BT-Drucksache 17/94

Verbesserung der ambulanten Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugendlicher durch eine Mindestquote - Umsetzung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der GKV durch den Gemeinsamen Bundesausschuss

Vom 27. November 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/94
17. Wahlperiode 27. 11. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg,
Dr. Harald Terpe, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, Markus Kurth,
Beate Müller-Gemmeke, Lisa Paus und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verbesserung der ambulanten Versorgung psychisch kranker Kinder und Jugend-
licher durch eine Mindestquote – Umsetzung des Gesetzes zur Weiterentwicklung
der Organisationsstrukturen in der GKV durch den Gemeinsamen Bundes-
ausschuss

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der ge-
setzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) wurde eine 20 Prozent-Min-
destquote für die ambulante psychotherapeutische Versorgung von Kindern und
Jugendlichen eingeführt, die seit 1. Januar 2009 in Kraft ist. Ziel war, die psycho-
therapeutische Versorgungssituation für Kinder und Jugendliche rasch und flä-
chendeckend zu verbessern, persönliches Leid bei den Betroffenen sowie volks-
wirtschaftliche Kosten zu vermeiden.

Mit der Änderung des § 101 Absatz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
(SGB V) wurde der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beauftragt, die 20 Pro-
zent-Mindestquote für Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die ausschließ-
lich Kinder und Jugendliche behandeln, in der Bedarfsplanungs-Richtlinie umzu-
setzen. Der Beschluss des G-BA erfolgte am 18. Juni 2009. Das Bundesministe-
rium für Gesundheit (BMG) unterbrach im August 2009 die Beanstandungsfrist
und stellte Fragen zur Definition der Leistungserbringer, der 10-Prozent-Über-
gangsregelung sowie der Entscheidungssperre von sechs Monaten. Das BMG hat
die Regelungen letztlich nicht beanstandet. Die überarbeitete Bedarfsplanungs-
Richtlinie ist am 18. November 2009 in Kraft getreten.

Die geänderte Bedarfsplanungs-Richtlinie schreibt vor, dass Psychotherapeutin-
nen und -therapeuten mit Doppelzulassung (für Erwachsene sowie Kinder und
Jugendliche) mit dem Faktor 0,5 auf die Erfüllung der Quote anzurechnen sind,
unabhängig davon, in welchem Umfang sie Kinder und Jugendliche behandeln.
Der G-BA hat entschieden, die Vorgabe des Gesetzgebers nicht direkt sondern
schrittweise umzusetzen: Planungsbereiche im Bezirk einer Kassenärztlichen
Vereinigung mit einem Versorgungsanteil über 10 Prozent bleiben so lange
gesperrt, bis in jedem Planungsbereich ein Mindestversorgungsanteil von 10 Pro-
zent erreicht worden ist. Die Bundespsychotherapeutenkammer geht davon aus,

dass diese Regelung die bestehende ungleiche Versorgung zwischen Stadt und
Land verstärkt. So blieben z. B. in der KV Nordrhein ca. 90 Prozent der etwa 170
zusätzlichen Kassensitze so lange gesperrt, bis in den Städten Bonn, Düsseldorf,
Krefeld, Leverkusen und Mönchengladbach zusammen 17 Niederlassungen
erfolgten.

Der Erweiterte Bewertungsausschuss hat am 2. September 2009 für 2010 zusätz-
liche Mittel in Höhe von 40 Mio. Euro für die Versorgung psychisch kranker

Drucksache 17/94 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Menschen beschlossen. Diese dienen sowohl der Umsetzung der neuen gesetz-
lichen Mindestquote für die ambulante psychotherapeutische Versorgung von
Kindern und Jugendlichen, als auch der veränderten Versorgung durch Teilzulas-
sungen, die ebenfalls mit dem GKV-OrgWG geschaffen wurde.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die vom G-BA eingeführten Übergangs-
regelungen, die eine rasche Verbesserung der Versorgung, wie vom Gesetz-
geber gewünscht, deutlich erschwert?

2. a) In welchem Umfang sind in den Kassenärztlichen Vereinigungen (wenn
möglich unterteilt nach Planungsbereichen) Psychotherapeutinnen und
- therapeuten mit Doppelzulassung (für Erwachsene sowie Kinder und
Jugendliche) zugelassen?

b) Falls es große Unterschiede bei der Zahl der Doppelzulassungen zwischen
den Kassenärztlichen Vereinigungen gibt, wie erklärt sich die Bundes-
regierung diese?

3. In welchem Umfang versorgen doppelt zugelassene Psychotherapeutinnen
und -therapeuten Kinder und Jugendliche?

4. a) Wie bewertet die Bundesregierung angesichts der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (u. a. Urteil vom 26. Januar 2000, B 6 KA 53/98 R),
wonach Vertragsärztinnen und -ärzte mit Zulassungen in zwei Fachgebie-
ten nicht zur Übernahme eines jeweils hälftigen Versorgungsauftrages für
jedes Fachgebiet verpflichtet werden dürfen, die Regelung des G-BA,
Psychotherapeutinnen und -therapeuten mit einer Doppelzulassung zur
Behandlung von Erwachsenen sowie Kindern und Jugendlichen, losgelöst
von den von ihnen abgerechneten Fällen, mit dem Faktor 0,5 auf den
Mindestversorgungsanteil zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen
anzurechnen?

b) Warum sieht die Bundesregierung darin keinen Widerspruch zum SGB V,
in dem festgelegt ist, dass in der Bedarfsplanungs-Richtlinie „… sicherzu-
stellen (ist), dass mindestens ein Versorgungsanteil … in Höhe von 20 Pro-
zent der allgemeinen Verhältniszahl der Leistungserbringer nach Satz 1,
die ausschließlich Kinder und Jugendliche psychotherapeutisch betreuen,
vorbehalten ist“ (§ 101 Absatz 4 Satz 5 SGB V)?

5. a) Wie viele Psychotherapeutinnen und -therapeuten könnten bundesweit zu-
sätzlich zur Verbesserung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen
beitragen, wenn bei der Berechnung des Versorgungsanteils, wie im
Gesetz vorgesehen, nur die Leistungserbringerinnen und -erbringer be-
rücksichtigt würden, die ausschließlich Kinder und Jugendliche behandeln?

b) Wie bewertet die Bundesregierung Schätzungen der Bundespsychothera-
peutenkammer, dass aufgrund der 0,5-Regelung bundesweit ca. 200 Nie-
derlassungen verhindert werden?

6. In welchen Planungsbereichen welcher Kassenärztlichen Vereinigungen liegt
der Versorgungsanteil mit Psychotherapeutinnen und - therapeuten, die aus-
schließlich Kinder und Jugendliche behandeln, unter 10 Prozent?

7. a) Worin sieht die Bundesregierung die Ermächtigungsgrundlage für die Re-
gelung des G-BA, wonach der gesetzliche Mindestversorgungsanteil in
Höhe von 20 Prozent solange nicht angewendet werden soll, wie nicht in
allen Planungsbereichen des Bezirks einer Kassenärztlichen Vereinigung
ein Versorgungsanteil von 10 Prozent erreicht wird?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/94

b) Warum sieht die Bundesregierung darin keinen Widerspruch zum SGB V,
in dem festgelegt ist, dass in der Bedarfsplanungs-Richtlinie „… sicherzu-
stellen (ist), dass mindestens ein Versorgungsanteil … in Höhe von 20 Pro-
zent der allgemeinen Verhältniszahl der Leistungserbringer nach Satz 1,
die ausschließlich Kinder und Jugendliche psychotherapeutisch betreuen,
vorbehalten ist“ (§ 101 Absatz 4 Satz 5 SGB V)?

8. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Bundespsychotherapeuten-
kammer, dass die vorgesehene Zehn-Prozent-Quote in der Bedarfsplanung
zunächst vor allem in Städten, in denen bereits heute im Vergleich zum länd-
lichen Raum bis zu neunmal so viele Psychotherapeutinnen und -therapeuten
je 100 000 Einwohner zugelassen sind, zu einer besseren Versorgung führen
wird und gleichzeitig Verbesserungen in ländlichen Gebieten verhindert wer-
den?

9. a) Auf welcher Basis erfolgte im Erweiterten Bewertungsausschuss die
Berechnung der Mittel der zusätzlichen Leistungen für psychisch kranke
Kinder und Jugendliche?

b) Sofern dies auf Grundlage von § 101 Absatz 4 SGB V erfolgte, wie werden
die bereitgestellten, nicht im vollen Umfang für den intendierten Zweck
beanspruchten Mittel verwendet, und wie bewertet die Bundesregierung
dies?

Berlin, den 27. November 2009

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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