BT-Drucksache 17/7557

Zukunft der vertragsärztlichen Vergütungen

Vom 27. Oktober 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7557
17. Wahlperiode 27. 10. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg,
Sven-Christian Kindler, Markus Kurth, Dr. Tobias Lindner, Beate Müller-Gemmeke
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zukunft der vertragsärztlichen Vergütungen

Mit dem GKV-Finanzierungsgesetz (§ 87 Absatz 9 des Fünften Buches Sozial-
gesetzbuch – SGB V) wurde der im Bewertungsausschuss vertretenen Selbst-
verwaltung auferlegt, bis April 2011 ein Konzept für die Konvergenz der
vertragsärztlichen Vergütungen auszuarbeiten. In der Antwort auf die Kleine
Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache
17/5723) schreibt die Bundesregierung, der Auftrag sei vor dem Hintergrund
erfolgt, dass der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP „eine Über-
prüfung und erforderliche Kurskorrekturen der gesamten seit dem 1. Januar
2009 eingeführten Honorarreform“ vorsehe. Näheren Angaben zu ihren honorar-
politischen Vorstellungen enthält sich die Bundesregierung in ihrer Antwort und
verweist auf die Ergebnisse des von der Selbstverwaltung noch auszuarbeiten-
den Konvergenzkonzeptes.

Bislang hat die Selbstverwaltung jedoch kein gemeinsames Konzept vorgelegt.
Zudem sieht der Kabinettentwurf des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes (GKV-
VStG) die Streichung der o. g. Regelung im SGB V vor. Stattdessen enthält der
Gesetzentwurf Regelungen, die nicht auf die Konvergenz im Sinne einer An-
gleichung der vertragsärztlichen Vergütungen, sondern auf eine stärkere Regio-
nalisierung der Honorarverteilung und deren Maßstäbe hinausliefen. Im Ergeb-
nis käme es hier anders als bei der ursprünglich von der Bundesregierung im
GKV-Finanzierungsgesetz in Aussicht gestellten Angleichung zu noch stärkeren
Vergütungsunterschieden zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen. Vor
diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach den grundsätzlichen honorarpoli-
tischen Vorstellungen der Bundesregierung.

Trotz erheblicher Honorarsteigerungen für die vertragsärztliche Versorgung in
den Jahren 2007 bis 2011 existieren weiterhin Honorarstreitigkeiten innerhalb
und zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen. Über die Regelungen im
Kontext des Gesetzgebungsverfahrens zum GKV-VStG hinaus fordern einige
Kassenärztliche Vereinigungen eine Angleichung der Honorare je Versicherten,
andere schlagen eine deutlich stärkere Regionalisierung der Honorarverteilung
und deren Maßstäbe vor.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die nun geplante „Re-
gionalisierung und Flexibilisierung“ zu stärkeren regionalen Vergütungs-
unterschieden und damit zu diametral anderen Ergebnissen als die
ursprünglich von der Bundesregierung ins Auge gefasste und im GKV-

Drucksache 17/7557 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Finanzierungsgesetz enthaltene Angleichung der Vergütungen (Konver-
genz) führen wird?

Wenn nein, warum nicht?

b) Wie erklärt die Bundesregierung ihren kurzfristigen Paradigmenwechsel
bei der Ausgestaltung der vertragsärztlichen Vergütung?

2. Auf welchen Erkenntnissen im Hinblick auf die im Koalitionsvertrag
zwischen CDU, CSU und FDP vereinbarte Überprüfung der Honorarreform
2009 beruht die im Entwurf des GKV-VStG enthaltene „Regionalisierung
und Flexibilisierung“ der vertragsärztlichen Vergütungen?

3. An welchen Maßstäben orientieren sich die honorarpolitischen Vorstellun-
gen der Bundesregierung?

4. a) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass sich aus den statistischen
Werten „Morbiditätsorientierte Gesamtvergütung (MGV) je Versicherte“
und „MGV je Vertragsarzt“ keine Aussagen zur Angemessenheit der ver-
tragsärztlichen Versorgung ableiten lassen?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

b) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die ambulante medizini-
sche Versorgung regional in sehr unterschiedlichem Maße durch nieder-
gelassene Haus- und Fachärzte/-ärztinnen und Krankenhäuser erbracht
wird, und welche Schlussfolgerungen zieht sie aus diesen Unterschieden
in der Leistungserbringung und der Versorgungstrukturen?

5. Warum beabsichtigt die Bundesregierung die Streichung der mit dem GKV-
Finanzierungsgesetz ins SGB V aufgenommenen gesetzlichen Vorgabe der
Entwicklung eines Konvergenzkonzeptes?

6. Aus welchen Gründen hat der Bewertungsausschuss bislang kein Konzept
zur Konvergenz der Vergütungen vorgelegt?

7. a) Welches Ergebnis hat die in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 6
der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bun-
destagsdrucksache 17/5723 in Aussicht gestellte Simulationsberechnung
des Bewertungsausschusses „im Hinblick auf die Auswirkungen der Kon-
zepte für die KV-Bereiche und alle gesetzlichen Krankenkassen“, und wie
bewertet die Bundesregierung das Ergebnis?

b) Welche über die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache
17/5723 hinausgehenden Erkenntnisse über die Vorstellungen innerhalb
der Selbstverwaltung (Bewertungsausschuss) zu einem oder mehreren
Konvergenzkonzepten hat die Bundesregierung?

Wenn die Bundesregierung keine darüber hinausgehenden Erkenntnisse
hat, auf welche Weise und mit welchem Ziel führt sie den in der o. g.
Antwort auf die Kleine Anfrage erwähnten „Dialog mit den Beteiligten –
ärztliche Berufsverbände, Kassenärztliche Vereinigungen (KV), Kran-
kenkassen und deren Verbände“?

8. Für wie hoch schätzt die Bundesregierung den Ausgabenanstieg der gesetz-
lichen Krankenkassen, käme es zu einer nicht ausgabenneutralen Umsetzung
der unter anderem aus den Reihen einiger Kassenärztlicher Vereinigungen
geforderten Angleichung (Konvergenz) der Vergütungen je Versicherten?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7557

9. In welchen Kassenärztlichen Vereinigungen müsste das Volumen der morbi-
ditätsorientierten Gesamtvergütung bei einer ausgabenneutralen Umsetzung
der Konvergenz und unter der Annahme einer linearen Steigerung des Be-
handlungsbedarfs von 1,25 Prozent vermindert werden?

10. a) Sieht die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen ihrer Absicht,
die Verpflichtung zur einer Ambulanten Kodierrichtlinien (AKR) nach
§ 295 Absatz 3 Satz 2 SGB V zu streichen und der gesetzlichen Vorgabe,
die Höhe der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung auch auf der
Basis dokumentierter Diagnosen zu bestimmen?

Wenn nein, warum nicht?

b) Wie beurteilt die Bundesregierung vor dem Hintergrund des beabsichtig-
ten Wegfalls der AKR die Fähigkeit der Vertragspartner auf Landesebene
(§ 87a Absatz 2 Satz 1 SGB V), die Kodierqualität bei der Anpassung
des Behandlungsbedarfs angemessen zu berücksichtigen, wenn ihnen
weder versichertenbezogene Daten noch eine einheitliche AKR zur Ver-
fügung stehen?

c) Mit welchen Instrumenten will die Bundesregierung sicherstellen, dass
die Qualität von Diagnosen beispielsweise hinsichtlich des so genannten
Up- and Rightcoding sachgerecht beurteilt werden kann?

d) Hat die Bundesregierung eine Weiterentwicklung oder alternative Aus-
gestaltung der bereits entwickelten AKR geprüft, die die vielfach vorge-
tragene Kritik hinsichtlich Datenschutzaspekten und bürokratischem
Aufwand aufgenommen hätte, und wenn ja, mit welchem Ergebnis, und
wenn nein, warum nicht?

11. Umfasst nach Auffassung der Bundesregierung die im Entwurf des GKV-
VStG enthaltene Bestimmung des Honorarverteilungsmaßstabs durch die
Kassenärztliche Vereinigung auch Festlegungen zur Bereinigung ärztlicher
Honorare aufgrund von Selektivverträgen?

Wenn ja, wie beurteilt es die Bundesregierung aus Wettbewerbsgesichts-
punkten, dass die Kassenärztliche Vereinigung somit mittelbar Einfluss auf
die Gestaltung selektiver Versorgungsverträge von Wettbewerbern nehmen
könnte?

Wenn nein, beabsichtigt die Bundesregierung hier auf eine entsprechende
Klarstellung im Gesetzentwurf hinzuwirken?

Berlin, den 27. Oktober 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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