BT-Drucksache 17/8214

Die Hermes Logistik Gruppe Deutschland und der Markt für Postdienstleistungen (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/7212)

Vom 16. Dezember 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8214
17. Wahlperiode 16. 12. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Markus Kurth, Birgitt Bender,
Priska Hinz (Herborn), Sven-Christian Kindler, Maria Klein-Schmeink,
Ingrid Nestle, Brigitte Pothmer, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Harald Terpe
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Hermes Logistik Gruppe Deutschland und der Markt für Postdienstleistungen
(Nachtrag zur Antwort der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/7212)

In einer Kleinen Anfrage „Die Hermes Logistik Gruppe und deren Auswirkun-
gen auf den deutschen Arbeitsmarkt“ hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Bundesregierung nach Erkenntnissen bezüglich der in der Paket-
branche tätigen Hermes Logistik Gruppe Deutschland GmbH (Hermes Logistik
Gruppe) gefragt.

Die Bundesregierung hat einige Fragen entweder nicht oder nur sehr auswei-
chend beantwortet (Bundestagsdrucksache 17/7212). Deswegen stellen wir
manche Fragen erneut, stellen ergänzende Fragen und geben der Bundesregie-
rung damit erneut die Möglichkeit, zur Klärung des Sachverhalts beizutragen.

Die Arbeitsbedingungen der Paketbranche waren immer wieder Gegenstand
der öffentlichen Debatte. Dabei wurde das Geschäftsmodell der zur Otto-Group
gehörenden Hermes Logistik Gruppe als arbeitnehmerfeindlich dargestellt, da
die Paketvergütungen von Hermes für die Subunternehmen und deren Beschäf-
tigten in vielen Fällen zu nicht Existenz sicherenden Einkommen führten. Laut
Medienberichterstattung und Erkenntnissen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit
ist die Scheinselbstständigkeit in der Paketbranche sehr weit verbreitet. Auf
diese Weise sparen Unternehmen Sozialversicherungsbeiträge und unterlaufen
Mindestlöhne sowie Arbeitsgenehmigungspflichten, die für Selbstständige
nicht gelten.

Wir fragen die Bundesregierung:

Zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestags-
drucksache 17/7212

1. Wie erklärt die Bundesregierung, dass sie keinerlei Kenntnisse über Razzien
in der Paketbranche hat (vgl. Bundestagsdrucksache 17/7212), insbesondere
bei Satellitendepotbetreibern der Hermes Logistik Gruppe, jedoch die Me-

dien über zahlreiche Razzien beim Paketdienst Hermes berichtet haben,
z. B. in Hamburg, bei der 400 Mitarbeiter von Zoll und Polizei in einer
Großaktion zahlreiche Objekte durchsucht und knapp 70 Ermittlungsverfah-
ren eingeleitet wurden oder in Villingen-Schwenningen, wonach 18 Subun-
ternehmer sowie 73 Fahrer durch das Amtsgericht Villingen-Schwenningen,
wegen Leistungsmissbrauchs und Beihilfe zur Beitragshinterziehung zu
Haft- und Geldstrafen verurteilt wurden?

Drucksache 17/8214 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass durch die Abfrage der Bun-
desfinanzdirektion bei örtlichen Behörden leicht Informationen darüber zu
erlangen sind, bei wie vielen Satellitendepotbetreibern und Subunterneh-
mern Prüfungen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) sowie
durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) durchgeführt und Verstöße
gegen geltendes Recht festgestellt wurden, auch wenn die arbeitsstatisti-
schen Ergebnisse der Zollverwaltung keine Informationen vorhalten?

Wenn ja,

a) wie viele Prüfungen wurden seit 2005 pro Jahr bei Satellitendepotbetrei-
bern und Subunternehmen durchgeführt, die Geschäftsbeziehungen mit
der Hermes Logistik Gruppe unterhielten,

b) welche Verstöße und wie häufig wurden die jeweiligen Verstöße bei die-
sen Prüfungen festgestellt,

c) in wie vielen Fällen wurden seit 2005 pro Jahr diese Satellitendepotbe-
treiber und Subunternehmen, die Geschäftsbeziehungen mit der Hermes
Logistik Gruppe unterhielten, wegen arbeits- oder sozialrechtlicher Ver-
fehlungen verurteilt und in welcher Höhe mit Geldbußen belegt?

Wenn nein, weshalb sind diese Daten nicht aus der Datenbank Zentrale
Datenhaltung zur Programmunterstützung Finanzkontrolle Schwarzarbeit
(ZenDaProFiS) abrufbar, die von der FKS genutzt wird?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass es einen Unterschied zwi-
schen einer Nacherhebung und einer Nachforderung von Sozialversiche-
rungsbeiträgen gibt?

Wenn ja, in wie vielen Fällen und in welcher Höhe wurden Sozialversiche-
rungsbeiträge seit 2005 pro Jahr von Satellitendepotbetreibern und Subun-
ternehmen, die für die Hermes Logistik Gruppe tätig sind, nachgefordert?

Wenn nein, warum nicht?

4. In wie vielen Fällen hat die Deutsche Rentenversicherung seit 2005 festge-
stellt, dass Subunternehmer und Satellitendepotbetreiber, die Geschäftsbe-
ziehungen mit der Hermes Logistik Gruppe unterhielten, scheinselbststän-
dige Fahrer beschäftigt haben (in der Antwort auf die Kleine Anfrage auf
Bundestagsdrucksache 17/7212 wurde lediglich auf die Fahrer von Hermes
und nicht auf die Subunternehmen eingegangen)?

5. Wie viele Hinweise auf Scheinselbstständigkeit wurden seit 2005 pro Jahr
aufgrund von Kontrollen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit bei Satelliten-
depotbetreibern und Subunternehmen, die Geschäftsbeziehungen mit der
Hermes Logistik Gruppe unterhielten, an die Deutsche Rentenversicherung
weitergeleitet, und haben diese zu weitergehenden Prüfungen geführt?

Wenn ja, wie viele Prüfungen sind daraus entstanden, und wie viele Verstöße
wurden aufgrund dieser Prüfungen aufgedeckt?

6. Haben auch Satellitendepotbetreiber und Subunternehmen, die Geschäftsbe-
ziehungen mit der Hermes Logistik Gruppe unterhalten, eine Statusfeststel-
lung im Rahmen des Anfrageverfahrens nach §7a Absatz 1 des Vierten
Buches Sozialgesetzbuch bei der Deutschen Rentenversicherung Bund
(Clearingstelle) durchgeführt?

Wenn ja, wie viele Statusfeststellungsverfahren wurden seit 2005 pro Jahr
durchgeführt, und in wie vielen Fällen gab es Beanstandungen?

7. Warum ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, Geschäftsmodelle einzel-
ner Unternehmen zu beurteilen (siehe Antwort zu den Fragen 8 und 9 auf

Bundestagsdrucksache 17/7212), wenn die Geschäftsmodelle, wie hier beim
Beispiel Hermes Logistik Gruppe und deren Satellitendepotbetreiber und

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8214

Subunternehmen schädliche Auswirkungen für den Staat und für die Be-
schäftigten haben?

Scheinselbstständigkeit auf dem Arbeitsmarkt

8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Scheinselbstständigkeit
zu einem relevanten Anteil der Schwarzarbeit geworden ist, um Arbeitneh-
merrechte zu unterlaufen, Sozialversicherungsbeiträge zu sparen und Min-
destlöhne sowie Arbeitsgenehmigungspflichten zu umgehen?

Wenn ja,

a) in wie vielen Fällen wurde seit 2005 pro Jahr Scheinselbstständigkeit
festgestellt, und in welchen zehn Branchen ist Scheinselbstständigkeit
vorrangig zu finden,

b) welche Maßnahmen sind von der Bundesregierung geplant, um Schein-
selbstständigkeit zu verhindern?

Wenn nein, wie kommt die Bundesregierung zu dieser Auffassung, obwohl
der Quartalsbericht der Finanzkontrolle Schwarzarbeit Anfang 2011 genau
darauf hinweist?

Situation auf dem Markt für Postdienstleister

9. Wie viele Postdienstleister bzw. Kurier-Express-Dienstleister (KEPD) sind
auf dem Markt tätig, welchen Marktanteil haben sie, und wie viele Arbeit-
nehmer sind bei ihnen beschäftigt (bitte ab 2005 einzeln nach Jahren auf-
schlüsseln)?

a) Wie viele Postdienstleister bzw. Kurier-Express-Dienstleister wurden
von der FKS geprüft, und wie häufig wurden welche Verstöße dabei
festgestellt (bitte ab 2005 einzeln nach Jahren aufschlüsseln)?

b) Wie viele Ermittlungsverfahren wurden deshalb eingeleitet (bitte nach
Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren sowie nach Jahren aufschlüs-
seln)?

c) Wie viele dieser Ermittlungsverfahren führten seit 2005 pro Jahr zu wel-
chen Verurteilungen, und zu wie vielen Bußgeldbescheiden in welcher
Gesamthöhe?

d) In welcher Höhe sind aufgrund dieser Verstöße den öffentlichen Haus-
halten, den Sozialversicherungen und den Berufsgenossenschaften Ein-
nahmen entgangen (bitte ab 2005 einzeln nach Jahren aufschlüsseln)?

e) Bei welchen zehn Unternehmen wurden seit 2005 die meisten Verstöße
durch Kontrollen aufgedeckt?

f) Wie viele Subunternehmer und Sub-Subunternehmer (als Auftragneh-
mer von Postdienstleistern) sind in der Branche tätig, und wie viele da-
von wurden geprüft (bitte ab 2005 einzeln nach Jahren aufschlüsseln)?

g) Wie viele Fälle von Scheinselbstständigkeit wurden seit 2005 pro Jahr
jeweils bei den Postdienstleistern, KEPD und deren Subunternehmen
aufgedeckt, und in welchen Rechtsformen sind diese Scheinselbststän-
digen aufgetreten?

h) In wie vielen Fällen wurde seit 2005 pro Jahr wegen Verstößen gegen
das Ausländerrecht bzw. das Aufenthaltsrecht ermittelt?

Bundesnetzagentur
10. Wie viele Subunternehmer waren laut Bundesnetzagentur, die als Regulie-
rungsbehörde für Postdienstleistungen für die besondere Missbrauchsauf-

Drucksache 17/8214 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sicht im Postwesen zuständig ist, seit 2005 pro Jahr im Besitz einer Post-
lizenz, und wie viele Personen sind als Nachunternehmer ohne Postlizenz
für die lizenzierten Unternehmen tätig gewesen?

11. Hat die Bundesnetzagentur Kenntnis von Verfahren gegen Lizenznehmer
bzw. deren Sub- oder Nachunternehmer?

Wenn ja, welche Konsequenzen wurden durch die Bundesnetzagentur dar-
aus gezogen, und werden die Daten bei der Bundesnetzagentur unterneh-
mensbezogen gespeichert?

Wenn nein, warum nicht?

12. Welche zehn häufigsten Maßnahmen wurden von der Bundesnetzagentur
gegen die Lizenzinhaber sowie Subunternehmer oder Sub-Subunterneh-
mer, die gegen Lizenzbedingungen verstoßen haben, ergriffen?

13. Wie viele Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verstößen gegen die Buß-
geldvorschriften des Postgesetzes wurden gegen Auftraggeber, Subunter-
nehmer bzw. deren scheinselbstständige Sub-Subunternehmer seit 2005
pro Jahr eingeleitet?

Sollten keine Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden sein,
warum nicht?

14. In welcher Höhe und gegen wie viele Lizenznehmer wurden seit 2005 pro
Jahr Bußgeldbescheide erlassen?

Sollten keine Bußgeldverfahren eingeleitet worden sein, warum nicht?

15. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass im Hinblick auf die Ge-
fahren des internationalen Terrorismus, das Luftfahrtbundesamt für die
Überwachung und Einhaltung der sicheren Lieferkette (u. a. reglementierte
Beauftragte, bekannte Versender) verantwortlich ist und wie aus einer
Excel-Liste des Luftfahrtbundesamtes hervorgeht, die Hermes Air Cargo
GmbH (DE/RA/00197-01/0113) als reglementierter Beauftragter, neben
einer Vielzahl anderer Unternehmen wie DHL, TNT,UPS, GLS, zugelassen
ist?

16. Gab es Feststellungen, dass Luftfracht entgegen den Bestimmungen des
Luftfahrtbundesamtes und anderer europäischer Vorschriften transportiert
wurde?

Wenn ja, in wie vielen Fällen und von welchen Unternehmen?

17. In wie vielen Fällen wurde das Luftfahrtbundesamt über Verdachtsmo-
mente bzw. festgestellte Verstöße, z. B. durch den Einsatz scheinselbststän-
diger Kurierfahrer beim Transport von Luftfracht, insbesondere bei der
Hermes Air Cargo GmbH, informiert (wenn möglich, nach Unternehmen
differenzieren)?

Berlin, den 16. Dezember 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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