BT-Drucksache 17/9169

Einführung eines pauschalierenden psychiatrischen Entgeltsystems zur qualitativen Weiterentwicklung der Versorgung nutzen

Vom 28. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9169
17. Wahlperiode 28. 03. 2012

Antrag
der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender,
Elisabeth Scharfenberg, Kerstin Andreae, Sven-Christian Kindler, Markus Kurth,
Beate Müller-Gemmeke, Lisa Paus, Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Einführung eines pauschalierenden psychiatrischen Entgeltsystems zur
qualitativen Weiterentwicklung der Versorgung nutzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Nach den Regelungen des § 17d des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG)
ist für psychiatrische, psychotherapeutische und psychosomatische Fachkran-
kenhäuser, Abteilungen und Einrichtungen der stationären und teilstationären
Psychiatrie sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie „ein
durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem
auf der Grundlage von tagesbezogenen Entgelten einzuführen“.

Die Einführung eines solchen neuen Vergütungssystems muss für die qualitative
Weiterentwicklung der Versorgung genutzt werden. Die Finanzierung, Organisa-
tion und der Aufbau der Angebotsformen müssen sich mehr als heute am indivi-
duellen Behandlungs- und Unterstützungsbedarf psychisch kranker Menschen
orientieren. Ziel muss ein bedarfsgerechtes, regionales psychiatrisch-psychothe-
rapeutisches und psychosoziales Versorgungssystem sein, das patientenzent-
rierte und lebensweltbezogene Behandlungsformen ermöglicht. Die komple-
mentäre Versorgung soll in partnerschaftlicher Kooperation und Abstimmung
mit anderen Leistungsbereichen ergänzend zum Fünften Buch Sozialgesetzbuch
(SGB V) erbracht werden. Für die psychiatrische und psychosomatische Ver-
sorgung in Deutschland ist primär eine Reform der Strukturen erforderlich und
sekundär eine dafür geeignete Vergütungsreform. Weitgehend schnittstellen-
freie, sektorübergreifende Behandlungsprozesse und eine regional übergeord-
nete, sektorübergreifende Verantwortung für die Versorgung von Patientinnen
und Patienten sollte psychiatriepolitisches Ziel der nächsten Jahre sein. Im Zen-
trum steht die bedarfsgerechte, regionale Pflichtversorgung als ein abgestimm-
tes und verbindliches Zusammenwirken aller an der Versorgung beteiligten
Institutionen und Personen. In Modellprojekten zu psychiatrischen Regional-
budgets u. a. im Kreis Steinburg, Schleswig-Holstein, ist bereits gezeigt worden,
dass sich regionale Pflichtversorgung und vernetzte, flexible und leistungsorien-

tierte Versorgungsstrukturen miteinander vereinbaren lassen.

Modellvorhaben könnten zur Bewältigung dieser Herausforderung beitragen.
Die frühzeitige Umsetzung von Modellvorhaben böte vielen Kliniken die Mög-
lichkeit, ihre Handlungsoptionen zu erweitern und mit der Herausforderung
höherer Fallzahlen neue Versorgungsantworten zu entwickeln.

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Die Verfahrensvorschläge zur Einführung der DRGs (Diagnosebezogene Fall-
gruppen) aus dem somatischen Bereich können nicht nahtlos auf die Psychia-
trie für Erwachsene sowie für Kinder und Jugendliche übertragen werden.

Im Unterschied zur Umstellung der stationären Entgelte im Bereich der Somatik
gibt es für die Einführung eines pauschalierenden Systems im Bereich der psy-
chiatrischen stationären Versorgung weltweit kein anerkanntes Vorbild. Deshalb
sollte der Prozess zur Einführung eines neuen Entgeltsystems im Bereich der
psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosomatischen Versorgung
von Erwachsenen sowie Kindern und Jugendlichen durch eine Expertenkom-
mission fachlich begleitet werden, der auch Sachverständige aus Patienten- und
Angehörigenverbänden und den Bundesländern angehören.

Die Weiterentwicklung des stationären Entgeltsystems darf nicht zur Senkung
der Qualitätsstandards missbraucht werden, das Risiko zunehmender Morbidität
im Bereich der psychischen Erkrankungen darf nicht allein den Leistungserbrin-
gern auferlegt werden. Mit dem Leistungserfassungssystem dürfen keine An-
reize geschaffen werden, das Angebot für Menschen, die auch ambulant versorgt
werden könnten, auszuweiten, um dem hohen Versorgungsbedarf von Patien-
tinnen und Patienten mit schweren Erkrankungen auszuweichen.

Bei der Einführung des neuen Entgeltsystems müssen die Besonderheiten der
Kinder- und Jugendpsychiatrie berücksichtigt werden. Die Versorgungssituation
ist heute regional sehr verschieden und in starkem Maße angewiesen auf die Ein-
beziehung des ambulanten Vertragsarztsystems. Die Fachabteilungen sind oft
sehr klein und umfassen im Durchschnitt nur knapp 30 Betten. Die Bettendichte
ist regional sehr schwankend; der gestiegene Behandlungsbedarf wurde in den
letzten 20 Jahren durch eine Verdichtung der stationären Behandlung aufge-
fangen. Dies führt zu einer sehr hohen Bettenauslastung und temporären Auf-
nahmeengpässen. Die Umstellung auf ein neues Entgeltsystem darf nicht zu
weiteren Verschlechterungen bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen
in der Fläche führen.

Die Regelungen zur Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) sollen für alle
Krankenhäuser bis zum Ende der budgetneutralen Phase erhalten bleiben; ihre
tatsächliche Umsetzung wird transparent gemacht.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

den Entwurf des Gesetzes zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsys-
tems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen (Psych-EntgeltG)
in folgender Weise zu ändern bzw. zu ergänzen:

1. Die Bundesregierung beruft bis zum Juni 2012 eine Expertenkommission,
bestehend aus Sachverständigen unterschiedlicher Träger und Versorgungs-
konstellationen sowie aus Patienten- und Angehörigenvertreterinnen und
- vertretern, ein. Diese Kommission sorgt für eine interessenneutrale und
unabhängige Prozessbegleitung, bewertet die Arbeitsaufträge aus dem Psych-
EntgeltG und gibt Empfehlungen für den weiteren Umsetzungsprozess.

2. Für Modellvorhaben nach Artikel 4 Nummer 2 des Gesetzentwurfs werden
gesetzliche Vorgaben und Qualitätsstandards festgelegt, die eine qualitative
Weiterentwicklung des bestehenden Versorgungssystems und eine Vergleich-
barkeit mit herkömmlichen Versorgungsstrukturen erlauben. Neue Modell-
vorhaben zur Verbesserung der sektorübergreifenden Leistungserbringung
sollen von allen an der Pflegesatzvereinbarung beteiligten Krankenkassen
gemeinsam vereinbart werden, damit die Modellvorhaben nicht auf Ver-
sicherte bestimmter Krankenkassen beschränkt bleiben. Zeitlich begrenzte
Modellvorhaben aufgrund von regionalen Besonderheiten sind auch mit ein-

zelnen Krankenkassen möglich. Es wird sichergestellt, dass nach Ablauf der

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9169

vereinbarten Erprobungszeit erfolgreiche Modellvorhaben in die Regelver-
sorgung überführt und gemeinsam und einheitlich durch alle Krankenkas-
sen finanziert werden können.

3. Den fachspezifischen Anforderungen und regionalen Besonderheiten der
Kinder- und Jugendpsychiatrie wird im Verfahren zur Einführung eines
neuen Entgeltsystems Rechnung getragen. Die Bundesregierung setzt sich
in Zusammenarbeit mit den Bundesländern dafür ein, dass in jedem Bun-
desland ein Modellvorhaben zur kinder- und jugendpsychiatrischen Versor-
gung vereinbart wird. Im Rahmen der Begleitforschung werden Mittel zur
Evaluation der Umstellung im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie
teilweise umgewidmet und gesondert ausgewiesen.

4. Die Personalbemessungsvorgaben zur Psych-PV werden umgesetzt. Alle
Krankenhäuser können bis zum Jahr 2016 eine Vereinbarung nach § 6
Absatz 4 der Bundespflegesatzverordnung je Anwendungsjahr schließen.
Die Bundesregierung führt eine gesetzliche Meldepflicht und eine externe
Kontrolle durch den MDK ein, damit die Umsetzung der Vorgaben nach
Psych-PV transparent wird.

5. Zur Sicherstellung einer flächendeckenden psychiatrischen Versorgung
wird für die Nichtbeteiligung an der regionalen Pflichtversorgung je Be-
rechnungs- und Belegungstag ein Abschlag vereinbart.

6. Dem Deutschen Bundestag und nachrichtlich den Bundesländern wird zum
Jahresende 2015 ein detaillierter Bericht zu den Daten aus den Regelhäu-
sern und den Modellvorhaben vorgelegt; finanz- und versorgungspolitische
Erkenntnisse und Konsequenzen werden aufgezeigt.

7. In Ergänzung zu § 64b SGB V sorgt die Bundesregierung dafür, dass bei
der wissenschaftlichen Auswertung von Modellprojekten nach § 65 SGB V
für Modellvorhaben zur psychiatrischen und psychosomatischen Versor-
gung solche Daten aus der Regelversorgung herangezogen werden, die
einen sinnvollen Vergleich mit den Modellvorhaben ermöglichen.

8. Mehrleistungen aufgrund eines weiterhin steigenden Behandlungsbedarfs
dürfen nicht als Morbiditätsrisiko allein den Einrichtungen aufgebürdet
werden. Der Mehrerlösausgleichssatz wird auf 65 Prozent festgelegt.

9. Um einen Anreiz zum frühzeitigen Umstieg auf das neue Entgeltsystem zu
schaffen, wird für optierende Häuser der Mindererlösausgleich in den
Optionsjahren auf 95 Prozent angehoben; 2017 bis 2021 werden Minder-
erlöse zu 40 Prozent ausgeglichen.

10. Die Entwicklung der Personal- und Sachkosten soll bei der jährlichen Fort-
schreibung der Leistungsentgelte berücksichtigt werden. Hierzu ist in An-
lehnung an § 10 Absatz 6 des Krankenhausentgeltgesetzes ein Orientie-
rungswert zu entwickeln.

Berlin, den 27. März 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Drucksache 17/9169 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

Die Entwicklung und Einführung eines Psych-Entgeltsystems müssen schritt-
weise und im Rahmen eines lernenden Systems erfolgen. Deshalb ist es richtig,
für den Übergang in ein neues System mit einer langen budgetneutralen Phase
zu starten und in einer anschließenden Konvergenzphase die heute unterschied-
lich leistungsgerechten landesbezogenen Krankenhausbudgets einander anzu-
gleichen.

Die Entwicklung von Regelungen im PsychEntgeltG beschränkt sich in großen
Teilen auf die finanztechnische Analogie zum DRG-System und wird ergänzt
um eine Öffnungsklausel, die Modellvorhaben zur sektorübergreifenden Ver-
sorgung erlaubt. Der transparente Systemvergleich wird aber mit dem Kabi-
nettsentwurf nicht unterstützt, weil ein systematischer Vergleich zwischen der
Regelversorgung und sektorübergreifenden Ansätzen nicht vorgesehen ist.

Wie in der Somatik setzen pauschalierte Abrechnungssysteme Anreize für Fall-
steigerungen. Die Konstruktion von Abschlägen, um Mengenausweitungen zu
verhindern, wird nur zur Senkung der Fallpauschalen führen, jedoch nicht dazu
beitragen, die Defizite in der ambulanten Versorgung auszugleichen oder die
unzureichende Kooperation zwischen den Versorgungssektoren zu verbessern.

Die 1991 eingeführte Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) hat erstmalig
einen verbindlichen Rahmen für eine angemessene berufsübergreifende Personal-
ausstattung in den psychiatrischen Krankenhäusern geschaffen. Wurde diese
Norm in den ersten Jahren im Vollzug beachtet, mehren sich in den letzten Jah-
ren die Anzeichen dafür, dass die Regelungen nunmehr flächendeckend nicht
umgesetzt werden. Dies betrifft sowohl die Realisierung der Stellenbesetzung
als auch des Rechtsanspruchs auf eine angemessene Honorierung der Teilnahme
an der Pflichtversorgung. Genaue Daten liegen dazu jedoch weder den Kranken-
kassen noch der Bundesregierung vor. Vor der Einführung eines neuen Ent-
geltsystems muss sichergestellt werden, dass die Anforderungen der Psych-PV
und die daraus resultierende Personalausstattung in allen psychiatrischen Kran-
kenhäusern erfüllt sind. Außerdem ist Transparenz über die Umsetzung der
Psych-PV herzustellen.

Zu Nummer 1

Die Einführung eines neuen Entgeltsystems für die psychiatrische, psychothe-
rapeutische und psychosomatische Versorgung von Erwachsenen und Kindern
und Jugendlichen wird am ehesten gelingen, wenn auf eine breite Unterstüt-
zung gesetzt wird. Der methodisch-technische und gesundheitsökonomische
Sachverstand wird ergänzt um trialogische Elemente, die sich in der Psychiatrie
als innovativ bewährt haben. Eine Expertenkommission jenseits der beteiligten
Selbstverwaltungspartner sollte zügig noch bis Mitte 2012 durch die Bundes-
regierung einberufen werden.

Zu Nummer 2

Sektorübergreifende Modellvorhaben können erheblich zur besseren Vernet-
zung zwischen stationärer, teilstationärer, der ambulanten und komplementären
Versorgung beitragen. Allerdings sollte die Einführung eines transparenten und
leistungsorientierten Vergütungssystems auch dazu genutzt werden, um auch bei
Modellvorhaben das Fachgebiet entsprechend seinen Besonderheiten qualitativ
weiterzuentwickeln. Dazu gehört die Stützung von Pflichtversorgungsaufträgen
in den Regionen, die hochwertige Angebote für alle Patientengruppen sektor-
und settingübergreifend machen. Verträge nur mit einzelnen Krankenkassen
oder zu einzelnen Diagnosegruppen tragen nicht nachhaltig zur Erreichung

dieses Zieles bei. Für sektorübergreifende Modellvorhaben werden folgende
Standards festgelegt: Alle psychiatrischen, psychotherapeutischen und psycho-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9169

somatischen Patientengruppen werden in das Versorgungsangebot einbezogen.
Personaleinsatz und Professionsmix orientieren sich an den Merkmalen der Psy-
chiatrie-Personalverordnung und sind insbesondere professionsübergreifend.
Die Modellvorhaben sind zu verpflichten, zu den Leistungsmerkmalen der Ver-
sorgung Daten an die Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK)
GmbH und die Bundesländer zu übermitteln. Die Qualität der Daten soll eine
Vergleichbarkeit mit der Regelversorgung erlauben. Daten aus den Modellvor-
haben fließen aber laut PsychEntgeltG nicht in die Datengrundlage vor Eintritt
in die Konvergenzphase ein, es werden nur die Regelhäuser berücksichtigt. Dies
ist zu korrigieren, damit die Weiterentwicklung im Versorgungsgebiet bei der
Einführung des neuen Psych-Entgeltsystems berücksichtigt wird.

Da Modellvorhaben dazu geeignet sind, Versorgungslücken z. B. für einzelne
Patientengruppen zu schließen, wollen wir Modellprojekte einzelner Kranken-
kassen aufgrund von regionalen Versorgungslücken zeitlich begrenzt zulassen.
Bei Zielerreichung sind diese in die Regelversorgung zu überführen. Sinnvolle
Kriterien für verallgemeinerbare Versorgungsziele in der Psychiatrie werden
durch den Gemeinsamen Bundesausschuss oder durch einen Beirat beim Bundes-
ministerium für Gesundheit unter Beteiligung von Wissenschaftlern entwickelt.

Zu Nummer 3

Die geringen Einrichtungsgrößen, unterschiedliche Trägerkonstellationen und
besondere regionale Versorgungskonstellationen haben die Generierung einer
repräsentativen Auswahl der Kinder- und Jugendpsychiatrie für die Kalkulation
des InEK bisher nicht ermöglicht. Es ist sicherzustellen, dass in einem neuen
Entgeltsystem die Personalausstattung im Bereich der kinder- und jugend-
psychiatrischen Versorgung weiterhin qualifiziertes multiprofessionales Perso-
nal vorsieht und Aufgaben der Aufsicht und Erziehung der Kinder und Jugend-
lichen eingeschlossen sind.

Mit der Ausweisung eines Modellvorhabens je Bundesland zur kinder- und
jugendpsychiatrischen Versorgung in Absprache mit den Ländern kann die Un-
terschiedlichkeit der regionalen Versorgungslandschaften besser als bisher an-
nähernd abgebildet werden. Die bisherigen Regelungen nach der Psych-PV für
Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind einzuhalten und trans-
parent zu machen. Nur gesonderte Mittel zur Begleitforschung der Versorgung
in der Kinder- und Jugendpsychiatrie erlauben eine angemessene Darstellung
der Besonderheiten dieses Fachgebiets. Die Verwendung von Kennzahlen wie
die Größe des Versorgungsgebiets und die Erreichbarkeit der Patienten und
ihrer Familien bieten sich als spezifische Qualitätsmarker dieses Fachgebiets
an.

Zu Nummer 4

Obwohl der Gesetzgeber nach dem Krankenhausfinanzierungsreformgesetz
(KHRG) eine Umsetzung der Psych-PV ab 2009 bis zu 100 Prozent ermöglicht
hat, arbeiten viele Häuser unterhalb der Normen nach der Psych-PV. Die Aus-
setzung der Psych-PV für nicht optierende Einrichtungen während der Options-
phase ist nicht sachgerecht und begründet. Vielmehr werden Defizite in der
Personalerstattung so auf lange Zeit festgeschrieben. Die Psych-PV wurde
eingeführt, um eine qualitativ hochwertige Versorgung personell abzusichern.
Allerdings hat es die Bundesregierung bisher abgelehnt, gesetzliche Regelungen
zur Überprüfung der Umsetzung nach der Psych-PV zu schaffen. Dies führt zur
fehlenden Transparenz der Personalausstattung nach der Psych-PV. Die Bundes-
regierung bestätigte in der Antwort auf die Kleine Anfrage (Frage 1) „Um-
setzung des Entgeltsystems in der Psychiatrie nach § 17d des Krankenhausfinan-

zierungsgesetzes“, Bundestagsdrucksache 17/5310, dass Informationen zum rea-
lisierten Umsetzungsstand der Psych-PV nicht vorliegen.

Drucksache 17/9169 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Zu Nummer 5

Die Beteiligung an der regionalen Pflichtversorgung führt zu höheren Personal-
vorhaltekosten, weil eine 24-Stunden-Aufnahme und ein Krisendienst vorge-
halten werden müssen sowie kontinuierliche Aufwendungen zur notwendigen
Vernetzung des Krankenhauses mit anderen regionalen Leistungserbringern.
Krankenhäuser, die an der regionalen Pflichtversorgung teilnehmen, können
keine „Rosinenpickerei“ betreiben und sich die Patientinnen und Patienten da-
nach aussuchen, ob diese zu einem vorteilhaften wirtschaftlichen Ergebnis füh-
ren. Der Vorschlag zur Teilnahme an der Pflichtversorgung orientiert sich an
den Regelungen der Psych-PV, die in § 3 Absatz 2 vorsieht, dass die Personal-
ausstattung angemessen zu verringern ist, „wenn eine Einrichtung keine Ver-
sorgungsverpflichtung hat“. Im Gesetzentwurf wird die Honorierung der
Pflichtversorgung bzw. deren Nichtbestehen dagegen offen gelassen.

Zu Nummer 6

Die Einführung eines neuen Entgeltsystems für die psychiatrische Versorgung
ist aufgrund der fehlenden Vorbilder eine große Herausforderung. Um die
finanz- und versorgungspolitischen Konsequenzen rechtzeitig und zeitnah
überprüfen zu können, ist ein Bericht zu den Daten aus den Regelhäusern und
Modellvorhaben vor der Umsetzung der Konvergenzphase ein notwendiger
Schritt für eine verantwortungsvolle Psychiatriepolitik. Dieser Bericht wird he-
runtergebrochen bis auf die Ebene der Regionen von Kreisen und kreisfreien
Städten.

Zu Nummer 7

Ein Systemvergleich zwischen der Krankenhausversorgung und den in Modell-
vorhaben realisierten sektorübergreifenden Ansätzen würde konstruktive Hin-
weise für eine patientenzentrierte Anpassung liefern. Um den Aufwand zu
minimieren, würde sich die Verwendung von Routinedaten nach Krankheits-
schwere und Leistungsaufwand, ergänzt um Aussagen zur Ergebnisqualität, an-
bieten.

Zu Nummer 8

Die Angleichungsmechanismen in der Konvergenzphase bewirken eine nur
teilweise Vergütung steigender Behandlungskosten aufgrund steigender Be-
handlungsraten und krankenhausplanerischer Maßnahmen. Dies wird in dem
Gesetzentwurf damit begründet, dass neue Leistungen nur in Höhe der variab-
len Kosten berücksichtigt werden sollen. Dabei wird offenbar von Wirtschaft-
lichkeitsreserven in der psychiatrischen Versorgung ausgegangen, die noch
höher sind als die der Somatik, denn die Regelungen zum Mehrerlösausgleich
sind ungünstiger, als dort geregelt. Die Argumentation ist für psychiatrische
Einrichtungen mit einem hohen Personalkosteneinsatz und insbesondere für
Häuser mit Pflichtversorgungsauftrag nicht fachgerecht. Nach der im Gesetz-
entwurf derzeit vorgesehenen Systematik führen Mehrleistungen zu einer deut-
lichen Absenkung des Entgelts pro Patientin bzw Patient. Dies kann nur durch
Absenkung des Personaleinsatzes pro Patientin bzw. Patient kompensiert wer-
den. Der Mehrerlösanteil, der beim Krankenhaus bleibt, muss höher sein.

Zu Nummer 9

Bei einem unerprobten System wie dem tagesbezogenen pauschalierten Ent-
geltsystem für die Psychiatrie muss der Mindererlösausgleich verbessert wer-
den, um einen Anreiz für die Beteiligung in der Optionsphase zu schaffen und

Absenkungen durch Änderungen der Bewertungsrelationen zu verhindern. Wie

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/9169

bei der Einführung des DRG-Systems in der Somatik soll der Mindererlösaus-
gleichssatz für Optionskrankenhäuser auf 95 Prozent angehoben werden; in der
Konvergenzphase soll der Ausgleich bei 40 Prozent liegen.

Zu Nummer 10

Der Ausgleich für Tarifsteigerungen sollte sich an dem Orientierungswert nach
§ 10 Absatz 6 des Krankenhausentgeltgesetzes orientieren.

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