BT-Drucksache 17/731

Laufende Aufsicht der Deutschen Bundesbank

Vom 15. Februar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/731
17. Wahlperiode 15. 02. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke,
Britta Haßelmann, Stephan Kühn, Beate Müller-Gemmeke, Lisa Paus,
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Laufende Aufsicht der Deutschen Bundesbank

In Rahmen der laufenden Bankenaufsicht obliegt der Deutschen Bundesbank
die Auswertung der von den Instituten eingereichten Unterlagen, Meldungen,
Jahresabschlüsse und Prüfungsberichte. Ausgenommen sind (hoheitliche) Ein-
zelmaßnahmen gegenüber Instituten, die der Bundesanstalt für Finanzdienst-
leistungsaufsicht (BaFin) vorbehalten sind. Zudem führt die Bundesbank im
Rahmen der laufenden Aufsicht routinemäßig oder nach Bedarf Aufsichtsge-
spräche mit den Instituten durch. Nach eigenen Angaben ist die „Bundesbank
(…) an praktisch allen Bereichen der Bankenaufsicht maßgeblich beteiligt“
(vgl. Webseite Bundesbank). Der Öffentlichkeit sind Details dieser Aufsichts-
tätigkeit über deutsche Banken, die im Zuge der Krise gestützt werden mussten
(Bayerische Landesbank – BayernLB, Landesbank Sachsen – Sachsen LB,
WestLB AG, HSH Nordbank AG, IKB Deutsche Industriebank AG, Düssel-
dorfer Hypothekenbank AG, Hypo Real Estate Holding – HRE, Commerzbank
Aktiengesellschaft bzw. Dresdner Bank), weitestgehend unbekannt. Auch darü-
ber, wie sich die genaue Arbeitsteilung in der Praxis zwischen BaFin und Bun-
desbank gestaltet, besteht Unklarheit. Zugleich überlegt die Bundesregierung,
künftig die Bankenaufsicht bei der Bundesbank zu konzentrieren.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. An welchen Aufsichtsrats- bzw. Verwaltungsratssitzungen oder sonstigen
Sitzungen von Gremien mit Kontrollaufgaben (beispielsweise Kreditaus-
schuss) haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesbank seit dem
Jahr 2005 teilgenommen, und in wie vielen davon haben sie das Wort ergrif-
fen (mit der Bitte um institutsspezifische Angaben für die Banken BayernLB,
Sachsen LB, WestLB, HSH Nordbank, IKB, Düsseldorfer Hypothekenbank,
HRE, Commerzbank bzw. Dresdner Bank)?

2. Wie viele Aufsichtsrats- bzw. Verwaltungsratssitzungen oder sonstige Sit-
zungen von Gremien mit Kontrollaufgaben (beispielsweise Kreditaus-
schuss) gab es seit dem Jahr 2005 (mit der Bitte um institutsspezifische An-
gaben gemäß Frage 1 und Angaben auf Jahresbasis)?
3. Für wie wichtig hält die Bundesregierung das Instrument der Teilnahme an
solchen Sitzungen im Rahmen der Aufsichtstätigkeit?

4. Inwiefern verfügt die Bundesbank über das Recht, an Sitzungen von kon-
trollierenden Unterausschüssen des Verwaltungsrats (wie Kreditausschuss,
Bilanz- und Prüfungsausschuss) teilzunehmen?

Drucksache 17/731 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Inwiefern sind die beaufsichtigten Institute dazu verpflichtet, der Bundes-
bank sämtliche Vorlagen, Expertisen, Kreditanträge, Gutachten etc., die in
Aufsichtsrats- bzw. Verwaltungsratssitzungen oder sonstige Sitzungen von
Gremien mit Kontrollaufgaben (beispielsweise Kreditausschuss) beraten
werden, zur Verfügung zu stellen?

Gibt es dabei Unterschiede zwischen Unterlagen, die im Aufsichts- bzw.
Verwaltungsrat auf der einen und in kontrollierenden Unterausschüssen des
Verwaltungsrats auf der anderen Seite behandelt werden?

Inwiefern gibt es hinsichtlich der Übersendung von Unterlagen Ermessens-
spielräume des übersendenden Instituts?

Wie wird sichergestellt, dass der Bundesbank tatsächlich alle für ihre Auf-
sichtstätigkeit relevanten Unterlagen zugestellt werden?

6. Wie viele Aufsichtsgespräche hat die Bundesbank jeweils mit den Institu-
ten gemäß Frage 1 seit dem Jahr 2005 durchgeführt (mit der Bitte um An-
gaben auf Jahresbasis und Differenzierung nach Gesprächen, die „nach
Routine“ bzw. „nach Bedarf“ durchgeführt wurden)?

7. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesbank sind seit dem
Jahr 2005 jeweils mit der laufenden Aufsicht beschäftigt gewesen (mit der
Bitte um Angaben auf Jahresbasis und institutsspezifischen Angaben ge-
mäß Frage 1)?

8. Welche Prüftätigkeiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundes-
bank gab es seit dem Jahr 2005 über die laufende Aufsicht hinaus (mit der
Bitte um Angaben auf Jahresbasis und institutsspezifischen Angaben ge-
mäß Frage 1)?

9. Auf welche gesetzlichen Grundlagen stützt sich die aufsichtliche Tätigkeit
der Bundesbank?

Die Einhaltung welcher gesetzlicher Vorgaben wird dabei überprüft?

10. Inwiefern überprüft die Bundesbank im Rahmen ihrer aufsichtlichen Tätig-
keit auch, ob das tatsächliche Handeln einer Bank mit dem satzungsmäßi-
gen oder in anderer Form vorgeschriebenen Geschäfts- bzw. Unterneh-
menszweck übereinstimmt?

11. Hat die Bundesbank vor dem Hintergrund, dass das Oberlandesgericht
Düsseldorf für die IKB festgestellt hat, dass der Umfang getätigter Investi-
tionen im US-amerikanischen Verbriefungsmarkt gegen den Unterneh-
menszweck verstieß, der laut Satzung in der Förderung und Finanzierung
der gewerblichen Wirtschaft, insbesondere des Mittelstands, bestanden
habe (vgl. FAZ vom 15. Januar 2010, „Richter rechnen mit Vorstand und
Aufsehern der IKB ab – Geschäfte haben gegen Unternehmenszweck ver-
stoßen“), in ihrer Prüftätigkeit die Übereinstimmung zwischen Geschäfts-
modell der IKB und Unternehmenszweck nach Satzung überprüft?

Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist sie gekommen?

Wenn nein, warum nicht?

Wer wäre zuständig gewesen?

12. Wann wurden der Bundesbank Risiken aus Investitionen von Instituten
gemäß Frage 1 im US-Verbriefungsmarkt bekannt, was wurde diesbezüg-
lich unternommen, und wann, und inwiefern wurde die Bundesregierung
unterrichtet?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/731

13. Inwiefern gab es Gespräche zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
der Bundesbank und den in Frage 1 genannten Instituten über die aufsicht-
liche Behandlung von außerbilanziellen Conduits (wie Rhineland Funding
und Rhinebridge bei der IKB oder der Ormond-Quay-Struktur bei der
Sachsen LB)?

Falls es Gespräche gab, wann fanden diese Gespräche statt?

Wer hat auf Seiten der Bundesbank die Verantwortung über die Entschei-
dung über die aufsichtliche Behandlung solcher Conduits getroffen?

14. Inwiefern hat die Bundesbank auf welche Landesbanken eingewirkt, die
mögliche Mittelaufnahme vor dem Hintergrund der ab dem Jahr 2005 aus-
laufenden Gewährträgerhaftung nur begrenzt auszuschöpfen, und wenn ja,
wann, und in welcher Form?

15. Inwiefern ist die Bundesbank wann mit welchen Landesbanken in Dialog
getreten über ihr Geschäftsmodell und insbesondere über das sich ändernde
Verhältnis zwischen regionaler Geschäftstätigkeit und internationalem
Kapitalmarktgeschäft ab dem Jahr 2005 ff.?

16. Hat die Bundesbank vor dem Hintergrund, dass der Verfassungsgerichtshof
des Freistaats Sachsen am 28. August 2009 geurteilt hat (vgl. Vf.41-I-08),
dass die Konzentration der Sachsen LB auf ertragsorientierte Aktivitäten
an den internationalen Kapitalmärkten gegen den öffentlichen Auftrag der
Sachsen LB, insbesondere gegen § 34 Absatz 4 des Gesetzes über das
öffentlich-rechtliche Kreditwesen im Freistaat Sachsen (a. F.) verstoßen
habe, wonach der Schwerpunkt ihrer Geschäftsbankaktivitäten im regional
angebundenen Kreditgeschäft zu liegen habe und aufgrund dieses Versto-
ßes gegen den Errichtungszweck der Sachsen LB in Verbindung mit der
Ausweitung des außerbilanziellen Geschäfts wiederholt auch gegen das
Budgetrecht des Parlaments verstoßen worden sei, in ihrer Prüftätigkeit die
Übereinstimmung zwischen der geschäftlichen Tätigkeit der Sachsen LB
und gesetzlichen Grundlagen überprüft?

Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist sie gekommen?

Wenn nein, warum nicht?

Wer wäre sonst dafür zuständig gewesen?

17. Inwiefern hat das o. g. Urteil des Verfassungsgerichtshofes des Freistaates
Sachsen bei der Bundesbank dazu geführt, in anderen Bundesländern die
Vereinbarkeit des Geschäftsmodells der jeweiligen Landesbanken mit den
gesetzlichen Grundlagen zu überprüfen?

Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist sie gekommen?

Wenn nein, warum nicht?

Wer wäre sonst dafür zuständig gewesen?

18. Mit welchen konkreten Maßnahmen reagierten die zuständigen Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter der Bundesbank auf die Nachricht über eine Fehl-
buchung in Meldungen der irischen DEPFA BANK plc in Höhe von
50 Mrd. Euro?

Mit welchen genauen Prüfungen wurde sichergestellt, dass die gesamte
Liquiditätssituation der HRE-Holding nicht tangiert ist?

Ist es korrekt, dass für solche Prüfmaßnahmen allein die Bundesbank, nicht
aber die BaFin zuständig gewesen ist?

Drucksache 17/731 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

19. In welcher Weise sieht es die Bundesbank im Rahmen ihrer Aufsicht auch
als notwendig an, dafür zu sorgen, dass die internen Kontrollen dem Um-
fang und den Risiken der Geschäftstätigkeit der jeweiligen Bank entspre-
chen?

20. Inwiefern hat die Bundesbank auf die HSH Nordbank AG eingewirkt, die
internen Kontrollen und die Risikosteuerung auf neue Entwicklungen im
Geschäftsmodell der HSH Nordbank AG (z. B. Schnellankaufverfahren und
Omega-Geschäfte) auszurichten?

21. Inwieweit war die Bundesbank in den Erwerbsvorgang der Beteiligung der
BayernLB an der Hypo Group Alpe Adria (HGAA) eingebunden bzw. hat
hierbei mitgewirkt?

22. Inwiefern hat die Bundesbank im Vorfeld und/oder im Nachgang des
Erwerbs der Beteiligung der BayernLB an der HGAA Stellungnahmen und/
oder fachliche Expertisen dazu abgegeben bzw. diesen Themenkomplex be-
treffende Unterlagen dem Vorstand und/oder Verwaltungsrat der BayernLB
in schriftlicher und/oder mündlicher Form zur Verfügung gestellt?

23. Inwiefern hat die Bundesbank an Sitzungen des Verwaltungsrats der
BayernLB, in welchen die Thematik „Erwerb der Beteiligung an der
HGAA“ behandelt wurde, teilgenommen bzw. waren bei den Beratungen
zugegen?

Welche schriftlichen und/oder mündlichen Stellungnahmen, Empfehlun-
gen, Anregungen etc. haben die Vertreterinnen und Vertreter der Bundes-
bank hierbei ggf. abgegeben?

24. Inwiefern wurden im Zusammenhang mit der Eigenkapitalzuführung der
BayernLB für die HGAA i. H. v. 700 Mio. Euro im Dezember 2008 von
der Bundesbank Empfehlungen und Anregungen gegeben?

Wenn ja, auf welcher Informationsgrundlage hat die Bundesbank diese
Empfehlungen und Anregungen vorgenommen?

25. Inwiefern haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesbank zur
Vorbereitung der Kapitalerhöhung im Dezember 2008 mit Mitgliedern des
Vorstands und/oder einzelnen Verwaltungsratsmitgliedern und/oder öster-
reichischen Bankaufsichtsbehörden (d. h. Oesterreichische Nationalbank,
Finanzmarktaufsicht) und/oder dem österreichischen Finanzministerium
Gespräche und/oder Abstimmungen vorgenommen?

26. Inwiefern wurde die Höhe des Eigenkapitalzuführungsbetrages i. H. v.
700 Mio. Euro durch die Bundesbank überprüft?

27. Wurde das Prüfungsurteil der Oesterreichischen Nationalbank über die
HGAA bzw. die Klassifizierung der HGAA als „not distressed“ durch die
Bundesbank überprüft?

Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist die Bundesbank im Rahmen dieser
Prüfungen gelangt, und welche Informationen wurden dem Verwaltungsrat
und Vorstand diesbezüglich von der Bundesbank vorgelegt?

28. Inwiefern hatte die Bundesbank Kenntnis von den Prüfungshandlungen der
Oesterreichischen Nationalbank bei der HGAA seit den Kapitalmaßnah-
men im Dezember 2008?

War die Bundesbank in die Prüfung der Oesterreichischen Nationalbank
involviert, bzw. haben Vertreterinnen und Vertreter/Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der Bundesbank an dieser Prüfung mit teilgenommen?

Wurde der Vorstand bzw. Verwaltungsrat ggf. darüber unterrichtet?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/731

29. Wurde die Bundesbank während der Prüfungsverhandlungen der Oester-
reichischen Nationalbank bei der HGAA von der Oesterreichischen Natio-
nalbank und/oder der österreichischen Finanzmarktaufsicht und/oder an-
deren Stellen über Prüfungsfeststellungen und/oder aufsichts- und/oder
geldwäscherechtliche Problemstellungen schriftlich und/oder mündlich
vorab informiert?

Wenn ja, welche bankaufsichtlichen Maßnahmen wurden von der Bundes-
bank hierauf gegenüber der Bayerischen Landesbank veranlasst?

30. Hat die Bundesbank den Vorstand der BayernLB und/oder Mitglieder des
Verwaltungsrats über ihre auf der Grundlage des Berichts der Oester-
reichischen Nationalbank getroffenen Einschätzungen und/oder Schluss-
folgerungen über die Lage der HGAA und/oder die Notwendigkeit der
Eigenkapitalzuführung in Höhe von 700 Mio. Euro mündlich und/oder
schriftlich informiert?

31. Hat die Bundesbank die Inhalte des Prüfungsberichts der Oesterreichischen
Nationalbank bzw. die darin enthaltenen Prüfungsfeststellungen mit dem
Vorstand der Bayerischen Landesbank und/oder Mitgliedern des Verwal-
tungsrats erörtert?

Wenn ja, wann ist dies erfolgt?

Welche Inhalte und Ergebnisse hatten diese Gespräche?

32. Welche Fragen, Interventionen oder Stellungnahmen gab es in den Verwal-
tungsratssitzungen der BayernLB durch die an den Sitzungen teilnehmen-
den Vertreterinnen und Vertreter der Bundesbank zum Thema Kauf der
HGAA?

33. Wer war seitens der Bundesbank bei der „Rettung“ der HGAA im Dezem-
ber 2009 beteiligt?

Was war der Inhalt der „Rettungsgespräche“ Anfang Dezember 2009 zwi-
schen dem Bayerischen Ministerpräsident Horst Seehofer, der Bundes-
kanzlerin Dr. Angela Merkel, dem Präsidenten der Europäischen Zentral-
bank Jean-Claude Trichet, dem österreichischen Bundeskanzler Werner
Faymann, dem österreichischen Finanzminister Josef Pröll, der Bundes-
bank, der BaFin?

Welche Abmachungen wurden von wem getroffen?

Berlin, den 15. Februar 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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