BT-Drucksache 17/762

Beteiligung der Profiteure der Bankenrettung an den Kosten

Vom 17. Februar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/762
17. Wahlperiode 17. 02. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sahra Wagenknecht, Dr. Barbara Höll, Roland Claus,
Harald Koch, Ralph Lenkert, Richard Pitterle, Michael Schlecht, Dr. Herbert Schui
und der Fraktion DIE LINKE.

Beteiligung der Profiteure der Bankenrettung an den Kosten

Die Bewältigung der Finanz- und Bankenkrise kostet die Steuerzahlerinnen
und Steuerzahler enorme Summen. In Deutschland haftet der Staat für Risiken
und Verluste der Finanzkonzerne in Höhe von bis zu 480 Mrd. Euro. Bislang
hat der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) Garantien von
147 Mrd. Euro zugesagt und vier Banken mit Eigenkapitalhilfen von insgesamt
28 Mrd. Euro unterstützt. Allein die Rettung der Hypo Real Estate Holding AG
(HRE) umfasste bisher 87 Mrd. Euro öffentlicher Beihilfen und Garantien. Von
dieser Rettung profitierten deutsche Privatbanken im Umfang von bis zu
12,85 Mrd. Euro, indem Forderungen gesichert wurden, die sie andernfalls zum
großen Teil hätten abschreiben müssen. Dies ist umso problematischer, als viele
dieser Banken wieder wirtschaften als hätte es die Krise nie gegeben: Statt ihrer
dienenden Funktion für die Wirtschaft nachzukommen und die Kreditversor-
gung der heimischen Unternehmen zu gewährleisten, werden wieder über-
zogene Renditeziele verfolgt und riskante Spekulationen getätigt sowie Divi-
denden, üppige Boni und Managervergütungen ausgezahlt.

Wie teuer die Rettungsaktionen für die öffentliche Hand am Ende werden, ist
noch nicht abzusehen. In den USA rechnet man allein für die Verluste aus dem
„Troubled Asset Relief Programme“ (Tarp) mit Kosten von 117 Mrd. US-Dol-
lar. Um sicherzustellen, dass die Verursacher der Krise und Profiteure der staat-
lichen Rettungsprogramme auch für die Kosten der Bankenrettung aufkommen,
will die US-Regierung nun eine Sonderabgabe für Banken einführen, die so-
lange erhoben wird, bis die Schulden „bis zum letzten Cent“ zurückgezahlt sind
(vgl. Süddeutsche Zeitung, 15.Januar 2010).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist auch die Bundesregierung entschlossen, jeden einzelnen Cent von den
Finanzkonzernen wieder einzutreiben, der für die Bankenrettung ausgege-
ben wurde und wird?

2. Wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen, der Finanzkon-

zerne, die direkt oder indirekt von Staatshilfen profitiert haben, zu einer
Sonderabgabe verpflichtet?

Falls nein, warum nicht?

Falls ja, wie soll diese Sonderabgabe gestaltet sein?

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3. Wie will die Bundesregierung künftig sicherstellen, dass die Eigentümer
von Finanzinstituten für eingegangene Risiken und Verluste haften?

In welchem Umfang sollen auch die Gläubiger der Finanzinstitute für ein-
gegangene Risiken haften?

4. Wie soll der geplante „Abwicklungs- und Umbaufonds für finanziell ange-
schlagene Großbanken“ gestaltet werden, von dem in einem Rundschrei-
ben des finanzpolitischen Sprechers der Fraktion der CDU/CSU, Leo
Dautzenberg, an alle Mitglieder der Bundestagsfraktion die Rede ist?

Welcher Finanzkonzern soll wie viel Geld in diesen Fonds einzahlen?

Wie soll die steuerliche Absetzbarkeit solcher Beiträge behandelt werden?

5. Besteht das Ziel des geplanten Abwicklungs- und Umbaufonds nur darin,
Finanzinstitute an den Kosten künftiger Finanzkrisen zu beteiligen (vgl.
Handelsblatt, 2. Februar 2010)?

Falls ja, warum werden sie nicht an den Kosten der aktuellen Finanzkrise
beteiligt?

6. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Ökonomen Stefan Homburg
(DER SPIEGEL 4/2009) „Für die Banken ist der Rettungsschirm sehr vor-
teilhaft, auch für Ackermann, weil Forderungen seiner Bank dadurch geret-
tet werden“?

7. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass mit der staatlichen Ret-
tung der IKB in erheblicher Größenordnung Forderungen der Deutschen
Bank gesichert wurden, die andernfalls hätten abgeschrieben werden müs-
sen?

Kann die Bundesregierung den Umfang dieser Forderungen beziffern?

8. Welche weiteren Gläubiger wurden durch die Rettung der IKB vor der Ab-
schreibung von Forderungen bewahrt und in welchem Umfang?

9. Kann die Bundesregierung begründen, weshalb die IKB mit einer Bilanz-
summe von 53 Mrd. Euro (Stand: 30. Juni 2007) eine systemrelevante Bank
war?

10. Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung auch nichtsystemrelevante
Banken, und wodurch unterscheiden sich diese von Banken wie z. B. der
IKB?

11. Trifft es zu, dass die Deutsche Bank am Finanzinvestor Lone Star bzw. des-
sen Zweckgesellschaften beteiligt ist bzw. die Deutsche Bank diese Zweck-
gesellschaften finanziert?

12. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass deutsche Großbanken der-
zeit mit den gleichen Geschäftsbereichen (Investmentbanking, Eigenhan-
del mit Wertpapieren) und vielfach mit genau den gleichen Geschäftsprak-
tiken, die Auslöser der Finanzkrise waren, einen Großteil ihrer Gewinne er-
zielen?

Hält die Bundesregierung dies für unbedenklich?

Wenn nein, was tut sie dagegen?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine fortschreitende Kon-
zentration im Bankensektor die Gefahr erhöht, dass im Falle einer Fehlspe-
kulation Banken mit Steuergeldern gerettet werden müssen?

Wenn ja, weshalb tut die Bundesregierung nichts gegen weitere Fusionen
im Bankensektor wie die Übernahme zunächst der Postbank und dann von
Sal. Oppenheim durch die Deutsche Bank bzw. fördert diese sogar wie im

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/762

Falle der durch Staatshilfe unterstützten Übernahme der Dresdner Bank
durch die Commerzbank?

14. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Ausschüttung einer Divi-
dende durch die Deutsche Bank im Frühjahr 2009 eine der aktuellen Situa-
tion angemessene Form der Gewinnverwendung war?

Wenn nein, was tut die Bundesregierung, damit die Deutsche Bank im
Frühjahr 2010 nicht erneut einen Teil des Gewinns zur Ausschüttung an die
Aktionäre statt zur Erhöhung des Eigenkapitals verwendet?

15. Ist es zutreffend, dass deutsche Banken wieder vermehrt Kredite an Hedge-
fonds und Private-Equity-Firmen vergeben?

16. Wie hoch ist die Kreditsumme, die allein Hedgefonds in den Jahren 2005,
2006, 2007, 2008, 2009 jeweils von

a) privaten Großbanken,

b) Landesbanken,

c) Genossenschaftsbanken und

d) Sparkassen

mit Sitz in Deutschland erhalten haben?

17. Wie hoch ist die Kreditsumme, die Private-Equity-Firmen in den Jahren
2005, 2006, 2007, 2008, 2009 jeweils von

a) privaten Großbanken,

b) Landesbanken,

c) Genossenschaftsbanken und

d) Sparkassen

mit Sitz in Deutschland erhalten haben?

Wie sind die Voraussagen in Bezug auf die Kreditvergabe an Hedgefonds
und Private-Equity-Firmen für 2010?

18. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass, bevor Steuergelder zur
Rettung einer Bank fließen, erst einmal die Eigentümer dieser Bank voll
mit ihrem haftenden Kapital für die Verluste einstehen müssen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wie ist dieser Grundsatz mit der Zahlung von 1,39 Euro bzw.
1,30 Euro pro Aktie an die Aktionäre der bankrotten HRE vereinbar?

19. Trifft es zu, dass der Eigenbeitrag der Banken zur Rettung der HRE sich
bislang auf garantierte oder bestens abgesicherte Kredite beschränkt hat?

20. Was hat die Bundesregierung unternommen, um die Rückgarantie der Ban-
ken in Höhe von 8,5 Mrd. Euro für Kredite an die HRE, die zum 31. De-
zember 2009 auslief, zu verlängern?

21. Wieso hat man die (vom SoFFin-Lenkungsausschuss am 4. November
2009 beschlossene) Verlängerung der zuletzt bis 18. November 2009 be-
fristeten Liquiditätsgarantien in Höhe von 52 Mrd. Euro bis zum 30. Juni
2010 nicht an eine Verlängerung der kostenlosen Rückgarantie der Banken
(sowie günstige Konditionen für die anstehenden Neukredite an die HRE)
geknüpft?

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22. Trifft es zu, dass das an der HRE-Rettung beteiligte Bankenkonsortium seit
dem Wegfall der kostenfreien Rückgarantie der Banken zum 31. Dezember
2009 an den Krediten für die HRE verdient ohne ein Eigenrisiko zu tragen?

Hat die Bundesregierung bzw. die Bundesbank oder die BaFin geprüft, ob
es vor oder während der Verhandlungen zur „Rettung“ der HRE einen
Netto-Transfer von der HRE an die Hypovereinsbank gegeben hat?

Falls ja, wie hoch war dieser Netto-Transfer?

Falls § 9 des Kreditwesengesetzes (KWG) einer genauen Nennung dieses
Betrages entgegensteht: Handelt es sich um einen Betrag von wenigstens
1 Mrd. Euro oder mehr?

23. Trifft es zu, dass an den Verhandlungen zwischen Bundesbank, BaFin, der
Bundesregierung, der HRE und deutschen Banken am letzten September-
wochenende 2008 folgende Personen teilgenommen haben: Jürgen Lindlar
(der damalige Vorstandssprecher des Prüfungsverbandes der deutschen
Banken e. V. – PdB), Wolfgang Sprißler (damaliger Vorstandsvorsitzender
der Münchener HypoVereinsbank – HVB sowie damaliger Vorsitzender
des Beirates des PdB), Hugo Bänziger (Mitglied des Beirates des PdB so-
wie „Chief Risk Officer“ der Deutschen Bank)?

24. Trifft es zu, dass sowohl zwischen Jürgen Lindlar und Wolfgang Sprißler
als auch zwischen Jürgen Lindlar und Klaus Peter Müller ein Beraterver-
trag bestanden hat?

Falls ja, wurde die damalige Bundesregierung nach Kenntnissen der jet-
zigen Bundesregierung durch das Bankenkonsortium, den PdB, die HRE
oder die HVB über die oben genannten personellen Verquickungen zumin-
dest im Nachhinein informiert, oder haben das Bankenkonsortium, der
PdB, die HRE und die HVB die oben genannten personellen Verquickun-
gen bis zum heutigen Tag verschwiegen?

25. Ist der Bundesregierung bekannt, dass ungesicherte Forderungen der deut-
schen Privatbanken in Höhe von 12,853 Mrd. Euro mit der Rettung der
HRE gesichert wurden (vgl. DER TAGESSPIEGEL vom 13. September
2009)?

26. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass bei ausbleibender Staats-
hilfe für die HRE der Einlagensicherungsfonds des Bankenverbandes BdB
mit bis zu 24 Mrd. Euro hätte haften müssen?

27. Ist der Bundesregierung bekannt, dass mit der Rettung der HRE in erster
Linie die Forderungen in- und ausländischer Großbanken und Fonds-
verwalter gesichert wurden und die Gesamtheit der durch die Rettung der
HRE gesicherten Forderungen von deutschen öffentlichen Stellen, Kir-
chenkassen etc. deutlich niedriger lag?

28. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es angemessen ist, in- und
ausländische private Banken vor der Abschreibung ungesicherter Forde-
rungen und den Einlagensicherungsfonds privater Banken vor erheblichen
Ausfällen zu bewahren, ohne dem Steuerzahler als Gegenleistung Zugriff
auf die künftigen Gewinne dieser Banken zu sichern?

29. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Bundeskanzlerin, Dr. Angela
Merkel: „Wenn es im Einzelfall für den Steuerzahler billiger wird, kann die
Übernahme von Anteilen sinnvoll sein.“ (FINANCIAL TIMES DEUTSCH-
LAND vom 2. Februar 2009)?

Wenn ja, wie ist dieser Grundsatz mit dem konkreten Vorgehen bei der Ret-
tung der Commerzbank zu vereinbaren, die im Januar 2009 vom SoFFin
15 Mrd. Euro Garantien und 18,2 Mrd. Euro Kapitalhilfen erhielt, davon

1,8 Mrd. Euro für 25 Prozent der Aktien und 16,6 Mrd. Euro stille Ein-
lagen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/762

30. Ist es korrekt, dass die Commerzbank von Januar bis Oktober 2009 für die-
ses Rettungspaket lediglich 47 Mio. Euro an den SoFFin gezahlt hat?

31. Ab wann erwartet die Bundesregierung, dass die Commerzbank mit der
Zahlung der Verzinsung von 9 Prozent für die Stille Einlage beginnt?

32. Wäre der Kauf von 100 Prozent der Commerzbank-Aktien für den Steuer-
zahler im Hinblick auf den Unternehmenswert (der sich beispielsweise in
den bis heute bereits erfolgten Kurssteigerungen ausdrückt) nicht deutlich
günstiger gewesen als der Weg einer Stillen Einlage, die sich über Jahre
nicht verzinst?

33. Wie verteilen sich die Rettungsbeihilfen des Staates (gegliedert nach
Eigenkapitalzuschüssen einerseits, Garantien/Bürgschaften andererseits)
auf die verschiedenen Bankengruppen (Privatbanken einschließlich private
Realkreditinstitute, Landesbanken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken)?

34. Wie hoch ist der Betrag, den die verschiedenen Bankengruppen bislang
selbst zur Bankenrettung beigetragen haben (gegliedert nach Eigenkapital-
zuschüssen einerseits, Garantien/Bürgschaften andererseits)?

35. Rechnet die Bundesregierung damit, dass ein Teil der Garantien, die der
SoFFin den Banken gewährt hat, in dieser Legislaturperiode fällig wird?

Falls ja, wie viel Prozent der Garantien, die sich derzeit auf knapp 118 Mrd.
Euro belaufen (Stand: Dezember 2009) werden nach Ansicht der Bundes-
regierung bis Herbst 2013 maximal fällig werden?

Berlin, den 17. Februar 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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