BT-Drucksache 17/7338

Aufbauprogramm gegen die Krise - Schutzschirm für Arbeitsplätze

Vom 18. Oktober 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7338
17. Wahlperiode 18. 10. 2011

Antrag
der Abgeordneten Michael Schlecht, Sahra Wagenknecht, Dr. Barbara Höll,
Eva Bulling-Schröter, Harald Koch, Jutta Krellmann, Ralph Lenkert, Ulla Lötzer,
Dorothee Menzner, Jens Petermann, Richard Pitterle, Kersten Steinke, Sabine
Stüber, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Axel Troost, Johanna Voß, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Aufbauprogramm gegen die Krise – Schutzschirm für Arbeitsplätze

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Wirtschafts- und Finanzkrise ist nicht überwunden. Die US-Wirtschaft
schafft kaum neue Jobs. Die europäischen Kürzungsprogramme auf Kosten der
Bevölkerungsmehrheit umfassen bis zum Jahr 2014 etwa 400 Mrd. Euro und
begünstigen eine erneute Rezession. Die Kommission der Europäischen Union
(EU) prognostiziert eine deutliche Abkühlung der europäischen Konjunktur
gegen Jahresende und somit eine Verschärfung der Schuldenkrise. Die Schwel-
lenländer bremsen ihre Wirtschaft wegen Überhitzungsgefahren.

Die Bundesregierungen haben seit Einführung des Euros eine Politik des Lohn-
dumpings unterstützt und den Niedriglohnsektor erheblich ausgeweitet. Die
Folge waren sinkende Löhne in Deutschland, der Export von Arbeitslosigkeit
und massive Ungleichgewichte in Europa, die von anderen Euro-Staaten nicht
mehr über Wechselkurse gekontert werden konnte. Die jetzige Bundesregierung
hat diese Politik fortgesetzt, die Euro-Krise insgesamt massiv verschärft und
einer Staatspleite Griechenlands Vorschub geleistet. Ein Zerfall der Euro-Zone
würde über eine damit einhergehende Aufwertung deutsche Exporte erheblich
verteuern und Millionen Arbeitsplätze gefährden. Die Ausrichtung auf Export-
überschüsse ist eine tickende Zeitbombe. Die starke Abhängigkeit der deut-
schen Wirtschaft vom Außenhandel ist zu reduzieren, die deutsche Binnen-
nachfrage über höhere Löhne und öffentliche Investitionen sind zu stärken.

Vor dem Hintergrund dieser Gefahren ist ein konjunkturstützendes Aufbau-
programm notwendig. Der US-Finanzminister Timothy Geithner sowie die
Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, haben
Recht, wenn sie die EU-Mitgliedstaaten und insbesondere Deutschland zur Stär-
kung der Binnenwirtschaft auffordern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
a) als Sofortmaßnahme das Kurzarbeitergeld ab dem 1. Januar 2012 für min-
destens 18 Monate zu verlängern,

b) einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, der bis 2013 bei mindestens
10 Euro brutto pro Stunde liegen muss, das Arbeitslosengeld II sowie die
Grundsicherung (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch) auf 500 Euro anzuheben
und die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 aufzuheben,

Drucksache 17/7338 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
c) gemeinsam mit Ländern und Kommunen ein Aufbau- bzw. Zukunftsinvesti-
tionsprogramm mit dem Schwerpunkt auf öffentliche Investitionen in Bil-
dung, Gesundheit, Energiewende, Barrierefreiheit und sozial-ökologische
Modernisierung der Industrie aufzulegen,

d) zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte die Verursacher und Profiteure
der Krise in die Verantwortung zu nehmen, insbesondere durch die Erhebung
einer Millionärssteuer von 5 Prozent auf Privatvermögen über 1 Mio. Euro.

Berlin, den 18. Oktober 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die Weltwirtschaft wurde 2008 durch Konjunkturprogramme erfolgreich ge-
stützt. Die Staatsverschuldung in den entwickelten Volkswirtschaften ist seither
wegen der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte, der unzureichenden Be-
steuerung von Gewinnen und Vermögen sowie der Bankenrettung dramatisch
gestiegen. Die Finanzmärkte wurden nicht durchgreifend reguliert.

Die deutsche Binnennachfrage bleibt wegen der Zunahme prekärer Beschäfti-
gung und hoher Arbeitslosigkeit schwach. Eine Stärkung der Binnenwirtschaft
erfordert eine Ausweitung der öffentlichen Investitionen und ein Ende des
Lohndumpings. Dies wäre ein deutlicher Beitrag zur Verhinderung einer er-
neuten Rezession, der Belebung der deutschen Importe und somit der Verringe-
rung der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa. Die Bundesregie-
rung schützt mit der vermeintlichen Euro-Rettung zwar die Finanzindustrie vor
Verlusten. Sie tut aber nichts, um Wirtschaft und Arbeitsplätze vor einem er-
neuten Absturz zu schützen.

Die seriöse Finanzierung eines Aufbauprogramms erfordert jedoch die Ab-
schöpfung des hohen privaten Reichtums einer Minderheit: Das Nettovermögen
der privaten Haushalte in Deutschland beträgt derzeit etwa 8 Bio. Euro gegen-
über 2 Bio. Euro Staatsverschuldung. Dieses Vermögen ist hoch konzentriert:
Die reichsten 20 Prozent der Bevölkerung verfügen etwa über 80 Prozent des
Vermögens. Zwei Drittel der Bevölkerung verfügen über kein oder sehr geringes
Vermögen. Die Besteuerung hoher Vermögen, Gewinne und Einkommen ist er-
forderlich. Allein die Einführung einer Millionärssteuer brächte 80 Mrd. Euro
jährlich an Steuereinnahmen.

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