B. Lösung

Mit Artikel 1 des vorliegenden Änderungsgesetzes werden § 3 Absatz 3, § 4
Absatz 2 Satz 5 sowie § 5 Absatz 7 StabMechG entsprechend den verfassungs-
gerichtlichen Vorgaben geändert. Die Zuständigkeit des Sondergremiums wird
begrenzt, und es wird klargestellt, dass die Besetzung des Sondergremiums
sowohl die Mehrheitsverhältnisse widerspiegeln als auch dem Grundsatz der
Spiegelbildlichkeit entsprechen muss.

Im Ausschuss wurde ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP angenommen, mit dem unter anderem der Anwendungsbereich des

Zustimmungsvorbehalts des Plenums erweitert wird und die Regeln präzisiert
werden für die Wahl des Sondergremiums sowie für die Ausübung des Minder-
heitenrechts bei Anhörungen zu Anträgen und Vorlagen der Bundesregierung.

Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.

Drucksache 17/9435 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

C. Alternativen

Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung des Änderungsantrags der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN oder unveränderte Annahme oder Ableh-
nung des Gesetzentwurfs.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Das Gesetz hat keine Auswirkungen auf den Haushalt.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Es werden keine Vorgaben oder Informationspflichten für Bürgerinnen und
Bürger eingeführt, verändert oder abgeschafft.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Es werden keine Vorgaben oder Informationspflichten für Unternehmen einge-
führt, verändert oder abgeschafft.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Es entsteht kein nennenswerter Erfüllungsaufwand für die Verwaltung.

F. Weitere Kosten

Das Gesetz führt nicht zu zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft einschließlich
der mittelständischen Unternehmen. Durch die vorgesehenen Maßnahmen sind
Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Ver-
braucherpreisniveau, nicht zu erwarten.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9435

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/9145 mit folgenden Maßgaben, im Übri-
gen unverändert anzunehmen:

1. In der Überschrift wird vor dem Wort „Gesetzes“ das Wort „Zweiten“ einge-
fügt.

2. Artikel 1 wird wie folgt geändert:

a) Im Eingangssatz werden die Wörter „durch […] geändert“ durch die Wör-
ter „durch Artikel 1 des Gesetzes vom 9. Oktober 2011 (BGBl. I S. 1992)
geändert“ ersetzt.

b) Nummer 1 wird wie folgt geändert:

aa) In Buchstabe a werden nach den Wörtern „Änderung ihrer Instrumen-
te“ die Wörter „und Bedingungen“ eingefügt.

bb) In Buchstabe e werden in Absatz 3 Satz 2 die Wörter „persönlich und“
durch die Wörter „mit der Mehrheit seiner Mitglieder“ ersetzt und in
Satz 5 wird das Wort „war“ durch das Wort „wahr“ ersetzt.

c) Nummer 2 Buchstabe d Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„§ 70 der Geschäftsordnung gilt entsprechend, wobei das Verlangen eines
Viertels der Mitglieder des Haushaltsauschusses von mindestens zwei
Fraktionen im Ausschuss unterstützt werden muss.“

Berlin, den 25. April 2012

Der Haushaltsausschuss

Petra Merkel (Berlin)
Vorsitzende

Norbert Barthle
Berichterstatter

Carsten Schneider (Erfurt)
Berichterstatter

Otto Fricke
Berichterstatter

Dr. Dietmar Bartsch
Berichterstatter

Priska Hinz (Herborn)
Berichterstatterin

sache 17(8)4396(neu). als verfassungskonform bewertet worden.
Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf auf Drucksache
17/9145 in seiner 72. Sitzung am 25. April 2012 beraten
und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die

Das Sondergremium müsse sowohl die Mehrheitsverhält-
nisse im Bundestag abbilden als auch dem Grundsatz der
Spiegelbildlichkeit entsprechen. Das Sondergremium werde
zudem über eine geheime Wahl mit der Mehrheit der im
Drucksache 17/9435 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Norbert Barthle, Carsten Schneider (Erfurt), Otto Fricke,
Dr. Dietmar Bartsch und Priska Hinz (Herborn)

A. Allgemeiner Teil

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 17/9145 in seiner 172. Sitzung am 29. März 2012 be-
raten und zur federführenden Beratung überwiesen an den
Haushaltsausschuss, zur Mitberatung an den Ausschuss für
Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, den Innen-
ausschuss, den Rechtsausschuss, den Finanzausschuss, den
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie und den Aus-
schuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Mit Artikel 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs werden § 3
Absatz 2 und 3, § 4 Absatz 2 und 3 sowie § 5 Absatz 7 des
Stabilisierungsmechanismusgesetzes geändert sowie § 3 Ab-
satz 2 Nummer 5 und § 4 Absatz 5 angefügt, um den Vorga-
ben zu entsprechen, die das Bundesverfassungsgericht in sei-
nem Urteil vom 28. Februar 2012 (Az.: 1 BvE 8/11) gemacht
hat.

Die Liste der Fälle, in denen die haushaltspolitische Ge-
samtverantwortung des Deutschen Bundestages insbeson-
dere berührt ist, wird erweitert und präzisiert.

Die Zuständigkeit des Sondergremiums wird auf die nach
dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zulässigen Fälle
begrenzt, also die Fälle, in denen die Europäische Finanz-
stabilisierungsfazilität (EFSF) am Sekundärmarkt Ankäufe
von Staatsanleihen tätigen will. Widerspricht das Gremium
in diesen Fällen mehrheitlich der Annahme der besonderen
Vertraulichkeit, entscheidet der Deutsche Bundestag.

Hinsichtlich der Zusammensetzung des Gremiums wird
klargestellt, dass sowohl die Mehrheitsverhältnisse im Bun-
destag abzubilden sind als auch der Grundsatz der Spiegel-
bildlichkeit eingehalten werden muss. Die geheime Wahl
der Mitglieder und der nun ebenfalls vorgesehenen Stellver-
treter stärkt deren parlamentarische Legitimation.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/
9145 in seiner 39. Sitzung am 25. April 2012 beraten und
empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Annahme des Ge-
setzentwurfs in der Fassung des Änderungsantrags der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Ausschussdruck-

Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 17/9145 in seiner 80. Sitzung am 25. April 2012 bera-
ten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Annahme des
Gesetzentwurfs in der Fassung des Änderungsantrags der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Ausschuss-
drucksache 17(8)4396(neu).

Der Finanzausschuss hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 17/9145 in seiner 85. Sitzung am 25. April 2012 bera-
ten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Annahme des
Gesetzentwurfs.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat den
Gesetzentwurf auf Drucksache 17/9145 in seiner 67. Sit-
zung am 25. April 2012 beraten und empfiehlt mit den
Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. die Annahme des Gesetzentwurfs.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/9145 in
seiner 64. Sitzung am 25. April 2012 beraten und empfiehlt
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. die Annahme des Gesetzentwurfs in der Fas-
sung des Änderungsantrags der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP auf Ausschussdrucksache 17(21)1032(neu).

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Haushaltsausschuss hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 17/9145 auf seiner 87. Sitzung am 25. April 2012 be-
raten.

Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP erklärten, aus
ihrer Sicht würden mit dem Gesetzentwurf die Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 28. Februar 2012
deutlich erfüllt. Die Zuweisung sämtlicher Entscheidungs-
befugnisse für die Vereinbarung neuer Hilfsprogramme mit
Ausnahme der Entscheidung über Sekundärmarktaktivitäten
an das Plenum des Deutschen Bundestages werde ein Maxi-
mum an parlamentarischer Mitbestimmung gewährleisten.
Die Zuweisung von Entscheidungen an das Sondergremium
in Fällen von Sekundärmarktaktivitäten der EFSF, die regel-
mäßig einer besonders vertraulichen Behandlung bedürften,
sei im Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. die Annahme des Ge-
setzentwurfs.

Bundestag vertretenen Abgeordneten in besonderer Weise
zusätzlich legitimiert. Auch die Wahl von stellvertretenden

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9435

Mitgliedern des Sondergremiums erhöhe seine Legitimation
und Beschlussfähigkeit.

Das Plenum des Deutschen Bundestages werde fortan auch
über Änderungen einer Vereinbarung über eine Notmaß-
nahme zu entscheiden haben, wenn diese nicht mit der Er-
höhung des deutschen Gewährleistungsrahmens in Verbin-
dung stehe. Auch eine Änderung des Rahmenvertrags oder
die Annahme oder wesentliche Änderung der Leitlinien der
Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität bedürften nun
der vorherigen Zustimmung des Plenums. Ferner sei die
Möglichkeit geschaffen worden, im Haushaltsausschuss
eine Anhörung zu Anträgen und Vorlagen der Bundesregie-
rung durchzuführen. Dieses Recht habe bisher bei solchen
Anträgen und Vorlagen nicht bestanden.

Insgesamt würden durch das vorliegende Änderungsgesetz
die Rechte der Mitglieder des Deutschen Bundestages nach
dem Stabilisierungsmechanismusgesetz gestärkt und an die
Vorgaben des Verfassungsgerichts angepasst.

Die Fraktion der SPD betonte, sie begrüße den nunmehr
interfraktionellen Gesetzentwurf, der die Vorgaben der Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar
2012 rasch umsetze. Sie habe bereits im Rahmen der Bera-
tungen des Haushaltsausschusses zur vorhergehenden
Novelle des Stabilisierungsmechanismusgesetzes deutliche
verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, die die Koalition
damals nicht habe aufgreifen wollen. Die Eile und Bera-
tungsresistenz, die die Koalition im Rahmen der Ausschuss-
beratungen gezeigt habe, habe letztlich zu dem Verfahren
vor dem Bundesverfassungsgericht geführt und eine verfas-
sungsgemäße Mitwirkungs- und Entscheidungsfähigkeit des
Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der EFSF ver-
zögert. Vor allem die Kurzfristigkeit des Koalitionsvor-
schlags zur Ausgestaltung der parlamentarischen Mitwir-
kungsrechte habe wenig Zeit gelassen, die Substantiiertheit
und die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hinreichend zu
prüfen und zu erörtern. Auch die Verweigerung einer kurz-
fristigen Anhörung und zumindest die Möglichkeit, in dem
Fachgespräch, das ersatzweise geführt wurde, dort vorge-
brachten Bedenken durch eine vertiefte Diskussion Rech-
nung zu tragen, habe zu dem Scheitern des Koalitionsent-
wurfs in Karlsruhe geführt. Vor allem für das von der Koali-
tion geforderte Eilverfahren habe bis heute weder in der
mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsge-
richt noch in den parlamentarischen Beratungen ein einziger
Beispielfall benannt werden können.

Die Fraktion der SPD begrüßte ausdrücklich, dass die Koa-
lition diesen Kurs nach ihrem Scheitern in Karlsruhe nun
aufgegeben habe und eine interfraktionelle Einigung erzielt
worden sei. So sei es gelungen, das durch die Koalitions-
berichterstatter erneut angestrebte Eilverfahren, das wieder
verfassungsrechtliche Bedenken aufgeworfen hätte, zu ver-
hindern. Mit diesem Gesetzentwurf würden die Mitwir-
kungsrechte des Deutschen Bundestages nun deutlich ge-
stärkt, da sämtliche Entscheidungsbefugnisse für die Ver-
einbarung neuer Hilfsprogramme mit Ausnahme der Ent-
scheidung über Sekundärmarktaktivitäten im Plenum zu
treffen seien. Für den vorübergehenden Rettungsschirm der
EFSF sei dies die erforderliche, aber auch gebotene Art der
Mitwirkung, um die haushaltspolitische Gesamtverantwor-

desverfassungsgerichtes nur auf die Fälle von Sekundär-
marktaktivitäten der EFSF begrenzt. Dies habe die Fraktion
der SPD bereits in der ersten Gesetzesberatung beantragt.
Weiter sei es gelungen, auch die Mitwirkungsrechte bei
Kontrolle und Vollzug von Hilfsmaßnahmen zu verbessern
und die Berichtspflichten der Bundesregierung zu konkre-
tisieren. So gewährleiste insbesondere das neu eingefügte
Anhörungsrecht, zu schwierigen Entscheidungen sachliche
Expertise einzuholen, sofern dies zeitlich möglich sei und
den Erfordernissen von § 2 StabMechG entspreche.

Nach Ansicht der Fraktion der SPD bestehen gegen den
vorliegenden Gesetzentwurf keine verfassungsrechtlichen
Bedenken. Eine weitergehende Mitwirkung als eine umfas-
sende Entscheidungsbefugnis des Plenums sei im Übrigen
nicht regelbar. Daher sei es geboten, diesen Gesetzentwurf
zügig umzusetzen.

Die Fraktion DIE LINKE. verwies auf das Urteil des Bun-
desverfassungsgerichts vom 28. Februar 2012, in dem sich
das Gericht mit der Kontrolle des befristeten sogenannten
Rettungsschirms EFSF befasst habe. Das gegen die Stim-
men der Fraktion DIE LINKE. vom Bundestag beschlos-
sene neunköpfige Sondergremium, das in geheimer Sitzung
angeblich eilbedürftige Entscheidungen treffen sollte, ver-
stoße laut Urteil gegen die Beteiligungsrechte der Bundes-
tagsabgeordneten, die nicht Mitglied des Sondergremiums
seien. Nur in Ausnahmefällen, die besondere Vertraulichkeit
erforderten, sei aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts
eine Entscheidung durch ein Sondergremium gerechtfertigt.
Ein solcher Ausnahmefall sei der Ankauf auf dem Sekun-
därmarkt gehandelter, also bereits umlaufender, Staatsanlei-
hen durch die EFSF.

Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE. stellt der Gesetz-
entwurf gegenüber der bisherigen Rechtslage eine Verbesse-
rung der Beteiligung des Bundestages an sogenannten Ret-
tungsmaßnahmen durch die EFSF und künftig den Euro-
päischen Stabilitätsmechanismus (ESM) dar. Der Gesetz-
entwurf gehe jedoch nicht weit genug. Entscheidungen im
Zusammenhang mit der EFSF und künftig dem ESM sollten
durch den gesamten Bundestag getroffen werden. Für Fälle
besonderer Vertraulichkeit sehe das Grundgesetz in Artikel
42 Absatz 1 Satz 2 ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass
das Plenum des Bundestages in geschlossener Sitzung tage
und beschließe. Da bereits über den Antrag auf Ausschluss
der Öffentlichkeit in nichtöffentlicher Sitzung verhandelt
werde, könne bereits in diesem Stadium der Befassung die
unter Umständen erforderliche Vertraulichkeit gewahrt blei-
ben. Für eine Entscheidung durch ein verkleinertes Gre-
mium – sei es durch den Haushaltsausschuss oder durch ein
Sondergremium – bestehe daher weder eine rechtliche noch
eine praktische Notwendigkeit.

Der Gesetzentwurf wäre für die Fraktion DIE LINKE. al-
lenfalls dann zustimmungsfähig gewesen, wenn er vorgese-
hen hätte, dass jedes Mitglied des Sondergremiums der An-
nahme der besonderen Vertraulichkeit hätte widersprechen
können und auch für den Haushaltsausschuss die Möglich-
keit vorgesehen worden wäre, dass bei Widerspruch einer
Fraktion oder von mindestens 5 Prozent seiner Mitglieder
das Plenum hätte beschließen müssen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßte die

tung wahrzunehmen. Die Entscheidungsbefugnis des Son-
dergremiums werde nun entsprechend dem Urteil des Bun-

Änderung des Stabilisierungsmechanismusgesetzes, die auf
die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den

Drucksache 17/9435 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beteiligungsrechten des Bundestages im Rahmen des Ret-
tungsschirms EFSF vom 28. Februar 2012 zurückgehe. Da-
mit komme der Bundestag den Aufforderungen des Bundes-
verfassungsgerichts nach und stelle somit die Verfassungs-
mäßigkeit des Gesetzes her.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN habe bei der
Verabschiedung der ersten Novelle des Stabilisierungsme-
chanismusgesetzes die Eile und Hektik der Beratungen be-
klagt. Statt einer Anhörung habe lediglich ein spontan ange-
setztes, informelles Fachgespräch stattgefunden. Auch jetzt
beklage man die erneute Eile des Vorgehens bei der Verab-
schiedung des Gesetzes zur Änderung des Stabilisierungs-
mechanismusgesetzes. Für den 7. Mai 2012 sei eine Anhö-
rung zum Fiskalvertrag und zum Europäischen Stabilisie-
rungsmechanismus ESM geplant. Es spräche viel dafür, die
Änderung des Stabilisierungsmechanismusgesetzes auch
dort zum Gegenstand der Befragung und Beratung zu ma-
chen, um keine erneute Klage vor dem Bundesverfassungs-
gericht zu riskieren. Warum die Koalitionsfraktionen der
CDU/CSU und FDP und die Fraktion der SPD sich gegen
diesen Weg entschieden hätten, bleibe unverständlich.

Der vorliegende Gesetzentwurf reagiere auf die Anforde-
rungen des Bundesverfassungsgerichts und verbessere so-
mit die Beteiligungsrechte des Bundestages. Es würden zu-
sätzlich mehr Angelegenheiten im Plenum und weniger im
Haushaltsausschuss behandelt. Dazu gehöre beispielsweise
eine Änderung der Leitlinien der EFSF-Instrumente. Die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüße, dass die
Koalitionsfraktionen in den Verhandlungen über den inter-
fraktionellen Antrag auf Drängen der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN von einer Eilfallregelung Abstand ge-
nommen habe. Man habe keinen Spielraum gesehen, der
eine Delegation der Entscheidungsbefugnis vom Plenum
auf das Sondergremium mit einer besonderen Eilbedürftig-
keit hätte rechtfertigen können.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gebe zu beden-
ken, dass es neben der Stärkung der Rechte des Deutschen
Bundestages auch immer mit zu beachten gelte, dass ein
Rettungsschirm verlässlich und effizient arbeiten müsse.
Ansonsten könne er seinem Auftrag nicht gerecht werden.

Den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP lehne man hinsichtlich des Minderheitenrechts auf
die Durchführung einer Anhörung ab. Da man das Minder-
heitenrecht stärken wolle, wolle man die zwei Bedingungen
für eine Anhörung, nämlich das Verlangen eines Viertels der
Ausschussmitglieder und zweier Fraktionen, alternativ und
nicht kumulativ stellen. Man bringe deshalb zu diesem
Punkt folgenden Änderungsantrag ein (Ausschussdruck-
sache 17(8)4397):

Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe d Satz 2 wird wie folgt ge-
fasst:

„§ 70 der Geschäftsordnung gilt entsprechend, wobei das
Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Haushaltsaus-
schusses oder mindestens zweier Fraktionen im Ausschuss
unterstützt werden muss.“

Diesen Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN auf Ausschussdrucksache 17(8)4397 lehnte der

DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen SPD
und DIE LINKE. ab.

Den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP auf Ausschussdrucksache 17(8)4396(neu) nahm der
Ausschuss dagegen mehrheitlich an. Für den Antrag stimm-
ten die antragstellenden Fraktionen der CDU/CSU, SPD und
FDP, gegen den Antrag stimmte die Fraktion DIE LINKE.,
der Stimme enthielt sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

Sodann beschloss der Haushaltsausschuss mit den Stimmen
der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE., dem Deutschen Bundestag die Annahme des Ge-
setzentwurfs auf Drucksache 17/9145 in geänderter Fassung
zu empfehlen.

B. Besonderer Teil
Zur Begründung der einzelnen Vorschriften wird – soweit
sie im Verlauf der Ausschussberatungen nicht geändert wur-
den – auf den Gesetzentwurf verwiesen. Die vom Haus-
haltsausschuss empfohlenen Änderungen werden wie folgt
begründet:

Zu Nummer 1 (Überschrift des Änderungsgesetzes)

Die Einfügung der Ordnungszahl dient der Unterscheidung
von der vorhergehenden Einzelnovelle.

Zu Nummer 2

Zu Buchstabe a (Eingangssatz des Änderungsgesetzes)

Da keine parallel laufenden Änderungsvorhaben bekannt
sind, kann der Änderungshinweis auf das letzte verkündete
Änderungsgesetz vollständig ausgefüllt werden.

Zu Buchstabe b

Zu Doppelbuchstabe aa (§ 3 Absatz 2 Nummer 2
StabMechG)

Es werden die Wörter „und Bedingungen“ eingefügt, da
auch eine inhaltliche Änderung der Bedingungen, die die
haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen
Bundestages berührt, unter den Zustimmungsvorbehalt des
Plenums fallen soll.

Zu Doppelbuchstabe bb (§ 3 Absatz 3 StabMechG)

Es werden die Wörter „persönlich und“ gestrichen, da die
Vorgabe einer persönlichen Wahl keine über das für Wahlen
im Deutschen Bundestag geltende Recht hinausgehende
Wirkung entfalten kann. Insbesondere ist durch Anordnung
einer geheimen Wahl gemäß § 49 GO-BT sichergestellt,
dass der Wähler eine Wahlentscheidung zu jeder einzelnen
Person treffen kann. Es wird zusätzlich klargestellt, dass das
Sondergremium mit der Mehrheit der Mitglieder des Deut-
schen Bundestages gewählt werden muss. Im Übrigen wird
ein Rechtschreibfehler korrigiert.

Zu Buchstabe c (§ 4 Absatz 5 StabMechG)
Ausschuss mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/

Mit der Formulierung wird klargestellt, dass das Tatbe-
standsmerkmal „Antragstellung von zwei Fraktionen“ zu

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/9435

dem geschäftsordnungsrechtlichen Erfordernis, dass min-
destens ein Viertel der Mitglieder des Haushaltsausschusses
den Antrag auf Durchführung einer Öffentlichen Anhörung
stellt, hinzutritt.

Berlin, den 25. April 2012

Norbert Barthle
Berichterstatter

Carsten Schneider (Erfurt)
Berichterstatter

Otto Fricke
Berichterstatter

Dr. Dietmar Bartsch
Berichterstatter

Priska Hinz (Herborn)
Berichterstatterin

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.