BT-Drucksache 17/9402

Neuregelung des Sorgerechts für nicht miteinander verheiratete Eltern

Vom 24. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9402
17. Wahlperiode 24. 04. 2012

Antrag
der Abgeordneten Jörn Wunderlich, Dr. Diether Dehm, Heidrun Dittrich,
Werner Dreibus, Klaus Ernst, Nicole Gohlke, Harald Koch, Jan Korte,
Ralph Lenkert, Wolfgang Neskovic, Jens Petermann, Raju Sharma, Sabine Stüber,
Frank Tempel, Halina Wawzyniak, Harald Weinberg und der Fraktion DIE LINKE.

Neuregelung des Sorgerechts für nicht miteinander verheiratete Eltern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Das Kindeswohl als Leitmotiv des gesamten Kindschaftsrechts bleibt Maß-
stab für eine gesetzliche Neugestaltung des Sorgerechts für nicht miteinan-
der verheiratete Eltern. Vor diesem Hintergrund ist es für den Gesetzgeber
geboten, die Eltern bei der konkreten Ausgestaltung des Sorgerechts zu un-
terstützen.

2. Die Sorgebereitschaft und die Fähigkeit zur tatsächlichen Übernahme der el-
terlichen Verantwortung sind nicht abhängig vom familienrechtlichen Status
der Eltern. Bei der Neugestaltung des Sorgerechts sind daher die bisher be-
stehenden unterschiedlichen Rechte nicht verheirateter und verheirateter Vä-
ter so weit wie möglich anzugleichen.

3. Eine einvernehmliche Regelung des Sorgerechts zwischen den Eltern ist die
erstrebenswerteste Lösung für Kind und Eltern. Die Neugestaltung des Sor-
gerechts für nichtverheiratete Eltern sollte deshalb die einvernehmliche Aus-
gestaltung der Elternverantwortung unterstützen und stärken und für nicht
einvernehmliche Situationen diskriminierungsfreie Lösungswege festlegen.

4. Unabhängig vom eherechtlichen Status entsteht ein Großteil der Sorgestrei-
tigkeiten nicht während der Partnerschaft sondern nach deren Ende bzw.
während der Trennung. Es ist also nicht nur zu regeln, unter welchen Bedin-
gungen gemeinsames oder alleiniges Sorgerecht entsteht, sondern auch wie
es zu einem späteren Zeitpunkt an geänderte Rahmenbedingungen und Le-
bensentwürfe angepasst werden kann.

5. Die geltenden Regelungen zum Sorgerecht orientieren sich an der klassi-
schen Ehe. Regenbogen- und Patchworkfamilien sind nicht vorgesehen. Da-
bei übernehmen in Deutschland tagtäglich Menschen die sorgende Verant-
wortung für Kinder, unabhängig von einer biologischen Elternschaft oder
formalen Sorgerechtsregelungen. Ein modernes Sorgerecht muss diese geän-

derten Familienverhältnisse berücksichtigen. Eine tiefgreifende Reform des
gesamten Kindschaftsrechts ist dafür notwendig. Dies geht jedoch weit über
die unmittelbare Handlungsnotwendigkeit hinaus und bedarf einer eingehen-
den Diskussion, gerade auch im Interesse des Kindes.

Drucksache 17/9402 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sich an folgenden Kriterien orientiert:

1. Eltern erhalten, unabhängig von ihrem eherechtlichen Status, mit der Aner-
kennung der Vaterschaft ein gemeinsames Sorgerecht, sofern der Vater die
Übernahme der gemeinsamen Sorge erklärt. Dieses gemeinsame Sorgerecht
hat auch bei späterer Trennung der Eltern Bestand.

2. Sind sich beide Elternteile darüber einig, dass kein gemeinsames Sorgerecht
entstehen soll und sind sie sich über die Alleinsorge einig, entsteht die
Alleinsorge der Mutter oder des Vaters durch gemeinsame Willenserklärung
der Eltern gegenüber dem Jugendamt.

3. Will ein Elternteil das alleinige Sorgerecht gegen den Willen des anderen
Elterteils erreichen, kann dies bei der Vaterschaftsanerkennung ebenfalls ge-
genüber dem Jugendamt erklärt werden. Das Jugendamt ist von Amts wegen
verpflichtet, beide Eltern über die Möglichkeit des gemeinsamen, des allei-
nigen Sorgerechts sowie über die davon unabhängigen Rechte des Kindes
auf Umgang und Unterhalt zu informieren.

4. Können sich die Eltern nicht auf ein gemeinsames oder alleiniges Sorgerecht
einigen, ist das Jugendamt verpflichtet, ein Mediationsverfahren anzubieten.
Findet dieses nicht statt oder führt es zu keinem Erfolg, steht der Rechtsweg
offen.

Berlin, den 24. April 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

1. Die tatsächliche Übernahme elterlicher Verantwortung ist der Wesensgehalt
des elterlichen Sorgerechts in der Bundesrepublik Deutschland. Das Sorge-
recht umfasst, insbesondere vor dem Hintergrund der UN-Kinderrechtskon-
vention, das Recht des Kindes auf Sorge der Eltern und das Recht und die
Verpflichtung der Eltern, Verantwortung für das Kindeswohl zu übernehmen.
Eltern sollten deshalb das gemeinsame Sorgerecht unabhängig von ihrem
familienrechtlichen Status immer dann wahrnehmen können, wenn sie es
wünschen und können, sofern das Kindeswohl dem nicht entgegensteht.

2. In welchem Umfang Eltern zur Übernahme der elterlichen Verantwortung
bereit und in der Lage sind, hängt nicht mit ihrem familienrechtlichen Status
zusammen: Mütter und Väter verhalten sich gegenüber ihren Kindern ver-
antwortlich oder nicht – ob sie verheiratet, verpartnert oder nicht in einer in-
stitutionellen Form zusammen- oder getrennt leben.

3. Das geltende Recht diskriminiert nichtverheiratete Väter, die wirkliche Ver-
antwortung für ihre Kinder übernehmen wollen und können.

Die mit dem vorliegenden Antrag vorgeschlagenen Regelungen beseitigen
dieses Dilemma, indem sie nichtverheiratete und verheiratete Väter weitge-
hend gleichstellen und beiden Elternteilen unbürokratisch das gemeinsame
oder alleinige Sorgerecht ermöglichen.

Die vorgeschlagenen Regelungen folgen auch den Empfehlungen des Bun-
desverfassungsgerichts, das Sorgerecht frühzeitig beiden Elternteilen zu
übertragen mit der Möglichkeit einer entsprechenden Kontrolle durch beide

Elternteile.

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