BT-Drucksache 17/8505

Kosten der Lärmsanierung von Bundesfernstraßen und Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes

Vom 25. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8505
17. Wahlperiode 25. 01. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Herbert Behrens, Sabine Leidig, Dr. Kirsten Tackmann,
Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Eva Bulling-Schröter, Diana Golze,
Katrin Kunert, Ralph Lenkert, Thomas Lutze, Dorothee Menzner, Kornelia Möller,
Jens Petermann, Ingrid Remmers, Kersten Steinke, Sabine Stüber und der
Fraktion DIE LINKE.

Kosten der Lärmsanierung von Bundesfernstraßen und Schienenwegen der
Eisenbahnen des Bundes

Immer weniger Menschen haben Verständnis dafür, dass beim Neu- und Aus-
bau von Straßen und Schienenwegen relativ strenge Grenzwerte nach der Sech-
zehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
(16. BImSchV) gelten, wohingegen Menschen, die an bestehenden Strecken
wohnen, auf die freiwilligen Lärmsanierungsprogramme des Bundes angewie-
sen sind, für die zudem Auslösewerte maßgeblich sind, die z. T. deutlich über
den vergleichbaren Grenzwerten der 16. BImSchV liegen (so die Interessenge-
meinschaft Bahnprotest an Ober- und Hoch-Rhein, IG BOHR in ihrer Stellung-
nahme zur Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
des Deutschen Bundestages am 14. Dezember 2011, Ausschussdrucksache
17(15)304-B).

Im ersten Nationalen Verkehrslärmschutzpaket vom 2. Februar 2007 wies die
Bundesregierung auf die Differenz zwischen den Lärmgrenzwerten bei Neu-
und Ausbau einerseits sowie bei der Lärmsanierung andererseits hin. Darin
wurden für eine Angleichung der (damals noch um 3 dB(A) höheren) Auslöse-
werte an die Werte der 16. BImSchV Kosten in Höhe von 100 Mio. Euro im
Jahr allein für die Lärmsanierung an Autobahnen genannt. In der Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom Mai
2009 (Bundestagsdrucksache 16/12971) wurden für Autobahnen und Bundes-
straßen Kosten in Höhe von 200 Mio. Euro im Jahr über 20 Jahre hinweg ge-
nannt, insgesamt wären das also ca. 4 Mrd. Euro.

Im Nationalen Verkehrslärmschutzpaket II vom August 2009 wurde die – im
Bundeshaushalt 2010 vollzogene – Absenkung der Auslösewerte für die Lärm-
sanierung um 3 dB(A) angekündigt und dazu ausgeführt:

„Die entsprechenden Investitionen von bis zu 1,5 Milliarden Euro sollen mög-
lichst bis zum Jahr 2020 realisiert werden.“
Allerdings hat die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) in ihrer schriftlichen
Stellungnahme zur Anhörung des Verkehrsausschusses am 14. Dezember 2011
(Ausschussdrucksache 17(15)304-C) zutreffend ausgeführt, dass für die Lärm-
sanierung an Autobahnen und Bundesstraßen im Jahr 2012 nur etwa 50 Mio.
Euro zur Verfügung stehen. Ferner führte die BASt aus, dass „in den nächsten
Jahren die Auftragsverwaltungen die auf Basis der neuen Auslösewerte mög-

Drucksache 17/8505 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

lichen Maßnahmen planen und umsetzen“ müssen, obwohl diese Werte bereits
seit knapp zwei Jahren gelten.

Für die Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes erfolgte in den beiden Ver-
kehrslärmschutzpaketen hingegen weder eine Ankündigung einer Senkung von
Grenzwerten oder der Auslösewerte für die bislang freiwillige Lärmsanierung,
noch gab es entsprechende Anpassungen. Es wurde lediglich im Koalitionsver-
trag zwischen CDU, CSU und FDP im Herbst 2009 eine schrittweise Abschaf-
fung des Schienenbonus angekündigt, die auch höhere Lärmschutzanforderun-
gen sowohl beim Neu- und Ausbau von Schienenwegen (16. BImSchV) als auch
bei der Lärmsanierung zur Folge hätten. In der Presse wurde im Herbst 2011
über konkrete Vorschläge der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen
dazu berichtet.

Auf Basis der bestehenden Rechtslage führte die Bundesregierung im Ver-
kehrslärmschutzpaket I aus: „Die Gesamtkonzeption zur Lärmsanierung prog-
nostiziert einen Gesamtbedarf von rund 2,5 Mrd. €.“

Bei allen angegeben Gesamtkosten ist allerdings unklar, auf Basis welcher Stu-
dien, Erfahrungswerte und zu Grunde liegender Annahmen diese ermittelt wur-
den. Von daher erscheint es möglich, dass sich durch leisere Fahrzeuge und
Fahrbahnen/Gleise ein Teil der Kosten für das Absenken von Grenzwerten und
Auslösewerten einsparen ließe.

Wir fragen die Bundesregierung:

Bundesfernstraßen

1. Trifft die Angabe aus dem Verkehrslärmschutzpaket I zu, dass die Anglei-
chung der Auslösewerte für die Lärmsanierung an Bundesfernstraßen an die
Werte der 16. BImSchV Ausgaben von etwa 4 Mrd. Euro zur Folge hätten,
um die flächendeckende Einhaltung dieser Werte zu gewährleisten (Begrün-
dung), und wenn nein, welche Kosten veranschlagt die Bundesregierung
heute dafür?

2. Trifft die Angabe aus dem Verkehrslärmschutzpaket II zu, dass die Absen-
kung der Auslösewerte um jeweils 3 dB(A) für die Lärmsanierung an Bun-
desfernstraßen Ausgaben von etwa 1,5 Mrd. Euro zur Folge hätten, um die
flächendeckende Einhaltung dieser Werte zu gewährleisten (Begründung),
und wenn nein, welche Kosten veranschlagt die Bundesregierung heute da-
für?

3. Reichen die derzeit für die Lärmsanierung an Bundesfernstraßen zur Verfü-
gung stehenden 50 Mio. Euro pro Jahr aus, um innerhalb von 20 Jahren, die
zur Einhaltung der abgesenkten Auslösewerte für die Lärmsanierung an
Bundesfernstraßen erforderlichen Investitionen zu tätigen?

4. Durch welche Untersuchungen oder auf Basis welcher Erfahrungswerte
wurden die in Frage 1 und 2 genannten Kosten jeweils ermittelt?

5. Welche Ausgaben für welche Maßnahmen wurden dabei jeweils zu Grunde
gelegt?

6. Wurden bei der Kostenermittlung ausschließlich Kosten für bauliche Maß-
nahmen, also den Bau von Lärmschutzwänden, -wällen etc. und den Einbau
von Schallschutzfenstern und Belüftungseinrichtungen zu Grunde gelegt?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, welche weiteren Faktoren und/oder Maßnahmen wurden darüber
hinaus berücksichtigt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8505

7. Wurde bei der Kostenermittlung eine künftig mögliche Reduzierung der
insgesamt von den Fahrzeugmotoren ausgehenden Lärmemissionen zu
Grunde gelegt?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

8. Wurde bei der Kostenermittlung eine künftig mögliche Reduzierung der
insgesamt von den Reifen ausgehenden Lärmemissionen zu Grunde gelegt,
insbesondere vor dem Hintergrund der EU-rechtlich geforderten leiseren
Reifen?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

9. Wurden bei der Kostenermittlung lärmmindernde Fahrbahnbeläge berück-
sichtigt?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

10. Wurden bei der Kostenermittlung künftig mögliche Veränderungen bei den
Kosten für Lärmschutzwände und -wälle, beispielsweise durch integrierte
Photovoltaikanlagen, berücksichtigt?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

11. Hat die Bundesregierung schon einmal die lärmmindernde Wirkung eines
allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen untersucht?

Wenn ja, wann, und mit welchem Ergebnis?

Wenn nein, warum nicht, und liegen ihr Erkenntnisse anderer vor?

12. Wieso haben die Auftragsverwaltungen die Planungen zur Umsetzung der
Anforderungen, die sich aus den abgesenkten Auslösewerten für die Lärm-
sanierung ergeben, noch nicht in Angriff genommen?

13. In welchen Ländern bzw. durch welche Auftragsverwaltungen wurden bis-
lang welche Maßnahmen an welchen Bundesfernstraßen zur Umsetzung
der Anforderungen, die sich aus den abgesenkten Auslösewerten für die
Lärmsanierung ergeben, identifiziert?

Wann ist jeweils die Umsetzung geplant?

Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes

14. Auf Basis welcher Studien oder sonstiger Erkenntnisse nennt die Bundes-
regierung im Verkehrslärmschutzpaket I die Kosten von 2,5 Mrd. Euro für
den gesamten Lärmschutz?

15. Welche Ausgaben für welche Maßnahmen liegen der Angabe im Ver-
kehrslärmschutzpaket I zu Grunde, dass der gesamte Lärmschutz etwa
2,5 Mrd. Euro kostet?

Bezog sich diese Angabe ausschließlich auf die Lärmsanierung, und wenn
nein, was beinhaltete sie darüber hinaus?

Drucksache 17/8505 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

16. Trifft die Angabe in der „DIE WELT“ vom 13. Dezember 2011 zu, nach der
die Deutsche Bahn AG „pro Gleiskilometer im Durschnitt eine Million Euro
für den vorgeschriebenen Lärmschutz“ aufzuwenden habe, und wenn ja,

– bezieht sich diese Angabe auf den Neu- und/oder Ausbau von Schienen-
strecken;

– für welche Maßnahmen genau fallen diese Kosten an;

– auf Basis des Baus wie vieler Streckenkilometer wurden diese Kosten
berechnet?

17. Hat die Bundesregierung bereits einen Vergleich der volkswirtschaftlichen
Kosten im Verhältnis zur Wirkung verschiedener Maßnahmen zum Schutz
vor Schienenlärm durchgeführt?

Wenn ja, wann, und mit welchen Ergebnissen?

Wenn nein, warum nicht, und plant die Bundesregierung eine solche Unter-
suchung (Begründung)?

18. Hat die Bundesregierung bereits einen Vergleich der für den Bund entste-
henden Kosten im Verhältnis zur Wirkung verschiedener Maßnahmen zum
Schutz vor Schienenlärm durchgeführt?

Wenn ja, wann, und mit welchen Ergebnissen?

Wenn nein, warum nicht, und plant die Bundesregierung eine solche Unter-
suchung (Begründung)?

19. Welche durchschnittlichen Kostensteigerungen (in Prozent) erwartet die
Bundesregierung bei einer Abschaffung des Schienenbonus

a) beim Neubau und

b) beim Ausbau

eines Schienenweges?

20. Welche zusätzlichen Kosten würde nach aktuellem Stand die Abschaffung
des Schienenbonus für die Lärmsanierung an bestehenden Schienenstre-
cken zur Folge haben?

21. Welche Kosten für die Lärmsanierung bestehender Schienenstrecken wür-
den nach aktuellem Stand anfallen, wenn die Werte der 16. BImSchV ohne
Berücksichtigung des Schienenbonus auf bestehende Schienenstrecken
ausgeweitet werden würden?

22. Auf welche Kosten für welche Maßnahmen stützen sich die Angaben zu
den Fragen 19 bis 21?

23. Verfügt die Bundesregierung hierzu über eigene Erkenntnisse, und wenn ja,
welche sind das?

24. Welche Annahmen zum Wagenbestand und der Ausstattung mit welchen
Bremsen von Güterwagen liegen den in den Fragen 19 bis 21 genannten
Angaben zu Grunde?

25. Um wie viel würden die Kosten sinken, wenn alle in Deutschland verkeh-
renden Güterwagen mit lärmarmen Bremsen (K-Sohle oder LL-Sohle) aus-
gestattet wären?

26. In welchen Staaten ist die LL-Sohle bzw. sind vergleichbare Techniken be-
reits für den Regelbetrieb zugelassen?

27. Wann wird in Deutschland der Testbetrieb der LL-Sohle voraussichtlich
abgeschlossen sein?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/8505

28. Gibt es bereits Untersuchungen zur Emission von Luftschadstoffen aus den
neuen Bremsmaterialien (insbesondere K- und LL-Sohle)?

Wenn nein, ist eine solche geplant (Begründung)?

Wenn ja, von wem und von wann ist diese, und welche Kernaussagen hatte
diese?

29. Welche Annahmen zum Besonders überwachten Gleis (BüG) liegen den in
den Fragen 19 bis 21 genannten Angaben zu Grunde, bei Berücksichtigung
von

a) Scheibenbremsen,

b) Graugussklotzbremsen?

30. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass das BüG nur dann zu einer
Minderung der Lärmschutzauflagen führen darf, wenn das tatsächliche
Schleifen gewährleistet ist (Begründung)?

31. Sieht die Bundesregierung die ausreichende Kontrolle des BüG gewähr-
leistet?

32. Über wie viele Mess- und Schleifzüge verfügt die Deutsche Bahn AG, und
hält die Bundesregierung diese Anzahl für ausreichend, um die Regel-
mäßigkeit des Schleifens zu gewährleisten?

33. Wie oft wurden in den Jahren 2010 und 2011 Verstöße gegen die Auflagen
zur Durchführung von Messfahrten zur Kontrolle des BüG festgestellt?

34. Wie oft wurden in den Jahren 2010 und 2011 Verstöße gegen die Auflagen
zum Schleifen festgestellt?

35. Wie oft wurden in den Jahren 2010 und 2011 bei Messfahrten Überschrei-
tungen bei Strecken mit BüG um mehr als 3 dB(A) festgestellt?

36. Welche Maßnahmen oder Sanktionen wurden infolge der auf die in den
Fragen 33 bis 35 festgestellten Verstöße ergriffen bzw. verhängt?

37. Wie oft wurden auf Grund der Überschreitung der Lärmemissionen Lang-
samfahrstellen angeordnet (bitte absolute Anzahl und Prozent von den
Überschreitungen insgesamt angeben)?

38. Wie bewertet die Bundesregierung eine Untersuchung des Umweltbundes-
amtes, wonach das BüG auf Strecken mit hohem Güterverkehrsaufkom-
men eine lärmmindernde Wirkung von nur 1,4 statt 3 dB(A) habe
(www.umweltbundesamt.de/uba-info-medien/dateien/2392.htm)?

39. Warum wird in Planfeststellungsverfahren trotz der Ergebnisse dieser Un-
tersuchung regelmäßig auch bei überwiegend von Güterzügen befahrenen
Strecken ein Abzug von 3 dB(A) vorgenommen?

40. Hat die Bundesregierung schon einmal die lärmmindernde Wirkung von
Geschwindigkeitsreduzierungen auf Schienenstrecken untersucht?

Wenn ja, wann, und mit welchem Ergebnis?

Wenn nein, warum nicht, und liegen ihr Erkenntnisse anderer dazu vor?

41. Hält die Bundesregierung die Näherungsformel zur rechnerischen Berück-
sichtigung unterschiedlicher Geschwindigkeiten für wissenschaftlich be-
legt (Begründung)?

42. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag, analog zum Straßenver-
kehr auch für Schienenwege die Anordnung von Geschwindigkeitsbe-
schränkungen einzuführen (Begründung)?

Drucksache 17/8505 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

43. Wann wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag die im Bericht
des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zum Ver-
kehrslärmschutz (Ausschussdrucksache 17(15)306) angekündigte „Aktua-
lisierung der Gesamtkonzeption zur Lärmsanierung“ vorlegen?

44. Gibt es außer der bereits bewilligten Umrüstung von 1 250 Güterwagen mit-
tlerweile weitere Anträge an das „Pilot- und Innovationsprogramm Leiser
Güterverkehr“, und wenn ja, von wem, und sind diese bereits bewilligt
(worden)?

Wenn ja, wann?

45. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die DB ProjektBau GmbH bereits in
die Lärmsanierung aufgenommene Abschnitte (z. B. von Kenzingen bis
Offenburg) mit Verweis auf den Aus- und Neubau der Rheintalbahn schon
jahrelang zurückstellt, obwohl dies gegen § 6 Absatz 3 der geltenden Richt-
linie für die Förderung von Maßnahmen zur Lärmsanierung an bestehenden
Schienenwegen der Eisenbahn des Bundes verstößt, weil die vorrangige
Lärmvorsorge erst in 5 bis 10 Jahren oder noch später greifen wird?

Welchen Zeitpunkt versteht die Bundesregierung unter dem in der Förder-
richtlinie verwendeten Begriff „Realisierungshorizont“, die Fertigstellung
der die Lärmvorsorge auslösenden Baumaßnahme oder deren Beginn?

46. Hat das Bundesverkehrsministerium Dienstaufsicht über die (Abteilung
Lärmsanierung der) DB ProjektBau GmbH, und wenn nein, wer hat die
Dienstaufsicht?

Berlin, den 25. Januar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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