BT-Drucksache 17/6526

Erfahrungen der Bundeswehr mit dem Ausbildungskonzept des Partnering in Afghanistan

Vom 6. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6526
17. Wahlperiode 06. 07. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Omid Nouripour, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele,
Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel,
Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Ute Koczy, Tom Koenigs, Agnes Malczak,
Kerstin Müller (Köln), Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Erfahrungen der Bundeswehr mit dem Ausbildungskonzept des Partnering
in Afghanistan

Im Rahmen der Londoner Afghanistan-Konferenz am 28. Januar 2010 hat die
Bundesregierung eine Schwerpunktverlagerung ihres Engagements in Afgha-
nistan verkündet. Im Kern sollte das bestehende Bundeswehrkontingent als Teil
der ISAF (International Security Assistance Force) auf die Ausbildung und den
verstärkten Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte ausgerichtet werden. Als
wesentliches Merkmal der Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte durch
Bundeswehrsoldatinnen und Bundeswehrsoldaten gilt der Rückgriff auf das
Konzept des so genannten Partnering.

Dies beschrieb die Bundesregierung in ihrer Afghanistan-Strategie (veröffent-
licht am 25. Januar 2010) „Auf dem Weg zur Übergabe in Verantwortung: Das
deutsche Afghanistan-Engagement nach der Londoner Konferenz“ als eine
Schwerpunktverlagerung „von dem gegenwärtig eher offensiven Vorgehen der
QRF zu einer grundsätzlich defensiven Ausrichtung auf Ausbildung und
Schutz.“

Das Partnering sollte „spätestens nach Aufstellung der dafür vorgesehenen Ein-
heiten des 24. DEU EinsKtgt ISAF voll wirksam werden“ (vgl. Bundestags-
drucksache 17/1195, S. 12); der Kontingentwechsel vom 23. zum 24. deutschen
Einsatzkontingent in Afghanistan begann formal am 15. Oktober 2010 und
wurde am 4. Dezember 2010 abgeschlossen (vgl. UdP 46/10, S. 7).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie definiert die Bundesregierung das Ausbildungskonzept des Partnering?

2. Welche wesentlichen Ausbildungsinhalte bestimmen das Partnering-Kon-
zept, das durch die Bundeswehr in Afghanistan zur Anwendung kommt?
3. Seit wann setzt die Bundeswehr das Ausbildungskonzept des Partnering in
Afghanistan ein?

4. Im Rahmen welcher abgeschlossenen Operationen wurde bisher von deut-
scher Seite das Partnering umgesetzt (bitte aufschlüsseln nach Name, Ein-
satzgebiet, Beginn und Ende der Operation sowie Umfang der eingesetzten
Kräfte, jeweiliger Zielsetzung der Operation und Verhältnis afghanischer,
deutscher und sonstiger internationaler Kräfte)?

Drucksache 17/6526 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Hat sich bisher die Anzahl der von der Bundeswehr ausgeführten Operatio-
nen in 2011 im Vergleich zum Vorjahrjahreszeitraum 2010 erhöht?

Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang das Partne-
ring?

6. Inwiefern waren an bisherigen, abgeschlossenen Partnering-Operationen
unter deutscher Führung oder mit deutscher Beteiligung auch andere Partner-
nationen der ISAF beteiligt (bitte aufschlüsseln nach Name, Einsatzgebiet,
Beginn und Ende der Operation sowie Umfang der eingesetzten Kräfte,
jeweiligen Zielsetzung der Operation sowie Verhältnis deutscher, afgha-
nischer und sonstiger internationaler Beteiligung)?

7. Inwiefern fanden bisher Partnering-Operationen im Rahmen von so ge-
nannten Night Raids statt?

8. Wie, in welchen Abständen und entlang welcher Kriterien evaluiert die
Bundeswehr die einzelnen Partnering-Operationen und das Gesamtkonzept
des Partnering, und zu welchen bisherigen Ergebnissen kommt sie?

9. Welche Maßnahmen zur Erfolgskontrolle führt die Bundesregierung durch,
um die Wirksamkeit des Partnering auf Seiten der afghanischen Sicher-
heitskräfte (ANSF) zu kontrollieren?

a) Welche Ergebnisse haben diese geliefert?

b) Welche Maßnahmen wurden aufgrund dieser Ergebnisse ergriffen?

10. Inwiefern beteiligt sich die Bundesregierung im Rahmen des Partnering in
Afghanistan an militärischen Operationen im Zusammenhang ihrer COIN-
Strategie zur militärischen Aufstandsbekämpfung?

11. Finden Operationen der Bundeswehr nach dem strategischen Ansatz des
„Shape, Clear, Hold, Build“ im Rahmen des Partnering statt?

12. Inwiefern dienen Partnering-Operationen der Rückeroberung von Gebieten,
die von Taliban oder anderen Aufständischen beherrscht werden.

13. Inwiefern sind Crowd and Riot Control Bestandteil von Partnering-Opera-
tionen?

14. Wie viele Sicherheitsvorfälle gab es im Bereich der Bundeswehr (RC North)
2011 und im Vergleichszeitraum 2010?

Wie bewertet die Bundesregierung die Veränderungen bei den Sicherheits-
vorfällen in diesen Zeiträumen, und welche Auswirkungen hatte dabei das
Partnering?

15. Wirkt das Partnering auf den Afghanistankonflikt eskalierend, und wenn ja,
warum?

16. Inwiefern unterscheidet sich das von der Bundeswehr umgesetzte Partne-
ring-Konzept zum Konzept anderer ISAF-Partnernationen, insbesondere
der USA, und wie begründet die Bundesregierung diese Unterschiede im
Einzelnen?

17. Inwiefern handelt es sich bei der Anwendung des Partnering durch die
Bundeswehr im Rahmen von ISAF um die Umsetzung eines eigenen
nationalen Konzepts oder um das Partnering-Konzept von COM ISAF
unter Berücksichtigung nationaler Vorbehalte (caveats)?

18. Inwiefern hält es die Bundesregierung für problematisch, dass unter dem
Dach von ISAF unterschiedliche Ausbildungskonzepte im Allgemeinen
sowie mit Blick auf das Partnering im Besonderen verfolgt werden, und wie
beurteilt die Bundesregierung die Notwendigkeit einer konsistenten und

kohärenten Ausbildungsstrategie für den Aufbau der afghanischen Sicher-
heitskräfte?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6526

19. Welche Unterschiede gibt es zwischen den Ausbildungskonzepten des Part-
nering sowie des so genannten Embedded Partnering (vgl. Ausschussdruck-
sache 17(12)146 des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundes-
tages), und welche Konzepte werden von der Bundeswehr im Rahmen von
ISAF wo und in welcher Form angewandt?

20. Inwiefern existieren nationale Durchführungsbestimmungen und Auflagen
Deutschlands mit Blick auf die Ausprägung und Intensität des so genannten
Embedded Partnering, wie werden diese von COM ISAF berücksichtigt, und
welche Folgen hat dies für die Umsetzung und Anwendbarkeit des Partne-
ring-Konzepts (vgl. Ausschussdrucksache 17(12)146)?

21. Inwiefern findet ein Austausch zwischen der Bundeswehr und anderen an
ISAF beteiligten Partnernationen zur Umsetzung des Partnering statt, und
inwieweit gibt es Bestrebungen, die unterschiedlichen Ausformungen des
Partnering zu harmonisieren?

22. Wie werden die unterschiedlichen Partnering-Konzepte bei multinationalen
Patrouillen beispielsweise gemeinsam mit US-Streitkräften im RC N har-
monisiert?

23. Bestehen im Rahmen der divergierenden Partnering-Konzepte unterschied-
liche Rules of Engagement?

24. Inwieweit beteiligen sich am Partnering auch deutsche Polizistinnen und
Polizisten?

25. Inwiefern bildet die Bundeswehr mithilfe des Partnering jenseits der afgha-
nischen Armee (ANA) auch Personal der afghanischen Polizei (ANP) aus,
und welche der Teilbereiche der afghanischen Polizei werden dabei ggf.
mit einbezogen (Afghan Border Police (ABP), Afghan Uniform Police
(AUP), Afghan Highway Police (AHP) und Afghan National Civil Order
Police (ANCOP))?

26. Inwiefern werden am Partnering teilnehmende Bundeswehrsoldatinnen und
Bundeswehrsoldaten hinreichend auf die besonderen Herausforderungen
des Ausbildungskonzeptes vorbereitet, und welche Aspekte stehen dabei im
Mittelpunkt?

27. Welche besonderen Gefahren sind nach Einschätzung der Bundesregierung
mit Partnering-Operationen in Afghanistan verbunden?

28. Inwiefern hält die Bundesregierung einen besonderen Schutz für am Part-
nering in Afghanistan teilnehmende Soldatinnen und Soldaten der Bundes-
wehr für nötig, und auf welche Weise wird diesem Schutzbedürfnis Rech-
nung getragen?

29. Wurden durch Bundeswehrangehörige jemals Bedenken vorgetragen, dass
die enge Zusammenarbeit mit den ANSF im Rahmen des Partnering zu
einer erhöhten Gefährdung führen könnte?

Falls ja, welche Maßnahmen wurden daraufhin ergriffen?

30. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob und wie viele
afghanische Teilnehmer der gemeinsamen Ausbildung im Rahmen des
Partnering im Laufe der Ausbildung bzw. anschließend zu aufständischen
Gruppen übergelaufen sind bzw. sich gegen Kräfte von ISAF gewendet
haben, und was unternimmt die Bundesregierung, um ein solches Über-
laufen zu verhindern?

31. Wo und für welche Aufgaben werden im Rahmen des Partnering ausgebil-
dete afghanische Sicherheitskräfte anschließend eingesetzt?

Drucksache 17/6526 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
32. Inwiefern gibt es neben den Ausbildungsinhalten und den gemeinsam
durchgeführten Operationen auch andere vertrauensbildende Maßnahmen
zwischen den Ausbildern und Auszubildenden im Rahmen des Partnering-
Konzeptes der Bundesregierung?

33. Entlang welcher Kriterien werden afghanische Teilnehmer für Ausbildun-
gen im Rahmen des Partnering ausgewählt, und inwiefern werden diese
Kriterien mit ISAF-Stellen gemeinsam vereinbart?

34. An welche Institutionen oder Stellen werden Personen, die bei Partnering-
Einsätzen in Gewahrsam genommen wurden, überstellt, in welcher Frist
erfolgt diese Überstellung, und welche Informationen hat die Bundesregie-
rung über den jeweiligen Verbleib der überstellten Personen?

35. Wie viele Personen wurden während Partnering-Einsätzen, an denen Bundes-
wehrsoldatinnen und Bundeswehrsoldaten beteiligt waren, in Gewahrsam
genommen?

36. Inwieweit wirken Bundeswehrsoldatinnen und Bundeswehrsoldaten im
Rahmen von gemeinsamen Einsätzen mit afghanischen Einheiten daran
mit, Personen in Gewahrsam zu nehmen?

37. Inwieweit wirken Bundeswehrsoldatinnen und Bundeswehrsoldaten im
Rahmen von gemeinsamen Einsätzen mit afghanischen Soldaten daran mit,
dass die afghanische Polizei Festnahmen vornehmen kann?

38. Inwieweit sind Bundeswehrsoldatinnen und Bundeswehrsoldaten im Rah-
men des Partnering angewiesen, auf Menschenrechtsverletzungen ihrer
afghanischen Einsatzpartner zu reagieren, diese Verletzungen zu ver-
hindern oder derlei Menschenrechtsverletzungen anzuzeigen?

Berlin, den 6. Juli 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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