BT-Drucksache 17/8681

zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Werner, Annette Groth, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 17/7645 - Menschenrechte und Demokratie in den Staaten des Südkaukasus fördern

Vom 14. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8681
17. Wahlperiode 14. 02. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Werner, Annette Groth,
Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/7645 –

Menschenrechte und Demokratie in den Staaten des Südkaukasus fördern

A. Problem

In dem Antrag fordert die Fraktion DIE LINKE. die Bundesregierung auf, in der
Menschenrechts-, Entwicklungs- und Außenpolitik Deutschlands grundsätzlich
den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten (WSK-Rechte)
den gleichen Stellenwert einzuräumen wie den bürgerlichen und politischen
Menschenrechten. In der EU soll sie sich dafür einsetzen, dass die WSK-Rechte
in den Aktionsplänen der EU-Nachbarschaftspolitik mit den Südkaukasus-
staaten eine gleichrangige Zielsetzung wie die Förderung der bürgerlichen und
politischen Menschenrechte erhält und dabei die Souveränitätsrechte der Part-
nerländer hinsichtlich der freien Wahl der Wirtschafts- und Eigentumsordnung
nicht eingeschränkt werden. Eine weitere Forderung zielt darauf ab, dass sich
die Bundesregierung gegenüber Georgien, Armenien und Aserbaidschan für die
Freilassung von regierungskritischen Journalistinnen und Journalisten, Kriegs-
dienstverweigerern und Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern ein-
setzt.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion
DIE LINKE.

C. Alternativen

Keine.
D. Kosten

Keine.

E. Bürokratiekosten

Keine.

Drucksache 17/8681 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/7645 abzulehnen.

Berlin, den 18. Januar 2012

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Tom Koenigs
Vorsitzender

Erika Steinbach
Berichterstatterin

Ullrich Meßmer
Berichterstatter

Katrin Werner
Berichterstatterin

Marina Schuster
Berichterstatterin

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

suskrieges 2008 aufzuarbeiten und die Verantwortlichen zur Menschenrechtsdefizite. Die Östliche Partnerschaft der EU

Rechenschaft zu ziehen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Am 18. Januar 2012 haben der Auswärtige Ausschuss den

biete mit ihrem Angebot der Assoziierungsabkommen
Chancen, auf dem Weg hin zu Verbesserung der Achtung
der Menschenrechte und der Reduzierung der Armut voran-
zukommen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8681

Bericht der Abgeordneten Erika Steinbach, Ullrich Meßmer, Katrin Werner,
Marina Schuster und Volker Beck (Köln)

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache 17/
7645 in seiner 149. Sitzung am 15. Dezember 2011 beraten
und an den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe zur federführenden Beratung und an den Auswärtigen
Ausschuss, den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenar-
beit und Entwicklung und den Ausschuss für die Angelegen-
heiten der Europäischen Union zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

In dem Antrag fordert die Fraktion DIE LINKE. die Bundes-
regierung auf, in der Menschenrechts-, Entwicklungs- und
Außenpolitik Deutschlands grundsätzlich den wirtschaft-
lichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten den
gleichen Stellenwert einzuräumen wie den bürgerlichen und
politischen Menschenrechten. In der EU soll sie sich dafür
einsetzen, dass die WSK-Rechte in den Aktionsplänen der
EU-Nachbarschaftspolitik mit den Südkaukasusstaaten eine
gleichrangige Zielsetzung wie die Förderung der bürger-
lichen und politischen Menschenrechte erhält und dabei die
Souveränitätsrechte der Partnerländer hinsichtlich der freien
Wahl der Wirtschafts- und Eigentumsordnung nicht einge-
schränkt werden. Eine weitere Forderung zielt darauf ab,
dass sich die Bundesregierung gegenüber Georgien, Arme-
nien und Aserbaidschan für die Freilassung von regierungs-
kritischen Journalistinnen und Journalisten, Kriegsdienst-
verweigerern und Menschenrechtsverteidigerinnen und -ver-
teidigern einsetzt.

Auf EU-Ebene soll die Bundesregierung sich nach dem
Willen der Fraktion DIE LINKE. auch dafür einsetzen, dass
die Assoziierungsabkommen nicht mit dem Ziel der Han-
delsliberalisierung und Marktöffnung geführt werden, son-
dern auf Armutsbekämpfung, bessere Gesundheitsversor-
gung, sozialen Ausgleich, fairen Handel sowie Öffnung des
EU-Binnenmarktes auch für industrielle und agrarische Pro-
dukte abzielen. Auf die Stärkung der demokratischen Ent-
wicklung sowie der demokratischen Mitspracherechte in der
Wirtschaft und der Rechte von Gewerkschaften soll eben-
falls geachtet werden. In Gesprächen mit den Regierungen
Georgiens, Armeniens und Aserbaidschans soll die Bundes-
regierung die problematische Menschenrechtslage themati-
sieren mit dem Ziel, künftig jegliche Form repressiver Ge-
waltanwendung auszuschließen, freie und faire Wahlen
durchzuführen und vorbehaltlos die Ausübung der Ver-
sammlungs-, Meinungs-, Medien- und Pressefreiheit zu ga-
rantieren. Die Regierung Georgiens soll ferner aufgefordert
werden, die Menschenrechtsverletzungen und Verstöße ge-
gen das humanitäre Kriegsvölkerrecht während des Kauka-

wicklung in seiner 51. Sitzung und der Ausschuss für die
Angelegenheiten der Europäischen Union in seiner
55. Sitzung beraten. Die Ausschüsse haben mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung emp-
fohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat den Antrag in seiner 52. Sitzung am 18. Januar 2012 be-
raten.

Die Fraktion DIE LINKE. erläuterte, ihr Antrag beschäftige
sich mit den menschenrechtspolitischen Auswirkungen der
EU-Nachbarschaftspolitik in den Staaten des Südkaukasus
sowie damit, wie es um die Menschenrechtssituation in den
drei Ländern selbst bestellt ist. Innerhalb der europäischen
Nachbarschaftspolitik solle die Förderung der wirtschaft-
lichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte ein höheres
Gewicht erhalten. Die WSK-Rechte müssten denselben Stel-
lenwert bekommen wie die bürgerlichen und politischen
Rechte. Als Folge der marktradikalen Politik der Regierun-
gen in Georgien und Armenien lebten bereits große Teile der
Bevölkerung in den Ländern in absoluter Armut. Bei den
politischen und bürgerlichen Menschenrechten sähe man in
allen drei Ländern zum Teil noch erhebliche Defizite. Dies
betreffe bei Weitem nicht nur Aserbaidschan. Bei der Zahl
der politischen Gefangenen gebe es erhebliche Unterschiede
zwischen diesen drei Ländern. In dem Antrag beziehe man
sich ausdrücklich auf Angaben von Amnesty International.
Demnach habe Armenien die höchste Zahl von politischen
Gefangenen, allein 73 Kriegsdienstverweigerer befänden
sich dort unter erschwerten Bedingungen in Haft. Aus Sicht
der Fraktion DIE LINKE. müssten daher die gravierenden
Menschenrechtsverletzungen in Armenien und Georgien ge-
nauso thematisiert werden wie die in Aserbaidschan, um den
Eindruck von Doppelstandards im Umgang mit den drei Süd-
kaukasusrepubliken zu vermeiden. Man lehne generell Dop-
pelstandards bei Menschenrechten ab. Aus diesem Grund for-
dere man die Bundesregierung in dem Antrag auf, dass sie
sich in allen drei Ländern für die Freilassung aller politischen
Gefangenen und die Einhaltung demokratischer Grundwerte
einsetzen möge. Man würde sich freuen, wenn die anderen
Fraktionen dem Antrag zustimmten.

Die Fraktion der CDU/CSU betonte, der Antrag sei ideo-
logisch gefärbt. Die Bundesregierung thematisiere immer in
allen Gesprächen die Menschenrechtsdefizite, die es er-
kennbar gebe. Das könne keiner bestreiten. Es gebe massive
Antrag auf Drucksache 17/7645 in seiner 52. Sitzung, der
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-

Die Fraktion der SPD legte dar, man habe sich mit der Fra-
ge der Menschenrechte und der Lage in den drei Ländern be-

wenn im Antragstext eine Trennung von WSK-Rechten und
bürgerlichen und politischen Rechten festgeschrieben wer-
de. Damit stelle man in Frage, dass Menschenrechte einan-
der bedingen, unabhängig davon, ob sie aus den wirtschaft-
lichen, sozialen und kulturellen Rechten abgeleitet würden
oder ob sie bürgerliche und politische Rechte sind. Die
Rechte ergänzten sich gegenseitig. Deshalb seien Formulie-
rungen schwierig, die einigen Menschenrechten einen höhe-
ren Stellenwert einräumten als anderen. Im Übrigen vertrete
die Fraktion der SPD die Auffassung, dass wirtschaftliche
Entwicklung und menschenrechtliche Entwicklung häufig
einander bedingten. Es sei richtig, dass die Staaten ihrer Ver-
teilungsfunktion gerecht werden müssten, aber es sei genau-
so richtig, dass sie das, selbst entscheiden müssten. Hierzu
müsse man ihnen die Möglichkeit geben. Man dürfe nicht
nur dann eine Option der innerstaatlichen Entscheidung zu-
lassen, wenn diese sich gegen Privatisierung richte. Zudem
habe man inzwischen den Eindruck, dass es leichter sei,
Menschenrechte gegenüber Unternehmen durchzusetzen,
zum Beispiel gegenüber multinationalen Konzernen mit Sitz
in Europa, als bei manchen Regierungen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte, man
sehe auch positive Elemente in dem Antrag. So sei die Ent-
wicklung der Menschenrechtslage zutreffend dargestellt
und viele der Forderungen an die Bundesregierung könne
man mittragen, insbesondere die allgemeine Forderung, die
WSK-Rechte den bürgerlichen und politischen Rechten
gleichzustellen. Aber in dem Antrag werde die EU-Nach-
barschaftspolitik gegenüber Georgien, Armenien und Aser-
baidschan sehr negativ dargestellt. Dies sei überzogen. Die
Bewertung gerade der Situation in Aserbaidschan sei zu
positiv. Deswegen werde man den Antrag ablehnen.

Die Fraktion der FDP führte aus, dass noch eine Frage of-
fen sei. Es sei noch immer unklar, warum die Fraktion DIE
LINKE. die interfraktionelle Erklärung des Ausschusses
zum Thema Aserbaidschan nicht mitgetragen habe und nicht
ebenfalls kritisiere, dass Aserbaidschan die Verpflichtungen,
die es durch seinen freiwilligen Beitritt zum Europarat ein-
gegangen sei, nicht einhalte. Es sei ein grundsätzliches Pro-
blem, dass die Fraktion DIE LINKE. in diesem Antrag sehr
selektiv auf bestimmte Dinge schaue. Man helfe aber den
WSK-Rechten nicht, wenn man sie von den politischen und
bürgerlichen Rechten abtrenne. Sie seien untrennbar mitein-
ander verbunden. So sei es auch in der Allgemeinen Erklä-
rung der Menschenrechte angelegt. Was in dem Antrag bei
dem Thema der wirtschaftlichen Entwicklung komplett feh-

zwischen den jeweiligen Staaten und erlebe das bei der Par-
lamentarischen Versammlung des Europarates immer wie-
der. Da gehe es natürlich auch um Berg-Karabach. Es gehöre
zu einer Debatte, was die jeweilige Situation in den Ländern
betreffe, untrennbar dazu. Im Übrigen sei ein Bereich der
EU-Politik ja gerade die Konfliktprävention. Auch dies feh-
le in dem Antrag völlig. Man werde ihn deshalb ablehnen.

Der Vorsitzende erklärte, auch er wolle noch Stellung zu
dem Antrag nehmen. In dem Feststellungsteil sehe er abso-
lute doppelte Standards. Georgien und Armenien würden
als EU-Vasallen dargestellt, Aserbaidschan als der aufrechte
blockfreie Staat. Es gebe dort zwar einige Missstände, aber
der Anteil der Armutsbevölkerung, so der Antrag wörtlich:
„konnte seit 2001 von 49 auf 9 Prozent gesenkt werden“.
Laut Weltbank, so der Vorsitzende, lebten aber nach wie vor
49 Prozent unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Hier
werde gewaltig geschönt. Die Fraktion DIE LINKE. sei auf
dem Aserbaidschan-Auge blind. Das zeige sich auch in ih-
rem Verhalten zu der Resolution des Ausschusses, die ja
eine gemeinsame sein sollte, bei der sich die Fraktion
DIE LINKE. aber enthalten hätte, und dass in einer Frage,
wo man absolut einer Meinung sein sollte: dass die Instru-
mente des Europarates genutzt werden. Insbesondere dann,
wenn ein Mitglied des Ausschusses betroffen sei. In so einer
Situation einen derartigen Antrag vorzulegen, sei unver-
ständlich. Die Fraktion DIE LINKE. erkläre Aserbaidschan,
Iran und Syrien zu ihren Freunden. Natürlich gebe es – je
nach Perspektive – auch in Iran ein friedliches Zusammen-
leben der verschiedenen Religionen. Selbstverständlich ge-
be es überall schöne Landschaften, aber man müsse sich
doch klar positionieren. Gerade in einem Fall wie Aserbaid-
schan, habe man wirklich ein Regime, das noch mehr in der
stalinistischen Tradition stehe als die Fraktion DIE LINKE.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärte, dass sie sich gegen den
Vorwurf des Stalinismus verwahre und ihr Antrag in keinem
zeitlichen oder inhaltlichen Zusammenhang mit der interfrak-
tionellen Erklärung des Ausschusses zu Aserbaidschan stehe.
Die Fraktion DIE LINKE. habe damals nicht gegen die Erklä-
rung gestimmt, sondern sich lediglich enthalten, da sie wie
üblich an der Erarbeitung der Erklärung nicht beteiligt worden
sei und in einigen Punkten eine andere Einschätzung habe.

Als Ergebnis der Beratung empfiehlt der Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe mit den Stimmen
der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.,
den Antrag abzulehnen.

Berlin, den 18. Januar 2012

Erika Steinbach
Berichterstatterin

Ullrich Meßmer
Berichterstatter

Katrin Werner
Berichterstatterin

Marina Schuster Volker Beck (Köln)
Drucksache 17/8681 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

fasst. Ausgehend vom Kaukasuskrieg hätten die drei Länder
sehr unterschiedliche Entwicklungen hinter sich. Insgesamt
seien dort sowohl Licht- als auch Schattenseiten zu sehen.
Man werde den Antrag ablehnen, da erneut der Eindruck er-
weckt werde, dass Privatisierung grundsätzlich negativ sei.
So sei auch der Antrag aufgebaut. Sehr problematisch sei,

le, sei die ganze Vergangenheit, der postsowjetische Raum,
die Strukturen, die es dort gegeben habe. Man könne nicht
alles so monokausal sehen. Die Fraktion DIE LINKE. ver-
wechsele manchmal Ursache und Wirkung. Bei dem Antrag
fehle grundsätzlich die politische und sicherheitspolitische
Einbettung. Man habe nach wie vor schwelende Konflikte
Berichterstatterin Berichterstatter
t mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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