BT-Drucksache 17/7266

Position der Integrationsbeauftragten des Bundes zu integrationspolitischen Gesetzesvorhaben

Vom 4. Oktober 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7266
17. Wahlperiode 04. 10. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln),
Ingrid Hönlinger, Wolfgang Wieland und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Position der Integrationsbeauftragten des Bundes zu integrationspolitischen
Gesetzesvorhaben

Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integra-
tion, Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer, hat sich in dieser Wahlperiode
an der parlamentarischen Beratung integrationspolitischer Gesetzentwürfe zu-
mindest für die Öffentlichkeit nicht erkennbar beteiligt. Dabei ist es gemäß § 93
des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) die vorrangige Aufgabe der Integrations-
beauftragten, die Integration der in Deutschland lebenden Migrantinnen und
Migranten „zu fördern und insbesondere die Bundesregierung bei der Weiter-
entwicklung ihrer Integrationspolitik (…) zu unterstützen“ und in diesem Zu-
sammenhang den Belangen der im Bundesgebiet lebenden Einwanderinnen
und Einwanderer zu einer „angemessenen Berücksichtigung zu verhelfen“.

Ziel dieser Kleinen Anfrage ist es daher, die Position der Integrationsbeauftrag-
ten zu wichtigen Fragen der integrationspolitischen Gesetzgebung der Regie-
rungskoalition, wie z. B. dem jüngst beschlossenen sog. Richtlinienumsetzungs-
gesetz (Bundestagsdrucksache 17/6053), dem Gesetz zur Bekämpfung der
Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur
Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften (Bundestags-
drucksache 17/4401) sowie dem anhängigen Gesetzentwurf zur Verbesserung
der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikatio-
nen (Bundestagsdrucksache 17/6260) in Erfahrung zu bringen.

1. Menschenrechte für Menschen ohne Aufenthaltsstatus

a) Gesundheit

In ihrem Achten Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in
Deutschland (Bundestagsdrucksache 17/2400) bekennt sich die Integrationsbe-
auftragte zu Folgendem:

„Das Recht auf Gesundheit gehört zu den grundlegenden Rechten, die für alle in
Deutschland lebenden Menschen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus gel-
ten“ (S. 243). Durch die neue Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz sei
nun klargestellt worden, dass die „verlängerte Schweigepflicht“ nach § 203 des

Strafgesetzbuchs auch bei der Abrechnung von Krankenhausleistungen öffent-
licher Stellen gelte und daher nunmehr „auch Sozialämter keine Daten über die
Patienten an die Ausländerbehörde übermitteln“ dürften. „Eine kontinuierliche
ärztliche Versorgung (Vorsorgeuntersuchungen, Impfungen etc.) ist damit für
Menschen ohne Papiere jedoch nicht sichergestellt. Das ist insbesondere für
Kinder kein haltbarer Zustand“. Die Integrationsbeauftragte wolle daher „vor
allem für Kinder und Jugendliche die Gesundheitsversorgung zu verbessern und
ihnen auch Vorsorgeuntersuchungen sowie Impfungen zu ermöglichen“. Hierfür

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wolle sie prüfen „ob ggf. eine weitere Einschränkung der gesetzlichen Übermitt-
lungspflichten erforderlich wäre.“ (S. 244).

Tatsächlich löst die neue Verwaltungsvorschrift nur den Ausnahmefall einer
Notfallbehandlung. Im Regelfall sind Menschen in der aufenthaltsrechtlichen
Illegalität nach dem einschlägigen Asylbewerberleistungsgesetz verpflichtet,
vor einer medizinischen Behandlung beim Sozialamt einen Behandlungsschein
zu beantragen. In diesem Fall gibt es keinen verlängerten Geheimnisschutz, mit
der Folge, dass das Sozialamt weiterhin zu einer Mitteilung an die Ausländer-
behörde verpflichtet ist.

Das im Juli 2011 beschlossene Richtlinienumsetzungsgesetz umfasst weder
eine allgemeine Einschränkung der Übermittlungspflichten von Sozialämtern
noch eine besondere Regelung für Vorsorgeuntersuchungen bzw. Impfungen
für statuslose Kinder.

b) Lohnklagen

Im Hinblick auf so genannte Lohnklagen erklärt die Integrationsbeauftragte:
„Dieser Lohnanspruch kann unabhängig vom Aufenthaltsstatus gerichtlich ein-
geklagt werden.“ (S. 245). Weiter heißt es in ihrem Achten Lagebericht: „Un-
streitig ist allerdings, dass Gerichte öffentliche Stellen i. S. § 87 AufenthG und
damit grundsätzlich übermittlungspflichtig sind. Dies dürfte Ausländerinnen
und Ausländern ohne Papiere davon abhalten, offene Lohnansprüche vor Ge-
richt einzuklagen. Aus Sicht der Beauftragten sollte bei Umsetzung der „Sank-
tionsrichtlinie“972 geprüft werden, ob und inwieweit diese Übermittlungspflich-
ten eingeschränkt werden sollten.“

Tatsächlich sieht das Richtlinienumsetzungsgesetz vom Juli 2011 keine Ein-
schränkung der Übermittlungspflichten von Arbeitsgerichten vor.

c) Bildung

Die Integrationsbeauftragte empfiehlt in ihrem Achten Lagebericht zum einen,
in § 87 AufenthG die Übermittlungspflichten von Schulen, Kindertagesstätten
und Jugendämtern zu streichen (S. 245). Da der Rechtsanspruch auf einen Kin-
dergartenplatz nach § 24 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII)
i. V. m. § 6 Absatz 2 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) zumindest eine
Duldung voraussetzt, plädiert die Integrationsbeauftragte zum anderen dafür,
dass für den Rechtsanspruch künftig der gewöhnliche Aufenthalt in der Bun-
desrepublik Deutschland ausreichen sollte, ohne dass es auf den ausländer-
rechtlichen Status ankomme.

In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 16. Juli
2011 erklärte Dr. Maria Böhmer: „Auch Kinder Illegaler haben ein Recht auf
Bildung. Nach der von Deutschland unterzeichneten UN-Kinderrechtskonven-
tion muss Bildung vorbehaltlos gewährt werden.“

Tatsächlich sind im Richtlinienumsetzungsgesetz die Übermittlungspflichten
von Schulen und Kindertagesstätten gestrichen worden. Jedoch wurde die von
der Integrationsbeauftragten empfohlene Änderung im SGB VIII nicht vorge-
nommen – ebenso wenig wie die zur Ermöglichung eines Schul- bzw. Kinder-
gartenbesuches von statuslosen Kindern folgerichtige Einschränkung der Über-
mittlungspflicht im Unfallversicherungsgesetz (§ 211 Nummer 7 SGB VII).

2. Zwangsverheiratungen

Die Integrationsbeauftragte erklärte in ihrem Achten Lagebericht, dass sie sich
für ein „Rückkehrrecht von heiratsverschleppten Personen“ einsetzt (a. a. O.,

S. 199).

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Tatsächlich aber will die schwarz-gelbe Koalition einer heiratsverschleppten
Frau, die aus ihrer Zwangsehe geflohen ist, gemäß § 37 AufenthG nur dann
eine Rückkehr nach Deutschland erlauben, wenn „gewährleistet erscheint, dass
[sie] sich aufgrund [ihrer] bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die
Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann.“ In der
Gesetzesbegründung wird hierzu ausdrücklich klargestellt, dass damit die Per-
sonen ausgeschlossen werden sollen, bei denen ein erhöhtes Risiko besteht,
dass sie in Deutschland dauerhaft von Sozialhilfeleistungen abhängig wären.
Diejenigen Frauen, die bei dieser Sozialprognose durchfallen, bleiben also
ihrem Schicksal selbst überlassen – ungeachtet dessen, dass sie vor ihrer Heirats-
verschleppung jahrelang rechtmäßig in Deutschland gelebt und die Schule
besucht haben.

3. Ausländische Studierende

Die Integrationsbeauftragte regte in ihrem Achten Lagebericht

● angesichts der „erfolgreich in den Arbeitsmarkt eingegliederten steigenden
Zahl ausländischer Studienabsolventen/innen eine weitere Optimierung der
Rahmenbedingungen für den qualifikationsgerechten Arbeitsmarktzugang
an.“ (S. 82),

● eine Flexibilisierung des Berufserlaubnisrechts für ausländische Studierende
(S. 184) an sowie

● neue „aufenthalts- und staatsangehörigkeitsrechtliche Perspektiven“ für aus-
ländische Studierende im Falle eines erfolgreichen Abschlusses in Deutsch-
land an.

Umgesetzt wurde bislang noch kein einziger dieser Vorschläge.

4. Kommunalwahlrecht für Drittstaatsangehörige

Die Integrationsbeauftragte lehnte ein kommunales Wahlrecht für Auslände-
rinnen und Ausländer mit folgender Begründung ab: „Ich bin für keine halbe
Sachen. Wenn wählen, dann richtig. Und das geht nur über eine Einbürgerung“
(vgl. Hamburger Abendblatt vom 25. Oktober 2010).

Wie die Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages zum
kommunalen Wahlrecht am 22. September 2008 zeigte, geht die Position, das
kommunale Wahlrecht und die Frage der Einbürgerung als Gegensatz darzu-
stellen, an den Erfahrungen derjenigen Staaten vorbei, die ein solches kommu-
nales Ausländerwahlrecht schon eingeführt haben. Die Einbürgerungsquote
erhöhte sich in diesen Ländern nicht nur, sondern es kam auch zu einer signi-
fikanten Steigerung kommunaler Mandatsträger mit Migrationshintergrund –
einem Anliegen, das Dr. Maria Böhmer sonst immer gerne im Munde führt
(vgl. FAZ vom 1. April 2011).

Unberücksichtigt lässt die Integrationsbeauftragte darüber hinaus den demokra-
tischen Grundsatz der Kongruenz zwischen Wohnbevölkerung und Wahlbevöl-
kerung. Aufgrund der restriktiven Einbürgerungspolitik erhält nur ein kleiner
Teil der in Deutschland lebenden Einwanderinnen und Einwanderer die deut-
sche Staatsangehörigkeit.

5. Ehegattennachzug

Beim Ehegattennachzug zeigt sich die Integrationsbeauftragte weiterhin davon
überzeugt, dass die Pflicht, Deutschkenntnisse vor der Einreise nachzuweisen,
sinnvoll und europarechtskonform sei (vgl. Bundestagsdrucksache 17/5732,
S. 5 und 8).

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Im Gegensatz dazu, stellten die Sachverständigen in der Anhörung des Innen-
ausschusses des Deutschen Bundestages zum Spracherfordernis beim Ehegatten-
nachzug am 6. Juni 2011 einhellig fest, dass es keinerlei Erkenntnisse darüber
gäbe, dass das Spracherfordernis dem Zweck der Regelung entsprechend
Zwangsehen verhindere. Zudem kam inzwischen die Europäische Kommission
in einer Stellungnahme zu der Auffassung, es widerspräche der Familienzusam-
menführungsrichtlinie, dass einem Familienangehörigen allein deswegen der
Nachzug verwehrt werden darf, weil er nicht über ausreichend Sprachkenntnisse
verfügt (vgl. Stellungnahme an den Europäischen Gerichtshof, Rs. C-155/11).

6. Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen

Die Integrationsbeauftragte begrüßte die Ankündigung von der Bundesministe-
rin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan, eine zentrale Auskunfts-
stelle für Migranten einzurichten, die Interesse an einem Anerkennungsverfahren
haben (vgl. Pressemitteilung der Integrationsbeauftragten vom 23. März 2011).
Des Weiteren erklärte sie in ihrem Achten Lagebericht, „eine individuelle Kennt-
nisstandprüfung, die sich auf den (gesamten) Inhalt der für Bildungsinländer vor-
gesehenen staatlichen Abschlussprüfungen des Aufnahmelandes erstreckt, ist für
Zugewanderte seine sehr hohe Zugangshürde.“ Daher soll intensiv erörtert wer-
den, „ob das bisher allein für Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaates vorge-
sehene Verfahren, das nach einer Defizitanalyse die ggf. notwendige individuelle
Prüfung des Kenntnisstandes auf diejenigen Bereiche beschränkt, in denen die
mitgebrachten Qualifikationen hinter denen im Aufnahmestaat geforderten zu-
rückbleiben, regelmäßig auf Drittstaatsangehörige erstreckt werden soll.“

Immer wieder fordert die Integrationsbeauftragte darüber hinaus, dass mehr
Eingewanderte im öffentlichen Dienst beschäftigt werden. In Deutschland habe
jeder Fünfte einen Migrationshintergrund, das müsse sich auch bei Lehrern, der
Polizei und in der Verwaltung angemessen widerspiegeln, so die Integrations-
beauftragte (vgl. u. a. SPIEGEL ONLINE vom 14. Januar 2010).

Tatsächlich ist im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Anerkennung aus-
ländischer Berufsqualifikationen weder ein Anspruch auf Beratung und Beglei-
tung für Ratsuchende und Antragstellende verankert noch sind die großzügigen
Anerkennungsregelungen des Artikels 1 (Berufsqualifikationsfeststellungsge-
setz) für den reglementierten Bereich bindend. Schließlich enthält der Gesetz-
entwurf keine Änderungen im Beamtenrecht, so dass Drittstaatsangehörige
weiterhin vom Beamtenverhältnis ausgeschlossen sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

Menschenrechte für Menschen ohne Aufenthaltsstatus

1. Trifft es aus Sicht der Integrationsbeauftragen zu, dass die Sozialämter nach
der neuen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz nur im Ausnahme-
fall einer Notfallbehandlung von ihrer Übermittlungspflicht gemäß § 87
AufenthG ausgenommen sind?

Wenn ja, hält die Integrationsbeauftrage diese Rechtslage für verbesserungs-
bedürftig, und wenn nein, warum nicht?

2. Trifft es aus Sicht der Integrationsbeauftragen zu, dass die Sozialämter ver-
pflichtet sind, den Ausländerbehörden die Identität einer statuslosen Person
zu melden, wenn diese vor einer ärztlichen Behandlung beim Sozialamt den
notwendigen Behandlungsschein beantragt?

Wenn ja, wie beabsichtigt die Bundesregierung, diese Regelungslücke zu
schließen?
Wenn die Bundesregierung diese Regelungslücke nicht schließen möchte,
warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7266

3. Trifft es zu, dass das o. g. Richtlinienumsetzungsgesetz die Übermittlungs-
pflichten der Sozialämter bei Leistungen im Krankheitsfall nicht ein-
schränkt?

Wenn ja, hält die Integrationsbeauftragte die derzeitige Rechtslage für ver-
besserungsbedürftig, damit Personen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität
im Krankheitsfall versorgt werden und insbesondere statuslose Kinder Vor-
sorgeuntersuchungen sowie Impfungen erhalten, und wenn nein, warum
nicht?

4. Trifft es zu, dass das o. g. Richtlinienumsetzungsgesetz die Übermittlungs-
pflicht der Arbeitsgerichte nach § 87 AufenthG bei sog. Lohnklagen nicht
einschränkt?

Wenn ja, hält die Integrationsbeauftrage die derzeitige Rechtslage für ver-
besserungsbedürftig, und wenn nein, warum nicht?

5. Trifft es zu, dass durch das o. g. Richtlinienumsetzungsgesetz der Rechtsan-
spruch auf einen Kindergartenplatz nach § 24 SGB VIII i. V. m. § 6 Absatz 2
SGB VIII nicht auf statuslose Kinder erweitert wurde?

Wenn ja, hält die Integrationsbeauftragte die derzeitige Rechtslage und ins-
besondere die Regelung des § 6 Absatz 2 SGB VIII für verbesserungsbedürf-
tig, und wenn nein, warum nicht?

6. Hält es die Integrationsbeauftragte zur Ermöglichung eines Schul- bzw. Kin-
dergartenbesuches von statuslosen Kindern für sachgerecht, auch die Über-
mittlungspflicht im Unfallversicherungsgesetz (§ 211 Nummer 7 SGB VII)
zu streichen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, hatte die Integrationsbeauftragte diesen Vorschlag auch im Zuge
der Erstellung des Entwurfs zum o. g. Richtlinienumsetzungsgesetz einge-
bracht, und wenn nein, warum nicht?

Zwangsverheiratungen

7. Hält die Integrationsbeauftragte es für gerechtfertigt, dass das Rückkehr-
recht für Opfer von Zwangsheirat von einer „positiven Integrationsprog-
nose“ abhängig gemacht wird, also diejenigen Opfer im Stich gelassen wer-
den, von denen die Ausländerbehörde meint, sie könnten in Deutschland
dauerhaft Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen?

Ausländische Studierende

8. Welche konkreten Änderungen

a) zur „weiteren Optimierung der Rahmenbedingungen für den qualifika-
tionsgerechten Arbeitsmarktzugang“,

b) zur Flexibilisierung des Berufserlaubnisrechts bzw.

c) zur Erweiterung der „aufenthalts- und staatsangehörigkeitsrechtlichen
Perspektiven“

schlägt die Beauftragte für ausländische Studierende im Falle eines erfolg-
reichen Abschlusses in Deutschland vor (bitte ausführen)?

9. Beabsichtigt die Bundesregierung, diese Vorschläge der Integrationsbeauf-
tragen umzusetzen?

Wenn ja, wann?
Wenn nein, warum nicht?

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Kommunalwahlrecht für Drittstaatsangehörige

10. In welchen Mitgliedstaaten hat sich nach Kenntnis der Integrationsbeauftrag-
ten nach der Einführung eines Kommunalwahlrechts für Drittstaatsangehö-
rige die Einbürgerungsquote bzw. die Zahl kommunaler Mandatsträgerinnen
und -träger mit einem Migrationshintergrund in welcher Weise verbessert
(bitte ausführen)?

11. Wie hoch liegt nach Kenntnis der Integrationsbeauftragten die Einbürge-
rungsquote in Deutschland in den Jahren 2005 bis 2010?

12. Wie hoch liegt nach Kenntnis der Integrationsbeauftragten in deutschen
Kommunalparlamenten der Anteil von Ratsmitgliedern mit einem Migra-
tionshintergrund (vgl. hierzu auch die Ergebnisse der vom Max-Planck-
Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften
betreuten Studie „Einwanderinnen und Einwanderer in den Räten deutscher
Großstädte“ (http://www.boell.de/downloads/20110629_Kurzfassung_
Ratsmitglieder_mit_MH.pdf)?

13. Kann vor diesem Hintergrund nach Ansicht der Integrationsbeauftragten
von einer angemessenen Repräsentanz von Menschen mit Einwanderungs-
geschichte in deutschen Kommunalparlamenten gesprochen werden – nicht
zuletzt in Großstädten, in denen der Anteil von Einwohnerinnen und Ein-
wohnern mit einem Migrationshintergrund zum Teil bei über 25 Prozent
liegt?

14. Kann es nach Ansicht der Integrationsbeauftragten sein, dass das fehlende
Kommunalwahlrecht für Drittstaatsangehörige zumindest mit ursächlich
für diese signifikante Unterrepräsentanz von Menschen mit Einwande-
rungsgeschichte in deutschen Kommunalparlamenten ist, und wenn nein,
warum nicht?

15. Ist es nach Ansicht der Integrationsbeauftragten vor diesem Hintergrund
sachgerecht, die Forderung nach der Einführung eines Kommunalwahl-
rechts für Drittstaatsangehörige mit dem Argument abzulehnen, auch die-
oder derjenige, der (vorerst) nur auf der kommunalen Ebene wählen wolle,
solle sich vorher einbürgern lassen, und wenn ja, warum?

Ehegattennachzug

16. a) Bestätigt die Integrationsbeauftragte die Beurteilung sämtlicher Sachver-
ständigen der Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundes-
tages vom 6. Juni 2011, dass keinerlei Kenntnisse darüber vorliegen, ob
das Spracherfordernis gemäß § 30 Absatz 1 Nummer 2 AufenthG geeig-
net ist, Zwangsehen zu verhindern?

Wenn nein, welche Erkenntnisse liegen ihr vor?

b) Ist die Integrationsbeauftragte der Meinung, dass eine nur gemutmaßte
Zweckerfüllung des Spracherfordernisses die zahlreichen und erhebli-
chen Eingriffe in das Grund- und Menschenrecht auf Familienzusam-
menleben und freie Partnerwahl rechtfertigt (bitte begründen)?

17. Ist die Integrationsbeauftragte der Ansicht, dass die mit dem Spracherfor-
dernis bezweckte „Förderung der Integration“ die zahlreichen und erhebli-
chen Eingriffe in das Grund- und Menschenrecht auf Familienzusammen-
leben und freie Partnerwahl rechtfertigt und zwar insbesondere

● angesichts dessen, dass die nachziehenden Ehegatten nach ihrer Einreise
in der Regel mit dem Kursmodul 1 bei den Integrationskursen einstei-
gen, so dass der Nutzen der Kurse im Ausland bezweifelt werden muss

und

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/7266

● angesichts dessen, dass heute gemäß § 8 Absatz 3 AufenthG nicht mehr
nur bei den Sprachkursen im Herkunftsland, sondern auch bei den Inte-
grationskursen in Deutschland ein erfolgreicher Kursabschluss voraus-
gesetzt wird?

18. Teilt die Integrationsbeauftragte die Ansicht, dass das Spracherfordernis
nicht mit dem Gleichheitsgebot vereinbar ist, weil es nur für bestimmte
Personengruppen gilt und für andere Personengruppen, wie die Ehegatten
von Staatsangehörigen von EU-Mitgliedstaaten sowie die Ehegatten von
Staatsangehörigen aus Ländern, mit denen Deutschland enge wirtschaftli-
che Beziehungen pflegt, nicht gilt?

Wenn nein, welcher sachliche Grund vermag nach Ansicht der Integrations-
beauftragten die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen?

19. a) Welche Rückschlüsse zieht die Integrationsbeauftragte für das deutsche
Spracherfordernis aus der Stellungnahme der Europäischen Kommission
(EuGH, Rs. C-155/11), in welcher diese erklärt, dass nach der Familien-
zusammenführungsrichtlinie einem Familienangehörigen nicht allein
deswegen der Nachzug verwehrt werden darf, weil er nicht über ausrei-
chende Sprachkenntnisse verfügt?

b) Teilt die Integrationsbeauftragte die Ansicht, dass die Auslegung des
Bundesverwaltungsgerichts in seiner Entscheidung vom 30. März 2010
(Az. 1 C8.09) zur Vereinbarkeit der Sprachanforderungen beim Ehegat-
tennachzug mit der Familienzusammenführungsrichtlinie im Wider-
spruch steht mit der Stellungnahme der Kommission in der Rechtssache
„Imran“ vor dem EuGH (Rs. C-155/11)?

Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen

20. Sollte nach Ansicht der Integrationsbeauftragten der Gesetzentwurf zur
Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen um einen Anspruch auf
Beratung und Begleitung während des Anerkennungsverfahrens sowie um
die Einrichtung einer zentralen Stelle, die Qualitätssicherung, Einheitlich-
keit und Fairness bei den Anerkennungsverfahren gewährleistet, ergänzt
werden?

Wenn nein, warum nicht?

21. Sollte nach Ansicht der Integrationsbeauftragten, in Artikel 1 des Gesetz-
entwurfs zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland
erworbener Berufsqualifikationen (Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz)
§ 2 Absatz 1 eingeschränkt werden, damit auch bei reglementierten Berufen
nicht von folgenden Regelungen des allgemeinen Berufsqualifikationsfest-
stellungsgesetzes abgewichen werden kann:

● das Prinzip der wesentlichen Unterschiede als Maßstab bei der Feststel-
lung der Gleichwertigkeit,

● die ergänzende Berücksichtigung von Berufserfahrung beim Ausgleich
wesentlicher Unterschiede sowie

● die Möglichkeit, festgestellte wesentliche Unterschiede durch Absolvie-
rung eines Anpassungslehrgangs oder einer Eignungsprüfung, wobei
sich beide auf die festgestellten wesentlichen Unterschiede beschrän-
ken, auszugleichen

(bitte einzeln ausführen)

Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 17/7266 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
22. Teilt die Integrationsbeauftragte die Ansicht, dass es für das Ziel der sozialen
Integration sinnvoll und notwendig wäre, drittstaatsangehörigen Auslände-
rinnen und Ausländern den Zugang zum Beamtenverhältnis entsprechend
der Regelungen für EU-Staatsangehörige zu erleichtern?

Wenn nein, warum nicht?

23. Welchen Handlungsbedarf über das Gesetz zur Anerkennung ausländischer
Abschlüsse hinaus sieht die Integrationsbeauftragte, um sicherzustellen,
dass in Deutschland lebende Personen mit ausländischen Qualifikationen
tatsächlich von dem Anspruch auf Durchführung eines Anerkennungsver-
fahrens profitieren?

Berlin, den 30. September 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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