BT-Drucksache 17/8457

Die Energiewende braucht Energieeffizienz

Vom 24. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8457
17. Wahlperiode 24. 01. 2012

Antrag
der Abgeordneten Ulla Lötzer, Dorothee Menzner, Eva Bulling-Schröter,
Karin Binder, Dr. Barbara Höll, Harald Koch, Ralph Lenkert, Richard Pitterle,
Michael Schlecht, Sabine Stüber, Dr. Axel Troost, Johanna Voß, Sahra
Wagenknecht und der Fraktion DIE LINKE.

Die Energiewende braucht Energieeffizienz

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit ihrer gegenwärtigen Energiepolitik torpediert die Bundesregierung die
Wende zu einer umweltfreundlichen, bezahlbaren und sicheren Energieversor-
gung. Wichtiger Baustein einer solchen Energiewende ist die Steigerung der En-
ergieeffizienz.

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) haben sich mit der Richtlinie
2006/32/EG das Ziel gesetzt, 20 Prozent ihres für das Jahr 2020 prognostizierten
Primärenergieverbrauchs einzusparen. Nach den letzten Schätzungen geht die
Kommission davon aus, dass mit den gegenwärtigen Maßnahmen in den Mit-
gliedstaaten dieses Ziel höchstens zur Hälfte erreicht werden wird. Deshalb hat
die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie vorgelegt, der u. a. eine jähr-
liche Sanierungsquote von 3 Prozent beim öffentlichen Gebäudebestand, den
Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sowie die Berücksichtigung von
Effizienzkriterien bei der öffentlichen Beschaffung vorsah.

Kernstück des Richtlinienvorschlages war die Verpflichtung aller Energievertei-
ler oder aller Energieeinzelhandelsunternehmen zu einer jährlichen Minderung
des Endkundenabsatzes um 1,5 Prozent. Dieser Vorschlag wurde vor allem auf
Intervention der Bundesregierung verwässert. Die Bundesregierung, allen voran
der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler, unter-
nimmt alles, um verbindliche Vorgaben auf EU-Ebene zu verhindern.

Auch auf nationaler Ebene unterlässt die Bundesregierung verbindliche Maß-
nahmen. Sie hat zwar im Zuge des Energiekonzeptes 2010 das Ziel vorgegeben,
dass bis 2020 der Primärenergieverbrauch, bezogen auf das Basisjahr 2008, um
20 Prozent und bis 2050 um 50 Prozent reduziert werden soll. Doch das Gesetz
über Energiedienstleistungen und andere Energieeffizienzmaßnahmen vom
November 2010 kam als nationale Umsetzung der EU-Richtlinie 2006/32/EG
mehrere Jahre verspätet und erst nach Aufnahme eines Vertragsverletzungsver-
fahrens der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland
zu Stande. Diese Minimalumsetzung der EU-Richtlinie verzichtet auf verbind-
liche Ziele und wirksame Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Ein
Hoffen auf die Eigenverantwortung der Industrieverbände und freiwillige Maß-
nahmen der Unternehmen werden das nationale Effizienzziel genauso scheitern
lassen wie die Einsparungsziele der EU.

Drucksache 17/8457 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Anstatt die Stromnachfrage durch einen sparsamen und effizienten Umgang mit
Energie zu verringern, wird die Angebotsseite, die Stromerzeugung in konven-
tionellen Kraftwerken, subventioniert. So soll aus dem im Rahmen des Sonder-
vermögens „Energie- und Klimaschutzfonds“ eingerichteten „Effizienzfonds“
in den Jahren 2013 bis 2016 der Neubau fossiler Kraftwerke bis zu einer Höhe
von 15 Prozent der gesamten Investitionskosten gefördert werden.

Effiziente und sparsame Energienutzung, verbunden mit verbindlichen Zielset-
zungen, kann mittelfristig für die meisten Probleme der Energiepolitik den
schnellsten, größten und wirtschaftlichsten Lösungsbeitrag leisten. Sie ist ein
grundlegender Baustein für den Schutz des Klimas und die Reduzierung der
Treibhausgasemissionen und hat dabei positive Nettoeffekte für Wirtschaft und
Beschäftigung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. ihren Widerstand gegen eine wirksame EU-Energieeffizienzrichtlinie aufzu-
geben, sich auf das Ziel der Reduzierung des Energieverbrauches bis 2020
um 20 Prozent verbindlich festzulegen und den von der Europäischen Kom-
mission vorgeschlagenen verbindlichen Maßnahmen zuzustimmen;

2. im Nationalen Rahmen ein wirksames Energieeffizienzgesetz vorzulegen,
das folgende Vorschriften beinhaltet:

– Einführung eines Systems, das die Energieversorger verpflichtet, jährlich
Energieeinsparungen von 1,5 Prozent ihres Vorjahresabsatzvolumens bei
Endkunden zu erzielen. Dazu gehört u. a. kostenlose Energieeffizienz-
beratung für Privatkunden. Die Einsparungen müssen real und messbar
sein;

– Erhöhung und progressive Gestaltung des ermäßigten Satzes der EEG-Um-
lage (EEG: Erneuerbare-Energien-Gesetz) für die energieintensive Indus-
trie. Die bei der EEG-Umlage subventionierten Unternehmen müssen sich
zu einer Effizienzsteigerung beim Stromverbrauch in Höhe von 1,5 Pro-
zent pro Jahr verpflichten oder Lastmanagementmaßnahmen als Beitrag
zur Integration fluktuierenden Stroms aus erneuerbaren Energien ergrei-
fen;

– Festlegung einer energetischen Sanierungsquote für Gebäude in öffent-
licher Hand von jährlich 3 Prozent. Dabei ist die Umrüstung auf Block-
heizkraftwerke als Heiz- und Stromsystem anzurechnen. Kommunen in
Haushaltsnotlage müssen durch ein entsprechendes Investitionsprogramm
des Bundes unterstützt werden;

– Verstetigung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms der KfW Banken-
gruppe bei gleichzeitiger Erhöhung auf 5 Mrd. Euro pro Jahr; Änderung
der steuerlichen Förderung dahingehend, dass die Sanierungskosten von
der Steuerschuld und nicht – wie gegenwärtig – von der Bemessungs-
grundlage abgezogen werden können. Die geförderten Sanierungskosten
dürfen nicht auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden;

– Verbot des Verkaufs von elektrischen und elektronischen Geräten mit
Stand-by-Schaltungen, deren Verbrauch 0,5 Watt übersteigt;

– Einführung einer Verbrauchskennzeichnung für alle elektrischen und
elektronischen Haushaltsgeräte nach Energieklassen analog zur Kenn-
zeichnungsregelung der EU für Haushaltsgroßgeräte. Die irreführende
Verbrauchskennzeichnung (A+, A++, A+++) ist durch eine verbraucher-
freundliche und transparente Gerätekennzeichnung zu ersetzen. Die Zu-
ordnung der Energieklassen zu den Produkten ist aufgrund der techni-
schen Entwicklung alle zwei Jahre zu aktualisieren;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8457

– Einführung eines „Top-Runner“-Programms. Orientiert an den ver-
brauchsärmsten Typen einer Produktklasse wird der maximal zulässige
Energieverbrauch von ausgewählten energieintensiven Produkten für ein
bestimmtes Zieljahr festgeschrieben. Diese Verbrauchsobergrenze wird
alle drei Jahre dem technischen Fortschritt angepasst;

3. das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz zu novellieren, so dass:

– bis zum 1. Januar 2014 ein nationaler Wärme- und Kälteplan für den Aus-
bau des Potenzials für die Anwendung von KWK erstellt wird;

– neue Wärmekraftwerke mit einer thermischen Gesamtnennleistung von
mehr als 20 Megawatt sowie alle industriell genutzten Anlagen nur noch
als KWK-Anlagen gebaut werden dürfen. In streng begründeten Fällen
kann für Gas- und Dampfturbinenkraftwerke, die zur Netzstabilität unab-
dingbar sind, eine Ausnahme gemacht werden;

– die KWK-Zuschläge erhöht und ein Flexibilitätsbonus eingeführt wird,
wenn die KWK-Anlagen an einem Ausgleichssystem für den fluktuieren-
den Strom aus Anlagen erneuerbarer Energien teilnehmen;

– das Impulsprogramm zur Förderung von Mini-KWK wieder aufgelegt und
mit einem Jahresvolumen von 50 Mio. Euro ausgestattet wird;

– die Benachteiligung der KWK im Emissionshandelssystem gegenüber rei-
nen Heizanlagen beendet wird. Die Kompensationsregelung im Emis-
sionshandelssystem für KWK-Anlagen, die meist größer als 20 MW sind,
gegenüber den kleineren, aber ineffizienteren reinen Heizanlagen ist nicht
ausreichend, um die Benachteiligung der KWK auszugleichen, und muss
dementsprechend angepasst werden;

4. Einrichtung eines Energiesparfonds von jährlich 2,5 Mrd. Euro. Der Energie-
sparfonds soll ein breites Portfolio von Energieeffizienzprogrammen um-
fassen, die das Energiesparen für private Haushalte, Unternehmen und die
öffentliche Verwaltung erleichtern. Dabei sollen sich spezielle Förderpro-
gramme insbesondere an einkommensschwache Haushalte richten. Zur Fi-
nanzierung soll zunächst ein Teil der Einnahmen aus einer zu erhebenden
Steuer auf die Sondergewinne der Stromversorger aus dem Emissionshandel
verwendet werden.

Berlin, den 24. Januar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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