BT-Drucksache 17/8159

Die europäische Energieeffizienzrichtlinie wirkungsvoll ausgestalten

Vom 14. Dezember 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8159
17. Wahlperiode 14. 12. 2011

Antrag
der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Dirk Becker, Hubertus Heil (Peine),
Ingrid Arndt-Brauer, Doris Barnett, Klaus Barthel, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer,
Willi Brase, Marco Bülow, Edelgard Bulmahn, Ulla Burchardt, Martin Burkert,
Martin Dörmann, Garrelt Duin, Petra Ernstberger, Michael Gerdes, Iris Gleicke,
Michael Groß, Oliver Kaczmarek, Ulrich Kelber, Dr. Bärbel Kofler, Ute Kumpf,
Dr. Matthias Miersch, Manfred Nink, Thomas Oppermann, Holger Ortel,
Heinz Paula, Dr. Sascha Raabe, Gerold Reichenbach, René Röspel,
Carsten Schneider (Erfurt), Frank Schwabe, Dr. Martin Schwanholz, Rita
Schwarzelühr-Sutter, Dr. Carsten Sieling, Wolfgang Tiefensee, Ute Vogt,
Andrea Wicklein, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Dr. Frank-Walter Steinmeier
und der Fraktion der SPD

Die europäische Energieeffizienzrichtlinie wirkungsvoll ausgestalten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Steigerung der Energieeffizienz ist neben dem Ausbau der erneuerbaren
Energien der Kernpunkt jeder stringenten Energiepolitik, die als so genannte
Energiewende zur Erreichung der klima- und energiepolitischen Ziele Deutsch-
lands und Europas beitragen möchte.

Die deutsche Volkswirtschaft mit ihrem vergleichsweise großen Anteil an
produzierendem Gewerbe muss ihre Wettbewerbsfähigkeit bei tendenziell stei-
genden Energiekosten bewahren. In der Steigerung der Energieeffizienz liegt
daher ein zentraler Schlüssel für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen Industrie.

Die Bundesregierung hat sich in ihrem Energiekonzept dazu verpflichtet, mit
einer Steigerung der Energieproduktivität um durchschnittlich 2,1 Prozent pro
Jahr den Primärenergieverbrauch um 20 Prozent bis zum Jahr 2020 und um
50 Prozent bis 2050 zu senken. Der Stromverbrauch soll entsprechend um
10 Prozent bis 2020 beziehungsweise um 25 Prozent bis 2050 gesenkt werden.

Der Vorschlag für eine Richtlinie zur Energieeffizienz ist Teil der Umsetzung
der 20-20-20-Ziele der Europäischen Union. Er ist damit auch weitgehend de-
ckungsgleich mit den national postulierten Zielen der Bundesregierung.
In der Verfolgung eines europäischen Ansatzes zur Steigerung der Energieeffi-
zienz liegen folgende Chancen:

– Eine europäische Zielsetzung ist klimapolitisch am wirkungsvollsten.

– Der Europäische Wirtschaftsraum wird daneben von hohen zweistelligen
Milliardenbeträgen für vermiedene Energieimporte entlastet.

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– Effizienzmaßnahmen und Energieeinsparverpflichtungen führen zu keinen
Wettbewerbsverzerrungen im europäischen Markt.

– Deutschland ist als führende Wirtschaftskraft in Europa von positiven Effek-
ten – insbesondere auf dem Arbeitsmarkt – betroffen.

Ohne entschiedenes Handeln auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene
können die Ziele zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Senkung des Pri-
märenergieverbrauchs nicht annähernd bis 2020 erreicht werden. Gerade die
deutsche Energie- und Klimapolitik verlöre dadurch ihre Glaubwürdigkeit, die
Volkswirtschaft wäre mit steigenden Importkosten belastet und die deutsche
Wirtschaft verlöre einen großen Teil ihrer Innovationskraft und Wettbewerbs-
fähigkeit.

Der Deutsche Bundestag begrüßt die mit dem Richtlinienvorschlag zur Energie-
effizienz der EU-Kommission vom 22. Juni 2011 verfolgte Zielsetzung, sowohl
die Effizienz bei der Energienutzung in Gebäuden, bei Produkten und Prozessen
zu steigern als auch die Effizienz bei der Energieversorgung im Zusammenhang
mit der Wärme- und Kälteversorgung, der Energieumwandlung und der Ener-
gieübertragung und -verteilung stärker zu nutzen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich bei den Verhandlungen über die Ausgestaltung der EU-Energieeffizienz-
richtlinie dafür einzusetzen, dass

1. die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand nicht mit unsinnigen Ausnahme-
und Umgehungstatbeständen ausgehöhlt wird, sondern geprüft wird, ob Aus-
nahmen allein aufgrund eines sehr guten energetischen Zustandes oder der
geringen Restnutzungszeit von Gebäuden zugelassen werden sollen;

2. private und gewerbliche Wohnungsgesellschaften in die Bestimmungen des
Richtlinienvorschlags aufgenommen werden oder dies in der nationalen
Umsetzung sichergestellt wird, um Wettbewerbsverzerrungen gerade auf
dem Mietwohnungsmarkt und vermeintliche Benachteiligungen von Woh-
nungsgesellschaften im öffentlichen Eigentum zu verhindern;

3. die Umsetzung der Energieeffizienzdienstleistungen bzw. der Raum für
Energieeffizienzanreize von den Mitgliedstaaten über die im Richtlinien-
vorschlag adressierten Energieverteiler und Energiehandelsunternehmen
auch für Dritte geöffnet wird, um möglichst wirtschaftlich effiziente Energie-
einsparungen zu generieren. In dem Zusammenhang muss Artikel 6 Absatz 9
des Richtlinienvorschlags mit der Möglichkeit für die Mitgliedstaaten zur
Einführung von anderen Energieeffizienzanreizsystemen als dem in Absatz 1
vorgeschlagenen beibehalten und aus Gründen der Subsidiarität gestärkt wer-
den;

4. der Bezug auf den in der EDL-Richtlinie enthaltenen Energieeffizienzfonds
wieder hergestellt wird und dessen verbindliche Einführung auf nationaler
Ebene aufgenommen wird;

5. die öffentliche Beschaffung sich generell an der höchsten Effizienzklasse der
jeweiligen Anschaffungen orientiert, weil auch hier die Vorbildfunktion der
öffentlichen Hand im Vordergrund steht. Zum einen wird dadurch ein Markt
für höchsteffiziente Produkte angeregt. Zum anderen sollte bei öffentlichen
Investitionen eine Totalkostenbetrachtung (Investitions- und laufenden Be-
triebskosten über die jeweilige Nutzungsdauer) erfolgen. Insofern sollte der
Verweis auf „Kosteneffizienz“, „wirtschaftliche Durchführbarkeit“ sowie das
Bestehen eines „hinreichenden Marktes“ in Anhang III Buchstabe a des
Richtlinienvorschlags auf Totalkostenbetrachtung und Marktschaffung präzi-

siert werden;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8159

6. die Mitgliedstaaten in die Lage versetzt werden, durch gezielte Förderungen
und Maßnahmen insbesondere Kommunen und von den entsprechenden Re-
gelungen Betroffene zu unterstützen;

7. eine Klarstellung in Artikel 12 Absatz 5 des Richtlinienvorschlags dahinge-
hend erfolgt, dass der vorrangige Netzzugang und die Verteilung von KWK-
Strom (KWK = Kraft-Wärme-Kopplung) in erster Linie gegenüber konven-
tionellen und reinen Stromerzeugungsanlagen besteht. Die Mitgliedstaaten
sollen entsprechende Regelungen in nationales Recht unter Berücksichtigung
des Vorrangs der erneuerbaren Energien sowie der Netzstabilität und Versor-
gungssicherheit umsetzen.

Berlin, den 13. Dezember 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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