BT-Drucksache 17/7714

Zur lückenhaften Datenlage und anhaltender Kritik nach 10 Jahren Riester-Rente

Vom 9. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7714
17. Wahlperiode 09. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Heidrun Dittrich, Werner
Dreibus, Klaus Ernst, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Cornelia Möhring, Yvonne
Ploetz, Ingrid Remmers, Dr. Axel Troost, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Zur lückenhaften Datenlage und anhaltenden Kritik nach 10 Jahren Riester-Rente

Vor rund zehn Jahren beschloss der Deutsche Bundestag das Leistungsniveau
der gesetzlichen Rentenversicherung zu Gunsten der privaten Vorsorge zu
mindern. Ziel war der Aufbau eines sogenannten Drei-Säulen-Modells. Den
Lebensstandard kann danach nur sichern, wer zusätzlich privat vorsorgt. Im
Rahmen der Reform wurden daher die sogenannten Riester-Renten eingeführt,
eine private Altersvorsorge, die in erheblichem Umfang mit Steuergeldern sub-
ventioniert wird. Zehn Jahre nach Einführung dieser Riester-Renten nimmt die
Kritik daran weiter zu. Bemängelt wird eine Vielzahl an Problemen und Fall-
stricken. Generell wird angemahnt, dass staatlich subventionierte Versiche-
rungsprodukte auch entsprechend staatlich kontrolliert sein müssten, um einer-
seits sicherzustellen, dass das Ziel der Reform erreicht werden kann. Auf der
anderen Seite soll verhindert werden, dass sich Banken und Versicherungen an
den Subventionen bereichern.

So titelt das „Handelsblatt“ am 20. Oktober 2011: „Schlecht versorgt mit der
Riester-Rente“ (www.handelsblatt.com/finanzen/vorsorge-versicherung/
ratgeber-hintergrund/schlecht-versorgt-mit-der-riester-rente-/5329412.html?p
5329412=all). Im Artikel wird unter anderem auf geringe Renditen und un-
durchsichtige Verträge hingewiesen. Die Rendite, so der Artikel, liegt aufgrund
der Abschlusskosten und der von den Versicherern sehr hoch angesetzten Le-
benserwartung in vielen Fällen deutlich unter 2 Prozent und damit unter der
Zielinflation der Europäischen Zentralbank (EZB). Ergebnis wäre, dass das
Jahre lang angesparte Geld in seinem Wert real nicht erhalten bleibt. Insgesamt
rentiert sich die Riester-Rente demnach meist nur, wenn man wenigstens
90 Jahre alt wird. Für die Mehrheit der Betroffenen wäre dies dann ein Verlust-
geschäft. Auch Forschungsinstitute haben Zweifel an der Nachhaltigkeit der
Riester-Reform angemeldet. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive macht die
Umstellung demnach weder gesellschaftlich noch individuell Sinn (www.
boeckler.de/pdf/p_imk_report_43_2009.pdf).

Die Datenlage zur Rendite, zur Verbreitung der Riester-Renten und den Moti-

ven der Menschen ist sehr lückenhaft. Das Wirtschafts- und Sozialwissen-
schaftliche Institut (WSI) kommt zum Schluss, dass in zentralen Punkten keine
oder nur lückenhafte Daten vorliegen und eine Bewertung der Riester-Renten
daher nur schwer möglich ist (www.boeckler.de/impuls_2011_16_gesamt.pdf).
Auch auf die Kleinen Anfragen der Fraktion DIE LINKE. zum Thema Alters-
armut antwortet die Bundesregierung zurückhaltend oder wegen fehlender
Datenlage gar nicht.

Drucksache 17/7714 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Im genannten „Böckler impuls“ 16/2011 wird auch darauf hingewiesen, dass
einige Untersuchungen zu dem Ergebnis kommen, dass es bei der Riester-För-
derung erhebliche Mitnahmeeffekte gibt. Demnach würden einige Personen
nicht wie politisch vorgesehen zusätzlich sparen, sondern lediglich ihr Sparver-
halten so umschichten, dass sie zusätzlich die staatlichen Zulagen und erheb-
lichen Steuervorteile mitnehmen können. Dadurch würden die Reformziele
ebenfalls teilweise konterkariert.

Neben diesen eher für die politischen Grundentscheidungen relevanten Fragen
wird aus Verbraucherperspektive immer wieder die Intransparenz der Produkte
angeprangert (www.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=98702;bernr=21;co=;suche=
riester). Demnach führt eine fehlende Regulierung und eine lückenhafte
Kontrolle der Banken und Versicherungen sowie der Versicherungsmakler
dazu, dass den Menschen nicht die besten Produkte verkauft werden (vgl.
www.ihre-vorsorge.de/index.php?id=273&tx_ttnews[tt_news]=2939&cHash=
5bd49550c3). Da die Verwaltungskosten zum Teil erheblich sind und das ganze
Prinzip auf dem Zinseszinseffekt beruht, ist eine Fehlentscheidung selbst bei
späterem Produktwechsel praktisch nicht mehr auszugleichen.

Zugleich wirkt sich nach der aktuellen Studie der Deutschen Postbank AG die
europäische Finanzkrise verheerend auf die Altersvorsorgepläne der jungen
Berufstätigen in Deutschland aus. Besonders die Riester-Rente sei betroffen:
„Private Riester-Renten, mit denen die Bundesregierung die private Altersvor-
sorge eigentlich fördern will, rangieren auf hinteren Rängen. Das Auf und Ab
an den Börsen hat die Bundesbürger abgeschreckt.“ (www.handelsblatt.com/
finanzen/vorsorge-versicherung/nachrichten/die-altersvorsorge-steckt-in-der-
krise/5427376.html).

Aufgrund der anhaltend niedrigen Zinsen sinkt nun zum 1. Januar 2012 auch
der Höchstrechnungszins (sogenannter Garantiezins). So besteht das Risiko,
dass sich aufgrund der Verwaltungskostenabzüge bis zum Renteneintritt nicht
mal das eingezahlte Kapital zur Verfügung steht. Dies berichtet das „Handels-
blatt“ im oben zitierten Artikel mit Berufung auf den Versicherungsmathema-
tiker Axel Kleinlein. Demnach könnten vor allem ältere Sparer betroffen sein,
da ihnen unter Umständen keine Riester-Rente mehr angeboten werden könnte.
„Die Versicherer müssten diese Kunden also ablehnen, da sie das Riester-Ver-
sprechen über den garantierten Kapitalerhalt zum Rentenbeginn nicht halten
könnten.“ (oben zitierter Artikel im Handelsblatt).

Die von der Bundesministerin für Arbeit und Soziales Dr. Ursula von der
Leyen vorgeschlagene Zuschussrente stößt auf massive Kritik (www.badische-
zeitung.de/nachrichten/wirtschaft/experten-zweifeln-an-von-der-leyens-plan--
51039769.html). So weist Alexander Gunkel darauf hin, dass dies „kein zielge-
naues Instrument“ zur Beseitigung der Altersarmut sei (www.ihre-vorsorge.de/
no_cache/magazin/nachrichten/rente/news-single/article/experten-fordern-bessere-
rentenplaene.html). Eine der Voraussetzungen, um die Zuschussrente im Alter
überhaupt bekommen zu können, ist 35 Jahre Beiträge zur privaten Alters-
vorsorge gezahlt zu haben. Damit wird politisch ein massiver Anreiz gesetzt,
Riester-Verträge abzuschließen. An den von nahezu allen Experten monierten
Problemen der Riester-Verträge, will die Bundesregierung in diesem Kontext
jedoch nichts ändern.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Riester-Verträge (bitte insgesamt und getrennt nach Sparform
angeben) wurden jeweils in den Jahren seit 2001 neu abgeschlossen, wie
viele wurden aufgelöst, wie viele ruhend gestellt, und wie viele Verträge
bestanden jeweils am Ende des Kalenderjahres (bitte getrennt angeben für
Verträge, für die keine Zulagen gezahlt wurden, für jene, in denen die

Grundzulage voll gezahlt wurde und jene, für die die Grundzulage nur teil-
weise gezahlt wurde)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7714

2. Wie viele Personen, die in den einzelnen Jahren seit 2002 eine Riester-För-
derung beantragt haben, waren unmittelbar und wie viele mittelbar zula-
genberechtigt (bitte insgesamt und getrennt nach Alter in fünf Jahres-
abschnitten, Geschlecht und Bundesland angeben)?

3. Wie viele unmittelbar zulagenberechtigte Personen, die in den einzelnen
Jahren seit 2002 eine Riester-Förderung beantragt haben, haben ausschließ-
lich die Grundzulage und wie viele haben zusätzlich eine, zwei oder mehr
Kinderzulagen erhalten (bitte insgesamt und getrennt nach Alter in fünf
Jahresabschnitten, Geschlecht und Bundesland angeben)?

4. Wie viele mittelbar zulagenberechtigte Personen, die in den einzelnen Jah-
ren seit 2002 eine Riester-Förderung beantragt haben, haben ausschließlich
die Grundzulage und wie viele haben zusätzlich eine, zwei oder mehr Kin-
derzulagen erhalten (bitte insgesamt und getrennt nach Alter in fünf Jahres-
abschnitten, Geschlecht und Bundesland angeben)?

5. Wie viele der unmittelbar zulagenberechtigten Personen, die in den einzel-
nen Jahren seit 2002 eine Riester-Förderung beantragt haben, haben die
volle Grundzulage und wie viele eine anteilige Grundzulage (aufgeschlüs-
selt nach über 80, über 60, über 50, über 40, über 30 und über 20 und weni-
ger Prozent) erhalten (bitte insgesamt und getrennt nach Alter in fünf
Jahresabschnitten, Geschlecht und Bundesland angeben)?

6. Wie viele dem Grunde nach unmittelbar zulagenberechtigte Personen gab
es in den einzelnen Jahren seit 2002 insgesamt und aufgrund welchen Sach-
verhaltes, wie sozialversicherungspflichtig beschäftigt, Beamtenstatus,
arbeitslos gemeldet etc. (bitte insgesamt und getrennt nach Alter in fünf
Jahresabschnitten, Geschlecht und Bundesland angeben)?

7. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Anzahl der mittelbar zulagenbe-
rechtigten Personen (bitte insgesamt und getrennt nach Alter in fünf Jahres-
abschnitten, Geschlecht und Bundesland)?

8. Wie viele Riester-Verträge (bitte insgesamt und getrennt nach Sparform an-
geben) wurden seit ihrem Abschluss bis heute bzw. bis zum Rentenbeginn
(bitte getrennt ausweisen) ununterbrochen mit der vollen und wie viele mit
einer anteiligen (bitte getrennt ausweisen) Grundzulage gefördert (bitte ab-
solut und anteilig an allen bestehenden Riester-Verträgen getrennt nach
dem Abschlussjahr angeben)?

9. Wie viele Personen haben seit dem Abschluss ihres ersten Riester-Vertrages
bis heute bzw. bis zum Rentenbeginn (bitte getrennt ausweisen) ununter-
brochen die volle und wie viele eine anteilige (bitte getrennt ausweisen)
Grundzulage erhalten (bitte absolut und anteilig an allen geförderten Per-
sonen getrennt nach dem Jahr des Erstabschlusses angeben)?

Wie viele dieser Personen haben mindestens einmal einen weiteren Riester-
Vertrag abgeschlossen?

10. Wie hoch war die Summe der direkten Zulagen zu Riester-Verträgen (bitte
insgesamt und getrennt nach Sparform angeben), die in den jeweiligen Jah-
ren seit 2002 gezahlt wurden, insgesamt und aufgeschlüsselt nach Grund-
zulage und Kinderzulage (bitte auch getrennt nach Geschlecht und Alters-
gruppen in fünf Jahresschritten für Deutschland und die Bundesländer
angeben)?

11. Wie hoch war in den einzelnen Jahren seit 2002 die durchschnittlich ge-
währte Grundzulage zu Riester-Verträgen (bitte insgesamt und getrennt
nach Sparform angeben) je Riester-Vertrag und wie hoch jene pro förderbe-
rechtigter Person (bitte auch getrennt nach Geschlecht und Altersgruppen

in fünf Jahresschritten für Deutschland und die Bundesländer angeben)?

Drucksache 17/7714 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

12. Wie hoch war in den einzelnen Jahren seit 2002 die Summe der im Rahmen
des Sonderausgabenabzugs im Steuerrecht für Riester-Verträge gewährten
steuerlichen Zuschüsse?

13. Wie hoch war der in den einzelnen Jahren seit 2002 im Rahmen des Son-
derausgabenabzugs im Steuerrecht für Riester-Verträge durchschnittlich
gewährte steuerliche Zuschuss je Riester-Vertrag und je förderberechtigter
Person (bitte insgesamt und getrennt nach Geschlecht angeben)?

14. Wie hoch war in den einzelnen Jahren seit 2002 die durchschnittliche För-
derung (bitte insgesamt und getrennt für direkte Zulage insgesamt, Grund-
zulage, Kinderzulage und für steuerliche Förderung der Riester-Verträge
angeben) und die durchschnittliche Förderquote (bitte insgesamt und getrennt
für direkte Zulage insgesamt, Grundzulage, Kinderzulage und für steuer-
liche Förderung der Riester-Verträge angeben) je förderberechtigter Person
insgesamt und nach Einkommensklasse (nach gemeldetem Jahreseinkom-
men gemäß § 86 des Einkommensteuergesetzes – EStG) von kein Ein-
kommen, über 0 bis 4 800 Euro, über 4 800 bis 9 600 Euro, über 9 600 bis
15 000 Euro, über 15 000 bis 30 000 Euro, über 30 000 bis 45 000 Euro,
über 45 000 bis 55 000 Euro, über 55 000 bis 66 000 Euro und über 66 000
Euro?

Wie viele Personen in den einzelnen Gehaltsklassen wurden jeweils geför-
dert, und wie hoch war jeweils ihre durchschnittliche Förderquote (bitte
insgesamt und getrennt nach Geschlecht angeben)?

Wie viele Personen in den jeweiligen Gehaltsklassen sind dem Grunde
nach unmittelbar zulagenberechtigt?

15. Auf welche Summen beläuft sich das im Rahmen des § 86 EStG gemeldete
jährliche Beitragsvolumen (Eigenbeiträge) in den einzelnen Jahren seit
2002 (bitte insgesamt und getrennt nach Geschlecht angeben)?

Welche Summen flossen in den einzelnen Jahren seit 2002 in Riester-Ver-
träge, wenn zu den Eigenbeiträgen noch die gezahlten direkten Zulagen
(§§ 84 und 85 EStG) hinzugerechnet werden?

Wie hoch war damit in den einzelnen Jahren seit 2002 das jährliche Spar-
volumen, welches für Riester-Verträge pro geförderte Person gezahlt
wurde?

16. Bei wie vielen der abgeschlossenen Riester-Verträge wird neben der Alters-
rente auch das Risiko der Erwerbsminderung abgesichert (bitte nach Ge-
schlecht und Alter in fünf Jahresgruppen aufschlüsseln)?

17. Geht die Bundesregierung davon aus, dass das Armutsrisiko aufgrund von
Erwerbsminderung angesichts der von der Bundesregierung weiter befür-
worteten Senkung des Rentenniveaus, des teilweisen Umstiegs auf die pri-
vate kapitalgedeckte Altersvorsorge sowie der Anhebung des Rentenein-
trittsalters zunehmen wird?

Wie wichtig ist es nach Auffassung der Bundesregierung dabei, dass das
Risiko der Erwerbsminderung auch bei der privaten Vorsorge abgedeckt ist?

Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Anzahl an
Riester-Verträgen, die neben einer Altersrente auch das Risiko einer Er-
werbsminderung absichern, im Verhältnis zu allen Riester-Verträgen, für
den erfolgreichen Umstieg auf das Drei-Säulen-Modell in der Alterssiche-
rung?

18. Welchen Einfluss hätte die Absicherung des Risikos der Erwerbsminde-
rung auf die zu erwartenden Kosten eines Riester-Vertrages, seine Garan-
tieverzinsung und die Überschussbeteiligung und damit letztlich die Höhe

der Altersrente (soweit möglich, dies auch anhand von exemplarischen
Verträgen und Beispielen begründen)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7714

19. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung Menschen mit einer anerkannter
Schwerbehinderung möglich, auf dem Markt tatsächlich einen privaten Er-
werbsminderungsschutz, der die Leistungsminderungen beim Leistungs-
umfang der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechend kompensiert,
abzuschließen, und wie hoch wäre absolut und gemessen am Durchschnitts-
einkommen der dafür notwendige monatliche Beitrag?

Welche Auswirkung auf die zu erwartende Altersrente hätte ein solcher
Schutz im Rahmen eines Riester-Vertrages?

20. Welche anderen Berufs- oder Personengruppen dürften nach Auffassung
der Bundesregierung zumindest Schwierigkeiten bekommen, mit einem
Beitrag von 4 Prozent neben einer Rentenversicherung noch eine private
Erwerbsminderungsversicherung abzuschließen, und wie hoch wäre die
Rendite für die Altersrente in diesem Fall?

21. Wie sollen sich Personen, die keine oder kaum realisierbare Möglichkeiten
haben, das Risiko der Erwerbsminderung auf dem privaten Versicherungs-
markt abzusichern, nach Auffassung der Bundesregierung angesichts des
sinkenden Leistungsniveaus der gesetzlichen Rentenversicherung im Be-
reich der Erwerbsminderungsrenten sowie des steigenden Erwerbsminde-
rungsrisikos aufgrund der Rente erst ab 67 verhalten, um Armut bei Er-
werbsminderung zu verhindern?

22. Ungefähr wie viel Prozent des monatlichen Bruttolohnes müsste eine Per-
son, die heute 30, 40, 50, 55 bzw. 60 Jahre alt ist, monatlich in private Ver-
sicherungen stecken, wenn sie neben einem Gesamtversorgungsniveau netto
vor Steuern von 53 Prozent bei Erreichen der Regelaltersgrenze analog auch
die durch die Reformen seit 2000 beschlossenen Leistungsminderungen bei
einer Rente wegen Erwerbsminderung wie bei den Hinterbliebenenrenten
voll kompensieren wollte?

Wenn die Bundesregierung dies nicht genau abschätzen kann, wäre eine
genaue Abschätzung nicht notwendig, damit die Bürgerinnen und Bürger
tatsächlich erkennen können, welches Rentenkonzept sachgerechter und
günstiger ist und wie groß der durch die Reformen aufgerissene Absiche-
rungsbedarf ist, und geht die Bundesregierung davon aus, dass, um die
gesamten Leistungsminderungen durch die Reformen seit dem Jahr 2000
auszugleichen, eine private Vorsorge von weniger, von mehr oder von deut-
lich mehr als 4 Prozent notwendig wäre?

23. Um wie viel Euro würde eine Altersrente (netto) höher ausfallen, wenn
eine Durchschnittsverdienerin jährlich seit dem Jahr 2002 die notwendige
Sparsumme für die volle Riester-Förderung inkl. der Zulagen in einem
Banksparplan ohne Verwaltungsabzüge gezahlt und zu 2,5 Prozent verzinst
worden wären und das so angesparte Vermögen unmittelbar vor dem Ren-
teneintritt in eine Regelaltersrente zum 1. Juli des Jahres 2011 dazu ver-
wendet würde, zusätzliche Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Ren-
tenversicherung analog des § 187b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch
(SGB VI) bzw. nach der Methode des § 187 Absatz 3 SGB VI zu erwerben
(Annahme es sei rechtlich zulässig, so zusätzlich Anwartschaften in der ge-
setzlichen Rentenversicherung zu erwerben)?

Wie hoch fiele bei einer Rentenversicherung mit 15 Prozent Verwaltungs-
kostenabzügen und einer Verzinsung von 4 Prozent unter der Annahme
einer Lebenserwartung analog der Sterbetafel der Deutschen Aktuarvereini-
gung e. V. (DAV) und einer Dynamisierung der Rentenzahlung analog zur
gesetzlichen Rentenversicherung die gezahlte Riester-Rente (netto) aus?

Drucksache 17/7714 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

24. Welche Schritte unternimmt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-
aufsicht (BaFin), wenn sie die Rechnungsgrundlagen der Versicherungen
prüft und eine systematische „Überschätzung“ der Lebenserwartung durch
die Versicherer feststellt (wie es die Bundesregierung in der Antwort zu
Frage 2 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 17/6050 angibt)?

Insbesondere in welchem Zeitrahmen nach der Feststellung einer Über-
schätzung wird wer bzw. welche Institution darüber unterrichtet, in wel-
chen Publikationen wird dies festgehalten, welche hiervon sind allgemein
und an welchem Ort öffentlich zugänglich, und welche rechtlichen Konse-
quenzen und zwingenden Anweisungen ergehen in einem solchen Fall an
die Versicherungen, die Lebenserwartung sachgerechter einzuschätzen?

Wie oft hat die BaFin eine Überschätzung der Lebenserwartung festge-
stellt, und wie oft hat sie zumindest angemerkt, dass sie die Lebenserwar-
tung für zu hoch angesetzt hält?

25. Prüft die BaFin die angenommene Lebenserwartung bei den einzelnen
Altersvorsorgeverträgen insbesondere den Anteil, der bei Auszahlungs-
beginn für das Langlebigkeitsrisiko zurückgestellt wird, auf systematische
Überschätzung der Lebenserwartung, und was passiert, wenn sie eine solche
Überschätzung feststellt?

Wer wird wann von der BaFin über eine solche Überschätzung informiert,
wer muss wann aufgrund dieser Information handeln, und welche Mecha-
nismen gibt es, die die Versicherungen dazu zwingen, eine angemessenere
Lebenserwartung zu unterstellen?

26. Welche Lebenserwartung ist nach Auffassung der Bundesregierung ange-
messen?

Welche Lebenserwartung hält die BaFin für angemessen?

Welche Lebenserwartung wird in der aktuellen Sterbetafel der DAV unter-
stellt?

Welchem Anteil der aktuell angebotenen Altersvorsorgeprodukte (Renten-
produkte) und welchem Anteil der Versicherungsunternehmen liegt die ak-
tuelle Sterbetafel der DAV zugrunde, welchem Anteil liegt eine kürzere
und welchem Anteil eine längere Lebenserwartung zu Grunde?

27. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die geltende Regelung zur
Überschussbeteiligung, nach der die Versicherung bis zu 25 Prozent der
aus einer zu hoch abgeschätzten Lebenserwartung resultierenden Über-
schüsse einbehalten dürfen, dafür sorgt, dass der Gewinn eines Versiche-
rungsunternehmens um so größer ausfällt, je niedriger sein Risiko aufgrund
einer zu hoch abgeschätzten Lebenserwartung ausfällt?

Welches Risiko trägt in diesem Zusammenhang die Versicherung, die eine
Überschussbeteiligung von 25 Prozent rechtfertigt, wie es die Bundesregie-
rung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache
17/6050 behauptet?

28. Stimmt die Bundesregierung zu, dass die Regelung zur Überschussbeteili-
gung dazu führt, dass die Versicherungen zu Lasten ihrer Kunden ihr Risiko
mindern und gleichzeitig ihre Gewinnchancen deutlich erhöhen können,
indem sie ceteris paribus eine höhere Lebenserwartung annehmen?

29. Wie haben sich die Überschussbeteiligungen bei Riester-Rentenversiche-
rungen und Riester-Fondssparplänen seit 2002 nach Abzug aller Kosten
entwickelt (bitte aufgeschlüsselt für die einzelnen Jahre und die einzelnen

Riester-Förderarten)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/7714

Wie haben sich die durch die Versicherungsunternehmen einbehaltenen
Anteile an den Überschussbeteiligungen seit 2002 entwickelt?

30. Wie viele Jahre müsste eine Person im Alter von 55, 60 bzw. 62 Jahren bei
einem ab dem 1. Januar 2012 gültigen Höchstrechnungszins (Garantiezins)
von 1,75 Prozent, bei einem unterstellten Verwaltungskostenanteil von
10 Prozent, 15 Prozent, 20 Prozent in eine Riester-Rentenversicherung ein-
zahlen, damit der gesetzlich vorgeschriebene Kapitalerhalt (einbezahlte
Summe inkl. staatlicher Zulagen) vom Versicherungsanbieter gewährleistet
werden kann?

Trifft es zu, dass die Absenkung des Höchstrechnungszinses von 2,25 Pro-
zent auf 1,75 Prozent zum 1. Januar 2012 dazu führt, dass der Zinseszins-
effekt aufgrund der kurzen Ansparzeit bei älteren Riester-Sparerinnen und
-Sparern, nicht mehr ausreicht, um die angefallenen Verwaltungskosten
auszugleichen?

Trifft es zu, dass in diesem Fall die Versicherungsanbieter diese Kunden
ablehnen müssten oder würden, da sie den garantierten Kapitalerhalt zum
Rentenbeginn nicht gewährleisten können?

31. Wäre eine Riester-Rentenversicherung förderfähig, wenn die Verzinsung
(und damit der immanente Garantiezins) oberhalb des Höchstrechnungs-
zinses liegen müsste, um zu gewährleisten, dass bei Auszahlungsbeginn
zumindest die eingezahlten Beiträge einschließlich der Zulagen zur Verfü-
gung stehen?

Prüft die Zulagenstelle einzelne Verträge bei Antragsstellen auf diesen
Sachverhalt, der ja maßgeblich auch vom Alter der Person bei Vertrags-
abschluss abhängig ist?

32. Trifft es zu, dass im Kontext der von der Bundesministerin für Arbeit und
Soziales, Dr. Ursula von der Leyen, geplanten Zuschussrente ältere Perso-
nen, die aus den dargelegten Gründen keine Riester-Rentenversicherung
mehr abschließen können, somit faktisch von der Zuschussrente ausge-
schlossen werden, weil sie die erforderlichen Wartezeiten von Riester-Jah-
ren nicht erfüllen werden können?

33. Wie viele Personen müssten bis Ende 2012 noch einen Riester-Vertrag oder
eine betriebliche Altersvorsorge abschließen, damit sie bis zur Regelalters-
grenze die für sie nötige Anzahl an Jahren private oder betrieblicher Vor-
sorge überhaupt noch erfüllen können?

34. Ist es richtig, dass Personen des Jahrganges 1950 die noch keine private
oder betriebliche Altersvorsorge haben, bis zum Erreichen der Regelalters-
grenze nicht mehr die erforderliche Anzahl an Beitragsjahre zu einer priva-
ten oder betrieblichen Altersvorsorge erreichen können?

Wie viele Personen hätten im Jahr 2013 tendenziell einen Anspruch auf die
Zuschussrente, wenn die private Vorsorge keine Zugangsvoraussetzung
wäre?

Wie viele Personen könnten im Jahr 2013 nur deswegen die Zuschussrente
nicht beziehen, weil sie nicht die erforderliche Zahl an privater oder
betrieblicher Altersvorsorge aufweisen können?

Berlin, den 9. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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