BT-Drucksache 17/7069

a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP -17/6290- Entwurf eines Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes b) zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD -17/5895- Entwurf eines Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes c) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Sevim Dagdelen, Dr. Dagmar Enkelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -17/5896- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes und zur Reformierung des Wahlrechts d) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -17/4694- Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes

Vom 22. September 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7069
17. Wahlperiode 22. 09. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
– Drucksache 17/6290 –

Entwurf eines Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes

b) zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/5895 –

Entwurf eines Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes

c) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Sevim Dag˘delen,
Dr. Dagmar Enkelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 17/5896 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes und zur Reformie-
rung des Wahlrechts

d) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger,
Memet Kilic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/4694 –

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
A. Problem

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 3. Juli 2008 (BVerfGE 121,
266) entschieden, dass § 7 Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit § 6 Absatz 4 und 5
des Bundeswahlgesetzes (BWG) die Grundsätze der Gleichheit und Unmittel-

Drucksache 17/7069 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

barkeit der Wahl nach Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes verletzt, so-
weit hierdurch ermöglicht wird, dass ein Zuwachs an Zweitstimmen zu einem
Verlust an Sitzen der Landeslisten oder ein Verlust an Zweitstimmen zu einem
Zuwachs an Sitzen der Landeslisten führen kann. Es hat den Gesetzgeber ver-
pflichtet, spätestens bis zum 30. Juni 2011 eine verfassungsgemäße Regelung zu
treffen.

Regelungsbedürftig ist auch die Problematik der „Berliner Zweitstimmen“, nach
der ein oder zwei Wahlkreisbewerber einer Partei Direktmandate erringen, wäh-
rend Landeslisten dieser Partei auf Grund der Sperrklausel in § 6 Absatz 6 BWG
an der Sitzverteilung nicht teilnehmen. Hier haben Wähler dann einen „doppel-
ten Erfolgswert“, wenn sie mit ihrer Erststimme einen erfolgreichen Wahlkreis-
kandidaten der an der Sperrklausel gescheiterten Partei gewählt haben, dagegen
mit ihrer Zweitstimme einer anderen Partei zu Listenmandaten verhelfen. Ein
„doppelter Erfolgswert“ aber ist mit dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl
nicht zu vereinbaren. Das Bundesverfassungsgericht hat daher eine gesetzliche
Lösung der Problematik der „Berliner Zweitstimmen“ für angezeigt gehalten
(BVerfGE 122, 304 [312]).

Zusätzlich wird in den Gesetzentwürfen zu den Buchstaben b, c und d auf die
grundsätzliche Problematik der Überhangmandate hingewiesen, die einer ge-
setzlichen Lösung bedürfe.

B. Lösung

In Umsetzung des Regelungsauftrags des Bundesverfassungsgerichts zum nega-
tiven Stimmgewicht sieht der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP Änderungen des Bundeswahlgesetzes vor, die die Verfassungswidrigkeit
des Effekts des negativen Stimmgewichts unter Beibehaltung des Wahlsystems
der personalisierten Verhältniswahl beseitigen. Die Neuregelung gründet auf
den Verzicht der bislang nach § 7 BWG vorgesehenen Listenverbindung, den
das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 3. Juli 2008 als eine von mehreren
Lösungsmöglichkeiten bezeichnet hat, die dem Gesetzgeber zur Verfügung ste-
hen (vgl. BVerfGE 121, 266 [307/315]). Die Abschaffung der Möglichkeit der
Listenverbindung wird ergänzt um eine Sitzverteilung auf der Grundlage von
Sitzkontingenten der Länder, die sich nach der Anzahl der Wähler in den Län-
dern bestimmen. Das Verfahren für die Verteilung der nach Landeslisten zu be-
setzenden Sitze bleibt damit zweistufig ausgestaltet. In einem ersten Schritt wird
die Zahl der Sitze ermittelt, die von der Gesamtzahl der Sitze im Deutschen Bun-
destag auf jedes Land entfällt; in einem zweiten Schritt werden die auf ein Land
entfallenden Sitze auf die dort zu berücksichtigenden Landeslisten verteilt. Er-
folgswertunterschiede durch Rundungsunterschiede bei der Verteilung der Sitze
in den 16 Sitzkontingenten werden ausgeglichen, wenn die Stimmreste einer
Partei bundesweit die Schwelle für die Vergabe eines Mandats überschreiten
(§ 6 Absatz 2a BWG – neu –).

Um zu vermeiden, dass dadurch erneut der Effekt des negativen Stimmgewichts
auftreten kann, hat der Innenausschuss beschlossen, § 6 Absatz 2a BWG so neu
zu fassen, dass bei der Zuteilung der weiteren Sitze vorrangig die Landeslisten
berücksichtigt werden, bei denen die Zahl der in den Wahlkreisen errungenen
Direktmandate die Zahl der nach den Absätzen 2 und 3 zu verteilenden Sitze
übersteigt (sog. Überhangsituation).

Hinsichtlich der Problematik der „Berliner Zweitstimmen“ sieht der Gesetzent-
wurf die Beseitigung der Regelungslücke in § 6 Absatz 1 BWG vor.

Die übrigen Fraktionen wollen den Regelungsauftrag des Bundesverfassungsge-

richts mit im einzelnen vom Koalitionsentwurf und voneinander abweichenden
Lösungsmodellen umsetzen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7069

Der Entwurf der Fraktion der SPD setzt darauf, die Zahl der Abgeordneten falls
erforderlich so weit anzupassen, dass Überhangmandate im Verhältnis der Par-
teien zueinander vollständig ausgeglichen werden. Die Fraktionen DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehen die Anrechnung der Direktmandate auf
das Zweitstimmenergebnis bereits auf Bundesebene, auf der Ebene der soge-
nannten Oberzuteilung, und nicht auf Länderebene, vor. Während im Entwurf
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den seltenen Fällen, in denen noch
Überhangmandate entstehen, diese nicht mehr zuerkannt werden sollen, sieht
der Entwurf der Fraktion DIE LINKE. in diesen Fällen einen Ausgleich vor, der
sich nach den auf Bundesebene erzielten Zweitstimmen richtet. Zudem werden
mit dem Entwurf dieser Fraktion weitere umfangreiche Reformen des Wahl-
rechts angestrebt.

a) Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/6290 in geänderter
Fassung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen
die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

b) Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/5895 mit den Stim-
men der Fraktionen CDU/CSU, FDP und DIE LINKE. gegen die Stim-
men der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

c) Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/5896 mit den Stimmen
der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.

d) Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/4694 mit den Stim-
men der Fraktionen CDU/CSU, FDP und DIE LINKE. gegen die Stim-
men der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme der Gesetzentwürfe zu den Buchstaben b, c oder d.

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

Durch die Änderungen des Bundeswahlgesetzes fallen lediglich insoweit Kos-
ten an, als die für die Wahl eingesetzte Software des Bundeswahlleiters zur IT-
unterstützten Ermittlung des Wahlergebnisses an das neue Verfahren der Man-
datszuteilung angepasst werden muss.

Soweit nach den Entwürfen zu den Buchstaben b oder c Ausgleichsmandate
vorgesehen sind, kann die Erhöhung der Abgeordnetenzahl Mehrkosten ver-
ursachen.

Drucksache 17/7069 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/6290 mit folgenden Maßgaben, im
Übrigen unverändert anzunehmen:

Artikel 1 wird wie folgt geändert:

1. Nummer 1 Buchstabe c wird wie folgt gefasst:

c) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 2a eingefügt:

„(2a) Den Landeslisten einer Partei werden in der Reihenfolge der
höchsten Reststimmenzahlen so viele weitere Sitze zugeteilt, wie nach
Absatz 2 Satz 3 und 4 zweiter Halbsatz ganze Zahlen anfallen, wenn
die Summe der positiven Abweichungen der auf die Landeslisten ent-
fallenen Zweitstimmen von den im jeweiligen Land für die errungenen
Sitze erforderlichen Zweitstimmen (Reststimmenzahl) durch die im
Wahlgebiet für einen der zu vergebenden Sitze erforderliche Zweit-
stimmenzahl geteilt wird. Dabei werden Landeslisten, bei denen die
Zahl der in den Wahlkreisen errungenen Sitze die Zahl der nach den
Absätzen 2 und 3 zu verteilenden Sitze übersteigt, in der Reihenfolge
der höchsten Zahlen und bis zu der Gesamtzahl der ihnen nach Absatz 5
verbleibenden Sitze vorrangig berücksichtigt. Die Gesamtzahl der
Sitze (§ 1 Absatz 1) erhöht sich um die Unterschiedszahl.“

2. In Nummer 1 Buchstabe d Satz 1 werden die Wörter „mit den höchsten
positiven Abweichungen der auf sie entfallenen Zweitstimmen von der
nach Absatz 2 Satz 6 errechneten Zahl“ durch die Wörter „in der Reihen-
folge der höchsten Reststimmenzahlen“ ersetzt;

b) den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/5895 abzulehnen,

c) den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/5896 abzulehnen,

d) den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/4694 abzulehnen.

Berlin, den 21. September 2011

Der Innenausschuss

Wolfgang Bosbach
Vorsitzender

Dr. Günter Krings
Berichterstatter

Gabriele Fograscher
Berichterstatterin

Dr. Stefan Ruppert
Berichterstatter

Halina Wawzyniak
Berichterstatterin

Wolfgang Wieland
Berichterstatter

und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und gen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Gesetzentwurfs
empfohlen.

Der Rechtsausschuss hat in seiner 59. Sitzung am 21. Sep-

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Fassung des Ände-
rungsantrags der Koalitionsfraktionen auf Ausschuss-
drucksache 17(4)341 anzunehmen.

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen auf Aus-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/7069

Bericht der Abgeordneten Dr. Günter Krings, Gabriele Fograscher, Dr. Stefan
Ruppert, Halina Wawzyniak und Wolfgang Wieland

I. Zum Verfahren

1. Überweisung

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/6290 wurde in der
117. Sitzung des Deutschen Bundestages am 30. Juni 2011
an den Innenausschuss federführend sowie an den Rechts-
ausschuss zur Mitberatung überwiesen.

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/5895 wurde in der
111. Sitzung des Deutschen Bundestages am 26. Mai 2011
an den Innenausschuss federführend sowie an den Aus-
schuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung,
den Rechtsausschuss und den Haushaltsausschuss gemäß
§ 96 GO-BT zur Mitberatung überwiesen.

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/5896 wurde in der
111. Sitzung des Deutschen Bundestages am 26. Mai 2011
an den Innenausschuss federführend sowie an den Aus-
schuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
und den Rechtsausschuss zur Mitberatung überwiesen.

Der Gesetzentwurf auf Drucksache 17/4694 wurde in der
96. Sitzung des Deutschen Bundestages am 17. März 2011
an den Innenausschuss federführend sowie an den Aus-
schuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
und den Rechtsausschuss zur Mitberatung überwiesen.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a Drucksache 17/6290

Der Rechtsausschuss hat in seiner 59. Sitzung am 21. Sep-
tember 2011 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den
Gesetzentwurf in der Fassung des Änderungsantrags der
Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP auf Aus-
schussdrucksache 17(4)341 anzunehmen.

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung hat gemäß § 80 GO-BT in seiner 28. Sit-
zung am 21. September 2011 gutachtlich mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen
der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung
des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen auf Aus-
schussdrucksache 17(4)341 empfohlen.

Zu Buchstabe b Drucksache 17/5895

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung hat in seiner 28. Sitzung am 21. September
2011 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU

SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Ge-
setzentwurf abzulehnen.

Zu Buchstabe c Drucksache 17/5896

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung hat in seiner 28. Sitzung am 21. September
2011 mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Gesetzentwurfs
empfohlen.

Der Rechtsausschuss hat in seiner 59. Sitzung am 21. Sep-
tember 2011 mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Gesetz-
entwurf abzulehnen.

Zu Buchstabe d Drucksache 17/4694

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung hat in seiner 28. Sitzung am 21. September
2011 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des Gesetzentwurfs
empfohlen.

Der Rechtsausschuss hat in seiner 59. Sitzung am 21. Sep-
tember 2011 mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der SPD empfohlen, den Gesetzentwurf abzuleh-
nen.

3. Beratungen im federführenden Ausschuss

a) Der Innenausschuss hat in seiner 46. Sitzung am 29. Juni
2011 beschlossen, eine öffentliche Anhörung zu den Vor-
lagen durchzuführen. Die öffentliche Anhörung hat der
Innenausschuss in seiner 48. Sitzung am 5. September
2011 durchgeführt. Auf das Protokoll Nr. 17/48 der An-
hörung, an der sich sieben Sachverständige beteiligt ha-
ben, wird hingewiesen.

Der Innenausschuss hat die Gesetzentwürfe auf Druck-
sachen 17/6290, 17/5895, 17/5896 und 17/4694 in seiner
50. Sitzung am 21. September 2011 abschließend bera-
ten.

Als Ergebnis der Beratungen empfiehlt der Innenaus-
schuss, den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/6290 mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP ge-
tember 2011 mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktionen

schussdrucksache 17(4)341 wurde mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen

Drucksache 17/7069 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN angenommen.

b) Darüber hinaus hat der Innenausschuss den Gesetzent-
wurf auf Drucksache 17/5895 mit den Stimmen der Frak-
tionen CDU/CSU, FDP und DIE LINKE. gegen die Stim-
men der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN zur Ablehnung empfohlen.

Den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/5896 empfiehlt
der Innenausschuss mit den Stimmen der Fraktio-
nen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.
abzulehnen.

Den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/4694 empfiehlt
der Innenausschuss mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen
der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
abzulehnen.

II. Zur Begründung

Zur Begründung wird allgemein auf Drucksache 17/6290
hingewiesen. Die vom Innenausschuss auf Grundlage des
Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen auf Ausschuss-
drucksache 17(4)341 empfohlenen Änderungen begründen
sich wie folgt:

Zu Nummer 1 (Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe c)

Mit der Einfügung des neuen Absatzes 2a werden Erfolgs-
wertunterschiede unter den Landeslisten der Parteien, die
aufgrund von Rundungsverlusten bei der Verteilung der Sit-
ze in den 16 Sitzkontingenten entstehen, durch die Vergabe
weiterer Sitze ausgeglichen.

Um zu vermeiden, dass dadurch erneut der Effekt des nega-
tiven Stimmgewichts (BVerfGE 121, 266, 267) auftreten
kann, sollen angesichts der Ergebnisse der Anhörung des In-
nenausschusses vom 5. September 2011 nach der Neufas-
sung des Absatzes 2a bei der Zuteilung der nach Satz 1 auf
die Landeslisten einer Partei entfallenden weiteren Sitze ge-
mäß Satz 2 vorrangig die Landeslisten berücksichtigt wer-
den, bei denen die Zahl der in den Wahlkreisen errungenen
Direktmandate die Zahl der nach den Absätzen 2 und 3 zu
verteilenden Sitze übersteigt (sog. Überhangsituation).

Dadurch wird vermieden, dass ein (hypothetischer) Verlust
an Zweitstimmen bei einer Landesliste, in deren Bereich der
Partei in den Wahlkreisen errungene Sitze nach Absatz 5
verbleiben (sog. Überhangmandate), wegen einer dadurch
niedrigeren Reststimmenzahl dieser Landesliste die nach
Absatz 2a zuzuteilenden Sitze auf eine Landesliste der glei-
chen Partei ohne Überhangmandate entfallen, wodurch sie
zu einem Zuwachs an Sitzen, also zu negativem Stimm-
gewicht, führen könnten. Denn bei Parteien mit Überhang-
mandaten werden weitere Sitze nach dem neuen Absatz 2a
Satz 2 vorrangig Landeslisten zugewiesen, bei denen eben-
falls eine Überhangsituation besteht, so dass sich die Zahl
der Sitze der Gesamtpartei dadurch nicht erhöht.

Auch ein (hypothetischer) Zuwachs an Zweitstimmen, der
über eine Veränderung der Reststimmenzahlen zu einer an-
deren Zuteilung der zum Reststimmenausgleich zugeteilten

Mandate an Landeslisten mit und solche ohne Überhang-
mandaten führen, so dass er sich in der Sitzzahl der Gesamt-
partei nicht negativ auswirken kann, also nicht zu negativem
Stimmgewicht führt.

Zugleich wird dadurch die Entstehung von Überhangmanda-
ten vermieden. Denn die in den Wahlkreisen errungenen Sit-
ze können auch von nach Absatz 2a einer Landesliste zum
Reststimmenausgleich zugeteilten weiteren Sitze nach Ab-
satz 4 abgerechnet werden und verbleiben der Partei damit
nicht nach Absatz 5.

Nach dem neu gefassten Absatz 2a wird nach Satz 1 den
Landeslisten einer Partei jeweils ein weiterer Sitz zugeteilt,
wenn bei den Landeslisten der Partei zusammen genommen
so viele Reststimmen angefallen sind, wie bei der Wahl im
Bundesdurchschnitt für einen Sitz erforderlich waren. Dazu
wird zunächst für jede Landesliste ermittelt, um wie viel die
Zahl der auf die Landesliste entfallenen Zweitstimmen von
der im jeweiligen Land für die errungenen Sitze erforderli-
chen Stimmenzahl abweicht. Sodann werden die positiven
Abweichungen aller Landeslisten dieser Partei zusammen-
gezählt und durch die im Wahlgebiet (§ 2 Absatz 1 BWG)
für einen der zu vergebenden Sitze erforderliche Zweitstim-
menzahl geteilt. (Die erforderliche Zweitstimmenzahl ergibt
sich dabei aus dem Ergebnis der Teilung aller im Wahlgebiet
nach Absatz 1 Satz 4 berücksichtigungsfähigen Zweitstim-
men durch die Gesamtzahl der Sitze nach § 1 Absatz 1 ab-
züglich der auf erfolgreiche Wahlkreisbewerber nach § 6
Absatz 1 Satz 4 entfallenen Sitze.) Das Ergebnis dieser Tei-
lung wird nach den in Absatz 2 Satz 3 und 4 zweiter Halbsatz
festgelegten Regeln auf- bzw. abgerundet. In der Höhe der
sich danach ergebenden ganzen Zahl erhalten die Landeslis-
ten dieser Partei in der Reihenfolge der höchsten Reststim-
menzahlen nacheinander jeweils einen weiteren Sitz zuge-
teilt, bis die den Landeslisten dieser Partei zuzuteilenden
weiteren Sitze verteilt sind.

Nach dem in der geänderten Fassung des neuen Absatzes 2a
neu eingefügten Satz 2 werden bei der Zuteilung weiterer
Sitze an die Landeslisten einer Partei vorrangig diejenigen
Landeslisten berücksichtigt, bei denen die Zahl der in den
Wahlkreisen von Wahlbewerbern der Partei errungenen Sitze
die Zahl der nach Absätzen 2 und 3 zu verteilenden Sitze
übersteigt (sog. Überhangsituation). Bis zu der Gesamtzahl
der auf die Landeslisten dieser Partei entfallenden Über-
hangmandate und in der Reihenfolge der höchsten bei deren
Landeslisten angefallenen Zahlen an Überhangmandaten
werden die nach Absatz 2a den Landeslisten dieser Partei zu-
zuteilenden weiteren Sitze zunächst den Landeslisten mit
Überhangmandaten zugeteilt. Erst wenn den Listen, bei de-
nen Überhangmandate angefallen sind, bis zu der Zahl der
ihnen nach Absatz 5 verbleibenden Sitze weitere Sitze nach
Absatz 2a zugeteilt wurden, werden also bei einer Partei mit
Überhangmandaten auch den Landeslisten ohne Überhang-
mandate weitere Sitze nach Absatz 2a Satz 1 zugeteilt.

Zu Nummer 2 (Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe d)

Die Änderung passt den Wortlaut des neu gefassten § 6 Ab-
satz 3 Satz 1 den textlichen Änderungen in Nummer 1 an.

Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU betonen, die An-

Mandate führen könnte, würde bei Parteien mit Überhang-
mandaten nicht zu einer anderen Zuteilung der weiteren

hörung habe klargemacht, dass nur der Koalitionsentwurf in
zuverlässiger Weise das negative Stimmgewicht beseitige

satzmandate erhalte, solange ihr Überhangmandate zustün-
den. Weil letztere dadurch zu Mandaten erstarkten, die mit
Zweitstimmen unterlegt seien, trage man auch zur Reduzie-
rung von Überhangmandaten bei. Die Entwürfe der Fraktio-
nen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. gefähr-
deten die Akzeptanz des Wahlrechts, weil sie dazu führen
könnten, dass aus bestimmten Wahlgebieten, wie Bremen,
z. B. überhaupt keine Abgeordneten von CDU oder FDP
mehr im Bundestag vertreten wären und dass dort 30 Prozent
der Stimmen unter den Tisch fielen. Die Grünen wollten so-
gar errungene Direktmandate wieder aberkennen. Der Ent-
wurf der SPD-Fraktion blähe den Bundestag durch Aus-
gleichsmandate auf und beseitige das Problem des negativen
Stimmgewichts nicht. Dies zeigten auch die auf Ausschuss-
drucksache 17(4)344 vorgelegten Berechnungen des BMI.

Die Fraktion der SPD zeigt sich verwundert darüber, dass
die Koalition, nachdem sie zunächst viel Zeit habe verstrei-
chen lassen und die Frist des BVerfG versäumt habe, nun of-
fenbar – wie der spät vorgelegte Änderungsantrag zeige – in
Hektik verfalle. Ziel der Koalition sei es gewesen, die Über-
hangmandate zu erhalten und der FDP Zugeständnisse zu
machen. Im Koalitionsentwurf werde zunächst das Bundes-
wahlgebiet aufgetrennt, dann kehre man bei 5-Prozent-Klau-
sel und Reststimmenverwertung aber dazu zurück. Dies sei
willkürlich und verkompliziere das Wahlrecht. Zudem wür-
den die Vorgaben des BVerfG nicht umgesetzt, da das nega-
tive Stimmgewicht in anderer Form wieder auftreten könne.
Trotz der mit dem Änderungsantrag vorgelegten Modifika-
tion der Reststimmenverwertung halte die SPD den Koali-
tionsentwurf weiterhin für verfassungswidrig. Dem Entwurf
der Fraktion DIE LINKE. könne die SPD nicht beitreten, da
er zu viele zusätzliche Forderungen enthalte. Der Entwurf
von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gehe in die richtige Rich-
tung. Man werde ihm daher zustimmen. Vorzugswürdig sei

derungsantrag fasse auch weder den neuen § 6 Absatz 2a
Bundeswahlgesetz verständlicher, noch räume er sonst die
Bedenken der Fraktion aus. Alle Sachverständigen hätten
schließlich die Diskussionswürdigkeit der Vorschläge der
Fraktion DIE LINKE. bestätigt, die über die Beseitigung des
negativen Stimmgewichts hinausgingen. Besonders wichtig
sei der Fraktion hier die Einführung einer Rechtsschutzmög-
lichkeit für Parteien, die vom Wahlausschuss nicht zugelas-
sen worden seien.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Auffas-
sung, dass die vom BVerfG eingeräumte Frist von drei
Jahren keinesfalls knapp, sondern mehr als ausreichend ge-
wesen sei. Mit dem Entwurf und der Trennung der Bundes-
länder gehe die Koalition zurück in die fünfziger Jahre. Die
Reststimmenregelung schaffe neue Ungerechtigkeiten und
helfe im Übrigen den kleinen Ländern nicht, solange Über-
hangmandate in größeren Ländern entstünden. Anders als
der Entwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beseitige der
Koalitionsentwurf auch das negative Stimmgewicht nicht.
Zudem komme es weiter zu Überhangmandaten. Man könne
dem Entwurf daher nicht zustimmen. Der Vorwurf, der grüne
Entwurf nehme u. U. bereits errungene Direktmandate
wieder weg, sei falsch. Diese Direktmandate würden in den
entsprechenden Konstellationen vielmehr überhaupt nicht
errungen. Auch wenn einzuräumen sei, dass dies keine ele-
gante Lösung sei, sei sie doch verfassungsgemäß. Gleiches
gelte für den SPD-Vorschlag, den man aus diesem Grund
mittragen könne. Der Entwurf der Fraktion DIE LINKE. sei
nicht zustimmungsfähig, weil er zwar – was die Beseitigung
des negativen Stimmgewichts angehe – gelungen sei, da-
rüber hinaus aber leider eine bunt gemischte Vielzahl von
Änderungen im Wahlrecht fordere, die z. T. nicht ohne eine
Verfassungsänderung umzusetzen seien.

Berlin, den 21. September 2011

Dr. Günter Krings
Berichterstatter

Gabriele Fograscher
Berichterstatterin

Dr. Stefan Ruppert
Berichterstatter

Halina Wawzyniak
Berichterstatterin

Wolfgang Wieland
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/7069

und zugleich auch im Übrigen verfassungsgemäß sei. Der
Entwurf beseitige – durch einen minimal-invasiven Eingriff
in das bestehende Wahlrecht – die Möglichkeit verbundener
Landeslisten und damit die Hauptursache für das Entstehen
negativer Stimmgewichte. Dieses Trennungsmodell, das
auch vom BVerfG als mögliche Lösung genannt worden sei,
könne aber zur Entstehung von Reststimmen in den Ländern
führen. Besonders problematisch sei dies für die Wähler
kleinerer Parteien in kleinen Wahlgebieten. Daher sehe der
Entwurf eine Reststimmenverwertung und Zusatzmandate
vor. Der Änderungsantrag modifiziere dies im Lichte der
Ausschussanhörung dahingehend, dass eine Partei keine Zu-

aber der SPD-Entwurf, für den man vorrangig um Zustim-
mung bitte.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärt, sie bewerte die Anhö-
rung anders als CDU/CSU und FDP. Die Sachverständigen
hätten durchaus inhaltliche Kritik am Koalitionsentwurf ge-
äußert. Zentrale Botschaft der Sachverständigen aber sei ge-
wesen: Aus vier mach eins! Dass dieser Apell, sich noch ein-
mal zusammenzusetzen, nicht gefruchtet habe, sei
enttäuschend. Bedauerlich sei auch, dass keine Fraktion das
Zwei-Stimmenwahlrecht angehe, wie es in der Anhörung ge-
fordert worden sei. Warum die Fraktion DIE LINKE. den
Koalitionsentwurf ablehne, sei bekannt. Der vorgelegte Än-

x

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