BT-Drucksache 17/7694

Deutsche Rüstungsexporte und Kindersoldaten

Vom 9. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7694
17. Wahlperiode 09. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, Christine Buchholz,
Annette Groth, Heike Hänsel, Stefan Liebich, Niema Movassat, Thomas Nord,
Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Deutsche Rüstungsexporte und Kindersoldaten

UNICEF geht davon aus, dass derzeit weltweit mehr als 250 000 Kinder und
Jugendliche als Soldatinnen und Soldaten missbraucht werden. Sie müssen sich
an Kampfhandlungen beteiligen, werden als Spione eingesetzt, müssen Boten-
und Kochdienste verrichten und viele werden sexuell missbraucht. Bevorzugte
Waffen der Kindersoldaten sind Kleinwaffen und leichte Waffen, da diese in
der Handhabung für die Kinder und Jugendlichen leicht zu erlernen und leich-
ter zu tragen sind.

Im Rahmen der Vereinten Nationen (UN) hat sich Deutschland zusammen mit
139 anderen Staaten durch die Unterzeichnung und Ratifizierung der Konven-
tion über die Rechte des Kindes und dem dazugehörigen Fakultativprotokoll
betreffend der Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten verpflichtet,
aktiv gegen diesen Missbrauch vorzugehen und alle fünf Jahre einen Bericht
vorzulegen.

Der für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention und das Fakultativ-
protokoll zuständige UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat bei der
letzten Behandlung des Staatenberichtes für Deutschland 2008 die Bundes-
regierung aufgefordert, die Einführung eines Verbotes von Rüstungsexporten
für Staaten zu prüfen, in denen Minderjährige entweder tatsächlich oder poten-
tiell für Feindseligkeiten rekrutiert werden und eingesetzt werden können
(www.crin.org/docs/47g.pdf). Dieses wurde bislang nicht umgesetzt.

Nach dem letzten Bericht des UN-Generalsekretärs zu Kindern in bewaffneten
Konflikten vom April 2011 werden in folgenden Staaten Kinder bzw. Minder-
jährige von den Streitkräften und/oder nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen
als Soldatinnen und Soldaten missbraucht: Afghanistan, Burundi, Elfenbein-
küste, Indien, Indonesien, Irak, Israel und den Palästinensischen Autonomie-
gebieten, Jemen, Kolumbien, DR Kongo, Myanmar, Nepal, Pakistan, Philip-
pinen, Somalia, Sri Lanka, Sudan, Südsudan, Thailand, Tschad, Uganda und
der Zentralafrikanischen Republik. Außerdem erklärte die Sonderbeauftragte
des UN-Generalsekretärs zu Kindern in bewaffneten Konflikten, Radhika

Coomaraswamy, dass im bewaffneten Konflikt in Libyen auf beiden Seiten
Minderjährige als Soldaten eingesetzt wurden.

Vor dem Hintergrund der Empfehlungen des UN-Ausschusses für die Rechte
des Kindes und dass in diesen Staaten und Regionen insbesondere Kleinwaffen
und leichte Waffen (wie z. B. tragbare Mörser oder Raketenwerfer) die Haupt-
bewaffnung ausmachen und für den weitaus größten Teil der Opfer unter der
Zivilbevölkerung, darunter viele Kinder, verantwortlich sind, verdient das

Drucksache 17/7694 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Exportverhalten der Bundesregierung bei Kleinwaffen und leichten Waffen ge-
genüber diesen Staaten und Regionen besondere Aufmerksamkeit.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welcher Form hat die Bundesregierung die Aufforderung des UN-Aus-
schusses für die Rechte des Kindes umgesetzt und geprüft, ein spezielles
Verbot für den Verkauf von Waffen einzuführen, wenn das Bestimmungs-
land ein Land ist, in dem Kinder bekanntermaßen – oder möglicherweise –
zum Militärdienst rekrutiert werden oder bei Feindseligkeiten zum Einsatz
kommen, und zu welchen Ergebnissen ist die Bundesregierung dabei dies-
bezüglich gelangt?

2. In welchen Staaten werden nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit
Minderjährige zu einem Dienst in den Streitkräften herangezogen bzw. bei
freiwilliger Bewerbung aufgenommen?

3. In welchen Staaten werden nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit
Minderjährige bei bewaffneten Konflikten oder für bewaffnete Sicherungs-
aufgaben eingesetzt?

4. Wie viele Genehmigungen für den Export von Kleinwaffen, leichten
Waffen und der jeweiligen Munition (im Sinne der Ausfuhrliste Teil 1 A,
Position A001, A002, A003) wurden seit 2002 in die in den Fragen 1 und 2
aufgeführten Staaten erteilt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und unter
Angabe des jeweiligen Waffentyps, der Stückzahl und des Warenwertes der
Genehmigung)?

5. Welche Waffentypen und Munitionstypen wurden seit 2002 tatsächlich in
die in den Fragen 1 und 2 aufgeführten Staaten exportiert (bitte auf-
geschlüsselt nach Jahren und unter Angabe des jeweiligen Waffentyps, der
Stückzahl und des Warenwertes)?

6. Wie viele Genehmigungen für den Export von Kleinwaffen, leichten
Waffen und der jeweiligen Munition (im Sinne der Ausfuhrliste Teil 1 A,
Position A001, A002, A003) wurden seit 2002 für die folgenden Staaten
erteilt: Afghanistan, Burundi, Elfenbeinküste, Indien, Indonesien, Irak,
Israel und die Palästinensischen Autonomiegebiete, Jemen, Kolumbien,
DR Kongo, Libyen, Myanmar, Nepal, Pakistan, Philippinen, Somalia,
Sri Lanka, Sudan, Südsudan, Thailand, Tschad, Uganda und die Zentral-
afrikanische Republik (bitte jeweils aufgeschlüsselt nach Jahren und unter
Angabe des jeweiligen Waffentyps, der Stückzahl und des Warenwertes der
Genehmigung)?

7. Welche Waffentypen und Munitionstypen wurden seit 2002 tatsächlich in
die in Frage 6 aufgeführten Staaten exportiert (bitte aufgeschlüsselt nach
Jahren und unter Angabe des jeweiligen Waffentyps, der Stückzahl und des
Warenwertes)?

8. In welcher Weise ist die Bundesregierung bislang der Aufforderung des
Ausschusses für die Rechte der Kinder der Vereinten Nationen nachgekom-
men, den Verkauf von Waffen an Staaten, in denen Kindersoldaten ein-
gesetzt werden und werden können, zu verbieten?

9. Welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung gegen ein Verbot
von Waffenexporten an Staaten, in denen Kindersoldaten eingesetzt wer-
den?

10. Welchen Stellenwert hat die Existenz von Kindersoldaten im Empfänger-
land deutscher Rüstungsexporte im Genehmigungsverfahren für diesen

Rüstungsexport?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7694

11. In wie vielen Fällen und in welche Länder wurde seit 2002 der Export von
Kleinwaffen und leichten Waffen aufgrund der Erwägungen des Fakultativ-
protokolls betreffend der Beteiligung von Kindern an bewaffneten Kon-
flikten nicht genehmigt (bitte auch unter Angabe der Stückzahl und des
beantragten Genehmigungswertes)?

12. Wie schließt die Bundesregierung aus, dass die von ihr genehmigten
Exporte von Kleinwaffen und leichten Waffen gegen Kinder bzw. Minder-
jährige eingesetzt werden und nicht Kindern und Minderjährigen ausge-
händigt werden?

13. Wie überprüft die Bundesregierung die Einhaltung eventueller diesbezüg-
licher Zusagen aus den Empfängerstaaten?

14. Wie schließt die Bundesregierung aus, dass exportierte Waffen von den
Empfängerländern illegal an Drittstaaten weitergegeben werden?

15. In welchen der in Frage 6 aufgeführten Staaten sind seit 2002 Waffen aus
deutscher Produktion aufgetaucht obwohl die Bundesregierung keine ent-
sprechende Genehmigung erteilt hat?

16. Die Streitkräfte welcher der folgenden Staaten Afghanistan, Burundi,
Elfenbeinküste, Indien, Indonesien, Irak, Israel und die Palästinensischen
Autonomiegebiete, Jemen, Kolumbien, DR Kongo, Libyen, Myanmar,
Nepal, Pakistan, Philippinen, Somalia, Sri Lanka, Sudan, Südsudan, Thai-
land, Tschad, Uganda und Zentralafrikanische Republik haben seit 2002
militärisches Gerät aus Bundeswehrbeständen erhalten und/oder wurden
durch Bundeswehrpersonal ausgebildet?

17. Wie schließt die Bundesregierung bei diesen Maßnahmen aus, dass das
Gerät und das Know-how auch an Kindersoldaten ausgehändigt wird bzw.
gegen Kinder eingesetzt wird?

18. Wie gewährleistet die Bundeswehr, dass in den Streitkräften, die von der
Bundeswehr unterstützt werden, keine Kindersoldaten eingesetzt werden?

19. Wie erfolgt die Altersfeststellung bei jungen Rekruten, die keine gültigen
Geburtsdokumente haben?

20. In welchen Fällen wurde die militärische Zusammenarbeit bzw. die Fort-
setzung der militärischen Ausbildung seitens der Bundeswehr aufgrund der
Tatsache abgebrochen, dass in den Streitkräften auch Minderjährige Dienst
tun, und in welchen Fällen wurde sie aus welchen Gründen dennoch fort-
gesetzt?

Berlin, den 9. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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