BT-Drucksache 17/7942

UN-Konvention jetzt umsetzen - Chancen für eine inklusive Gesellschaft nutzen

Vom 29. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7942
17. Wahlperiode 29. 11. 2011

Antrag
der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben), Anette Kramme, Elke Ferner,
Doris Barnett, Sören Bartol, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Petra Crone,
Petra Ernstberger, Karin Evers-Meyer, Dr. Edgar Franke, Martin Gerster,
Iris Gleicke, Angelika Graf (Rosenheim), Kerstin Griese, Hans-Joachim Hacker,
Bettina Hagedorn, Michael Hartmann (Wackernheim), Gabriele Hiller-Ohm,
Petra Hinz (Essen), Christel Humme, Josip Juratovic, Oliver Kaczmarek,
Angelika Krüger-Leißner, Ute Kumpf, Gabriele Lösekrug-Möller, Kirsten Lühmann,
Caren Marks, Katja Mast, Thomas Oppermann, Mechthild Rawert, Sönke Rix,
Karin Roth (Esslingen), Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Anton Schaaf,
Bernd Scheelen, Ulla Schmidt (Aachen), Swen Schulz (Spandau), Sonja Steffen,
Franz Thönnes, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

UN-Konvention jetzt umsetzen – Chancen für eine inklusive Gesellschaft nutzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ist ein Meilenstein auf dem
Weg, Menschen mit Behinderung von Anfang an gleichberechtigt einzubezie-
hen und knüpft nahtlos an Artikel 3 des Grundgesetzes sowie an die Politik für
Teilhabe und Selbstbestimmung an, die seit 1998 aktiv und parteiübergreifend
im Deutschen Bundestag betrieben wurde. Diesen Weg kennzeichnen vor allem
das Neunte Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter
Menschen – (SGB IX), das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes
(BGG) und die Gleichstellungsgesetze der Länder sowie das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Inklusion und Teilhabe sind keine Sonder-
rechte; die UN-BRK konkretisiert lediglich die Menschenrechte von Menschen
mit Behinderung. Es gibt gewaltigen themenübergreifenden Handlungsbedarf
um zu überprüfen, ob das geltende Recht mit der Konvention übereinstimmt
und ob das geltende Recht in der Praxis verwirklicht wird. Bestehende und zu-
künftige Gesetze und Verordnungen sowie die Ausführung der Gesetze sind auf
ihre Vereinbarkeit mit der UN-BRK zu überprüfen.

Deutschland hat sich mit der Ratifikation dem gesellschaftspolitischen Ansatz
der Inklusion verpflichtet. Allen Menschen mit Behinderung ist von Beginn an
Teilhabe und Selbstbestimmung zu ermöglichen. Behinderungsbedingte Unter-
stützungsleistungen, wie etwa Pflege oder Assistenz, müssen dort zur Ver-

fügung stehen, wo der Mensch mit Behinderung lebt, lernt und arbeitet. Des-
halb ist es notwendig, dass die gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmen-
bedingungen dafür geschaffen werden, allen Menschen gleiche Chancen für ge-
sellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Die Umsetzung der UN-BRK in Deutschland betrifft alle Bürgerinnen und Bür-
ger direkt oder indirekt. Über 10 Prozent der Bevölkerung sind heute direkt von
Behinderung betroffen. Viele Angehörige, Beschäftigte in Diensten und Ein-

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richtungen sowie Menschen im Umfeld von Menschen mit Behinderung wer-
den durch die Umsetzung ebenfalls Veränderungen erleben. Auch angesichts
einer alternden Gesellschaft gilt es, die Barrieren in unserer Gesellschaft abzu-
schaffen und Inklusion zu ermöglichen.

Gesellschaftliche Teilhabe muss auch dann garantiert und erlebbar sein, wenn
körperliche, seelische oder lernbedingte Beeinträchtigungen vorhanden sind.
Ob angeborene oder erworbene Behinderung – die UN-BRK macht keinen Un-
terschied und kann deshalb für jeden Menschen z. B. bei chronischer Krank-
heit, Pflegebedürftigkeit oder Unfallfolgen Wirkung entfalten.

Die UN-BRK (Präambel, Buchstabe e) bekräftigt, dass Behinderung kein „De-
fekt“ des Menschen ist, sondern durch die Wechselwirkung von Menschen mit
Beeinträchtigungen und einstellungs- sowie umweltbedingten Barrieren ent-
steht. Umfassende Barrierefreiheit – baulich aber auch in den Köpfen – ist so-
mit elementare Voraussetzung für gleichberechtigte und selbstbestimmte Teil-
habe an der Gesellschaft. Eine barriere- und diskriminierungsfreie Gesellschaft,
die niemanden ausschließt und jedermanns Potentiale und Besonderheiten ein-
bezieht, ist für die gesamte Gesellschaft ein Gewinn.

Es müssen Wege gefunden werden, notwendige und angemessene Vorkehrun-
gen mittel- und langfristig zu etablieren. Viele Maßnahmen können durch eine
Umstrukturierung oder Anpassung vorhandener Mittel finanziert werden, auch
wenn zusätzliche Mittel an bestimmten Stellen benötigt werden. Schon heute
ist bspw. die barrierefreie Planung von Bauvorhaben keine notwendigerweise
kostenintensive Maßnahme. Die Anforderungen an Barrierefreiheit und In-
klusion müssen hier wie in allen Feldern nur von Anfang an mitbedacht wer-
den. Wo dies nicht geschieht oder geschehen ist, entstehen im Nachhinein Kos-
ten. Es muss für jede als notwendig erachtete Maßnahme ein Umsetzungs-
horizont im Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behinderten-
rechtskonvention verankert werden, der die Aufgabe, die Verpflichteten und die
Kosten klar benennt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

die folgenden Maßnahmen und Inhalte im Nationalen Aktionsplan zur Umset-
zung der UN-Behindertenrechtskonvention zu verankern, jeweils konkrete
Umsetzungsperspektiven, insbesondere auch für die öffentlichen Haushalte, zu
konkretisieren und die Menschen mit Behinderung aktiv und von Anfang an in
diesen Prozess einzubeziehen.

A. Menschenrechte, Bewusstseinsbildung, Gleichstellung
● Für die nationalen Politiken und Gesetze muss ein „Disability Mainstrea-

ming“ integriert werden. Der Abbau von Vorurteilen und bestehenden Be-
nachteiligungen erfordert ein entsprechendes Bewusstsein, das sensibel ist
für Menschen mit Behinderung. Deutschland soll das Konzept des „Dis-
ability Mainstreaming“ ebenso für internationale Konventionen und Ab-
kommen sowie für europäische gesetzliche Initiativen fordern. Dazu gehört,
dass Gesetze, die Menschen mit Behinderung direkt betreffen, nicht ohne
die Beteiligung der Betroffenen entstehen. Alle Gesetze müssen in Zukunft
auch in „leichter Sprache“ zugänglich sein.

● Zur besseren Vernetzung deutscher und europäischer Behindertenorganisa-
tionen soll zum Erfahrungsaustausch ein Förderprogramm entwickelt
werden, das den internationalen Austausch zwischen den Organisationen för-
dert. Deutschland soll innerhalb der Europäischen Union das Problem der
politischen Teilhabe von Menschen mit Behinderung auf die Agenda setzen.
● Zur Bewusstseinsbildung soll eine breit angelegte Öffentlichkeitskampagne
initiiert werden, die von der Exekutive, der Legislative und der Zivilgesell-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7942

schaft gemeinsam getragen wird. Flankierend zur Bekanntmachung der
Ziele des Nationalen Aktionsplans sind Schulungs- und Sensibilisierungs-
maßnahmen für Behörden, Institutionen und Verbände zu etablieren. Diese
sind mit entsprechenden Finanzierungsmitteln auszustatten.

● Die Bundesregierung wirkt gemeinsam mit Ländern und Kommunen darauf
hin, dass die bestehende Infrastruktur der Begegnung von Menschen mit und
ohne Behinderung weiterentwickelt wird, damit ein neues soziales Mitein-
ander entsteht und die historisch begründete Aussonderung von Menschen
mit Behinderung sowie defizitorientiertes Denken überwunden werden kön-
nen. Die Wertschätzung von Menschen mit Behinderung, ihrer persönlichen
Individualität (z. B. unkonventionelle Verhaltensweisen) und kulturellen Be-
sonderheiten (z. B. der Gebärdensprache) und ihres Beitrages zur gesell-
schaftlichen Vielfalt werden durch eine gesellschaftliche Debatte gefördert,
die auf den konkreten Beispielen der Lebenswelten und Lebenssituationen
von Betroffenen aufbaut.

B. Selbstbestimmtes Leben, Assistenz, Mobilität

● Die Eingliederungshilfe aus dem SGB XII soll im SGB IX verankert werden
– zunächst bei unveränderter Kostenträgerschaft. Dies nimmt die Betroffe-
nen und ihre Bedarfe in den Blick und führt weg vom Fürsorgesystem der
Sozialhilfe zu sozialer Teilhabe und Inklusion. Die Grundsätze der Sozial-
hilfe auf die soziale Teilhabe anzuwenden ist nicht angemessen, denn Teil-
habe ist ein Menschenrecht. Die Forderungen des SGB IX, welche die UN-
BRK in Teilen schon vorweggenommen hat, werden so mit Leben und In-
halt gefüllt und laufen nicht mehr ins Leere.

● Es soll geprüft werden, wie Leistungen zur sozialen Teilhabe zukünftig ganz
oder teilweise einkommens- und vermögensunabhängig ausgestaltet werden
können. Ein bestehender Teilhabebedarf darf grundsätzlich nicht zur Sozial-
hilfeabhängigkeit führen. Menschen mit Behinderung sind keine Bittsteller
und sollten auch nicht durch eine übermäßige Beteiligung an den Aufwen-
dungen für ihre Assistenz lebenslang zu Hilfebedürftigen gemacht werden.

● Eine Bundesbeteiligung an den Leistungen zur sozialen Teilhabe in Form
eines Bundesteilhabegeldes ist auf Umsetzbarkeit zu prüfen. Dies würde si-
cherstellen, dass eine bundeseinheitliche Grundlage für die Sicherstellung
der individuellen Teilhabe gegeben ist.

● Die Sicherstellung persönlicher Mobilität und die Versorgung mit mensch-
licher und tierischer Assistenz sind wichtig, um selbstbestimmt leben zu kön-
nen. Deshalb muss im Rahmen einer Reform der Eingliederungshilfe darauf
hingewirkt werden, dass Assistenzbedarfe finanziell und fachlich abgesichert
werden. Tierische Assistenz muss als Leistungsbestandteil verankert werden.

● Das trägerübergreifende Persönliche Budget soll durch konkrete Maßnahmen,
wie z. B. die Schulung der Verwaltung, die Bekanntmachung in der Öffent-
lichkeit und die Verpflichtung zur Prüfung eines Budgets bei der Beantragung
von Teilhabeleistungen oder die Vergütung der Beratungsleistungen (z. B.
durch Selbsthilfeverbände), gestärkt werden. Es ist eine umfassende wissen-
schaftliche Wirkungsforschung zum SGB IX zu etablieren.

● Trägerübergreifende Leistungen sollen aus einer Hand reguliert werden. Es
ist zu prüfen, wie diese Aufgabe bei bestehenden Stellen angesiedelt werden
kann.

● Es ist eine Verpflichtung der Kommunen und übrigen Rehabilitationsträger
zur flächendeckenden Planung und Förderung eine Dienstleistungsstruktur

einzuführen, die sich am Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen orientiert
und mehr zusätzliche Wohn- und Assistenzformen ermöglicht.

Drucksache 17/7942 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● Die persönliche Mobilität behinderter Menschen zur Teilhabe am gesell-
schaftlichen Leben, unabhängig von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsle-
ben, ist sicherzustellen.

C. Arbeit, berufliche Rehabilitation, soziale Sicherung

● Alle behinderten Menschen sollen regelmäßig von den arbeitsrechtlichen
Regelungen im SGB IX erfasst werden. Die Beschränkung auf schwerbehin-
derte und ihnen gleichgestellte Menschen ist nicht im Sinne der UN-BRK.

● Die Schwerbehindertenausgleichsabgabe muss in ihrer Systematik und
Höhe überprüft und ggf. angepasst werden, damit alle Menschen mit Behin-
derung von einer Förderung des ambulanten Wohnens, Arbeitens und der in-
dividuellen Arbeitsplatzgestaltung, auch für Teilzeitarbeitplätze, profitieren
und die Beschäftigungschancen behinderter Menschen nachhaltig gesteigert
werden.

● Die heutigen Werkstattbeschäftigten müssen in der Ausübung ihrer Rechte
gestärkt und perspektivisch in die Lage versetzt werden, auf einem inklusiven
und durchlässigen Arbeitsmarkt durch ihre Arbeit ihren Lebensunterhalt
verdienen können. Der Schutz des arbeitnehmerähnlichen Status sowie die
rentenrechtliche Besserstellung sind solange gerechtfertigt, wie eine gleich-
berechtigte Teilhabe am Arbeitsleben nicht realisiert ist.

● Schwerbehindertenvertretungen sind in ihrer Rechtsstellung zu stärken.

● Die Arbeit der Integrationsfachdienste ist abzusichern; die Ausschreibungs-
pflicht für Vermittlungsleistungen ist zurückzunehmen.

● Arbeitsassistenz macht die Teilhabe am Arbeitsleben auch in qualifizierter
Beschäftigung möglich. Sie ist zu fördern und darf nicht auf einen engen
Personenkreis beschränkt sein. Ein möglicher Weg ist die Stärkung des Bud-
gets für Arbeit.

● Zu überprüfen ist, ob das im Beamtenrecht vorherrschende Verständnis der
gesundheitlichen Eignung dem gleichberechtigten Zugang von Menschen
mit Behinderung entgegensteht.

● Da sich in der Praxis gezeigt hat, dass behinderte Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer z. B. im öffentlichen Dienst – ähnlich wie Teilzeitbeschäftigte
– im Durchschnitt schlechtere Bewertungen erhalten als die restlichen Be-
schäftigten, sind Maßnahmen zu ergreifen, um diskriminierungsfreie Beur-
teilungen sicherzustellen.

● Automatische Übergänge von der Förderschule in Werkstätten müssen un-
bedingt vermieden werden. Hier sollten bessere Beratung und Praktika be-
reits in der Schule, eine intensivere Vernetzung mit den Integrationsfach-
diensten sowie ausreichend Beschäftigungsalternativen den Weg in den all-
gemeinen Arbeitsmarkt ebnen. Es ist zu prüfen, ob die unterstützte Beschäf-
tigung entfristet werden kann, um so besser für dauerhafte Beschäftigung
sorgen zu können.

● Kapazitäten und Qualifizierung von Fachkräften für qualifizierte, barriere-
freie Beratung und Vermittlung behinderter Menschen ist sicherzustellen.
Geschlechterspezifische Belange sind besonders zu berücksichtigen.

● Zusätzliche Programme zur Wiedereingliederung von SGB-II-Leistungs-
empfängerinnen und -empfängern mit Behinderung sind zu entwickeln und
umzusetzen, um die dauerhaft hohe Arbeitslosigkeit schwerbehinderter
Menschen zu bekämpfen.


Kleine und mittelständische Unternehmen sind bei der Durchführung des
betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) zu unterstützen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7942

● § 3a Absatz 2 der Arbeitsstättenverordnung ist so zu ändern, dass mehr Ar-
beitsplätze barrierefrei nutzbar sind.

● Um Arbeitgeber bei der Schaffung von Barrierefreiheit am Arbeitsplatz zu
unterstützen, ist eine bessere Förderung durch die KfW Bankengruppe zu
prüfen.

● Die Information von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern über Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB IX ist zu verbessern, insbeson-
dere hinsichtlich der Möglichkeiten und Chancen von Arbeitsassistenz und
barrierefreier Gestaltung am Arbeitsplatz.

● Für die Bundesministerien und Bundesbehörden ist eine Selbstverpflichtung
zur Schaffung von barrierefreien Arbeitsstätten vorzunehmen, um somit ein
Vorbild für alle öffentlichen und privaten Arbeitgeber zu schaffen.

● Im Rahmen der Betreuung von Arbeitsuchenden soll die Bundesagentur für
Arbeit ein bedarfsgerechtes Angebot an barrierefreier beruflicher Weiterbil-
dung bereithalten.

D. Bildung

● Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei den Ländern für eine konse-
quente Umsetzung der inklusiven Bildung, des gemeinsamen Lernens von
Kindern mit und ohne Behinderung von Anfang an mit den folgenden Ziel-
stellungen einzutreten:

– Die Kommunen sollen Unterstützung beim Ausbau eines Netzes von
Frühförderstellen bekommen, die ein optimales Fördernetz für Kinder
mit Behinderung vor dem Eintritt in die Schule gewährleisten;

– eine aktive und finanzielle Unterstützung für die Erziehung von Kindern
mit Behinderung in der Familie, insbesondere Mobilitäts- und Alltagshil-
fen sowie Assistenz für Eltern mit Behinderung sowie eine Unterstützung
für die Pflege und Erziehung in Pflegefamilien;

– Krippen und Kindertagesstätten müssen auf inklusive Bildung ausgerich-
tet werden, deshalb auch über entsprechend geschultes Personal und ge-
eignetes Material verfügen;

– ein echtes Elternwahlrecht für die vorschulische und die schulische Bil-
dung, die integrative und besondere Angebote umfasst. Dazu gehört ein
Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung;

– es ist ein Ganztagsschulangebot zu schaffen, das für Menschen mit Be-
hinderung bedarfsgerecht ausgestattet werden soll;

– der Übergang von der Schule in den Beruf muss den Bedürfnissen von
Schülern mit Behinderung gerecht werden. Neben einer frühzeitigen Be-
ratung und Begleitung sind die beruflichen Ausbildungsstätten für die
Anforderungen an eine inklusive Ausbildung auszustatten;

– das Hochschulstudium sowie Aus- und Weiterbildungen sollen für Men-
schen mit Behinderung weiter geöffnet und inklusiv gestaltet werden.
Zudem muss eine Anpassung der Lehramtsstudiengänge an die inklusive
Bildung erfolgen;

– der Umgang mit heterogenen Lerngruppen soll integraler Bestandteil des
Lehramtsstudiums sowie der pädagogischen Fach- und Hochschulausbil-
dungen sein, damit alle angehenden Lehrkräfte für den Umgang mit
Schülern mit Behinderung sensibilisiert sind. Sonderpädagogik bleibt zu-
dem als eigenständiger Bereich im Lehramtsstudium erhalten. In der Pra-

xis ist ein Unterricht in multiprofessionellen Teams anzustreben, bei dem
Lehrer von sonderpädagogischen Experten unterstützt werden.

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E. Kinder, Frauen, Familie

● Alle Leistungen für Kinder mit Behinderung sollen unter dem Dach der Kin-
der- und Jugendhilfe zusammengefasst werden, denn der Inklusion steht das
stark gegliederte Sozialleistungssystem in Deutschland im Wege.

● Eine aktive und finanzielle Unterstützung für die Erziehung von Kindern mit
Behinderung in der Familie, insbesondere Mobilitäts- und Alltagshilfen
sowie Assistenz für Eltern mit Behinderung sowie eine Unterstützung für
die Pflege und Erziehung in Pflegefamilien sind notwendig.

● Frauen mit Behinderung sind von Mehrfachdiskriminierungen betroffen. Es
ist sicherzustellen, dass Gleichstellungs- oder Frauenbeauftragte den Benach-
teiligungen von Frauen mit Behinderung frühzeitig entgegenwirken, indem
sie beraten, Benachteiligungen von Frauen aufdecken und Gewaltprävention
betreiben.

● Die Leistungsträger sollen in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen die
Leistungserbringer im Sinne der Qualitätssicherung dazu verpflichten, Leit-
linien zur Gewaltprävention sowie Interventionspläne gegen Gewalt erarbei-
ten. Die Bundesregierung wird aufgefordert, dazu einen Änderungsvorschlag
zu erarbeiten und dem Deutschen Bundestag vorzulegen.

● Die Bundesregierung setzt sich gemeinsam mit den Ländern für eine Verbes-
serung der Fortbildungen und Schulungen für Polizei, Justiz, Medizin,
Rechtsmedizin, Gutachter, Pflege, Sozialpädagogik sowie Beratungsstellen
ein, um diese für das Thema „Gewalt gegen Menschen mit Behinderung“
(insbesondere gegen Kinder und Frauen) verstärkt zu sensibilisieren.

● Die Bundesregierung wirkt mit den Ländern und Kommunen darauf hin,
dass Beratungsstellen, Frauenhäuser und medizinische Einrichtungen Infor-
mationen barrierefrei – auch in leichter Sprache – zur Verfügung stellen und
einen barrierefreien Zugang ermöglichen.

F. Barrierefreiheit

Öffentlicher Personenverkehr

● Im öffentlichen Personenverkehr muss sich Barrierefreiheit auf die gesamte
Reisekette beziehen. Es reicht nicht aus zum Beispiel nur Haltestellen bar-
rierefrei zu gestalten, sondern man muss den gesamten Weg – von der Haus-
tür bis zum Ziel – für mobilitätseingeschränkte Menschen zugänglich ma-
chen. Dazu müssen sich u. a. die Akteure besser vernetzen, um Schnittstellen
bei unterschiedlicher Zuständigkeit, z. B. bei Verkehrsmitteln und Haltestel-
len, aufeinander abzustimmen.

● Fahrgastinformationen und Tarife sind leicht zugänglich und verständlich zu
machen.

● Damit die in den Nahverkehrsplänen getroffenen Aussagen über zeitliche
Vorgaben und Maßnahmen auch in der Genehmigungspraxis umgesetzt wer-
den, ist die Verbindlichkeit der Nahverkehrspläne zu erhöhen.

● Durch das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen sind unter ande-
rem das Personenbeförderungsgesetz, das Gemeindeverkehrsfinanzierungs-
gesetz, die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung und das Luftverkehrsgesetz
geändert worden. Die Auswirkungen dieser Änderungen müssen jetzt umfas-
send unter Einbeziehung landesgesetzlicher Regelungen und konkreter Er-
fahrungen Betroffener evaluiert werden. Besonderes Augenmerk soll darauf
liegen,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/7942

1. inwieweit die Landes-ÖPNV-Gesetze (ÖPNV: öffentlicher Personennah-
verkehr) Vorgaben zur Berücksichtigung von Barrierefreiheit bei der
Aufstellung von Nahverkehrsplänen machen und inwieweit dies in den
Nahverkehrsplänen und in der Genehmigungspraxis umgesetzt wird;

2. inwieweit bei der Vergabe im Schienenpersonennahverkehr Barrierefrei-
heit als Kriterium berücksichtigt wird;

3. inwieweit die Länder von der Verordnungsermächtigung im Personen-
beförderungsgesetz Gebrauch machen, beim Verkehr mit Taxen Regelun-
gen über die Behindertenbeförderung zu treffen.

Bahnverkehr

● In der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) sind verbindliche Stan-
dards für die Erstellung und Fortschreibung von Eisenbahnprogrammen zur
Schaffung von Barrierefreiheit bei Bahnanlagen und Schienenfahrzeugen
nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) festzulegen. Ausnahmen
von diesen Standards durch die Aufsichtsbehörden sind zu begrenzen und
nur im Rahmen einer Mitbestimmung der Betroffenenverbände zu ermögli-
chen.

● Die Bundesregierung und die Deutsche Bahn AG stellen mittelfristig ausrei-
chend finanzielle Mittel zur Verfügung, damit grundsätzlich alle Bahnhöfe
barrierefrei umgebaut werden können. Die Mindestgröße von 1 000 Reisen-
den täglich als Bedingung für den Umbau ist bedingt durch fehlende Haus-
haltsmittel und geht nicht konform mit der UN-BRK.

● § 14 Absatz 1 der Eisenbahn-Verkehrsordnung ist zu überarbeiten. Die In-
formationspflicht über Fahrgastrechte ist so barrierefrei zu gestalten, dass
Menschen mit Behinderungen, unabhängig davon, ob die Fahrkarte über den
Schalter, den Automaten oder das Internet erworben wird, über ihre Fahr-
gastrechte informiert werden. Servicezeiten für Auskünfte und Hilfestellung
wie Ein- und Aussteighilfen sind bedarfsgerecht auszubauen.

Luftverkehr

● Das Luftfahrtbundesamt soll hinsichtlich der Einhaltung der Rechte von
Menschen mit Behinderung im Flugverkehr die Überwachung intensivieren.
Die Praxis sogenannter Billigairlines, Menschen mit Behinderung pauschal
zurückzuweisen, ist konsequent zu unterbinden.

● Auf europäischer Ebene sollen Mindeststandards für die barrierefreie Ge-
staltung von Flugzeugen durchgesetzt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt
haben behinderte Menschen keinen Zugang zur Bordtoilette und sie müssen
einen auf ihre Bedürfnisse angepassten Rollstuhl gegen ein auf die Zugäng-
lichkeit eines Flugzeugs zugeschnittenes Hilfsmittel eintauschen, was in
einigen Fällen nicht möglich ist.

● Der Verstoß gegen Informationspflichten von Flugplatzbetreibern, Luft-
fahrtunternehmen und Reiseveranstaltern gegenüber Flugreisenden mit Be-
hinderung und Mobilitätseinschränkung muss sanktionsbewehrt werden.

Fußverkehr

● Längere Ampelschaltungen für Fußgänger sind notwendig, damit ältere
Menschen, Kinder und mobilitätseingeschränkte Menschen ohne Gefahr die
Straße überqueren können. Heutige Ampelschaltungen basieren darauf, dass
Fußgänger mit 1,2 Metern pro Sekunde über die Straße laufen. Für ältere

Menschen, Kinder und Menschen mit Behinderung ist das häufig zu schnell.

Drucksache 17/7942 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● Durchgehende Leit- und Orientierungssysteme, vorzugsweise mit Pikto-
grammen oder Realabbildungen, idealerweise unterstützt durch Sprachaus-
gabe, sollen Barrieren für Menschen mit geistiger Behinderung im öffentli-
chen Wegenetz abbauen.

● Ein lückenlos barrierefreies Wegenetz in Ortschaften ist zu fördern. Dazu ge-
hören abgesenkte Bordsteine, visuelle und akustische Signale und barriere-
freie Zugänge. Die Erfordernisse aller Behinderungen sind umfassend und
von Anfang an zu berücksichtigen. Die vorhandenen Bauvorschriften müssen
für alle Baumaßnahmen verbindlich und sanktionsbewehrt werden.

Bauliche Barrierefreiheit

● Die Bundesregierung soll bei den Ländern darauf hinwirken, dass die Bau-
normen zur Barrierefreiheit unverändert in die technischen Baubestimmun-
gen übernommen und keine Ausnahmen mehr zugelassen werden. Weiterhin
sollen die Länder bewegt werden, die Umsetzung von Anforderungen an
Barrierefreiheit bei Bau und Umbau effektiver zu überwachen und Verstöße
stärker zu sanktionieren.

● Die staatliche Förderung für Bauvorhaben muss stärker an Barrierefreiheit
gekoppelt werden. Das Förderprogramm „Altersgerecht Umbauen“ der
KfW Bankengruppe soll verlängert und weiterentwickelt werden hin zur
verstärkten Förderung barrierereduzierender Maßnahmen in Anbetracht des
demografischen Wandels.

● Es soll ein Programm zur Förderung der Barrierefreiheit von öffentlichen
Gebäuden aufgelegt werden. Dies soll insbesondere finanzschwachen Kom-
munen ermöglichen, die Anforderungen der UN-BRK zu erfüllen; insbeson-
dere in den Bereichen Bildung und Kultur.

● Die Bundesregierung muss dem Deutschen Bundestag regelmäßig einen Be-
richt über die Auswirkungen der staatlichen Fördermaßnahmen auf den Be-
stand an barrierefreien und barrierearmen Wohnungen und Gebäuden vorle-
gen. Entsprechend dieser Evaluationen sollen die Programme angepasst
werden. Diese Bemühungen sind eng mit den Evaluierungsergebnissen zum
demografischen Wandel zu verknüpfen, da der Bedarf an barrierearmem und
barrierefreiem Wohnraum in einer alternden Gesellschaft zunehmen wird.

● Barrierefreiheit muss Standard in der Ausbildung von Architektinnen und
Architekten sowie Ingenieurinnen und Ingenieuren werden.

● Um auch nach der Abnahme des Rohbaus sicherzustellen, dass Barrierefrei-
heit in öffentlich zugänglichen Gebäuden umgesetzt wird, sind verbindliche
Kriterien für Barrierefreiheit bei der Inneneinrichtung in die DIN 18 040-1
aufzunehmen.

● Die Abnahme der Gebäude auf Einhaltung von Barrierefreiheit ist durch un-
abhängige Stellen zu gewährleisten. Abweichungen von der vereinbarten
Planung – in die Experten für Barrierefreiheit einzubeziehen sind – und ge-
setzliche Vorschriften sind zu sanktionieren.

● Die Länder sollten aufgefordert werden, in den Landesgaststättengesetzen
die derzeit bestehende Stichtagsregelung in § 4 Absatz 1 des Gaststättenge-
setzes zugunsten einer Befristung zur Schaffung von Barrierefreiheit bis
zum Jahr 2020 zu ersetzen und Außenanlagen ebenfalls in die Regelungen
zur barrierefreien Ausgestaltung von Gaststätten einzubeziehen.

● Bei Großveranstaltungen muss Barrierefreiheit sichergestellt und auch hin-
sichtlich des Umfeldes (An- und Abreise, Gastronomie und Beherbergung)

gewährleistet werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/7942

Tourismus

● Auf Ebene der Europäischen Union sollten EU-weite Mindeststandards für die
barrierefreie Gestaltung von Verkehrsmitteln durchgesetzt werden. Die Euro-
päische Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010–2020 der
EU-Kommission ist zu unterstützen.

● Reisebüros und -veranstalter sind dazu anzuhalten und zu unterstützen, ihre
Dienstleistungen barrierefrei anzubieten.

● Barrierefreiheit muss verpflichtend in die akademische Ausbildung der tou-
rismusrelevanten Studiengänge sowie der Hotelfachschulweiterbildungen
aufgenommen werden. Der Bund muss eine umfassende Fortbildungsförde-
rung zum barrierefreien Tourismus sicherstellen.

● Die Zielvereinbarung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes
(DEHOGA) und des Deutschen Hotelverbandes (IHA) mit den Behinderten-
verbänden muss überarbeitet und auf eine verbindliche Ebene gestellt
werden.

● Um die stärkere Vermarktung von Barrierefreiheit als Komfort- und Quali-
tätsmerkmal zu fördern, ist der Aufbau eines bundesweit qualitätsgeprüften
(Komfort-)Gütesiegels „Barrierefreier Tourismus für Alle“ vom Bund zu
unterstützen.

Öffentlich zugängliche Einrichtungen und Dienste

● Barrierefreiheit soll zum Zulassungskriterium für die Leistungserbringer in
der Gesundheitswirtschaft werden und alle Neuzulassungen von Arzt- und
Therapiepraxen umfassen.

● Eine Gesetzesinitiative ist zu starten, die den Sicherstellungsauftrag der
kassenärztlichen Vereinigungen um die Verpflichtung zur wohnortnahen
Versorgung mit barrierefreien (Fach-)Arztpraxen erweitert.

● Um die Barrierefreiheit von Medizinprodukten zu fördern, sind die entspre-
chenden Vorschriften anzupassen. Beispielsweise sind Medizinprodukte für
erblindete Diabetiker barrierefrei auszugestalten.

● Die elektronische Gesundheitskarte ist vollständig barrierefrei zu gestalten,
sowohl hinsichtlich einer Beschriftung in Blindenschrift als auch beim akti-
ven Zugriff auf die Karte.

● Um Menschen mit Behinderung den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen
zu ermöglichen, sollen entsprechende gesetzliche Vorschläge unterbreitet
werden, um das Führen von Blindenführ- und Assistenzhunden in öffentlich
zugänglichen Bereichen grundsätzlich zu gestatten.

● Um die Umsetzung der UN-BRK im Schulbereich zu unterstützen, ist ein
Programm zum barrierefreien Umbau von Schulen zu schaffen.

● Gegenüber den öffentlich-rechtlichen Banken, dem Bundesverband deutscher
Banken und dem genossenschaftlichen Finanzverbund ist mit den Verbänden
der Menschen mit Behinderung anzuregen, bei Neuinstallation barrierefreie
Geldautomaten anzuschaffen. Insbesondere ist darauf hinzuwirken, dass die
Rechenzentren der Banken softwareseitig an die bei barrierefreien Geldauto-
maten notwendige Sprachausgabe angepasst werden.

Barrierefreie Kommunikation

● Bei der Kommunikation mit öffentlichen Stellen sind ein Recht auf leichte
Sprache sowie die Voraussetzungen für einen fachlichen Standard „Leichte

Sprache“ zu schaffen.

Drucksache 17/7942 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● Die Gebärdensprache soll stärker als bisher gefördert werden. Eltern sollen
eine ergebnisoffene Beratung über die Chancen eines Cochlea-Implantats
und den Sinn einer mindestens zusätzlichen Erlernung der Gebärdensprache
erhalten, um alle Chancen auf Inklusion zu wahren.

● Kostennachteile für Betroffene, die Gebärdentelefondolmetschdienste in An-
spruch nehmen, gegenüber herkömmlicher Telekommunikation sind auszu-
gleichen.

● Barrierefreie Onlinekommunikation soll zu einem relevanten Vergabekrite-
rium werden. Unternehmen, die sich an der Barrierefreien Informationstech-
nik-Verordnung (BITV bzw. BITV 2) bzw. an den entsprechenden Webstan-
dards in der jeweils aktuellen Fassung halten und hierüber eine Zielverein-
barung nach dem BGG abgeschlossen haben, sollen daraus im Rahmen des
geltenden Vergaberechts bei Ausschreibungen des Bundes Vorteile erlangen.

G. Justiz-, Schutz- und Freiheitsrechte

● Das Betreuungsrecht ist auf Vereinbarkeit mit Artikel 12 UN-BRK zu überprü-
fen. Das deutsche Betreuungsrecht ist im internationalen Vergleich sehr fort-
schrittlich, hat jedoch in einzelnen Details durchaus Anpassungsbedarf. Dazu
sollen Modelle rechtlicher Unterstützung eingeführt (Artikel 12 Absatz 3
UN-BRK), die strenge Trennung zwischen Betreuungs- und Sozialrecht
überprüft und die Möglichkeit geschaffen werden, dass Mitgliedschaften in
Vereinen, Gewerkschaften und in politischen Organisationen zukünftig nicht
mehr der Genehmigung des gesetzlichen Betreuers bedürfen, solange die
Zahlung der Beiträge finanziell objektiv zumutbar ist. Zudem ist zu prüfen,
ob eine gerichtlich abgesicherte Abtreibungsentscheidung durch den gesetz-
lichen Betreuer gegen den Willen der Betreuten gegen die UN-BRK verstößt.

● Es ist dafür Sorge zu tragen, dass Menschen mit Behinderung zur Wahrung
der angemessenen rechtlichen Vertretung und des Grundrechts auf recht-
liches Gehör vollen Zugang zu allen Einrichtungen der Rechtspflege haben.
Dazu ist ein Abbau baulicher und auch sprachlicher Barrieren erforderlich.
Hierzu sollte auch das Angebot gehören, Dolmetscher in einfacher Sprache
zu gerichtlichen Terminen oder Anwaltsgesprächen hinzuziehen zu können.

● Gemeinsam mit den Ländern ist für eine stärkere Verankerung des Behinder-
tenrechts in den Ausbildungsgesetzen einzutreten. Zur Durchsetzung der
Justiz- und Freiheitsrechte bedarf es zuallererst einer stärkeren Bewusstseins-
bildung bei dienstleistenden Berufsgruppen, wie Juristen, Pflegekräften und
Ärzten.

● Alle Formen zwangsweiser Unterbringung von Menschen mit Behinderung
sind zu überprüfen. Allein das Vorliegen einer Behinderung darf nie Grund
für eine Freiheitsentziehung sein; dies ist von Artikel 14 UN-BRK aus-
geschlossen. Insbesondere ist die Unterbringung mit Genehmigung des
Betreuungsgerichts gegen den Willen des Betreuten nach § 1906 des Bürger-
lichen Gesetzbuchs auf die Vereinbarkeit mit der UN-BRK zu überprüfen.

● Zur schnellen Überprüfung von Unterbringungsentscheidungen sind Verbes-
serungen im Eilrechtsschutz zu prüfen, die gewährleisten, dass eine ad-
äquate gerichtliche Überprüfung bereits vor Beginn der Unterbringung er-
folgt. Außerdem muss sichergestellt sein, dass es keine zwangsweise Unter-
bringung aufgrund eines momentanen Mangels an erforderlichen Hilfen
gibt. Eine Überprüfung jeder Form von Zwangsbehandlung oder Zwangs-
maßnahmen durch Fixierung, Medikamente usw. auf ihre Vereinbarkeit mit
der UN-BRK ist erforderlich.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/7942

● Auf die Belange psychisch kranker oder seelisch behinderter Menschen
muss besonderes Augenmerk gelegt werden. Es darf keine Stigmatisierung
psychisch kranker Menschen geben.

H. Gesundheit, Pflege, medizinische Rehabilitation

● Zum Recht von Menschen mit Behinderung auf das erreichbare Höchstmaß
an Gesundheit ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung gehört die
freie Arztwahl. Um diese zu verbessern, sind bauliche, fachliche und kom-
munikative Barrieren abzubauen. Die Selbstverwaltung wird aufgefordert,
eine flächendeckende barrierefreie Versorgung mit Gesundheitsdienstleis-
tungen für Menschen mit Behinderung, vor allem hinsichtlich der ambulan-
ten Versorgung, umzusetzen.

● Viele Familien mit Migrationserfahrung und einem behinderten Angehöri-
gen sind mehrfachen schwierigen Belastungen ausgesetzt. Eine kultursen-
sible und muttersprachliche Beratung im Schnittfeld Behinderung und Mig-
ration ist eine wichtige Voraussetzung zur gleichberechtigten Teilhabe am
gesundheitlichen und sozialen Hilfesystem in Deutschland.

● Spezieller Handlungsdruck besteht in der zahnärztlichen Behandlung von
Menschen mit Behinderung, der gynäkologischen Behandlung von behin-
derten Frauen sowie der oft ungenügenden augenärztlichen und podologi-
schen Behandlung.

● Hausärztinnen und Hausärzte müssen als Lotsen in die Lage versetzt wer-
den, Menschen mit Behinderung besser zu beraten und behinderte Patientin-
nen und Patienten fachgerechter an Spezialisten zu überweisen – dazu müs-
sen u. a. die Hausarztverträge gestärkt werden.

● Die kassenärztlichen Vereinigungen werden aufgefordert, bei der Vergabe
von Kassensitzen die Barrierefreiheit der Arztpraxis zu berücksichtigen.

● Ein Programm für den barrierefreien Umbau von Einrichtungen der Gesund-
heitswirtschaft (z. B. Arztpraxen, Krankenhäuser, Physio- und Ergothera-
piepraxen und Rehabilitationseinrichtungen) muss aufgelegt werden.

● Eine gelingende teilhabeorientierte Gesundheitssorge von Menschen mit
Behinderung setzt differenzierte und gestufte Versorgungsangebote voraus.
Bereits bestehende Modellprojekte von medizinischen Zentren für Erwach-
sene mit geistiger oder mehrfacher Behinderung (MZEB) konzentrieren be-
reits Spezialwissen und sollten zügig ausgewertet und ggf. weitergeführt und
in die Regelversorgung übernommen werden.

● In stationären medizinischen Einrichtungen sollten Fachkräfte mit Spezial-
wissen um den besonderen Beratungs- und Behandlungsbedarf von Men-
schen mit Behinderung und barrierefreie medizinische Geräte vorhanden
sein.

● Die Kompetenzen für die medizinische Behandlung von Menschen mit Be-
hinderung in Gesundheitsinstitutionen und -berufen ebenso in Pflegeinstitu-
tionen und -berufen sind dringend zu fördern. Dazu müssen die Ausbildungs-
inhalte der Pflege- und Gesundheitsberufe überarbeitet werden. Darüber
hinaus sollten Aus- und Weiterbildungen für Ärztinnen und Ärzte und Pfle-
gekräfte im Themenfeld verpflichtend werden (bisher nur freiwilliges Fort-
bildungsangebot der Ärztekammer). Angezeigt sind hier beispielsweise die
Erweiterung der Ausbildungs- und Facharztweiterbildungsordnungen. Die
Sensibilisierung zur Gewaltproblematik gegenüber Frauen mit Behinderung
sollte in die Grundausbildung von medizinischen und therapeutischen Be-
rufsgruppen aufgenommen werden.

Drucksache 17/7942 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

● Beratungs- und Behandlungsangebote für Menschen mit Behinderung sind
insbesondere in unterversorgten Gebieten zu erweitern. Dabei ist das Augen-
merk darauf zu richten, die bestehende ambulante und stationäre Infrastruk-
tur barrierefrei zu gestalten. Das Bundesministerium für Gesundheit hat eine
Reform der Bedarfsplanung vorzubereiten, um die ärztliche Versorgung von
Menschen mit Behinderung im ländlichen Raum sicherzustellen.

● Aufklärung und Beratung müssen unter Beachtung behinderungsbedingter
Bedürfnisse erfolgen, um ein Höchstmaß an Informiertheit und Verständnis
sicherzustellen.

● Die bedarfsgerechte Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln in qualitativ
hochwertiger Form muss sichergestellt werden.

● Es dürfen keine Anreize geschaffen werden, die zu einer Risikoselektion zu
Ungunsten von Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen
führen.

● Die bereits existierenden Beratungsstellen, Beauftragten und Ombudsstellen
im Bereich der Sozialversicherung sind auch auf die besonderen Bedürfnisse
von Menschen mit Behinderung auszurichten. Die Rechte und die Beteili-
gung der Patientinnen und Patienten, der Selbsthilfe- und der Fachverbände
sind zu stärken. Sie sind bei allen Planungen und Maßnahmen zur Umgestal-
tung eines teilhabeorientierten Gesundheitssystems mit einzubeziehen.

● Eine an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientierte Versor-
gungsforschung, die die Orientierung über Qualität, Diagnose- und Thera-
piesicherheit sowie Nutzen der Versorgung verbessert, muss stärker geför-
dert werden. Klinische Prüfungen müssen stärker geschlechtsspezifische
Wirkungen fokussieren.

● Die Qualität der persönlichen Beratungen durch die Krankenkassen zu Re-
habilitationsmaßnahmen ist zu verbessern. Angebote für mobile Rehabilita-
tion und frühe Rehabilitation, ambulante Strukturen und häusliche Pflege für
Menschen mit Behinderung sind auszuweiten. Das Grundsatz „Reha vor und
bei Pflege“ muss konsequent umgesetzt werden.

● Die Voraussetzungen für gleichgeschlechtliche Pflege sind auszubauen.

● System- und leistungsträgerübergreifende einheitliche Bedarfsfeststellungs-
verfahren sollten eingeführt werden, um die individuellen Bedarfe aufgrund
interdisziplinärer Kompetenz ermitteln zu können. Auf dieser Grundlage
sollte gemeinsam mit den Betroffenen ein Teilhabeplan erarbeitet werden,
der die erforderlichen habilitativen und rehabilitativen Maßnahmen fest-
stellt.

● Beratungs-, Hilfe- und Betreuungsstrukturen sind behinderungs-, ge-
schlechts- und kultursensibel zu verbessern.

● Menschen mit geistiger, insbesondere aber mit mehrfacher Behinderung
sind umfassend in den Ausbau von Gesundheitsförderung und Prävention
einzubeziehen.

I. Teilhabe am politischen und kulturellen Leben

● Die Beteiligung an Wahlen und politischen Prozessen muss barrierefrei für
jedermann möglich sein. Hierfür sind barrierefreie Regelungen zur Assis-
tenz und sozialen Teilhabe zentral. Diese sind durch barrierefreien Zugang
zu den Institutionen und Prozessen des Wahlrechts zu ergänzen.

● Der Ausschluss vom Wahlrecht, wie er in § 13 des Bundeswahlgesetzes für

bestimmte unter Betreuung stehende Menschen mit Behinderung verankert
ist, muss nach Maßgabe der UN-BRK überprüft werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/7942

● Die Bundesregierung muss sich für die verstärkte Förderung der Behinder-
tenselbsthilfe auch in Bereichen einsetzen, die bisher noch keine ausreichen-
den Strukturen besitzen, z. B. die Selbsthilfe der Menschen mit Lernbehin-
derung oder für Menschen mit seelischer Behinderung.

● Alle Veranstaltungen der Bundesregierung und der nachgeordneten Bundes-
behörden sind barrierefrei durchzuführen. Dies ist verbindlich zu regeln und
mit den Verbänden der Menschen mit Behinderung abzustimmen.

● Das Instrument der Petitionen soll den Bürgerinnen und Bürgern in einfa-
cher Sprache zugänglich gemacht werden. Die Internetpräsenz des Petitions-
systems auf der Website des Deutschen Bundestages soll auf seine Barriere-
freiheit gemäß den gängigen Webstandards und dem Kriterium der leichten
Sprache geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Für die Formulie-
rung und die Eingabe von Petitionen muss eine Hilfestellung verfügbar sein.

● Die barrierefreie Zugänglichkeit (Accessibility) von Kultur- und Medien-
einrichtungen ist zu fördern und sicherzustellen. Da dies primär eine Frage
der kulturellen Infrastruktur ist und damit in öffentlicher Verantwortung
liegt, muss der Bund in seinen Förderprogrammen und Verantwortlichkeiten
auf dieses Ziel hinwirken. Barrierefreiheit als Voraussetzung für kulturelle
und mediale Teilhabe sollte von Anfang an mitgedacht werden. So können
teure Nachrüstungen und unbefriedigende Lösungen vermieden werden. Pri-
vate Kultur- und Medienunternehmer sollten durch verhältnismäßige Rege-
lungen dazu verpflichtet werden, in größerem Umfang barrierefreie Zu-
gänge zu ihren Angeboten zu ermöglichen.

● Gegenüber den dafür zuständigen Bundesländern ist anzuregen, die öffent-
lich-rechtlichen Fernsehsender zu einer möglichst weitgehenden Nutzung
von Untertiteln, Gebärdensprache und Audiodeskription bei Eigen- und
Auftragsproduktionen von Inhalten zu bewegen und hierfür eine diesbezüg-
liche stärkere Verankerung im Rundfunkstaatsvertrag zu prüfen. Die (teil-
weise) Befreiung von Menschen mit Behinderung von Rundfunkgebühren
muss solange erfolgen, wie kein durchgängig barrierefreies Angebot im öf-
fentlich-rechtlichen Fernsehen besteht. Nach aktuellen Erhebungen werden
nur ca. ein Viertel aller Sendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen un-
tertitelt. Auch im neuen Rundfunkgebührenmodell – Umstellung von einer
gerätebezogenen Abgabe auf eine Haushaltsabgabe – sollen bisherige Be-
freiungstatbestände für behinderte Menschen beibehalten werden.

● Die Bewusstseinsbildung für die Ziele der UN-BRK wird auch durch die
Berücksichtigung des Themas Behinderung in den Programmen der Kultur-
und Medieneinrichtungen gefördert. Dies kann lediglich eine Anregung oder
Aufforderung der Politik sein; eine Einmischung in die programmliche Ge-
staltung ist nicht möglich.

● In den Bereichen Kultur und Medien entscheiden vielfältige Gremien und
Jurys über die Vergabe von Fördermitteln und -preisen, aber auch über die
inhaltliche Gestaltung der Programme der Kultur- und Medieneinrichtungen.
In diesen Gremien sollte die Vertretung von Menschen mit Behinderung bzw.
deren Interessen entsprechend gefördert und gewährleistet sein.

● Förderformen und -programme des Bundes sind so zu gestalten, dass sie es
Menschen mit Behinderung ermöglichen, daran teilzuhaben und sich künst-
lerisch und kulturell gleichberechtigt – sowohl auf der Ebene der Laienkul-
tur als auch auf der Ebene des professionellen Kulturschaffens – zu betäti-
gen und zu verwirklichen.

● Barrierefreiheit sollte in Bezug auf die vom Bund geförderten Kultur- und
Medieneinrichtungen ebenso Beachtung finden. Ebenso sollten Denkmal-

schutz und Barrierefreiheit miteinander vereinbar sein, beispielsweise

Drucksache 17/7942 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

könnte die Denkmalförderung des Bundes an die Berücksichtigung der Bar-
rierefreiheit gekoppelt sein. Beim Aufbau der Deutschen Digitalen Biblio-
thek durch Bund und Länder ist sicherzustellen, dass die zur Verfügung ge-
stellten kulturellen Inhalte barrierefrei zugänglich sind.

● Die Berücksichtigung von Belangen der Menschen mit Behinderung in der
Ausgestaltung und im Gebrauch der Informations- und Kommunikations-
möglichkeiten der Medien, insbesondere des Internets, muss mit einer konse-
quenten Förderung der Barrierefreiheit und der Vermittlung einer entspre-
chenden Medienkompetenz für Menschen mit Behinderung einhergehen.

J. Sport

● Es ist eine Kampagne zur Werbung für inklusiven Sport zu initiieren und fi-
nanziell zu unterstützen, um den Gedanken des „Voneinander Lernen“ durch
gemeinsame Aktivitäten bekannt zu machen und die Entwicklung von inklu-
siven Qualifikations- und Weiterbildungsangeboten für den Sport von Men-
schen mit Behinderung in Sportvereinen, Schulen und Kindergärten zu un-
terstützen.

● Die Netzwerkbildung zwischen Behindertensportvereinen und Sportverei-
nen von Nichtbehinderten ist zu fördern, um inklusive Sportangebote anzu-
regen.

● Die zentrale Bedeutung des Sports von Menschen mit Behinderung für die
Persönlichkeitsentwicklung sowie die Gesundheitsförderung und Prävention
wird anerkannt. Zusätzliche Maßnahmen sind in diesen Bereichen zu ergrei-
fen.

● Der barrierefreie Zugang zu Sportstätten ist zu fördern, damit der Zugang
von Menschen mit Behinderung zu allen Sportangeboten grundsätzlich ge-
währleistet ist.

● Bemühungen um die Bereitstellung von barrierefreien Informationen und
barrierefreier Kommunikation zu den Sportangeboten für Menschen mit Be-
hinderung („Zwei-Sinne-Prinzip“, insbesondere für Sehbehinderte und Ge-
hörlose relevant) sind zu unterstützen.

● Die Vergütung des Rehabilitationssportes nach dem SGB IX, die seit über
einem Jahrzehnt bei 5 Euro/Stunde liegt, ist mit der Aussicht auf Anhebung
zu überprüfen, um kostendeckende Angebote zu ermöglichen.

● Es ist für die Aufnahme von Menschen mit Behinderung in die Führungs-
gremien der Sportverbände zu werben, um ihre Sichtbarkeit im deutschen
Sport zu erhöhen und um ihre Mitbestimmung an den strategischen Ent-
scheidungen des organisierten Sports in Deutschland sicherzustellen.

K. Statistik und Datensammlung

● Der Einstieg in Inklusionsstatistiken durch die Überarbeitung der einschlägi-
gen Vorschriften, insbesondere des Mikrozensusgesetzes, des § 131 SGB IX
sowie der Vorschriften für die Sozialleistungsträger gemäß den Vorschlägen
des Deutschen Behindertenrates ist zu schaffen.

● Eine Reform des Behindertenberichts der Bundesregierung gemäß § 66
SGB IX unter Beteiligung des Deutschen Bundestages und der Organisatio-
nen behinderter Menschen ist notwendig, damit ein realistisches Bild der
Lebenslagen von Menschen mit Behinderung möglich wird.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/7942

L. Internationale Zusammenarbeit und Verteidigung

● Die Verankerung der Belange von Menschen mit Behinderung in allen Berei-
chen der Entwicklungszusammenarbeit ist als Querschnittsaufgabe sicher-
zustellen. Die Stärkung des inklusiven Ansatzes der Entwicklungszusammen-
arbeit und die Verstärkung des „twin-track“-Ansatzes – einerseits Projekte,
die allen Menschen zugutekommen, andererseits spezielle Projekte für Men-
schen mit Behinderung – ist zu fördern.

● Neuvorhaben der Entwicklungszusammenarbeit sind künftig darauf zu prü-
fen, ob die Maßnahmen nicht nur keinen negativen Effekt auf Menschen mit
Behinderung haben, sondern ob sie zur Verbesserung der Lebenssituation
beitragen.

● Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Inter-
nationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH sind entsprechend auszubilden
bzw. nachzuqualifizieren, damit sie im Sinne der UN-BRK auch die von
Deutschland geförderten Projekte entsprechend entwickeln, planen und in
den beteiligten Ländern umsetzen können.

● Die Aktualisierung und Fortschreibung von relevanten Sektor- und Strate-
giepapieren sowie die Zielformulierung in Bezug auf die Erfordernisse der
UN-BRK hat in enger Abstimmung mit den Durchführungsorganisationen
(DO), Nichtregierungsorganisationen (NRO) und Betroffenenorganisationen
(Disabled People Organisation, DPO) zu erfolgen.

● Standards für die Evaluation von Neuvorhaben oder Projektfortschritten un-
ter Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderung sind zu
aktualisieren.

● Eine Informationsstrategie und ein Aufklärungskonzept unter Einbeziehung
von Fachreferaten des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung (BMZ), NRO und DPO ist zu entwickeln.

● Es ist zu prüfen, ob die Einrichtung eines eigenen Sektorvorhabens oder die
Integration der Belange von Menschen mit Behinderung in das vorhandene
Sektorvorhaben „Soziale Sicherung“ sinnvoller ist.

● Die aktive Beteiligung des BMZ und der DO, DPO und NRO an dem nach
Artikel 33 UN-BRK einzurichtenden deutschen Überwachungssystem ist si-
cherzustellen.

● Bei sämtlichen Politikdialogen, wie z. B. Regierungsverhandlungen, ist die
Umsetzung der UN-BRK zu thematisieren und Unterstützung anzubieten. Es
ist darauf zu dringen, dass die UN-BRK in die Poverty Reduction Strategy
Papers integriert wird.

● Die Bundesregierung hat dafür Sorge zu tragen, dass international einheit-
liche Daten zur Umsetzung der UN-BRK erhoben werden und international
vergleichbare Förderbereichsschlüssel eingeführt werden.

● Durch eine international abgestimmte Politik und eine Verstärkung der
gesundheitsbezogenen Entwicklungszusammenarbeit und Forschung soll das
Entstehen von Behinderungen vermieden werden.

Berlin, den 29. November 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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