BT-Drucksache 17/6514

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung -17/6449, 17/6511- Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der von den Vereinten Nationen geführten Friedensmission im Südsudan

Vom 6. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6514
17. Wahlperiode 06. 07. 2011

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,
Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger,
Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich, Niema Movassat, Thomas Nord,
Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 17/6449, 17/6511 –

Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der von den Vereinten Nationen
geführten Friedensmission in Südsudan

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit dem Umfassenden Friedensabkommen (Comprehensive Peace Agreement,
CPA) von 2005 wurde der über zwei Jahrzehnte andauernde Bürgerkrieg zwi-
schen dem Nordsudan und dem Südsudan formal beendet. Das CPA schuf die
Voraussetzungen für einen sechsjährigen innersudanesischen Friedensprozess
und bot den Südsudanesinnen und Südsudanesen die Möglichkeit, in einem
Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudan zu entscheiden. Das Refe-
rendum wurde im Januar 2011 abgehalten und eine überwältigende Mehrheit
der Menschen im Südsudan entschied sich für die Abtrennung vom Norden und
einen unabhängigen Staat, der am 9. Juli 2011 gegründet wird. Damit ergibt
sich eine völlig neue politische Situation im Sudan.

Wichtige Fragen sind jedoch bis heute weiter umstritten und gefährden eine
friedliche Teilung. Die Aufteilung der Staatsschulden, der genaue Grenzverlauf
oder der zukünftige Status der Regionen Abyei, Blue Nile und Südkordofan
werden bis zum 9. Juli 2011 nicht geklärt sein. Auch die zukünftige Aufteilung
der Öleinnahmen, die bisher immerhin über 80 Prozent des Haushaltes des
Südsudan und etwa die Hälfte des Haushaltes des Nordsudan ausmachen, ist
ungeklärt. Ohne eine politische Lösung dieser Fragen besteht weiter die Gefahr
eines erneuten Kriegs zwischen dem Norden und dem Süden. Die Auseinander-
setzungen in Abyei und die Kämpfe in Südkordofan im Frühsommer 2011
haben diese Gefahr lebhaft in Erinnerung gerufen.
Die Menschen im Südsudan verbinden mit der Unabhängigkeit die Hoffnung,
dass sich ihre Lebenssituation deutlich verbessern wird. Die staatliche Unab-
hängigkeit wird aber von allein keine Verbesserung der sozialen und wirtschaft-
lichen Lage herbeiführen, die auch sechs Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs
und trotz massiver internationaler Unterstützung katastrophal ist. Laut UNO-
Angaben sind etwa 30 Prozent der Bevölkerung im Süden auf Lebensmittelhilfen
aus dem Ausland angewiesen. Der Zugang zu sauberem Trinkwasser ist in der

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Fläche nicht gewährleistet. Im Südsudan, einem Territorium annähernd so groß
wie Frankreich, gibt es kein öffentliches Transportwesen und weniger als
100 Kilometer asphaltierte Straße. Die Alphabetisierungsrate liegt bei unter
zehn Prozent. Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten fehlen. Die Mehrheit
der ländlichen Bevölkerung sind Kleinbauern, die aufgrund des Fehlens lokaler
Märkte und von Infrastruktur, aber auch durch zunehmende Dürren infolge des
Klimawandels, in ihrer Existenz gefährdet sind.

Das Engagement der internationalen staatlichen Akteure zur Unterstützung des
CPA war bislang einseitig auf die Abspaltung des Südsudan ausgerichtet und
konzentrierte sich auf die Durchführung der militärischen Mission der Vereinten
Nationen im Sudan (UNMIS). Insbesondere die westlichen Staaten, inklusive
Deutschlands, haben wenig zur Umsetzung zentraler Punkte des CPA beigetra-
gen. Dies gilt vor allem für die im CPA verankerten Ziele einer demokratischen
Entwicklung, der Friedenskonsolidierung und der Versöhnung. Zudem konzen-
trierte sich die Sudanpolitik allein auf die beiden ehemaligen Konfliktparteien,
die National Congress Party (NCP) und die Sudan People‘s Liberation Army/
Movement (SPLA/M). Andere politische Gruppen und die Zivilgesellschaft
waren ausgeschlossen und das hohe Konfliktpotential innerhalb des Südsudan
wurde ignoriert. Ein eigenes Konzept für ihre zukünftige Sudanpolitik hat die
Bundesregierung bis heute nicht entwickelt.

Mit der Unabhängigkeit des Südsudan am 9. Juli 2011 entsteht eine neue Situa-
tion, die auch neue Chancen für den Friedensprozess und eine Neuausrichtung
der Sudanpolitik bietet. Diese muss auf die soziale und wirtschaftliche Ent-
wicklung, eine Entmilitarisierung der Gesellschaft und auf Demokratisierung
ausgerichtet sein. Die Fortführung der alten kurzsichtigen und einseitigen
Politik der westlichen Staaten, die sich auch in den Planungen für ein neues
UN-Mandat für eine Militärmission spiegelt, würde die bestehenden Probleme
weiter verschärfen.

Soziale und wirtschaftliche Entwicklung

a) Obwohl der Südsudan über viel fruchtbares Land verfügt, ist nach UNO-An-
gaben bis zu einem Drittel der Bevölkerung von internationaler Nahrungs-
mittelhilfe abhängig. Über die Hälfte der potentiell landwirtschaftlich nutz-
baren Flächen liegt brach. Fehlende Infrastruktur, die Gefahr durch Land-
minen und ungeklärte Landnutzungsrechte behindern die Bewirtschaftung
landwirtschaftlicher Flächen. Programme zur Armutsbekämpfung durch
ländliche Entwicklung existieren bislang nur in geringem Umfang. Ein Pro-
blem von wachsender Bedeutung ist zudem das Landgrabbing. Erhebungen
der Nichtregierungsorganisation Norwegian People’s Aid zufolge haben sich
internationale Investoren bereits die Rechte an rund 5,74 Mio. Hektar südsu-
danesischen Lands gesichert, neun Prozent der Gesamtfläche. Damit wächst
die Gefahr, dass große Flächen und der Zugang zu Wasserstellen der länd-
lichen Bevölkerung entzogen werden, der dortige Anbau ausschließlich auf
Exportinteressen ausgerichtet wird und die erzielten Einnahmen nicht der
Entwicklung des Landes, sondern den Gewinninteressen der Unternehmen
zugute kommen.

b) Die bisherige internationale Hilfe für den Aufbau staatlicher Strukturen im
Südsudan geht an den Erfordernissen des Landes vorbei. So ist ein Staats-
apparat im Südsudan entstanden, der über mehr als 30 Ministerien verfügt,
jedoch nicht in der Lage ist, die Grundversorgung der Bevölkerung zu
gewährleisten. Investitionen in Infrastruktur und Entwicklung sind in hohem
Maße auf die Hauptstadt Juba konzentriert. Nach wie vor hat ein Großteil
der Bevölkerung im Südsudan keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, zu

Bildung und medizinischer Grundversorgung. Heute ist für ein 14-jähriges

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Mädchen die Wahrscheinlichkeit größer, bei der Geburt ihres Kindes zu ster-
ben als eine Schule zu besuchen.

c) Die ungelöste Flüchtlingsfrage stellt weiterhin eine Belastung für den regio-
nalen Friedensprozess und die innersudanesische Stabilität dar. Der Sudan
gehört zu den Ländern mit der höchsten Anzahl an Binnenflüchtlingen. Im
Juni 2011 waren es über 1,6 Millionen. Zwischenzeitlich waren es sogar vier
bis sechs Millionen Binnenflüchtlinge. Weitere 380 000 sudanesische Flücht-
linge befinden sich noch immer in den Nachbarländern. Darüber hinaus sind
180 000 Flüchtlinge aus den Nachbarländern im Sudan registriert. Die Frage
der Rückkehr und Reintegration der Flüchtlinge wurde von der internationa-
len Staatengemeinschaft bisher nur nachrangig behandelt, ist aber entschei-
dend für eine friedliche Entwicklung. Der Rückkehr und Reintegration von
Flüchtlingen und Binnenvertriebenen muss daher künftig stärkere Aufmerk-
samkeit gewidmet werden und auch dem mit der Rückkehr verbundenen
Konfliktpotential auf der lokalen Ebene.

d) Die einseitige Unterstützung des Südsudan durch die westlichen Staaten
untergräbt die Möglichkeiten zukünftiger Nord-Süd-Kooperation und belas-
tet damit den ohnehin brüchigen Frieden zwischen den beiden zukünftigen
Staaten. Hier ist ein Richtungswechsel erforderlich, der neben der Fortset-
zung von Verhandlungen über die strittigen Fragen der Abtrennung des
Südsudan auch konkrete Schritte und Anreize für eine wirtschaftliche und
politische Kooperation der beiden Staaten schafft. Dies gilt insbesondere für
die Frage der Schuldenteilung, die mit einem Schuldenerlass schnell gelöst
werden könnte.

Frieden und Entmilitarisierung

e) Die Stärkung der Zivilgesellschaft und die Überwindung der Kultur der
Gewalt bleiben die größten Herausforderungen für eine friedliche Zukunft
im Südsudan. Der jahrzehntelange Bürgerkrieg hat eine traumatisierte und
militarisierte Gesellschaft hinterlassen. In Konflikten, die vordergründig als
ethnische erscheinen, geht es zumeist um den Zugang zu Ressourcen und
um politische Macht. Diese und andere Konflikte, wie z. B. um Wasser und
Weideland, werden zunehmend gewaltförmig ausgetragen. Diese lokalen,
oft spontan aufflammenden Konflikte sind einer militärischen Lösung nicht
zugänglich – sie bedürfen genauer Kenntnisse über die Konfliktursachen
und müssen lokal auf der Dialogebene gelöst werden. Dennoch wurden Pro-
jekte der internationalen Zusammenarbeit, die auf zivile gewaltfreie Kon-
fliktbearbeitung, Dialog, Versöhnung und Traumaheilung ausgerichtet sind,
trotz ihrer Erfolge in den letzten Jahren größtenteils eingestellt, so auch das
Projekt im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes, das der Deutsche Entwick-
lungsdienst durchgeführt hat. Der einseitige Fokus auf den Sicherheits-
apparat aus Militär und Polizei begünstigt lediglich eine Konservierung des
Eskalationspotentials. Dauerhafter innergesellschaftlicher Friede ist nur
dann erreichbar, wenn das zivile gewaltfreie Konfliktlösungspotential auf
allen gesellschaftlichen Ebenen gestärkt wird.

f) Sicherheit und Schutz der Zivilbevölkerung sind bis heute nicht gewährleis-
tet. Die im Friedensvertrag vereinbarte umfassende Demobilisierung, Ent-
waffnung und Reintegration der Exkombattanten und die Reduzierung der
bewaffneten Einheiten haben nicht stattgefunden. Noch immer fließen etwa
40 Prozent des südsudanesischen Etats in die Finanzierung eines völlig
überdimensionierten und weitgehend unkontrollierten Sicherheitsapparats
mit derzeit ca. 300 000 Sicherheitskräften. Bis zum April 2011 wurden nur
etwa 13 Prozent der vereinbarten 90 000 Personen entwaffnet und nahmen

an einem Reintegrationsprojekt teil, wobei allerdings der überwiegende Teil
der Personen nicht mehr oder gar nicht der SPLA angehört hat. Die SPLA

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selbst ist oft nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Sie geht
weiterhin willkürlich und straffrei gegen die eigene Bevölkerung vor. Hinzu
kommt die bislang international kaum beachtete unkontrollierte Verbreitung
von Kleinwaffen. Ohne verstärkte Anstrengungen für eine Abrüstung der
SPLA, für die Entwaffnung der bewaffneten Teile der Bevölkerung und die
effektive Kontrolle des Waffenhandels droht eine weitere Verselbständigung
der Gewalt und damit eine flächendeckende Destabilisierung des Südsudan.

g) Die mit deutschen Geldern und Personal unterstützte Ausbildung südsuda-
nesischer Polizeikräfte hat die Sicherheitslage vor Ort bislang nicht verbes-
sert. Untersuchungen von Human Rights Watch zufolge verstoßen die neu
ausgebildeten Polizeikräfte vielmehr direkt gegen die Menschenrechte.
Nicht einmal in der Polizeiausbildung selbst kann derzeit die Umsetzung der
Mindeststandards gewährleistet werden. Gewalt gegen Rekruten durch ihre
Vorgesetzten ist an der Tagesordnung, weibliche Auszubildende berichten
von sexuellem Mißbrauch und Diskriminierung.

h) Die ausstehende verbindliche Grenzziehung zwischen den beiden Staaten
schafft Verunsicherung in der Bevölkerung, die in der Region lebt und seit
Jahrzehnten beide Seiten der zukünftigen Landesgrenze nutzt, und erhöht
damit die Gefahr bewaffneter Auseinandersetzungen. Die internationale Un-
terstützung muss darauf ausgerichtet sein, die Bevölkerung über die Impli-
kationen einer Grenzziehung – auch im Hinblick auf mögliche Einschrän-
kungen für temporäre Migration und die Nutzung von landwirtschaftlichen
Flächen in der Grenzregion – zu informieren und dafür zu sorgen, dass die
Bevölkerung bei der Einigung über den Grenzverlauf und die zukünftigen
Bedingungen des Grenzübertritts miteinbezogen wird.

i) Die Staatsgründung des Südsudan wird erhebliche Konsequenzen für den
Nordsudan, die regionalen Beziehungen und die regionale Stabilität haben.
Der Südsudan liegt in einer Region mit vielen Konfliktherden, neben dem
Nordsudan etwa der Tschad, Eritrea und Somalia, die bis heute nicht ent-
schärft worden sind. Die mit der Staatsgründung verbundene Verschiebung
des regionalen Machtgefüges begünstigt das Wiederaufflammen von Stell-
vertreterkriegen, z. B. in Darfur oder im Südsudan selbst. Die internationale
Unterstützung sollte sich daher darauf konzentrieren, den Aufbau regionaler
Strukturen für Zusammenarbeit, Koordination und vertrauensbildende Maß-
nahmen zu fördern.

Demokratischer Verfassungsprozess

j) Die Konzentration der politischen und ökonomischen Macht auf einige we-
nige ethnische Gruppen und die Hauptstadt Juba hat bereits kurz nach dem
Unabhängigkeitsreferendum zu einem massiven Anstieg der bewaffneten
Auseinandersetzungen im Südsudan geführt. Um zu verhindern, dass der
Südsudan in einen Bürgerkrieg abgleitet, ist es wichtig, allen gesellschaft-
lichen Gruppen Möglichkeiten der demokratischen Teilhabe zu bieten, statt
das Gefälle zwischen Zentrum und Peripherie durch den Ausschluss weiter
Teile der Bevölkerung von demokratischer Teilhabe weiter zu verschärfen.
Allerdings droht der derzeitige Verfassungsprozess im Südsudan unter Aus-
schluss der Gesellschaft stattzufinden. Die Überführung der Übergangsver-
fassung aus dem CPA in eine Verfassung für den neuen Staat wird derzeit
vor allem zwischen der südsudanesischen Regierung und den internationa-
len Akteuren diskutiert. Letztere drängen die südsudanesische Regierung
zur Aufnahme „westlicher“ Wertvorstellungen und der raschen Präsentation
eines Verfassungsentwurfs. Der Verfassungsprozess muss jedoch eine Ange-
legenheit aller Südsudanesinnen und Südsudanesen sein. Ein breiter Dialog-

prozess innerhalb der südsudanesischen Bevölkerung im Hinblick auf eine
neue Verfassung wäre eine wertvolle und wichtige Chance, nach Jahren des

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/6514

Bürgerkriegs die Kompetenzen in der zivilen Verhandlungsführung und
Streitschlichtung einzuüben und parallel die Schaffung ziviler Dialogstruk-
turen für die Zukunft zu befördern.

In der EU und als Mitglied im UN-Sicherheitsrat muss die Bundesregierung
ihren Einfluss dafür nutzen, eine Neuausrichtung der internationalen Sudan-
politik weg von einem militärischen und hin zu einem politischen Mandat zu
bewirken. Gelegenheit dafür bietet der Vorsitz im UN-Sicherheitsrat im Juli
2011, dem Monat, in dem die Unabhängigkeit des Südsudan in Kraft tritt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. ihre Sudanpolitik auf die Stärkung der Zivilgesellschaft auszurichten und
innersudanesische Ansätze der zivilen Konfliktbearbeitung, des Dialogs, der
Versöhnungs- und Traumaarbeit langfristig, in größerem Umfang und am
Bedarf der lokalen Partner orientiert zu unterstützen. Dies gilt sowohl finan-
ziell als auch durch einen Ausbau der deutschen und europäischen Kapazitä-
ten des Zivilen Friedensdienstes. Dazu sollte die Bundesregierung den Auf-
bau einer Fachausbildung zu Friedensfachkräften im Südsudan im großen
Maßstab unterstützen;

2. den Aufbau staatlicher Strukturen im Bereich der sozialen und wirtschaft-
lichen Infrastruktur unter Beachtung konfliktsensitiver Ansätze wie dem
„Do no harm“-Ansatz zu unterstützen. Dazu gehören eine Stärkung des
Gesundheitssektors, des Bildungs- und Ausbildungssektors, der Aufbau
dezentraler lokaler Administration, der Ausbau der lokalen und regionalen
Märkte und die auf vorhandenen Strukturen aufbauende Weiterentwicklung
der landwirtschaftlichen Produktion;

3. sich im UN-Sicherheitsrat dafür einzusetzen, dass ein künftiges Mandat der
Vereinten Nationen nicht der militärischen Logik folgt, sondern – der beste-
henden Konfliktlage angemessen – auf die soziale und wirtschaftliche Ent-
wicklungsförderung ausgerichtet ist und auf bestehende Konfliktlagen und
die Gefahren von bewaffneten Zuspitzungen frühzeitig mit Mitteln der zivi-
len, gewaltfreien Krisenprävention und der zivilen Konfliktbearbeitung de-
eskalierend reagiert;

4. eine gerechte Landnutzung und eine an den lokalen Bedürfnissen ausgerich-
tete ländliche Entwicklung gezielt zu fördern und die Regierung dabei zu
unterstützen, Konzepte für eine gerechte, konfliktsensible gemeinschaftliche
Nutzung landwirtschaftlicher Flächen zu entwickeln und den Zugang zu
sauberem Trinkwasser und Sanitärversorgung zu gewährleisten. Die süd-
sudanesische Regierung sollte dabei unterstützt werden, die Ernährungssi-
cherheit und Ernährungssouveränität ihrer Bevölkerung sicherzustellen, in-
dem fruchtbare Agrarflächen vor allem der Nutzung durch die lokale Bevöl-
kerung und lokale landwirtschaftliche Kooperativen vorbehalten bleiben.
Bei Investitionen durch andere Staaten und internationale Unternehmen so-
wie sudanesische Konzerne muss strikt darauf geachtet werden, dass soziale
und ökologische Standards eingehalten werden, eine gerechte Teilhabe der
lokalen Bevölkerung an den Investitionsgewinnen gewährleistet ist und die
erzielten Einnahmen direkt in die weitere Entwicklung des Landes reinves-
tiert werden. Zur Unterstützung der ländlichen Entwicklung soll die Bundes-
regierung sich auch für die weitere Unterstützung des südsudanesischen
Minenräumungsprogramms einsetzen;

5. sich innerhalb der Vereinten Nationen dafür einzusetzen, dass die Staaten
ihre Mittel für den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen
deutlich erhöhen und für die Rückkehr der Flüchtlinge und Binnenvertriebe-

nen gesicherte Rechtsgrundlagen und eine ökonomische Perspektive ge-
schaffen werden;

Drucksache 17/6514 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. sich im Rahmen der UNO für eine umfassende Reform des Programms zur
Demobilisierung, Entwaffnung und Reintegration im Südsudan einzusetzen,
die auch die weite Verbreitung von Kleinwaffen berücksichtigt und das Waf-
fenembargo effektiver umsetzt;

7. den südsudanesischen Verfassungsprozess logistisch und finanziell zu unter-
stützen sowie sich gegenüber der südsudanesischen Regierung dafür einzu-
setzen, den Verfassungsprozess transparent und unter Beteiligung aller ge-
sellschaftlichen Gruppen durchzuführen sowie eine unabhängige Wahlkom-
mission einzurichten und sich im Rahmen der UNO für ein Ende jeglicher
externer Beeinflussung und Konditionierung des Verfassungsprozesses ein-
zusetzen;

8. bei allen Schuldnerländern des Sudan auf einen sofortigen vollständigen
Schuldenerlass für beide Staaten hinzuwirken;

9. die Kooperation zwischen den und innerhalb der sudanesischen Staaten ge-
zielt zu fördern und

a) sich im Rahmen der UNO bei den Regierungen des Nord- und Südsudan
für die Abrüstung und Verkleinerung ihrer Streitkräfte einzusetzen und
die Einrichtung von Verifikationsinstrumenten und vertrauensbildenden
Maßnahmen zu unterstützen (Information über Truppenbewegungen,
Flugraumnutzung und gegenseitige Kaserneninspektionen);

b) die Entwicklung eines gemeinsamen zivilen Grenzmanagements unter
Beteiligung der lokalen Bevölkerung zu unterstützen;

c) die Friedensprozesse zwischen und innerhalb der sudanesischen Staaten
durch eine Wiederaufnahme der staatlich geförderten Entwicklungszu-
sammenarbeit und die Unterstützung der demokratischen Entwicklung
und der Friedensprozesse im Nordsudan zu unterstützen und innerhalb
der Vereinten Nationen auf ein Ende der internationalen Isolation des
Nordens des Sudan hinzuwirken.

Berlin, den 6. Juli 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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