BT-Drucksache 17/7799

Tötung eines deutschen Staatsangehörigen durch einen US-Drohnenangriff

Vom 21. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7799
17. Wahlperiode 21. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Neskovic, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,
Sevim Dag˘delen, Inge Höger, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Thomas Nord, Petra Pau,
Jens Petermann, Paul Schäfer (Köln) und der Fraktion DIE LINKE.

Tötung eines deutschen Staatsangehörigen durch einen US-Drohnenangriff

Die Tötung des deutschen Staatsangehörigen Bünyamin E. durch einen US-
Drohnenangriff am 4. Oktober 2010 im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet
war mehrfach Gegenstand parlamentarischer Anfragen an die Bundesregierung
(vgl. Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE., Bundestagsdrucksache 17/3555;
Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundestagsdruck-
sache 17/3623; Schriftliche Fragen des Abgeordneten Wolfgang Neskovic auf
Bundestagsdrucksachen 17/3620, 17/4275 und 17/4407; Schriftliche Frage der
Abgeordneten Ulla Jelpke auf Bundestagsdrucksache 17/4108; Schriftliche Fra-
gen des Abgeordneten Christoph Strässer auf Bundestagsdrucksachen 17/4987
und 17/5016; Mündliche Fragen des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele,
Plenarprotokolle 17/64 und 17/83).

Bislang hat die Bundesregierung hierzu keine detaillierten Mitteilungen gegen-
über der Öffentlichkeit vorgenommen. Sie hat in ihren Antworten überwiegend
auf in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegte Unter-
lagen verwiesen.

Am 16. Mai 2011 erschien im „SPIEGEL“ ein mit „Feuer und Schwefel“ über-
schriebener Artikel. Dieser enthält eine detaillierte Schilderung des Drohnen-
angriffs vom 4. Oktober 2010 sowie Informationen über die im Bundesministe-
rium des Innern (BMI) nach der Tötung von Bünyamin E. veranlassten Konse-
quenzen. Seit Erscheinen dieses Artikels sind fast sechs Monate vergangen.
Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob nunmehr auch die Bundesregierung
Informationen zum Fall Bünyamin E. erlangt hat, über die sie das Parlament
informieren kann.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung inzwischen nähere Kenntnisse erlangt, wie
Bünyamin E. umgekommen ist?

Wenn ja, welche Kenntnisse sind dies im Einzelnen?

2. Wann hat die Bundesregierung welche Anstrengungen unternommen, um
neue Erkenntnisse über den Tod von Bünyamin E. zu erlangen?
3. War Bünyamin E. Ziel des Drohnenangriffs?

4. Haben deutsche Stellen vor dem Drohnenangriff am 4. Oktober 2010 Infor-
mationen über Bünyamin E. an ausländische (insbesondere US-amerika-
nische) oder internationale Stellen weitergegeben?

Wenn ja, welche Inhalte hatten die Informationen, und von wem wurden sie
an wen weitergegeben?

Drucksache 17/7799 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
5. Hatten deutsche Stellen die Mobilfunknummer des Bruders Emrah E.?

Wenn ja, wurde diese an ausländische (insbesondere US-amerikanische)
oder internationale Stellen weitergegeben?

6. Wie bewertet die Bundesregierung den Drohnenangriff vom 4. Oktober
2010 völkerrechtlich?

7. Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung wegen des Drohnen-
angriffs am 4. Oktober 2010 gezogen?

8. Sind diese Konsequenzen nach Auffassung der Bundesregierung ausrei-
chend, um Drohnenangriffen auf deutsche Staatsbürger wirksam vorzubeu-
gen?

9. Verfügen die USA nach Kenntnis der Bundesregierung über die tech-
nischen Fähigkeiten, ein Mobiltelefon zu orten, wenn dessen Rufnummer
bekannt ist?

10. Haben sich die USA gegenüber der Bundesregierung verbindlich verpflich-
tet, von der Bundesrepublik Deutschland übermittelte Informationen nicht
zum Zwecke von Drohnenangriffen zu verwenden?

Wenn ja, welche rechtliche Qualität hat diese Verpflichtung?

Wenn ja, halten sich die USA nach Kenntnis der Bundesregierung an diese
Verpflichtung?

11. Wie hat sich durch den Erlass des BMI vom 24. Oktober 2010 das Daten-
übermittlungsverhalten der Bundesregierung an die USA im Vergleich zum
Zeitraum vorher geändert?

12. Wie häufig wurden seit dem 11. September 2001 Informationen über in
Deutschland lebende „Gefährder“ an ausländische (insbesondere US-
amerikanische) oder internationale Stellen weitergegeben?

13. Wie häufig folgten dieser Informationsweitergabe Verhaftungen oder
Drohnenangriffe im zeitlichen Zusammenhang von ca. drei Monaten?

14. Hat die Bundesregierung bei amerikanischen Stellen gegen den Einsatz
von Drohnen gegen deutsche Staatsbürger protestiert?

Wenn ja, in welcher Form hat sie das getan?

Wenn nein, weshalb nicht?

15. Befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung weitere deutsche Staats-
bürger im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet, und wie viele davon
sind als „Gefährder“ eingestuft?

16. Stehen diese Personen nach ihrer Ausreise noch unter deutscher Beobach-
tung, und wenn ja, wie lange?

Wenn nein, erhält die Bundesregierung über diese Personen Informationen
von ausländischen Stellen (insbesondere US-amerikanische und pakista-
nische Stellen)?

17. Sieht sich die Bundesregierung veranlasst, die Ausreise sogenannter Ge-
fährder ins afghanisch-pakistanische Grenzgebiet künftig zu unterbinden?

Wenn ja, welche Mittel stehen hierfür zur Verfügung, und auf welchen
Rechtsgrundlagen beruhen sie?

Berlin, den 21. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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