BT-Drucksache 17/6506

zu dem Grünbuch Europäischer Corporate Covernance-Ramen KOM(2011) 164 endg.; Ratsdok. 8830/11 -17/5822 Nr. A20- hier: Stellungnahme im Rahmen eines Konsultationsverfahrens der EU-Kommission

Vom 6. Juli 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6506
17. Wahlperiode 06. 07. 2011

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Grünbuch Europäischer Corporate Governance-Rahmen
KOM(2011) 164 endg.; Ratsdok. 8830/11
– Drucksache 17/5822 Nr. A.20 –

hier: Stellungnahme im Rahmen eines Konsultationsverfahrens
der EU-Kommission

A. Problem

Die Europäische Kommission hat am 5. April 2011 ein Grünbuch mit dem Titel
„Europäischer Corporate Governance-Rahmen“ vorgelegt und damit ein öffent-
liches Konsultationsverfahren eingeleitet. Mit den im Grünbuch unterbreiteten
Vorschlägen will die Kommission die Nachhaltigkeit von Corporate Gover-
nance stärken. Die Kommission stellt drei Themen in den Mittelpunkt ihrer
Überlegungen: Erstens bedürfe es leistungsfähiger und wirksamer Verwal-
tungsräte, die der jeweiligen Geschäftsführung Paroli bieten könnten. Zweitens
sei hinsichtlich der Aktionäre zu überlegen, ob nicht mehr Aktionäre dazu an-
gehalten werden könnten, sich nicht für kurzfristige, sondern für nachhaltige
Gewinne und längerfristige Leistungen zu interessieren und wie sie zu einer
proaktiveren Haltung in Corporate-Governance-Fragen bewegt werden könn-
ten. Drittens müsse der Grundsatz „comply or explain“ (Mittragen oder Erklä-
ren) durch aussagekräftige Erläuterungen der Unternehmen, deren Informa-
tionsgehalt und Vollständigkeit zudem aufsichtsbehördlich überprüfbar gemacht
werden soll, gestärkt werden.

B. Lösung

Kenntnisnahme des Grünbuchs und Annahme einer Entschließung, mit der der
Deutsche Bundestag dazu Stellung nimmt und seinen Präsidenten bittet, den
Beschluss als Beitrag des Deutschen Bundestages zum Konsultationsverfahren
an den Präsidenten der Europäischen Kommission zu übermitteln. Mit der Stel-
lungnahme soll im Wesentlichen klargestellt werden, dass der Deutsche Bun-
destag die Zielsetzung des Grünbuchs zwar grundsätzlich teilt, aber grund-
legende Bedenken gegen wesentliche Vorschläge der Kommission hat. Der
Deutsche Bundestag soll sich insbesondere gegen die Einführung starrer Quo-
ten für die Beteiligung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen in gesellschaft-
rechtlichen Gremien aussprechen. Die Kommission soll davor gewarnt werden,
nachhaltige Anlagestrategien durch bestimmte Verhaltenspflichten für Aktio-
näre befördern zu wollen. Entschieden abgelehnt werden soll die Schaffung
einer aufsichtsbehördlichen Überprüfbarkeit von Corporate-Governance-Erklä-
rungen.

Drucksache 17/6506 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Annahme einer Entschließung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und DIE LINKE. unter Kenntnisnahme des Grünbuchs der
Kommission.

C. Alternativen

Annahme einer anderslautenden Entschließung oder Absehen von einer über
die Kenntnisnahme hinausgehenden Empfehlung.

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6506

Beschlussempfehlung

In Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 17/5822 Nr. A.20 wolle der
Deutsche Bundestag beschließen, folgende Entschließung anzunehmen:

„I. Der Deutsche Bundestag nimmt zu dem Grünbuch Europäischer Corporate
Governance-Rahmen der Europäischen Kommission wie folgt Stellung und
bittet seinen Präsidenten, den Beschluss als Beitrag des Deutschen Bundes-
tages zum Konsultationsverfahren an den Präsidenten der Europäischen
Kommission zu übermitteln.

II. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Juni 2010 wurde von der Kommission ein Grünbuch zur Corporate
Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik (KOM(2010) 284
endg.; Ratsdok. 10823/10) vorgelegt. Dazu hat der Deutsche Bundestag
Stellung genommen (Drucksache 17/3112). Darin wurde deutlich, dass der
Grundsatz der Subsidiarität eingehalten werden muss. Daneben wurden die
positiven Erfahrungen mit dem Corporate Governance Kodex sowie die
Differenziertheit von Unternehmen und Unternehmenskulturen mitsamt der
Notwendigkeit, auf diese Rücksicht zu nehmen, hervorgehoben. Schließ-
lich wurde deutlich gegenüber starren Quotenregelungen für Aufsichtsräte
Stellung bezogen.

Die Kommission hat nun das Grünbuch Europäischer Corporate Gover-
nance-Rahmen vorgelegt. Darin fragt die Kommission drei Themenberei-
che ab, die aus Sicht der Kommission im Mittelpunkt einer guten Corporate
Governance stehen.

Zum einen geht die Kommission der Frage nach, wie die Verwaltungsräte
leistungsfähiger und wirksamer im Verhältnis zur Geschäftsführung werden
können. Dies beinhaltet den Bereich des Risikomanagements.

Zweitens geht es um die Rolle und das Selbstverständnis der Aktionäre.
Die Kommission moniert eine angebliche kurzfristige Renditeorientierung
einer Mehrheit der Aktionäre und fragt, ob Aktionäre nicht angehalten wer-
den könnten, sich für mehr Langfristigkeit und Nachhaltigkeit bei Unter-
nehmen und ihren Gewinnen zu interessieren.

Drittens macht die Kommission deutlich, dass sich Abweichungen vom
EU-Corporate Governance-Rahmen negativ auf die Unternehmen auswir-
ken, weswegen eine effektivere Umsetzung und Überwachung derselben
von den Mitgliedstaaten eingefordert wird bzw. nach Wegen gesucht wird,
diese Situation zu verbessern.

Der Deutsche Bundestag begrüßt die Zielsetzung der Kommission, mit dem
Grünbuch die Nachhaltigkeit von Corporate Governance zu stärken. Die
Finanzkrise hat Schwächen im Regulierungssystem der Corporate Gover-
nance zu Tage gebracht, die vor allem die Rolle des Aufsichts- bzw. Ver-
waltungsrats als Kontrollinstanz betreffen. Daneben ist die Nachhaltigkeit
von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit nachdrücklich zu unterstützen.
Nur ein gut funktionierender Binnenmarkt in der EU ist in der Lage, die
Rahmenbedingungen in einem globalen Wettbewerb mit Nordamerika, Ja-
pan, China, Indien und weiteren Schwellenländern darzustellen.

Der Deutsche Bundestag erkennt aber auch die beachtlichen Schritte vieler
Unternehmen in Europa an, die deutlich machen, dass auch mit der gegen-
wärtigen Gesetzeslage eine gute Unternehmensführung möglich ist und
weiter an Boden gewinnt. Im Verlaufe des vergangenen Jahrzehnts hat
Deutschland beste Erfahrungen mit freiwilligen Verbesserungen auf der

Drucksache 17/6506 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Grundlage des Deutschen Corporate Governance Kodex gemacht. Im Übri-
gen ist auch zu beachten, dass Probleme der Corporate Governance, die im
Rahmen der Finanzkrise schwerpunktmäßig bei Finanzinstituten auftauch-
ten, keine zwingenden Indizien für allgemeine, also branchenübergreifende
Probleme der Corporate Governance sind.

III. Der Deutsche Bundestag bekräftigt auch im Rahmen der vorliegenden
Konsultation seine folgenden Positionen:

1. Eine Entwicklung von Maßnahmen auf europäischer Ebene ist unter Wah-
rung des Subsidiaritätsprinzips vorzunehmen. Sobald eine Maßnahme zur
Corporate Governance ebenso einfach wie effektiv durch die Mitgliedstaa-
ten eingeführt werden kann, obliegt ihnen die Regelungskompetenz.

2. Vor diesem Hintergrund regt der Deutsche Bundestag erneut an zu prüfen,
ob die Vorgabe von Quoten für die Besetzung gesellschaftsrechtlicher Gre-
mien durch die Europäische Union nicht gegen den Grundsatz der Subsi-
diarität verstößt. Denn Subsidiarität bedeutet nach der Legaldefinition aus
Artikel 5 Absatz 3 des Vertrages über die Europäische Union, dass die
Europäische Union nur dann tätig werden darf, „sofern und soweit die Ziele
der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf
zentraler noch auf regionaler noch auf lokaler Ebene ausreichend verwirk-
licht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer
Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.“ Norwegen, das
zwar kein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, hat durch nationales
Recht Quotenregelungen eingeführt, die in der Öffentlichkeit als sehr er-
folgreich bewertet wurden. Wer jedenfalls diese Bewertung teilt, erkennt
auch an, dass nationales Recht das Ziel der Besetzung gesellschaftsrechtli-
cher Gremien nach Maßgabe von Quotenregelungen jeweils selbst offenbar
ausreichend verwirklichen kann. Denn es ist kein Grund erkennbar, warum
die Mitgliedstaaten nicht auch selbst auf nationalstaatlicher Ebene ähnliche
Maßnahmen wie Norwegen ergreifen könnten, wenn sie es wollten.

3. Die Regelungen zur Corporate Governance haben in Deutschland einen ho-
hen Standard, der nicht durch europäische Maßnahmen abgesenkt werden
darf. Der in Deutschland existierende Corporate Governance Kodex hat
sich in der Vergangenheit als erfolgreiches Instrument der Selbstregulie-
rung erwiesen.

IV. Der Deutsche Bundestag nimmt zu den Fragen der vorliegenden Konsulta-
tion wie folgt zusammenfassend Stellung:

1. Zahlreiche deutsche Unternehmen praktizieren schon heute mit großem Er-
folg verschiedenste Maßnahmen aus unternehmerischer Verantwortung ge-
genüber der Gesellschaft (Corporate Social Responsibility). Dabei zeigt
sich die gesellschaftliche Vielfalt auch in Form verschiedenartiger Wahr-
nehmung von Verantwortung. Selbst kleinere Unternehmen nehmen ihre
Verantwortung oft örtlich oder regional sehr stark wahr. Vor dem Hinter-
grund dieser Vielfalt, aber auch einer sich in einer sozialen Marktwirtschaft
ständig verändernden wirtschaftlichen Lage von Unternehmen, muss unter-
nehmerische Verantwortung stets freiwillig wahrgenommen werden. Eine
gesetzliche Verpflichtung zur sozialen Verantwortung (Corporate Social
Responsibility) widerspricht dem Grundgedanken des freiverantwortlichen
gesellschaftlichen Engagements und lehnen wir daher ab. Ebenso lehnen
wir Ansätze einer Bewertung oder Bepunktung des sozialen Engagements
ab. Dies würde in vielen Bereichen kontraproduktiv wirken.

2. Die Berücksichtigung der Größe börsennotierter Gesellschaften bei den
EU-Corporate Governance-Maßnahmen ist sehr begrüßenswert. Kleinere
Unternehmen sind nicht in der Lage, das zu leisten, was Großkonzerne leis-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/6506

ten. Um diesen verschiedenen Ausgangslagen Rechnung tragen zu können,
sollten an dieser Stelle unterschiedliche Anforderungen gelten. Aber nicht
nur hinsichtlich der Größe der Unternehmen, sondern auch die Unterschie-
de der verschiedenen Branchen sollten berücksichtigt werden.

3. Die regulatorische Gleichbehandlung von börsen- und nicht börsennotier-
ten Unternehmen auf EU-Ebene lehnen wir ausdrücklich ab. Die Kommis-
sion selbst geht davon aus, dass sich die Corporate Governance von ihrem
Wesen her vor allem auf Fragen des Principal-Agent-Konflikts zwischen
Aktionären und geschäftsführenden Verwaltungsratsmitgliedern konzen-
triert. Der angesprochene Konflikt tritt jedoch bei nichtbörsennotierten Ge-
sellschaften typischer Weise nicht in gleichem Ausmaß auf wie bei börsen-
notierten Unternehmen, da bei nichtbörsennotierten Gesellschaften unab-
hängig von ihrer Größe bei wirtschaftlicher Betrachtung die Trennung von
Geschäftsführung, Kontrolle und Eigentum nicht den Regelfall darstellt.

4. Die Frage, ob eine klare Trennung der Aufgaben und Zuständigkeiten des
Verwaltungsratsvorsitzenden und des „Chief Executive Officer“ sinnvoll
wäre, hat die deutsche Rechtsordnung bereits beantwortet. Der deutsche
Gesetzgeber hat die Aktiengesellschaft nach dem dualistischen Prinzip der
Trennung von Leitung und Kontrolle aufgebaut. Der Aufsichtsrat ist ein
zwingendes und vom Vorstand unabhängiges Organ jeder Aktiengesell-
schaft. Eine klare Trennung der Aufgaben und Zuständigkeiten des Auf-
sichtsrats und des Vorstands besteht damit in Deutschland generell.

5. Die Befähigung der einzelnen Mitglieder des Aufsichtsrats darf unter der
Berücksichtigung der Größe der Gesellschaften nicht an zu strenge Krite-
rien geknüpft sein. Es darf nicht sein, dass etwa ein langjähriger Firmen-
chef nicht mehr in den Aufsichtsrat wechseln kann, weil ihm die formellen
Qualifikationen fehlen. Unternehmen sind unterschiedlich. Wichtig für ein
Unternehmen ist es, je nach Branche, den Aufsichtsrat mit Mitgliedern zu
besetzen, welche die Arbeitsweisen, Vorgänge, Strukturen des Unterneh-
mens und der erstellten Produkte verstehen. Eine Festlegung auf bestimmte
Berufe oder Fähigkeiten (z. B. nur Juristen oder Betriebs- oder Volkswirte
oder als zwingende Voraussetzung ein Hochschulabschluss) widerspricht
der Vielfältigkeit der wirtschaftlichen Realität und der Anforderungen an
Aufsichtsräte. Des Weiteren hat Deutschland in Bezug auf die Ausfüllung
des Deutschen Corporate Governance Kodex die Anforderungen an Auf-
sichtsratsmitglieder konkretisiert. Demnach ist es nicht erforderlich, dass
das einzelne Aufsichtsratsmitglied alle Kenntnisse und Fähigkeiten auf sich
vereint, die für die Erfüllung seiner Aufgaben notwendig sind. Vielmehr
sollte die Zusammensetzung des Gremiums insgesamt sicherstellen, dass
alle notwendigen Qualifikationen vorhanden sind. Es geht dabei um das
Qualifikationsprofil des Aufsichtsrats als Ganzes.

6. Der Deutsche Bundestag hält die Abbildung der gesellschaftlichen Vielfalt
(Diversity) in gesellschaftsrechtlichen Gremien für eine Bereicherung für
die Unternehmen. Allerdings lässt sich nicht abstrakt und quotiert festle-
gen, wie hoch der Anteil an bestimmten gesellschaftlichen Gruppen in ei-
nem Unternehmensgremium sein soll. Hier spielen Größe, Absatzmärkte
und Branche des betreffenden Unternehmens eine wichtige Rolle. Somit
lehnt der Deutsche Bundestag eine darüber hinausgehende starr geregelte
Diversity ab.

7. Die Forderung der Kommission nach Maßnahmen zur stärkeren Besetzung
gesellschaftsrechtlicher Gremien mit Frauen wird begrüßt. Offen ist jedoch
der Weg, dieses Ziel zu erreichen. Es ist nicht auszuschließen, dass eine ge-
setzlich normierte Quotenregelung im Hinblick auf Angemessenheit und
Verhältnismäßigkeit gegen Verfassungsrecht (möglicher Verstoß gegen Ar-
tikel 14 und Artikel 3 des Grundgesetzes) sowie gegen Europarecht (mögli-

Drucksache 17/6506 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

cher Verstoß gegen Artikel 23 Charta der Grundrechte) verstößt. Der Deut-
sche Bundestag regt an, nationale Initiativen zu entwickeln, um eine ge-
schlechtergerechte Chancengleichheit in den Führungspositionen zu ver-
wirklichen. Der Deutsche Bundestag begrüßt in diesem Zusammenhang
ausdrücklich die von den Vorständen der DAX-30-Unternehmen gegenüber
der Bundesregierung am 30. März 2011 formulierte Zusage, sich bis zum
Ende des Jahres 2011 eigene Zielquoten zu geben, deren zeitliche Umset-
zung festzulegen und über den Umsetzungsstand zu berichten.

8. Ein zusätzlicher Bedarf zur Begrenzung der Zahl an Aufsichtsratsmanda-
ten, die ein Mitglied eines Aufsichtsrats wahrnehmen darf, besteht in der
deutschen Rechtsordnung nicht. Deutschland hat in § 100 Absatz 2 Num-
mer 1 des Aktiengesetzes die Höchstzahl der Mandate für Aufsichtsratsmit-
glieder geregelt. Die vom Gesetz festgesetzte Anzahl an Aufsichtsratsman-
daten ist somit auf grundsätzlich höchstens zehn Mandate begrenzt.

9. Nach Ansicht des Deutschen Bundestages wäre eine regelmäßige externe
Beurteilung von Organen der börsennotierten Unternehmen nicht zielfüh-
rend. Eine solche Beurteilung birgt die Gefahr formaler Exkulpation von
außen, wo persönliche Verantwortung im Unternehmen gefragt ist. Im Üb-
rigen setzt die externe Beurteilung die Offenlegung von sensiblen Interna
voraus. Dies stellt einen nicht zu unterschätzenden Eingriff dar. Zudem ver-
ursacht eine solche Beurteilung höhere Verwaltungskosten für die Unter-
nehmen.

10. Das Grünbuch der Kommission benennt in Bezug auf die Rolle der Aktio-
näre das angeblich mangelnde Interesse von kleinen und institutionellen
Anlegern als Problem einer langfristig ausgerichteten Unternehmenspoli-
tik. Dazu führt das Grünbuch einzelne Instrumente auf, um diese Anleger
zu einem nachhaltigen Anlageverhalten zu bewegen. Der Deutsche Bun-
destag erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass die Aktie die Funk-
tion besitzt, außenstehende Personen zu Investitionen in die Aktiengesell-
schaft in Form einer Kapitalanlage zu veranlassen. Verhaltensregeln und
Haftungsdurchgriffe für Aktionäre werden daher jedenfalls im deutschen
Recht nur in solchen Fällen angenommen, in denen der Aktionär Einfluss
auf die unternehmerischen Entscheidungen nimmt. Vor diesem Hintergrund
warnt der Deutsche Bundestag davor, Verhaltenspflichten der Aktionäre zu
begründen, die ihnen zusätzliche Haftungsrisiken aufbürden. Hat der Ak-
tionär nicht mehr das Recht, sich bewusst gegen eine Einflussnahme auf
das Unternehmen zu entscheiden, würde dies möglicherweise das Ende der
Publikumsaktie als Kapitalanlage für die Breite der Gesellschaft bedeuten.
Denn niemand möchte wegen einer bloßen Kapitalanlage sein Privatvermö-
gen mit Haftungsrisiken infizieren.

11. Bezogen auf eine langfristige Orientierung der Anteilseigner kann darüber
nachgedacht werden, ob eine Zahlung höherer Dividenden an langfristige
Anteilseigner/Investoren zielführend ist. In diese Richtung gehen auch die
Empfehlungen der sogenannten Reflection Group. Ebenso kann in diesem
Zusammenhang auch darüber nachgedacht werden, ob die Honorierung
von Führungspositionen inklusive des Aufsichtsrats nicht in Unterneh-
mensaktien mit einer Haltefrist von mehreren Jahren erfolgen kann. Dies
würde zu einer längeren Bindung der Entscheidungsträger an das Unterneh-
men führen.

12. Der Deutsche Bundestag begrüßt den Blick der Kommission auf die Be-
rücksichtigung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ihrer Unternehmen. In
Deutschland bewirken eine Vielzahl von Mitbestimmungsvorschriften,
dass sich bei der Besetzung des Aufsichtsrats die Interessen der Arbeitneh-
mer widerspiegeln. Sie reichen vom Drittelbeteiligungsgesetz, wonach in
Unternehmen mit mehr als 500 und maximal 2 000 Beschäftigten, der Auf-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/6506

sichtsrat zu einem Drittel von der Arbeitnehmerseite besetzt wird, bis hin
zum Montan-Mitbestimmungsgesetz das für Unternehmen der Montanin-
dustrie bereits ab 1 000 Arbeitnehmern eine paritätische Besetzung des
Aufsichtsrats vorsieht. Gleichwohl hält der Deutsche Bundestag Anreize
für die Beteiligung der Belegschaft am Eigenkapital ihres Unternehms für
wünschenswert.

13. Der Deutsche Bundestag begrüßt den Grundsatz des „comply or explain“,
der sich in Deutschland bisher gut bewährt hat. Vorschlägen, die zu einer
Erweiterung des Begründungsumfangs oder der Begründungspflicht führen
würden, stehen wir skeptisch gegenüber. In Deutschland sind bisher weder
Beanstandungen hinsichtlich der Befolgung der Erklärungspflicht noch der
inhaltlichen Qualität der Erklärung bekannt, weshalb sich die Frage der Er-
forderlichkeit einer detaillierteren Erklärungspflicht stellt. Ferner ist unklar,
was genau die von der Kommission angeregten Anforderungen an „detail-
lierte Erläuterungen“ in diesem Zusammenhang bedeuten sollen. Vor die-
sem Hintergrund regen wir für den Fall, dass trotz der Zweifel an ihrer Er-
forderlichkeit eine solche Erläuterungspflicht auf EU-Ebene eingeführt
werden sollte, an, diese Pflichten in Form eines transparenten und über-
schaubaren Kriterienkatalogs festzulegen, um Rechtsunsicherheiten zu ver-
meiden. In keinem Fall darf dies zu einer Bürokratisierung eines bereits gut
funktionierenden Systems führen.

14. Die Überprüfung der Informationsqualität der Erläuterungen in den Corpo-
rate Governance-Erklärungen durch eine Aufsichtsbehörde lehnt der Deut-
sche Bundestag strikt ab. Zum einen besteht in Deutschland aufgrund der
dualistischen Verfassung von börsennotierten Unternehmen schon ein Auf-
sichtsgremium in Form des Aufsichtsrats für den geschäftsführenden Vor-
stand. Außerdem verkennt diese Forderung den Sinn und Zweck des „com-
ply or explain“-Grundsatzes. Ziel ist es, dem Kapitalmarkt Informationen
zur Verfügung zu stellen, um dadurch Transparenz für Kapitalanleger zu er-
zeugen. Durch diese Transparenz soll der mündige Kapitalanleger besser in
der Lage sein, seine Entscheidungen zu treffen.“

Berlin, den 6. Juli 2011

Der Rechtsausschuss

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
Vorsitzender

Dr. Patrick Sensburg
Berichterstatter

Burkhard Lischka
Berichterstatter

Marco Buschmann
Berichterstatter

Raju Sharma
Berichterstatter

Ingrid Hönlinger
Berichterstatterin

Drucksache 17/6506 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Patrick Sensburg, Burkhard Lischka, Marco
Buschmann, Raju Sharma und Ingrid Hönlinger

I. Überweisung

Das Ratsdokument 8830/11 wurde mit Überweisungs-
drucksache 17/8522 Nr. A.20 vom 13. Mai 2011 gemäß § 93
Absatz 5 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
dem Rechtsausschuss zur federführenden Beratung und dem
Finanzausschuss, dem Ausschuss für Wirtschaft und Tech-
nologie sowie dem Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Finanzausschuss hat die Vorlage auf Ratsdokument
8830/11 in seiner 57. Sitzung am 6. Juli 2011 beraten und
empfiehlt, diese zu Kenntnis zu nehmen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat die
Vorlage auf Ratsdokument 8830/11 in seiner 50. Sitzung am
6. Juli 2011 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Annahme der aus der Beschlussempfehlung

ersichtlichen Entschließung unter Kenntnisnahme der Vor-
lage.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union hat die Vorlage auf Ratsdokument 8830/11 in
seiner 44. Sitzung am 6. Juli 2011 beraten und einstimmig
zur Kenntnis genommen; er empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, die aus der Beschlussempfehlung ersichtliche
Entschließung anzunehmen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Rechtsausschuss hat die Vorlage in seiner 56. Sitzung
am 6. Juli 2011 nach vorbereitenden Beratungen im Unter-
ausschuss Europarecht abschließend beraten und empfiehlt
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Kenntnis der Unterrich-
tung auf Drucksache 17/8522 Nr. A.20 die Annahme der
aus der Beschlussempfehlung ersichtlichen Entschließung.

Berlin, den 6. Juli 2011

Dr. Patrick Sensburg
Berichterstatter

Burkhard Lischka
Berichterstatter

Marco Buschmann
Berichterstatter

Raju Sharma
Berichterstatter

Ingrid Hönlinger
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/6506

Anlage
8830/11 RSZ/mh
DG C I DE

RAT DER
EUROPÄISCHEN UNION

Brüssel, den 8. April 2011 (11.04)
(OR. en)
8830/11
DRS 57
EF 46

ÜBERMITTLUNGSVERMERK
Absender: Herr Jordi AYET PUIGARNAU, Direktor, im Auftrag der Generalsekretärin der

Europäischen Kommission
Eingangsdatum: 6. April 2011
Empfänger: der Generalsekretär des Rates der Europäischen Union, Herr Pierre de BOISSIEU
Betr.: GRÜNBUCH

Europäischer Corporate Governance-Rahmen
Die Delegationen erhalten in der Anlage das Kommissionsdokument KOM(2011) 164 endgültig.

Anl.: KOM(2011) 164 endgültig

Drucksache 17/6506 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE DE

EUROPÄISCHE KOMMISSION

Brüssel, den 5.4.2011
KOM(2011) 164 endgültig

GRÜNBUCH

Europäischer Corporate Governance-Rahmen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/6506

DE 2 DE

GRÜNBUCH

Europäischer Corporate Governance-Rahmen
(Text von Bedeutung für den EWR)

Die Kommission hat unlängst ihr Engagement für einen starken und erfolgreichen
Binnenmarkt bekräftigt, in dessen Mittelpunkt die Bürger und die Wiedergewinnung ihres
Vertrauens stehen. Wie es in der Mitteilung der Kommission Auf dem Weg zu einer
Binnenmarktakte heißt, 'ist es von zentraler Bedeutung, dass die europäischen Unternehmen
größtmögliche Verantwortung an den Tag legen, sowohl gegenüber ihren Beschäftigten als
auch gegenüber ihren Anteilseignern und gegenüber der Gesellschaft insgesamt'1. Corporate
Governance und die soziale Verantwortung von Unternehmen sind grundlegende Faktoren,
wenn es darum geht, das Vertrauen der Bürger in den Binnenmarkt aufzubauen. Auch können
sie einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft leisten, denn gut
geführte Unternehmen sind am Besten platziert, um die ehrgeizigen Wachstumsziele der
'Agenda 2020'2 voran zu treiben. Auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung von
Unternehmen hat die Kommission bereits eine öffentliche Konsultation zur Vorlage von
Nichtfinanzinformationen durch Unternehmen3 veröffentlicht und gedenkt, im Laufe des
Jahres eine neue Rahmenitiative zu lancieren, um Fragen anzugehen, die im Zusammenhang
mit den gesellschaftlichen Herausforderungen der Unternehmen stehen.

Im Kommuniqué der G20-Finanzminister und Zentralbankgouverneure vom
5. September 2009 wurde betont, dass Maßnahmen ergriffen werden sollten, um nachhaltiges
Wachstum zu gewährleisten und ein solideres internationales Finanzsystem aufzubauen. Bei
der Corporate Governance handelt es sich um ein Mittel, mit dem schädliches kurzfristiges
Denken und das Eingehen allzu großer Risiken eingedämmt werden können4. Ziel dieses
Grünbuchs ist es, vor dem Hintergrund des oben Gesagten die Wirksamkeit des derzeitigen
Corporate Governance-Rahmens für europäische Unternehmen zu bewerten.

Unter Corporate Governance versteht man in der Regel das System, nach dem Unternehmen
geführt und kontrolliert werden5, sowie eine Reihe definierter Beziehungen zwischen der
Führung und dem Leitungsorgan eines Unternehmens sowie zu seinen Aktionären und
1 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und

Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte - Für eine in
hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, KOM(2010) 608 endg./2, Seite 27.

2 Siehe Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 17. Juni 2010 unter:
http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/pressData/en/ec/115346.pdf.

3 Die Konsultation zur ‘Vorlage von Nichtfinanzinformationen durch Unternehmen’ wurde im
Januar 2011 abgeschlossen; Siehe http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2010/non-
financial_reporting_en.htm.

4 Siehe auch z. B. das OECD-Papier 'Corporate Governance and the Financial Crisis - Conclusions and
emerging good practices to enhance implementation of the Principles', ('Corporate Governance und
Finanzkrise – Ergebnisse und bewährte Praktiken für eine erfolgreiche Umsetzung der Grundsätze'),
Februar 2010.

5 Bericht des Ausschusses zu den Finanzaspekten der Corporate Governance ('Cadbury Report'), 1992,
Seite 15, abrufbar unter: http://www.ecgi.org/codes/documents/cadbury.pdf.

Drucksache 17/6506 – 12 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE 3 DE

sonstigen Akteuren6. Beim Corporate Governance-Rahmen für börsennotierte Unternehmen
in der Europäischen Union handelt es sich um eine Kombination aus verbindlichen
Rechtsvorschriften und nicht zwingendem Recht, zu dem auch Empfehlungen7 und Corporate
Governance-Kodizes gehören. Corporate Governance-Kodizes werden zwar auf nationaler
Ebene erlassen, dennoch empfiehlt die Richtlinie 2006/46/EG ihre Anwendung, indem
börsennotierten Unternehmen vorgeschrieben wird, dass sie sich in ihrer Corporate
Governance-Erklärung auf einen Kodex beziehen und über ihre Einhaltung dieses Kodexes
nach dem Grundsatz „Mittragen oder Begründen" (‘comply or explain’) berichten 8.

Um die für eine gute Corporate Governance in der EU wichtigsten Themen abzustecken und
dieses Grünbuch vorzubereiten, führte die Kommission Interviews mit einer Reihe speziell
ausgewählter börsennotierter Unternehmen aus verschiedenen Mitgliedstaaten und
Wirtschaftssektoren, die ein unterschiedliches Kapitalisierungsniveau und unterschiedliche
Aktionärsstrukturen aufwiesen. Darüber hinaus wurden Sitzungen mit Corporate Governance-
Experten und Vertretern der Anlegergruppen und der Zivilgesellschaft abgehalten. Einige
wichtige Fragen traten bereits im Zusammenhang mit dem im Juni 2010 angenommenen
Grünbuch „Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik“9 auf. So ist
beispielsweise die Einbeziehung der Aktionäre nicht nur für Finanzinstitute, sondern auch für
Unternehmen allgemein von Interesse10. Finanzinstituten kommt aber eine besondere Rolle
zu, da sie sich bei der Gewährleistung eines wirksamen Risikomanagements besonderen
Herausforderungen gegenüber sehen und sie für das Finanzsystem systemische Risiken
aufwerfen können. Die im Grünbuch vom Juni 2010 vorgeschlagenen Lösungen können
folglich für EU-Unternehmen im Allgemeinen nicht relevant sein. Deshalb werden in diesem
Grünbuch drei Themen behandelt, die im Mittelpunkt einer guten Corporate Governance
stehen:

• Der Verwaltungsrat – es bedarf leistungsfähiger, wirksamer Verwaltungsräte, die der
jeweiligen Geschäftsführung Paroli bieten können. Dies bedeutet, dass Verwaltungsräte
nicht geschäftsführende Mitglieder mit unterschiedlichen Auffassungen, Talenten und
einer angemessenen Berufserfahrung benötigen. Diese Mitglieder müssen auch bereit sein,
ausreichend Zeit in die Arbeit des Verwaltungsrats zu investieren. Der Rolle des
Vorsitzenden des Verwaltungsrats kommt besondere Bedeutung zu. Das Gleiche gilt für
die Zuständigkeiten des Verwaltungsrats auf dem Gebiet des Risikomanagements.

• Die Aktionäre - der Corporate Governance-Rahmen geht von der Annahme aus, dass sich
Aktionäre in Unternehmen engagieren und die Geschäftsführung für ihre Leistung zur
Rechenschaft ziehen. Allerdings bestehen Hinweise darauf, dass sich die Mehrheit der
Aktionäre passiv verhält und oftmals lediglich an kurzfristigen Gewinnen interessiert ist.
Von daher scheint es nützlich zu sein, zu überlegen, ob nicht mehr Aktionäre dazu
6 OECD-Grundsätze auf dem Gebiet der Corporate Governance, 2004, Seite 11, abrufbar unter:

http://www.oecd.org/dataoecd/32/18/31557724.pdf.
7 Ein Verzeichnis von EU-Maßnahmen auf dem Gebiet der Corporate Governance ist Gegenstand von

Anhang 2.
8 Diesem Ansatz zufolge muss ein Unternehmen, das sich dafür entscheidet, vom Corporate Governance-

Kodex abzuweichen, erläutern, von welchen Teilen des Kodexes es abgewichen ist, und die Gründe
dafür darlegen.

9 KOM(2010) 284 endgültig, siehe auch Feedback-Erklärung — Zusammenfassung der Antworten an die
Kommission zum Grünbuch „Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik“,
abrufbar unter:
http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/docs/2010/governance/feedback_statement_en.pdf.

10 Siehe zuvor genanntes Grünbuch, Abschnitte 3.5 und 5.5.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13 – Drucksache 17/6506

DE 4 DE

angehalten werden könnten, sich für nachhaltige Gewinne und längerfristige Leistungen zu
interessieren, und wie sie zu einer proaktiveren Haltung in Corporate Governance-Fragen
bewegt werden könnten. Zudem sind in unterschiedlichen Aktionärsstrukturen andere
Fragen, wie z. B. der Schutz von Minderheitsinteressen zu klären.

• Die Art und Weise der Anwendung des Grundsatzes „Mittragen oder Begründen" (‘comply
or explain’), der die Basis des EU-Corporate Governance-Rahmens ist: Aus einer jüngst
veröffentlichten Studie11 ging hervor, dass die Informationsqualität der Erläuterungen, die
von Unternehmen veröffentlicht werden, die von der Empfehlung im Corporate
Governance-Kodex abweichen, in den meisten Fällen nicht zufriedenstellend ist, und dass
viele Mitgliedstaaten die Anwendung der Kodizes nicht ausreichend überwachen. Deshalb
sollte überlegt werden, wie diese Situation verbessert werden kann.

Vorab gilt es, zwei Fragen zu klären.

Erstens finden die europäischen Vorschriften für die Corporate Governance auf börsennotierte
Unternehmen Anwendung (d. h. Unternehmen, die Aktien zum Handel auf einem geregelten
Markt ausgeben). In der Regel unterscheiden sie nicht zwischen Unternehmensgröße12 oder –
typ. Einige Mitgliedstaaten verfügen indes über speziell auf kleine und mittlere börsennotierte
Unternehmen13, bei denen beispielsweise der Mehrheitsaktionär auch der Geschäftsführer sein
kann, zugeschnittene Corporate Governance-Kodizes. Diese Kodizes enthalten
Empfehlungen, die der Unternehmensgröße und -struktur Rechnung tragen und folglich für
kleine Unternehmen leichter umzusetzen sind. In anderen Mitgliedstaaten enthalten Kodizes,
die für alle börsennotierten Unternehmen gelten, bestimmte Vorschriften für kleinere
Gesellschaften14. Die Frage ist also, ob sich die EU für einen differenzierten Ansatz
entscheiden und wie die mögliche Schwierigkeit der Anwendung bestimmter Corporate
Governance-Praktiken auf ein breites Spektrum von Unternehmenstypen und -größen15 am
Besten berücksichtigt werden sollten.

Zweitens kann eine gute Corporate Governance auch für Aktionäre nicht börsennotierter
Unternehmen von Bedeutung sein. Während bestimmte Corporate Governance-Fragen bereits
durch Vorschriften des Gesellschaftsrechts für private Unternehmen abgedeckt sind, sind
viele Bereiche nicht erfasst. Folglich könnte es von Interesse sein, die Ausarbeitung von
Corporate Governance-Leitlinien für nicht börsennotierte Unternehmen voranzutreiben: Eine
11 Studie über die Praktiken bei der Überwachung und rechtlichen Durchsetzung der Corporate

Governance in den Mitgliedstaaten, abrufbar unter:
http://ec.europa.eu/internal_market/company/docs/ecgforum/studies/comply-or-explain-090923_en.pdf.

12 Allerdings gibt es Ausnahmen. So gestattet z. B. Artikel 41 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie
2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen
von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und
83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. L 157 vom
9. 6. 2006, S. 87, den Mitgliedstaaten, KMU, die börsennotierte Unternehmen sind, zu erlauben, keinen
gesonderten Prüfungsausschuss einzusetzen.

13 Siehe z. B. Code de gouvernement d’entreprise pour les valeurs moyennes et petites, Dezember 2009,
Middlenext, abrufbar unter: http://www.middlenext.com/.

14 Siehe z. B. den UK Corporate Governance Code, abrufbar unter:
http://www.frc.org.uk/corporate/ukcgcode.cfm.

15 Die Logik der Reduzierung der Verwaltungslast für kleine und mittlere Unternehmen ist auch
Gegenstand der derzeitigen Überprüfung der Rechnungslegungsrichtlinien (Richtlinien 78/660/EWG
und 83/349/EWG des Rates), auch wenn sie wohl eher die nicht börsennotierten Unternehmen betreffen
dürfte, sowie des Grünbuchs über die Abschlussprüfung (KOM(2010) 561 endgültig), abrufbar unter:
http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/docs/2010/audit/green_paper_audit_de.pdf.

Drucksache 17/6506 – 14 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE 5 DE

angemessene und effiziente Governance ist auch für nicht börsennotierte Unternehmen
wertvoll, insbesondere wenn man die wirtschaftliche Bedeutung bestimmter sehr großer nicht
börsennotierter Unternehmen berücksichtigt. Ein zu großer Druck auf börsennotierte
Unternehmen könnte eine Börsennotierung überdies weniger attraktiv machen. Allerdings
lassen sich für börsennotierte Unternehmen konzipierte Grundsätze nicht einfach auf nicht
börsennotierte Unternehmen übertragen, da ihre Herausforderungen sehr unterschiedlich sind.
Auf europäischer16 bzw. nationaler Ebene17 wurden bereits einige freiwillige Kodizes erstellt
und auch einige Berufsverbände haben bereits Initiativen ergriffen. Folglich muss die Frage
geklärt werden, ob es auf EU-Ebene Corporate Governance-Maßnahmen für nicht
börsennotierte Unternehmen bedarf.

Fragen:

(1) Sollten die EU-Corporate Governance-Maßnahmen die Größe börsennotierter
Gesellschaften berücksichtigen? Wenn ja, wie? Sollte für kleine und mittlere
börsennotierte Unternehmen eine unterschiedliche und zweckmäßige Lösung gefunden
werden? Wenn ja, gibt es geeignete Definitionen oder Schwellenwerte? Wenn ja,
schlagen Sie bitte bei der Beantwortung der nachstehenden Fragen Möglichkeiten für
ihre eventuelle Anpassung an KMU vor.

(2) Sollten Corporate Governance-Maßnahmen auf EU-Ebene für nicht börsennotierte
Unternehmen ergriffen werden? Sollte sich die EU auf die Förderung der Entwicklung
und Anwendung freiwilliger Kodizes für nicht börsennotierte Unternehmen
konzentrieren?

1. VERWALTUNGSRAT

Mit dem Begriff „Verwaltungsrat“ wird in diesem Grünbuch im Wesentlichen die
Aufsichtsfunktion der Geschäftsleitung bezeichnet, die in einer dualen Struktur in der Regel
dem Aufsichtsrat obliegt18. Der Begriff „nicht geschäftsführendes Verwaltungsratmitglied“
bezeichnet Mitglieder des Aufsichtsrats in einem dualen System.

Verwaltungsräten kommt beim Aufbau verantwortungsvoller Unternehmen eine
ausschlaggebende Rolle zu. In vielen Fällen scheint sich die Rolle, die der Vorsitzende
wahrnimmt, erheblich auf die Funktionsweise und den Erfolg des Verwaltungsrats
auszuwirken. Angesichts dieser Feststellung könnte es nützlich sein, die Position und die
Zuständigkeiten des Verwaltungsratsvorsitzenden genauer zu definieren.
16 Corporate Governance Guidance and Principles for Unlisted Companies in Europe, European

Confederation of Directors’ Associations (EcoDa), abrufbar unter:
http://www.ecoda.org/docs/ECODA_WEB.pdf.

17 Siehe z. B. in Belgien den Buysse Code — Corporate governance recommendations for non-listed
enterprises (http://www.codebuysse.be/downloads/CodeBuysse_EN.pdf); in Finnland die Initiative der
Zentralen Handelskammern Improving corporate governance of unlisted companies
(http://www.keskuskauppakamari.fi/content/download/19529/421972); im Vereinigten Königreich,
Corporate Governance Guidance and Principles for Unlisted Companies in the UK, Institute of
Directors
(http://www.iod.com/MainWebsite/Resources/Document/corp_gov_guidance_and_principles_for_unlis
ted_companies_in_the_uk_final_1011.pdf) .

18 Dieses Grünbuch hat keinen Einfluss auf die Rollen, die den verschiedenen Unternehmensorganen und
der Beteiligung von Arbeitnehmern in Aufsichtsorganen nach nationalem Recht zukommen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 15 – Drucksache 17/6506

DE 6 DE

Frage:

(3) Sollte die EU versuchen, eine klare Trennung der Aufgaben und Zuständigkeiten des
Verwaltungsratsvorsitzenden und des „Chief Executive Officer/CEO“ zu
gewährleisten?

Auf weitere Themen, die einer näheren Prüfung bedürfen, um Verwaltungsräte in die Lage zu
versetzen, effiziente Managemententscheidungen zu treffen, wird nachfolgend eingegangen.

1.1 Zusammensetzung des Verwaltungsrats

Die Zusammensetzung des Verwaltungsrats muss der Geschäftstätigkeit des Unternehmens
angepasst sein. Nicht geschäftsführende Verwaltungsratmitglieder sollten auf der Grundlage
eines breiten Spektrums an Kriterien ausgewählt werden, d. h. nach ihrem Verdienst, den
Berufsqualifikationen und Erfahrungen, den persönlichen Qualitäten des Kandidaten, seiner
Unabhängigkeit und Vielfalt19.

Die Vielfalt in den Profilen der Mitglieder und ihres Werdegangs ermöglicht es dem
Verwaltungsrat, eine Reihe von Wertvorstellungen, Ansichten und Kompetenzen
zusammenzutragen20. Dadurch können die Ressourcen und der Sachverstand ausgeweitet
werden. Unterschiedliche Erfahrungen mit Führungsqualitäten, nationalen oder regionalen
Hintergründen bzw. geschlechterspezifische Erfahrungen können wirksam zum
'Gruppendenken' beitragen und neue Ideen auf den Plan rufen. Unterschiede führen zu einer
breiteren Diskussion, einer besseren Überwachung und größeren Herausforderungen auf der
Verwaltungsratsebene. Potenziell bewirkt dies bessere Entscheidungen, die allerdings unter
Umständen mehr Zeit in Anspruch nehmen können. Deshalb sind Engagement und
Unterstützung des Verwaltungsratsvorsitzenden unerlässlich.

1.1.1 Berufliche Vielfalt

Ein breites Spektrum an Sachverstand scheint der Schlüssel zu einer wirksamen Arbeit des
Verwaltungsrats zu sein. So bedarf es unterschiedlicher beruflicher Profile, um zu
gewährleisten, dass der Verwaltungsrat als Ganzes beispielsweise die Komplexität der
globalen Märkte, die Finanzziele des Unternehmens und die Auswirkungen der
Geschäftstätigkeit auf die verschiedenen Interessengruppen, einschließlich der Beschäftigten,
versteht. Die von der Kommission befragten Unternehmen erkannten die Bedeutung der
Festlegung zusätzlicher Profile bei der Auswahl von Verwaltungsratmitgliedern an.
Allerdings ist dies noch nicht allgemeine Praxis. So haben beispielsweise 48 % der
europäischen Verwaltungsräte kein Mitglied mit Vertriebs- oder Marketingprofil und 37 %
der Audit-Ausschüsse keinen Finanzvorstand ('Chief Financial Officer'/CFO) oder
ehemaligen CFO21.

Eine korrekte Bewertung der Fähigkeiten und des Sachverstands ist wohl der wichtigste
Aspekt bei der Auswahl neuer nicht geschäftsführender Verwaltungsratmitglieder. Deshalb
könnte eine Personalpolitik, die die genauen der vom Verwaltungsrat benötigten Fähigkeiten
19 An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass einige Mitgliedstaaten Regelungen für die Beteiligung von

Arbeitnehmern in den Verwaltungsräten vorsehen.
20 ‘Enhancing stakeholder diversity in the Board room’, Reihe ‘The Erfurt meetings’ Nr. 1, März 2008,

Herausgeber der 'European Citizens’ Seminare e.V. (Erfurt, Deutschland).
21 Heidrick & Struggles, Corporate Governance Report 2009 — Boards in turbulent times, Analyse einer

Auswahl aus 371 Topunternehmen in 13 Ländern auf der Grundlage der Referenzbörse.

Drucksache 17/6506 – 16 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE 7 DE

ermittelt, dazu beitragen, seine Fähigkeit zur Überwachung des Unternehmens wirksam zu
erhöhen.

1.1.2 Internationale Diversität

Bei einer Stichprobe großer börsennotierter Unternehmen waren durchschnittlich 29 % der
Verwaltungsratmitglieder Nicht-Staatsangehörige22. Allerdings bestanden zwischen den
europäischen Ländern erhebliche Unterschiede. Während die Niederlande eine
Spitzenstellung mit 54 % einnahmen, waren in Deutschland lediglich 8 % der
Verwaltungsratmitglieder Nicht-Staatsangehörige. Noch heute hat ein von vier großen
börsennotierten Unternehmen kein ausländisches Mitglied in seinem Verwaltungsrat.

Einige Unternehmen unterstrichen die Bedeutung ausländischer Verwaltungsratmitglieder für
internationale Unternehmen, wohingegen andere die Schwierigkeiten betonten, die sich aus
unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und Sprachen ergeben. Bei Unternehmen mit
ausländischen Verwaltungsratmitgliedern besteht eine Übereinstimmung zwischen ihrer
regionalen Präsenz und ihren internationalen Verwaltungsratmitgliedern. Eine Kenntnis der
regionalen Märkte wird oftmals als ein Schlüsselfaktor für die Wahl ausländischer Kandidaten
in den Verwaltungsrat genannt.

1.1.3 Geschlechterspezifische Diversität
Die Frage der geschlechterspezifischen Diversität bei der Fassung wirtschaftlicher Beschlüsse
wird von der Kommission eingehend in ihrer "Strategie für die Gleichstellung von Frauen und
Männern 2010-2015" vom September 201023 behandelt sowie im Follow-up zu dieser
Strategie24. Den Erkenntnissen der Kommission zufolge macht der Frauenanteil in den
(Aufsichts- bzw.) Verwaltungsräten börsennotierter Unternehmen in der EU durchschnittlich
12 % aus25. Es gibt Nachweise dafür, dass der Anstieg der Universitätsabschlüsse bei den
Frauen diesbezüglich nicht viel verändert hat26. Folglich haben eine Reihe von
Mitgliedstaaten Maßnahmen ergriffen, um das Gleichgewicht der Geschlechter in
Verwaltungsräten sicherzustellen bzw. arbeiten daran27. Darüber hinaus verwiesen mehrere
der befragten Unternehmen darauf, dass diese Vorgaben es ihnen ermöglicht haben, das
Auswahlverfahren professioneller zu gestalten.

Die geschlechterspezifische Diversität kann einen Beitrag zur Bekämpfung von
Standarddenkmustern leisten. Auch gibt es Nachweise dafür, dass Frauen unterschiedliche
Führungsstile haben28, an mehr Verwaltungsratsitzungen teilnehmen29 und eine positive
22 Siehe Heidrick & Struggles.
23 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und

Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen "Strategie für die Gleichstellung von Frauen und
Männern 2010-2015", KOM(2010) 491 endgültig.

24 Siehe Einzelheiten im Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen "The Gender Balance in Business
Leadership", SEK(2011) 246 endgültig.

25 Europäische Kommission, Datenbank: Frauen und Männer in Entscheidungspositionen.
http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=764&langId=en.
26 Women matter, McKinsey & Company 2007, 2010.
27 Siehe das zuvor genannte Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen.
28 Women matter, McKinsey & Company 2008.
29 Adams and Ferreira ‘Women in the boardroom and their impact on governance and performance’, in

Journal of Financial Economics 94 (2009).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 17 – Drucksache 17/6506

DE 8 DE

Auswirkung auf die kollektive Gruppenintelligenz zeitigen30. Aus Studien geht zudem hervor,
dass zwischen dem Prozentsatz von Frauen in Verwaltungsräten und der Leistung des
Unternehmens 31 eine positive Korrelation besteht, obwohl vielen Studien zufolge der globale
Effekt von Frauen auf die Unternehmensleistung noch nuancierter ist32. Auch wenn diese
Studien keine Kausalität nachweisen, zeigt die Korrelation doch, dass ein
geschlechterspezifisches Gleichgewicht in der Unternehmensführung und bei der
Beschlussfassung des Unternehmens geschäftlich von großer Bedeutung ist. Gleichwohl hat
die Förderung der Präsenz von Frauen in Verwaltungsräten zweifelsohne einen positiven
Effekt: So wird der Talentpool für die oberste Ebene der Unternehmensführung und die
Kontrollfunktionen ausgebaut. Aus diesem Grunde wird in der "Strategie für die
Gleichstellung von Frauen und Männern" betont, dass die Kommission in den nächsten fünf
Jahren" gezielte Initiativen zur Verbesserung des Gleichgewichts der Geschlechter bei der
Fassung von Beschlüssen ins Auge fassen wird".

Die Einführung von Maßnahmen wie Quoten oder Zielen zur Gewährleistung des
geschlechterspezifischen Gleichgewichts in Verwaltungsräten reicht jedoch nicht aus, wenn
Unternehmen nicht auf Diversitätsstrategien setzen, die zur Vereinbarkeit von Arbeits- und
Privatleben für Frauen und Männer beitragen, und insbesondere das Betreuungswesen, die
Kontakt- und Beziehungspflege sowie eine angemessene Ausbildung für Führungspositionen
fördern, die für Frauen wichtig sind, wenn ihre Karriere einen Verlauf nehmen soll, der sie für
Verwaltungsratspositionen qualifiziert. Auch wenn es den Unternehmen obliegen sollte,
darüber zu entscheiden, ob sie eine solche Diversitätspolitik einführen, sollten die
Verwaltungsräte zumindest gehalten sein, diese Frage zu erwägen und die diesbezüglich
gefassten Beschlüsse offenzulegen. Die Kommission wird diese Fragen im Zusammenhang
mit dem Follow-up zur "Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010-
2015" vom September 2010 und zu diesem Grünbuch behandeln.

Fragen:

(4) Sollen im Rahmen der Personalpolitik das Profil der Verwaltungsratsmitglieder und
des Verwaltungsratsvorsitzenden genau definiert und ausreichende Befähigungen der
Verwaltungsratsmitglieder sowie Vielfalt bei der Zusammensetzung des
Verwaltungsrats gewährleistet werden? Wenn ja, wie könnte dies am Besten
geschehen und auf welcher Governance-Ebene, d. h.auf nationaler, auf EU- oder auf
internationaler Ebene?

(5) Sollten börsennotierte Unternehmen zur Veröffentlichung einer eventuell vorhandenen
Diversitätsstrategie angehalten werden und wenn ja, sollten sie dann ihre Ziele und
ihren wesentlichen Inhalt beschreiben sowie regelmäßige Fortschrittsberichte
offenlegen?

(6) Sollten börsennotierte Unternehmen gehalten sein, für ein besseres Gleichgewicht in
den Verwaltungsräten zu sorgen, und wenn ja, wie?
30 Woolley, Chabris, Pentland, Hashmi and Malone, ‘Evidence for a Collective Intelligence Factor in the

Performance of Human Groups’, Sciencexpress, 30. September 2010.
31 Women matter, McKinsey & Company 2007. Female Leadership and Firm Profitability, Finnish

Business and Policy Forum — EVA 2007; The Bottom Line: Connecting Corporate Performance and
Gender Diversity, Catalyst 2004.

32 Siehe Adams und Ferreira.

Drucksache 17/6506 – 18 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE 9 DE

1.2 Verfügbarkeit und zeitliches Engagement

Die Rolle der nicht geschäftsführenden Verwaltungsratmitglieder ist komplexer und
bedeutender geworden. Dies spiegelt sich in einer Reihe nationaler Corporate Governance-
Kodizes und sogar in Rechtsvorschriften wider. Die Mitgliedstaaten haben versucht, den
Grundsatz festzuschreiben, dass nicht geschäftsführende Verwaltungsratmitglieder
ausreichend Zeit auf ihre Pflichten verwenden sollten. Einige Mitgliedstaaten sind noch
weiter gegangen und haben eine Empfehlung für die Zahl von Verwaltungsratmandaten, die
ein Verwaltungsratmitglied inne haben kann, abgegeben oder diese begrenzt.

Eine Begrenzung der Zahl der Mandate könnte eine einfache Lösung sein, um sicherzustellen,
dass nicht geschäftsführende Verwaltungsratmitglieder hinreichend Zeit auf die Kontrolle und
Beaufsichtigung ihrer einzelnen Unternehmen verwenden können. Eventuelle
Mandatsbegrenzungen müssten allerdings auf die jeweilige Situation der nicht
geschäftsführenden Verwaltungsratmitglieder und des jeweiligen Unternehmens abgestimmt
sein. Dabei sollte berücksichtigt werden, ob die Mandate in Unternehmen, die keiner Gruppe
angehören oder nicht kontrolliert33 werden, gehalten werden, ob die besagte Person auch
Geschäftsführungspositionen innehat, ob es sich um ein gewöhnliches nicht
geschäftsführendes Mandat oder um einen Vorsitz handelt und ob weitere Positionen in
Aufsichtsgremien von Unternehmen gehalten werden, deren Anforderungen denen von
börsennotierten Unternehmen entsprechen.

Frage:

(7) Sollte Ihrer Auffassung nach auf EU-Ebene eine Maßnahme bestehen, die die Zahl der
Mandate eines nicht geschäftsführenden Verwaltungsratmitglieds begrenzt? Wenn ja,
wie sollte sie formuliert sein?

1.3 Beurteilung des Verwaltungsrats

In der Empfehlung der Kommission von 2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden
Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern/börsennotierter Gesellschaften34 wurde festgestellt, dass
der Verwaltungs-/Aufsichtsrat jedes Jahr eine Selbstbeurteilung vornehmen sollte. Diese
Beurteilung sollte sich auf seine Zusammensetzung sowie seine Organisation und
Arbeitsweise als Gruppe erstrecken. Bewertet werden sollten auch Kompetenz und Leistung
seiner einzelnen Mitglieder sowie seiner Ausschüsse. Ferner sollte die Gesamtleistung im
Vergleich zu den Leistungsvorgaben beurteilt werden.

Der regelmäßige Rückgriff auf einen externen 'Facilitator' (z. B. jedes dritte Jahr) könnte die
Beurteilungen des Verwaltungsrats verbessern, indem ein objektiver Standpunkt
33 'Kontrolliertes Unternehmen' im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe f der Richtlinie 2004/109/EG

des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der
Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum
Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG.
Siehe auch Verhältnis Muttergesellschaft-Tochtergesellschaft im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie
83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss.

34 Empfehlung 2005/162/EG der Kommission vom 15. Februar 2005 zu den Aufgaben von nicht
geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern/börsennotierter Gesellschaften sowie zu den
Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 19 – Drucksache 17/6506

DE 10 DE

eingenommen wird und bewährte Praktiken anderer Unternehmen geteilt werden35. Auf
einigen inländischen Märkten scheint es jedoch nur eine begrenzte Zahl entsprechender
Dienstleister zu geben. Eine größere Nachfrage dürfte jedoch zu einem besseren Angebot
führen.

Den Erfahrungen der Kommission zufolge ist es insbesondere in Krisenzeiten oder bei einer
nicht mehr vorhandenen Kommunikation zwischen den Verwaltungsratmitgliedern von
besonderer Bedeutung, dass ein externer Vermittler einen echten Mehrwert für die
Beurteilung schafft. Die Haltung des Vorsitzenden in Bezug auf die Beurteilung scheint für
deren Erfolg ausschlaggebend zu sein.

Über die in der Kommissionsempfehlung genannten Punkte hinaus sollte die Überprüfung
auch die Qualität und fristgerechte Verfügbarkeit der vom Verwaltungsrat erhaltenen
Informationen, die Antwort der Unternehmensführung auf Anfragen zur Klärung von
Problemen und die Rolle des Vorsitzenden umfassen36. Zur Förderung einer offenen Haltung
sollte ein gewisser Grad an Vertraulichkeit gewahrt werden. So sollte sich jede veröffentlichte
Erklärung zur Beurteilung darauf beschränken, den Überprüfungsprozess zu erläutern.

Fragen:

(8) Sollten börsennotierte Unternehmen dazu angehalten werden, regelmäßig eine externe
Beurteilung durchzuführen (z. B. alle drei Jahre)? Wenn ja, wie sollte dies geschehen?

1.4 Vergütung von Verwaltungsratsmitgliedern

Von ihrem Wesen her konzentriert sich die Corporate Governance vor allem auf Fragen, die
die Trennung von Kapitalbesitz und –kontrolle betreffen, insbesondere aber die damit
verbundene 'Principal-Agent'-Problematik zwischen Aktionären und geschäftsführenden
Verwaltungsratsmitgliedern. Die Vergütung von Verwaltungsratsmitgliedern wurde
weitgehend als ein Mittel zur Anpassung der Interessen von Aktionären und
geschäftsführenden Verwaltungsratmitgliedern genutzt, um so die Vertretungskosten zu
senken. In den letzten Jahren wurde immer mehr zu einer variablen Vergütung übergegangen,
die in der Regel an Leistungen und Verantwortung gebunden ist. Allerdings wurde auch ein
Missverhältnis zwischen Leistungen und der Vergütung von geschäftsführenden
Verwaltungsratsmitgliedern immer deutlicher. Schlechte Vergütungspolitiken und/ oder
Anreizstrukturen können eine ungerechtfertigte Verlagerung von Werten der Unternehmen
und ihren Aktionären sowie anderen Akteure auf die Geschäftsführung zur Folge haben.
Darüber hinaus kann eine Konzentration auf kurzfristige Leistungskriterien einen negativen
Einfluss auf die langfristige Nachhaltigkeit des Unternehmens zeitigen.

Die Kommission hat zur Problematik der Vergütung der Unternehmensführung drei
Empfehlungen37 ausgearbeitet. Die Hauptempfehlungen betreffen die Offenlegung der
Vergütungspolitik, die Vergütung der einzelnen geschäftsführenden und nicht
geschäftsführenden Direktoren, die Abstimmung der Aktionäre über die
Vergütungserklärung, einen unabhängig funktionierenden Vergütungsausschuss und
angemessene Initiativen zur Förderung von Leistung und langfristiger Wertschaffung durch
35 OECD, 'Corporate governance and the financial crisis: Conclusions and emerging good practices to

enhance implementation of the Principles', 24. Februar 2010, S. 20.
36 Siehe Higgs, D. Review of the role and effectiveness of non-executive directors, Januar 2003.
37 Empfehlungen der Kommission 2004/913/EG, 2005/162/EG und K(2009) 3177.

Drucksache 17/6506 – 20 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE 11 DE

börsennotierte Unternehmen. Aus Berichten der Kommission38 geht hervor, dass eine Reihe
von Mitgliedstaaten diese Fragen nicht angemessen gelöst haben. Auf der anderen Seite
scheint in den Mitgliedstaaten der Trend zu bestehen, Rechtsvorschriften zur Offenlegung der
Vergütungspolitik und zur Abstimmung der Aktionäre über die Vergütungserklärung zu
erlassen. 2009 empfahl das Europäische Corporate-Governance-Forum, die Offenlegung der
Vergütungspolitik und der einzelnen Vergütungen für alle börsennotierten Unternehmen39
verbindlich vorzuschreiben. Zudem empfahl es eine Abstimmung der Aktionäre über die
Vergütungspolitik, die verbindlichen oder beratenden Charakter haben sollte, und mehr
Unabhängigkeit für nicht geschäftsführende Verwaltungsratmitglieder, die an der Festlegung
der Vergütungspolitik beteiligt sind. Darüber hinaus führte die Kommission eine Konsultation
zu diesem Thema im Rahmen des Grünbuchs „Corporate Governance in Finanzinstituten“40
durch. Ziel der Konsultation in diesem Grünbuch war es, ein Feedback zu den nachstehenden
detaillierteren Fragen zu erhalten.

Fragen:

(9) Sollte die Offenlegung der Vergütungspolitik, des Jahresvergütungsberichts (ein
Bericht über die Art und Weise der Umsetzung der Vergütungspolitik im Vorjahr) und
der Einzelvergütung der geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Mitglieder
der Unternehmensleitung obligatorisch werden?

(10) Sollte eine Abstimmung der Aktionäre über die Vergütungspolitik und den
Vergütungsbericht obligatorisch werden?

1.5 Risikomanagement

Unabhängig von ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich sind alle Unternehmen mit zahlreichen
externen oder internen Risiken konfrontiert. Je nach ihren spezifischen Merkmalen
(Tätigkeitsbereich, Größe, internationale Risikoexponierung, Komplexität) sollten sie eine
zweckmäßige Risikokultur und Vorkehrungen zur wirksamen Handhabung der Risiken
vorsehen. Einige Unternehmen können Risiken ausgesetzt sein, die die Gesellschaft als Ganze
erheblich beeinträchtigen: Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel41,
Umweltrisiken (z. B. die zahlreichen dramatischen Erdölunfälle der letzten Jahrzehnte),
Risiken für Gesundheit, Sicherheit, Menschenrechte usw. Andere Unternehmen wiederum
betreiben riskante Infrastrukturen, deren Ausfall oder Zerstörung wesentliche
grenzübergreifende Wirkungen zeitigen könnten42. Allerdings unterliegen Tätigkeiten, die
potenziell derartige Risiken erzeugen könnten, sektorspezifischen Rechtsvorschriften und
38 Kommissionsberichte SEK(2007) 1022 und 2010/285/EG.
39 Erklärung des Europäischen Corporate-Governance-Forums vom 23. März 2009.
40 Siehe Frage 7.1. In den Antworten auf diese Konsultation wurde in der Regel die Auffassung vertreten,

dass Anreize für Verwaltungsratsmitglieder angemessen strukturiert sein müssen, um eine langfristige
und nachhaltige Unternehmensleistung zu fördern. Die Mehrheit sprach sich jedoch gegen legislative
Maßnahmen für die Vergütungsstruktur börsennotierter Unternehmen aus. Nichtsdestoweniger wurde in
einigen Antworten darauf hingewiesen, dass mehr Transparenz bei den Vergütungspolitiken für die
Geschäftsführung börsennotierter Unternehmen und bei der Abstimmung durch die Aktionäre begrüßt
würde.

41 Z. B. Widerstandsfähigkeit der Investitionen von Unternehmen in Bezug auf den Klimawandel,
finanzielle oder andere Auswirkungen der Regulierung auf CO2-Emissionen.

42 Die EU-Website für den ‘Schutz kritischer Infrastrukturen’ ist abrufbar unter:
http://europa.eu/legislation_summaries/
justice_freedom_security/fight_against_terrorism/jl0013_de.htm.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 21 – Drucksache 17/6506

DE 12 DE

werden von verschiedenen Behörden überwacht. Wenn man also alle unterschiedlichen
Situationen mitberücksichtigt, scheint es nicht möglich zu sein, ein 'Pauschalrisikomodell' für
alle Unternehmensformen vorzuschlagen. Allerdings ist es von ausschlaggebender
Bedeutung, dass der Verwaltungsrat eine angemessene Beaufsichtigung der
Risikomanagementprozesse gewährleistet.

Um wirksam und konsistent zu sein, muss jegliche Risikopolitik klar 'von oben herab'
definiert werden, d. h. sie muss vom Verwaltungsrat für die gesamte Organisation festgelegt
werden. Allgemein ist anerkannt43, dass der Verwaltungsrat die Hauptverantwortung für die
Definition des Risikoprofils einer bestimmten Organisation im Sinne der jeweils verfolgten
Strategie trägt sowie für eine angemessene Überwachung , mit der ein wirksames
Funktionieren in der Praxis sichergestellt werden soll.

Einige Aspekte können sich jedoch aufgrund der vorhandenen Rechtsrahmen unterscheiden,
wie z. B. aufgrund der dualistischen oder monistischen Verwaltungsratstruktur. Auf jeden Fall
ist es unerlässlich, die Rollen und Zuständigkeiten sämtlicher am Risikomanagementprozess
beteiligter Parteien klar zu definieren, d. h. des Verwaltungsrats, der geschäftsführenden
Unternehmensleitung und aller Personalmitglieder, die in der Risikofunktion arbeiten. Die
Aufgabenbeschreibungen müssen intern und extern bekannt sein.

Fragen:

(11) Stimmen Sie damit überein, dass der Verwaltungsrat den 'Risikoappetit' des
Unternehmens billigen und dafür verantwortlich sein sowie ihn den Aktionären
verständlich machen sollte? Sollten diese Offenlegungsanforderungen auch relevante
wichtige Gesellschaftsrisiken umfassen?

(12) Sollte der Verwaltungsrat Ihrer Meinung nach gewährleisten, dass die Vorkehrungen
im Zusammenhang mit dem Risikomanagement des Unternehmens wirksam und
seinem Risikoprofil angemessen sein sollten?

2. AKTIONÄRE

Auf die Rolle der Aktionäre bei der Corporate Governance wurde im zuvor genannten
Grünbuch „Corporate Governance in Finanzinstituten“ vom Juni 2010 eingegangen.

In diesem Grünbuch wurde festgestellt, dass Aktionäre in vielen Fällen das Eingehen der
Risiken im Hinblick auf die erwarteten Gewinne für gerechtfertigt hielten und so indirekt
diese übermäßigen Risiken unterstützten, vor allem durch hohe Leverage-Positionen. Der
Grund dafür liegt darin, dass die Aktionäre voll von den Vorteilen einer solchen Strategie
profitieren würden, während Verluste nur dann einzustecken sind, wenn das Eigenkapital
nichts mehr wert ist. Danach müssten weitere Verluste von den Gläubigern getragen werden
("beschränkte Haftung" der Aktionäre).

Das Verhalten der Aktionäre von Finanzinstituten im Hinblick auf das Eingehen übermäßiger
Risiken könnte als ein besonderer Fall angesehen werden, denn ihre Geschäfte sind komplex
und nur schwer verständlich. Die bei der Ausarbeitung dieses Grünbuchs gemachten
Erfahrungen lassen gleichwohl darauf schließen, dass die Erkenntnisse des Grünbuchs von
43 Aus Kommissionsinterviews.

Drucksache 17/6506 – 22 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE 13 DE

2010 hinsichtlich des mangelnden Engagements der Aktionäre und die Gründe dafür
weitgehend auch das Verhalten der Aktionäre von börsennotierten Gesellschaften bestimmt
haben, die sich im Streubesitz befinden. Bei Unternehmen mit einem beherrschenden
Aktionär oder einem Mehrheitsaktionär dagegen scheint die Hauptherausforderung darin zu
bestehen, dass die (wirtschaftlichen) Rechte von Minderheitsaktionären angemessen geschützt
werden. Darüber hinaus könnten Minderheitsaktionäre, die sich an Unternehmen beteiligen
wollen, auch mit den im Folgenden genannten Schwierigkeiten konfrontiert werden.

2.1 Mangelndes Engagement der Aktionäre

Unter Engagement der Aktionäre versteht man in der Regel eine aktive Überwachung des
Unternehmens, einen Dialog mit dem Verwaltungsrat des Unternehmens und die Ausübung
der Aktionärsrechte, einschließlich der Stimmrechte, sowie gegebenenfalls die
Zusammenarbeit mit anderen Aktionären, um die Governance des Unternehmens, an dem
Anteile gehalten werden, im Interesse der Schaffung langfristiger Werte zu verbessern. Auch
wenn das Engagement kurzfristig denkender Anleger eine positive Wirkung zeitigen kann44,
versteht man unter dem Begriff Engagement in der Regel eine Tätigkeit, die die Renditen für
die Aktionäre langfristig steigert45. Deshalb vertritt die Kommission die Auffassung, dass vor
allem langfristig denkende Anleger46 ein Interesse an einem Engagement im Unternehmen
haben.

Auf einige Gründe für ein mangelndes Engagement von Aktionären wurde im Grünbuch von
2010 eingegangen und sie sollen hier nicht erneut erörtert werden. Einige Ursachen, wie die
Kosten des Engagements, die schwierige Bewertung der daraus herrührenden Rendite und die
Unsicherheit des Ergebnisses, einschließlich das Verhalten einiger Trittbrettfahrer, scheinen
die meisten institutionellen Anleger47 zu beeinflussen. Im Grünbuch von 2010 warf die
Kommission auch die Frage auf, ob institutionelle Anleger, einschließlich der Eigentümer und
Verwalter von Vermögenswerten, gehalten sein sollten, ihre Stimmrechtspolitik und die
entsprechenden Aufzeichnungen zu veröffentlichen. In den meisten Antworten wurde eine
solche Option befürwortet. Der Auffassung dieser Konsultationsteilnehmer zufolge würde
eine Offenlegung das Bewusstsein der Anleger verbessern, die Anlageentscheidungen der
Endanleger optimieren, den Dialog der Emittenten mit den Anlegern erleichtern und die
Einbeziehung der Aktionäre fördern. Eine von der Kommission derzeit in Betracht gezogene
Option besteht folglich in der Schaffung eines Transparenzrahmens für die
Stimmrechtspolitiken und eine Offenlegung allgemeiner Informationen über ihre Umsetzung
unter Wahrung der Gleichbehandlung der Aktionäre.

2.2 Kurzfristiges Denken auf den Kapitalmärkten

Die wichtigsten Entwicklungen auf den Kapitalmärkten in den letzten Jahrzehnten,
einschließlich innovativer Produkte und technischer Umstellungen, konzentrierten sich im
Wesentlichen auf die Handelsfunktion der Kapitalmärkte und erleichterten einen schnelleren
44 So kann z. B. das Engagement von typischerweise auf kurzfristige Gewinne fixierten institutionellen

Anlegern, wie die ‘aktivistischen’ Hedgefonds, von Vorteil sein, weil es die Governance als Katalysator
verändern und das Bewusstsein unter den anderen Aktionären steigern kann.

45 Siehe den UK Stewardship Code.
46 Anleger mit langfristigen Verpflichtungen gegenüber ihren Begünstigten, wie z. B. Pensionsfonds,

Lebensversicherungsgesellschaften, staatliche Pensionsreservefonds sowie staatliche Investitionsfonds.
47 Für die Zwecke dieses Grünbuchs ist der Begriff 'institutioneller Anleger' im weiten Sinne zu verstehen,

d. h. als ein Institut, das professionelle Anlagen (auch) im Namen von Kunden und Begünstigten tätigt.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 23 – Drucksache 17/6506

DE 14 DE

und wirksameren Handel. Innovationen wie Hochfrequenz- und automatisierter Handel
scheinen zu mehr Liquidität geführt zu haben, haben aber auch zu einer Verkürzung der
Haltedauer von Aktien beigetragen. Während der letzten beiden Jahrzehnte haben sich die
Anlagehorizonte beträchtlich verkürzt. Das Umsatzvolumen auf den wichtigsten Aktienbörsen
macht derzeit 150 % der aggregierten Marktkapitalisierung pro Jahr aus, was einer
durchschnittlichen Aktienhaltedauer von acht Monaten entspricht.

Gleichzeitig hat sich die Anlagevermittlertätigkeit erhöht, was das Bevollmächtigtenverhältnis
zwischen langfristigen Anlegern und ihren Vermögensverwaltern an Bedeutung gewinnen
lässt. Es wurde dahingehend argumentiert, dass dieses Verhältnis in der Tat zum kurzfristigen
Denken des Marktes beiträgt, was unter Umständen eine schlechte Preisbildung, ein
Herdenverhalten, zunehmende Volatilität und mangelndes Eigentum von Anteilen an
börsennotierten Unternehmen zur Folge haben könnte. Auf dieses Thema wird nachfolgend in
Punkt 2.3 eingegangen.

Einige Anleger haben auch eine 'regulatorische Verzerrung' zugunsten des kurzfristigen
Denkens beklagt, die langfristige Anleger vor allem an der Entwicklung längerfristiger
Anlagestrategien hindert. Bei den Vorabkonsultationen der Kommission mit den Akteuren
wurde darauf hingewiesen, dass die Rechnungslegungsregeln für die Solvabilität und
Pensionsfonds, die mehr Transparenz und eine effizientere Marktbewertung fördern sollten,
unerwartete Folgen gezeitigt haben.

Frage:

(13) Bitte nennen Sie uns alle etwaigen EU-Rechtsvorschriften, die Ihrer Meinung nach
zum unangemessenen kurzfristigen Denken unter Anlegern beitragen, und unterbreiten
Sie Vorschläge, wie diese Bestimmungen im Hinblick auf die Verhinderung eines
solchen Verhaltens geändert werden könnten.

2.3 Bevollmächtigtenverhältnis zwischen institutionellen Anlegern und
Vermögensverwaltern

Der Kommission ist bewusst, dass sich nicht alle Anleger in Unternehmen einbringen müssen,
in die investiert wird. Den Anlegern steht es frei, sich für ein kurzfristiges Anlagemodell ohne
weiteres Engagement zu entscheiden.

Gleichwohl trägt das Bevollmächtigtenverhältnis zwischen institutionellen Anlegern
(Eigentümern von Vermögenswerten) und den Vermögensverwaltern verstärkt zum
kurzfristigen Denken auf den Kapitalmärkten und einer schlechten Preisbildung48 bei. Dieses
Problem ergibt sich vor allem aus der Inaktivität der auf langfristige Anlagen ausgerichteten
Aktionäre.

2.3.1 Kurzfristiges Denken und Vermögensverwaltungsverträge

Die Art und Weise, wie die Leistung von Vermögensverwaltern bewertet wird, sowie die
Anreizstruktur für Gebühren und Provisionen scheinen die Vermögensverwalter zur Suche
nach kurzfristigen Gewinnen zu bewegen. Es gibt Nachweise dafür (die sich in Gesprächen
der Kommission mit institutionellen Anlegern bestätigt haben), dass viele
48 Paul Woolley, ‘Why are financial markets so inefficient and exploitative — and a suggested remedy’, in

The Future of Finance: The LSE Report, 2010.

Drucksache 17/6506 – 24 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE 15 DE

Vermögensverwalter nach ihren kurzfristig erzielten relativen Leistungen ausgewählt,
bewertet und vergütet werden. Die Leistungsbewertung auf einer relativen Basis, d. h. in dem
Maße, wie die Vermögensverwalter einen bestimmten Marktindex übertreffen oder ihn
unterschreiten, kann das Herdenverhalten und eine kurzfristige Sichtweise begünstigen, vor
allem wenn sich die Leistungsmessung auf einen kurzen Zeitraum stützt. Nach Auffassung
der Kommission können kurzfristige Anreize bei Vermögensverwaltungsverträgen erheblich
zum kurzfristigen Denken von Vermögensverwaltern beitragen, was sich wiederum auf die
Apathie der Aktionäre auswirken dürfte.

In vielen Kommentaren auf das Grünbuch vom Juni 201049 wurde eine größere Offenlegung
der Anreizstrukturen für Vermögensverwalter begrüßt. Diesbezüglich stellt sich folglich die
Frage, ob es weiterer Maßnahmen im Hinblick auf eine bessere Anpassung der Interessen von
langfristig orientierten institutionellen Anlegern und Vermögensverwaltern bedarf (z. B.
Ausarbeitung einer Reihe von Anlagegrundsätzen).

Frage:

(14) Sind Maßnahmen – und wenn ja, welche – im Hinblick auf die Anreizstrukturen für
Vermögensverwalter, die die Portfolios von langfristig orientierten institutionellen
Anlegern verwalten, und ihre Leistungsbewertung zu ergreifen?

2.3.1 Mangelnde Transparenz bei der Wahrnehmung treuhänderischer Verpflichtungen

Mehr Transparenz bei der Wahrnehmung treuhänderischer Verpflichtungen seitens der
Vermögensverwalter, einschließlich ihrer Anlagestrategien, der Kosten des Portfolioumsatzes,
der Frage, ob das Portfolioumsatzniveau der vereinbarten Strategie entspricht, der Kosten und
Renditen des Engagements usw. könnte mehr Licht in die Frage bringen, ob die
Vermögensverwaltertätigkeiten den langfristig orientierten institutionellen Anlegern und der
langfristigen Wertschöpfung in deren Namen zuträglich sind oder nicht.

Darüber hinaus wären Informationen über das Niveau und den Umfang des Engagements in
die Unternehmen, in die investiert wird, die der Eigentümer von Vermögenswerten vom
Vermögensverwalter erwartet, sowie eine Berichterstattung seitens des Vermögensverwalters
nützlich50.

Mehr Transparenz in diesen Fragen würde den institutionellen Anlegern dabei helfen, ihre
Bevollmächtigten besser zu überwachen, und folglich einen großen Einfluss auf den
Anlageprozess ausüben. Aufgrund einer auf diese Weise verbesserten Kontrolle könnten sich
langfristig orientierte Anleger für eine Neuaushandlung von Vermögensverwaltungsverträgen
entscheiden, um Obergrenzen für den Portfolioumsatz einzuführen und ihre
Vermögensverwalter zu einer aktiveren Aufsicht über die Unternehmen, in die investiert wird,
aufzufordern51.
49 Bei den Kommentatoren, die dies weitgehend begrüßten, handelte es sich vor allem um Anleger,

Vermögensverwalter, die (Finanzdienstleistungs-) Branche und Fachleute der Branche.
50 Siehe auch Absatz 7.3.4 der öffentlichen Konsultation zur Überarbeitung der Richtlinie über Märkte für

Finanzinstrumente (Mifid):
http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/docs/2010/mifid/consultation_paper_de.pdf

51 Am 31. Januar 2010 hat das ICGN Shareholder Responsibilities Committee einen Aufruf zur Vorlage
von Beiträgen für Modellvertragsvereinbarungen zwischen Eigentümern von Vermögenswerten und

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 25 – Drucksache 17/6506

DE 16 DE

Frage:

(15) Sollten die EU-Rechtsvorschriften eine wirksamere Überwachung der
Vermögensverwalter durch die institutionellen Anleger vorsehen, was Strategien,
Kosten, den Handel und die Frage angeht, in welchem Maße sich Vermögensverwalter
in Unternehmen, in die investiert werden wird, einbringen sollen? Wenn ja, wie?

2.4 Sonstige mögliche Hindernisse für das Engagement institutioneller Anleger

2.4.1 Interessenkonflikte

Interessenkonflikte im Finanzsektor scheinen einer der Gründe für ein mangelndes
Engagement der Aktionäre zu sein. Interessenkonflikte entstehen oftmals dann, wenn ein
institutioneller Anleger oder Vermögensverwalter oder sein Mutterunternehmen ein
Geschäftsinteresse an dem Unternehmen, in das investiert werden soll, hat. Dies ist z. B. bei
Finanzgruppen der Fall, bei denen eine Zweigniederlassung einer Vermögensverwaltung nicht
möchte, dass die aktive Ausübung ihrer Aktionärsrechte an einem Unternehmen, für das ihre
Muttergesellschaft Dienstleistungen erbringt oder an dem sie eine Beteiligung hält, öffentlich
bekannt wird.

Frage:

(16) Sollte in den EU-Vorschriften eine gewisse Unabhängigkeit vom Leitungsorgan der
Vermögensverwalter, wie z. B. der Muttergesellschaft, festgeschrieben werden, oder
sind andere (Legislativ-) Maßnahmen erforderlich, um die Offenlegung und die
Handhabung von Interessenkonflikten zu verbessern?

2.4.2 Hindernisse für die Zusammenarbeit zwischen Aktionären

Einzelne Anleger, vor allem aber jene mit diversifizierten Portfolios, engagieren sich unter
Umständen nicht immer erfolgreich. Eine Zusammenarbeit zwischen den Aktionären könnte
dazu beitragen, effizienter zu werden.

In vielen Antworten auf das Grünbuch von 2010 wurde vorgeschlagen, die bestehenden EU-
Rechtsvorschriften für ein gemeinsames Handeln zu ändern, um die Zusammenarbeit
zwischen den Aktionären erfolgreicher zu gestalten. Die Kommission räumt ein, dass klarere
und einheitlichere Vorschriften auf diesem Gebiet diesbezüglich von Nutzen sein könnten.
Zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Aktionären wurden auch andere
Vorschläge unterbreitet. So wurde u. a. die Einrichtung von Foren für die Zusammenarbeit
zwischen Aktionären oder die Schaffung eines EU-Bevollmächtigungssystems vorgeschlagen,
bei dem börsennotierte Unternehmen gehalten wären, auf ihrer Website eine spezifische
Funktion einzurichten, über die die Aktionäre Informationen zu bestimmten
Tagesordnungspunkten weiterleiten und Bevollmächtigungen anderer Aktionäre einholen
könnten.

Einige Anleger haben auch darauf verwiesen, dass die grenzübergreifende Abstimmung nach
wie vor problematisch ist und durch die EU-Rechtsvorschriften erleichtert werden sollte. Mit
der Richtlinie über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten
ihren Fondsmanagern veröffentlicht: http://www.icgn.org/policy_committees/shareholder-
responsibilities-committee/-/page/307/.

Drucksache 17/6506 – 26 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE 17 DE

Gesellschaften (2007/36/EG) hat sich diese Situation erheblich verbessert. Aufgrund der
späten Umsetzung der Richtlinie durch viele Mitgliedstaaten wird die Wirkung für den
einzelnen Endanleger aber erst jetzt wirklich spürbar. Darüber hinaus scheint die tatsächliche
Übermittlung einschlägiger Informationen zwischen Emittent und Aktionär mittels der Kette -
vor allem in grenzübergreifenden Fällen - problematisch zu sein. Die Kommission ist sich der
Schwierigkeiten bewusst und wird dieses Thema im Rahmen ihrer Arbeiten zur
Harmonisierung des Wertpapierrechts analysieren.

Frage:

(17) Wie könnte die Zusammenarbeit zwischen Aktionären in der EU am Besten erleichtert
werden?

2.5 Berater für die Stimmrechtsvertretung („Proxy advisors")

Institutionelle Anleger mit hoch diversifizierten Aktienportfolios sehen sich praktischen
Schwierigkeiten gegenüber, wenn sie im Einzelnen zu bewerten haben, wie sie auf
Hauptversammlungen von Unternehmen, in die investiert werden soll, zu den verschiedenen
Tagesordnungspunkten abstimmen sollen. Deshalb greifen sie in hohem Maße auf die Dienste
von Beratern für die Stimmrechtsvertretung zurück, die sie in Fragen der Abstimmung, der
Stimmrechtsvertretung und von Corporate Governance-Ratings beraten. Folglich üben diese
Berater einen erheblichen Einfluss auf die Abstimmung aus. Auch wurde darauf verwiesen,
dass sich die institutionellen Anleger in wesentlich stärkerem Maße auf die Beratung
verlassen, wenn es um Abstimmungen über an ausländischen Unternehmen und weniger
wenn es um Abstimmungen über an inländischen Unternehmen gehaltene Anlagen geht.
Deshalb dürfte der Einfluss von Beratern für die Stimmrechtsvertretung auf Märkten mit
einem hohen Prozentsatz an internationalen Anlegern größer sein.

Der Einfluss dieser Berater wirft allerdings einige Bedenken auf. Bei der Ausarbeitung dieses
Grünbuchs waren sich Anleger und Unternehmen, in die investiert werden soll, darin einig,
dass die zuvor genannten Berater hinsichtlich der von ihnen bei der Ausarbeitung der
Beratung zugrunde gelegten Methoden nicht hinreichende Transparenz walten lassen.
Genauer noch wurde moniert, dass die analytische Methode unternehmensspezifische
Merkmale und/ oder Eigenheiten der nationalen Rechtsprechung sowie bewährte Praktiken
auf dem Gebiet der Corporate Governance nicht berücksichtigt. Als bedenklich wurde auch
die Tatsache angesehen, dass diese Berater Interessenkonflikten ausgesetzt sind. Wenn
Berater für die Stimmrechtsvertretung auch noch als Corporate Governance-Berater für
Unternehmen, in die investiert werden soll, tätig sind, ist ein Interessenkonflikt
wahrscheinlich. Interessenkonflikte ergeben sich auch dann, wenn ein Berater für die
Stimmrechtsvertretung eine Beratung zu Aktionärsbeschlüssen vornimmt, die von (einem
seiner) seinen Kunden vorgeschlagen werden. Darüber hinaus ist der mangelnde Wettbewerb
in diesem Sektor bedenklich. Er beeinflusst u. a. die Qualität der Beratung und zudem ist
nicht klar, inwiefern die Beratung die Bedürfnisse der Anleger erfüllt.

Fragen:

(18) Sollte in den EU-Rechtsvorschriften eine größere Transparenz der Berater für die
Stimmrechtsvertretung gefordert werden, wenn es beispielsweise um ihre
Analysemethoden, Interessenkonflikte und ihre Konfliktbewältigungsstrategie und/
oder um die Anwendung bzw. Nichtanwendung eines Verhaltenskodexes geht? Wenn
ja, wie könnte dies am Besten erreicht werden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 27 – Drucksache 17/6506

DE 18 DE

(19) Sind Ihrer Auffassung nach weitere (Legislativ-)Maßnahmen erforderlich, z. B.
Einschränkungen der Möglichkeit für die Berater, Consulting-Dienstleistungen für
Unternehmen, in die investiert werden soll, zu erbringen?

2.6 Identifizierung der Aktionäre

Unlängst wurde der Ruf nach EU-Maßnahmen zur Erhöhung des Niveaus an
Anlegertransparenz52 für die Emittenten von Aktien53 laut. Dabei wurde die Tatsache
hervorgehoben, dass Emittenten bei einer Identifizierung ihrer Aktionäre in einen Dialog mit
diesen treten können. Dies sei vor allem bei Fragen auf dem Gebiet der Corporate Governance
wichtig. Ein solches Vorgehen würde in der Regel auch das Engagement der Aktionäre im
Hinblick auf Unternehmen, in die sie investieren, erhöhen54. Rund zwei Drittel der
Mitgliedstaaten haben Emittenten bereits das Recht eingeräumt, ihre inländischen Aktionäre
zu identifizieren55. Darüber hinaus sehen die Transparenzrichtlinie56 und damit einhergehende
nationale Umsetzungsmaßnahmen ein bestimmtes Transparenzniveau für Beteiligungen über
einem gewissen Schwellenwert vor57.

Andere Gruppen sind mit der Forderung nach der Schaffung eines europäischen Instruments
zur Identifizierung der Anleger nicht einverstanden. Ihrer Auffassung nach haben es die
modernen Kommunikationsmittel sehr einfach gemacht, Aktionäre und potenzielle Anleger
über Corporate Governance-Fragen zu informieren und ihre Meinungen einzuholen. Eine
bessere Kenntnis der Aktionäre könnte auch zu einer Stärkung der Unternehmensleitung
führen. d. h. ihr dabei helfen, sich besser gegen Maßnahmen der Aktionäre zu wehren, die auf
den Verhaltenskodex des Unternehmens abzielen. In einigen Mitgliedstaaten verhindern unter
Umständen auch Datenschutzregeln zum Schutz der Privatsphäre, dass Intermediäre
Informationen über Aktionäre an Emittenten weiterleiten.

Frage:

(20) Halten Sie die Einführung eines technischen und/ oder rechtlichen Mechanismus auf
EU-Ebene für erforderlich, mit dem Emittenten ihre Aktionäre leichter identifizieren
können, um so den Dialog zu Corporate Governance-Fragen zu erleichtern? Wenn ja,
52 Für weitere detaillierte Informationen siehe Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen ‘Die

Überprüfung der Funktionsweise der Richtlinie 2004/109/EG: Neue Fragen’, Begleitdokument zum
Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und
Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Funktionsweise der Richtlinie 2004/109/EG
zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren
Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, SEK(2009) 611, Seiten 88-94.

53 Diese Frage wurde auch in dem Grünbuch Corporate Governance in Finanzinstituten und
Vergütungspolitik, KOM(2010) 284 endgültig, angesprochen. Sie beschränkte sich allerdings auf
Finanzinstitute.

54 Die Kommission hat die mit dem ,empty voting' („leeres Stimmrecht“) einhergehende
Missbrauchsgefahr bereits in ihrer Konsultation zur Transparenzrichtlinie behandelt. In dieser
Konsultation wurde angeregt, das Problem als ‘record date capture’ einzustufen.

55 Für weitere Einzelheiten siehe Marktanalyse zu den Aktionärstransparenzsystemen in Europa, EZB T2S
Taskforce on Shareholder Transparency, 9. Dezember 2010:
http://www.ecb.int/paym/t2s/progress/pdf/subtrans/mtg7/2010-t2s-tst-questionnaire-response-
analysis.pdf?d6cc9adf38f63d24897c94e379213b81

56 Richtlinie 2004/109/EG
57 Bei der für 2011 vorgesehenen Überarbeitung der Transparenzrichtlinie plant die Kommission auch die

Einführung einer Offenlegungsanforderung für langfristige Positionen, die einen vergleichbaren
wirtschaftlichen Effekt auf das Halten von Aktien haben.

Drucksache 17/6506 – 28 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE 19 DE

würde dieser Mechanismus auch der Zusammenarbeit zwischen Anlegern zugute
kommen? Bitte nennen Sie Einzelheiten (z. B. verfolgte(s) Ziel(e), bevorzugtes
Instrument, Häufigkeit, Detailniveau und Kostenzuweisung).

2.7 Schutz von Minderheitsaktionären

Der Schutz von Minderheitsaktionären ist aus einer Reihe von Gründen für die Rolle der
Aktionäre bei der Corporate Governance von Bedeutung.

Die Einbringung von Minderheitsaktionären ist bei Unternehmen mit Mehrheitsaktionären
schwierig - ein Governance-Modell, das bei den europäischen Unternehmen immer noch
vorherrscht. Dies wirft die Frage auf, ob der Grundsatz „Mittragen oder Begründen" (‘comply
or explain’) in diesen Unternehmen immer noch tragfähig ist, insbesondere in Fällen, in denen
ein angemessener Schutz von Minderheitsaktionären nicht garantiert ist.

Zum anderen stellt sich die Frage, ob die vorhandenen EU-Vorschriften zum Schutz der
Interessen von Minderheitsaktionären gegen einen Missbrauch seitens eines
Mehrheitsaktionärs (und/ oder durch die Unternehmensleitung) ausreichen.

2.7.1 Möglichkeiten für ein Engagement und die Funktionsweise des Grundsatzes
„Mittragen oder Begründen" (‘comply or explain’) im Falle eines
Mehrheitsaktionärs oder eines Aktionärs mit beherrschendem Einfluss

Das Engagement eines Minderheitsaktionärs kann sich in Unternehmen mit einem Aktionär
mit beherrschendem Einfluss oder einem Mehrheitsaktionär als schwierig erweisen, da
letztere typischerweise im Verwaltungsrat vertreten sind. Die Schwierigkeiten bzw. die
Unfähigkeit von Minderheitsaktionären, ihre Interessen in Unternehmen mit
Mehrheitsaktionären wirksam zu vertreten, kann die Anwendung des Grundsatzes „Mittragen
oder Begründen" (‘comply or explain’) wesentlich beeinträchtigen. Um die Rechte von
Aktionären zu stärken, ist in bestimmten Mitgliedstaaten (wie z. B. Italien) die Bestellung
einiger Sitze im Verwaltungsrat Minderheitsaktionären vorbehalten.

Frage:

(21) Benötigen Ihrer Meinung nach Minderheitsaktionäre zusätzliche Rechte, um ihre
Interessen in Unternehmen mit Mehrheitsaktionären oder Aktionären mit
beherrschendem Einfluss wirksam zu vertreten?

2.7.2 Schutz gegen möglichen Missbrauch

Mehrheitsaktionäre und/ oder Verwaltungsräte können auf vielfache Art und Weise in einem
Unternehmen Vorteile zu Lasten der Interessen von Minderheitsaktionären erwerben. Dies
geschieht üblicherweise im Rahmen von 'Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und
Personen'.

Die derzeitigen EU-Rechtsvorschriften decken bereits einige Aspekte dieser Art von
Transaktionen ab, vor allem aber die Rechnungslegung und die Offenlegung. So sind die
Unternehmen gehalten, in ihren Jahresabschluss einen Anhang aufzunehmen, in dem der

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 29 – Drucksache 17/6506

DE 20 DE

Betrag und die Art der Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen genannt
sowie weitere erforderliche Informationen beigebracht werden58.

Einigen Anlegern zufolge, mit denen die Kommission bei der Vorbereitung dieses Grünbuchs
diskutierte, sind die Vorschriften jedoch unzureichend. Ihrer Auffassung nach reicht die
Offenlegung von Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen nicht in allen
Situationen aus und erfolgt nicht immer fristgerecht.

Es wurde vorgeschlagen59, der Verwaltungsrat solle ab einem bestimmten Schwellenwert
einen unabhängigen Sachverständigen bestellen, der für die Minderheitsaktionäre eine
unparteiische Stellungnahme zu den Bedingungen und Konditionen von Transaktionen mit
nahe stehenden Unternehmen und Personen abgibt. Bedeutende Transaktionen mit nahe
stehenden Unternehmen und Personen müssten von der Hauptversammlung genehmigt
werden. Die mit Hauptversammlungen einhergehende Werbung könnte Mehrheitsaktionäre
von der Durchführung bestimmter Transaktionen abhalten und den Minderheitsaktionären die
Möglichkeit einräumen, gegen den Beschluss zur Gutheißung der Transaktion zu stimmen.
Von einigen Gruppen wird auch vorgeschlagen, Mehrheitsaktionäre von der Abstimmung
auszuschließen.

Frage:

(22) Sollten Minderheitsaktionäre Ihrer Auffassung nach stärker gegen Transaktionen mit
nahe stehenden Unternehmen und Personen geschützt werden? Wenn ja, welche
Maßnahmen sollten ergriffen werden?

2.8 Kapitalbeteiligung von Arbeitnehmern

Das Interesse der Arbeitnehmer an der langfristigen Entwicklung des Unternehmens, in dem
sie beschäftigt sind, ist ein für den Corporate Governance-Rahmen zu berücksichtigender
Aspekt. Die Einbeziehung der Arbeitnehmer in die Angelegenheiten eines Unternehmens
kann die Form von Informationen, Konsultationen und der Beteiligung im Verwaltungsrat
annehmen. Es kann sich aber auch um Formen einer finanziellen Beteiligung handeln,
insbesondere dann, wenn die Arbeitnehmer Aktionäre ihres Unternehmens werden. In einigen
europäischen Ländern hat die Kapitalbeteiligung von Arbeitnehmern eine lange Tradition60.
Derartige Systeme dienen vor allem der Steigerung der Einbringung und Motivierung der
Arbeitnehmer sowie der Erhöhung der Produktivität und Minderung sozialer Spannungen. Die
Kapitalbeteiligung von Arbeitnehmern ist aber auch mit Risiken aufgrund einer mangelnden
Diversifikation verbunden: Wird das Unternehmen insolvent, können die Arbeitnehmer unter
Umständen sowohl ihren Arbeitsplatz als auch ihre Ersparnisse verlieren. Arbeitnehmer in
58 Siehe Artikel 43 Absatz 1 Ziffer 7 Buchstabe b der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom

25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages über den Jahresabschluss
von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen und Artikel 34 Absatz 7 Buchstabe b der Siebenten
Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des
Vertrages über den konsolidierten Abschluss (Vierte und Siebente Richtlinie über das
Gesellschaftsrecht),

59 Siehe Erklärung des Europäischen Corporate Governance-Forums zu den Rechten von
Minderheitsaktionären.

60 Mitteilung zu den Rahmenbedingungen für die Förderung der finanziellen Beteiligung der
Arbeitnehmer, KOM 2002(364) endgültig; der PEPPER IV Bericht: "Benchmarking of Employee
Participation in Profits and Enterprise Results in the Member and Candidate Countries of the European
Union", 2008.

Drucksache 17/6506 – 30 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE 21 DE

ihrer Funktion als Anleger könnten aber auch eine wichtige Rolle spielen, wenn es um die
Ausweitung des Teils langfristig orientierter Aktionäre geht.

Frage:

(23) Sind Maßnahmen – und wenn ja, welche – zur Förderung der Kapitalbeteiligung von
Arbeitnehmern zu ergreifen?

3. DER GRUNDSATZ „MITTRAGEN ODER BEGRÜNDEN" (‘COMPLY OR EXPLAIN’) –
ÜBERWACHUNG UND UMSETZUNG DER CORPORATE GOVERNANCE-KODIZES

Aus Erhebungen unter Unternehmen geht hervor, dass die meisten den Grundsatz „Mittragen
oder Begründen" (‘comply or explain’) für ein geeignetes Mittel der Corporate Governance
halten. Diesem Ansatz zufolge muss ein Unternehmen, das sich für ein Abweichen von einer
Corporate Governance-Empfehlung entscheidet, detaillierte, spezifische und konkrete Gründe
dafür nennen. Sein Hauptvorteil ist die Flexibilität. So gestattet er Unternehmen, ihre
Corporate Governance-Praktiken ihrer jeweiligen Situation anzupassen (unter
Berücksichtigung ihrer Größe, der Aktionärsstruktur und sektoraler Eigenheiten). Auch soll er
die Unternehmen verantwortlicher machen, indem sie zu überlegen haben, ob ihre Corporate
Governance-Praktiken zweckmäßig sind, und ihnen ein Ziel vorgegeben wird. Der Grundsatz
„Mittragen oder Begründen" (‘comply or explain’) wird von den Regulierungsbehörden,
Unternehmen und Anlegern folglich weitgehend unterstützt, wie eine Studie über die Systeme
zur Überwachung und zur Durchsetzung von Corporate Governance Regeln in den
Mitgliedstaaten vom Herbst 200961 zeigte.

Allerdings ist die allgemeine Einführung des Grundsatzes „Mittragen oder Begründen"
(‘comply or explain’) in der EU auf Schwierigkeiten gestoßen. Die zuvor genannte Studie
zeigte wesentliche Mängel bei der Anwendung dieses Grundsatzes auf, die der Effizienz des
Europäischen Corporate Governance-Rahmens abträglich sind und die Nützlichkeit des
Systems einschränken. So scheinen einige Anpassungen erforderlich zu sein, um die
Anwendung der Corporate Governance-Kodizes zu verbessern. Die Lösungen sollten die
Basis des Grundsatzes „Mittragen oder Begründen" (‘comply or explain’) nicht verändern,
aber zu seiner wirksamen Funktionsweise beitragen, indem die Informationsqualität der
Berichte verbessert wird. Diese Lösungen greifen allerdings einem eventuell erforderlich
werdenden Ausbau bestimmter Anforderungen auf EU-Ebene nicht vor, indem sie eher als
Rechtsvorschriften als in Form von Empfehlungen abgegeben werden.

3.1 Verbesserung der Qualität der Erläuterungen in Corporate Governance-
Erklärungen

Der oben genannten Studie zufolge ist die allgemeine Qualität der Corporate Governance-
Erklärungen von Unternehmen beim Abweichen von einer Corporate Governance-Erklärung
nicht zufriedenstellend. Die Erläuterungen des Unternehmens werden schließlich von den
Anlegern beim Fällen ihrer Anlageentscheidungen und zur Beurteilung des
Unternehmenswerts verwendet. Aus der Studie ging jedoch hervor, dass die Unternehmen in
über 60 % der Fälle, in denen sie sich für die Nichtanwendung der Empfehlungen
61 Studie über die Systeme zur Überwachung und zur Durchsetzung von Corporate Governance Regeln in

den Mitgliedstaaten, abrufbar unter
http://ec.europa.eu/internal_market/company/ecgforum/studies_en.htm.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31 – Drucksache 17/6506

DE 22 DE

entschieden, keine ausreichende Erläuterung beibrachten. Entweder stellten sie schlicht fest,
dass sie von einer Empfehlung abwichen, ohne dies weiter zu erklären, oder sie brachten nur
eine allgemeine oder begrenzte Erläuterung bei.

In vielen Mitgliedstaaten ist allerdings eine langsame, aber allmähliche Verbesserung dieser
Situation zu beobachten. Die Unternehmen lernen dazu und bringen bessere Erläuterungen
bei, was der 'Erziehung' durch öffentliche oder private Stellen zu verdanken ist
(Finanzmarktaufsichtsbehörden, Börsen, Handelskammern usw.). Eine weitere Verbesserung
könnte noch erreicht werden, indem für die von den Unternehmen im Falle des Abweichens
von den Empfehlungen zu veröffentlichenden Informationen detailliertere Anforderungen
eingeführt werden. Diese Anforderungen sollten klar und präzise sein, denn viele der
derzeitigen Schwierigkeiten sind auf ein Missverständnis hinsichtlich der Art der
erforderlichen Erläuterungen zurückzuführen.

Ein gutes Beispiel für eine präzise Anforderung für Unternehmen ist der schwedische
Corporate Governance-Kodex, demzufolge das Unternehmen in seinem
Corporate Governance-Bericht vorzusehen hat, dass das Unternehmen klar angeben muss,
welchen Vorschriften des Kodexes nicht nachgekommen wurde, die Gründe für jeden Fall der
Nichteinhaltung anzugeben sind sowie die stattdessen gewählte Lösung zu erläutern ist.’62. Es
scheint angebracht zu sein zu fordern, dass Unternehmen nicht nur die Gründe für ein
Abweichen von einer bestimmten Empfehlung, sondern auch eine genaue Beschreibung der
stattdessen gewählten Lösung angeben.

3.2 Bessere Überwachung der Corporate Governance

Die von den Unternehmen veröffentlichten Corporate Governance-Erklärungen werden
anscheinend nicht so überwacht, wie dies der Fall sein sollte. In den meisten Mitgliedstaaten
müssen die Anleger die rechtliche Durchsetzung der Veröffentlichung fordern. Allerdings
treten sie unabhängig von der Kultur und den Traditionen ihres Mitgliedstaats oftmals nur
wenig in Aktion. Die Finanzmarktaufsichtsbehörden bzw. die Börsen und andere
Überwachungsbehörden arbeiten innerhalb unterschiedlicher Rechtsrahmen und haben
verschiedene Praktiken entwickelt. In den meisten Fällen kommt ihnen lediglich eine formelle
Rolle zu, zu überprüfen, ob die Corporate Governance-Erklärung auch wirklich veröffentlicht
wurde. Nur wenige Mitgliedstaaten verfügen über öffentliche oder spezialisierte Behörden,
die die Vollständigkeit der beigebrachten Informationen (vor allem aber die Erläuterungen)
überprüfen können.

Der Grundsatz „Mittragen oder Begründen" (‘comply or explain’) könnte wesentlich besser
funktionieren, wenn es den Überwachungsbehörden, wie den Wertpapieraufsichtsbehörden,
den Börsen oder anderen Behörden63 gestattet wäre nachzuprüfen, ob die verfügbaren
Informationen (vor allem aber die Erläuterungen) ausreichend informativ und verständlich
sind. Die Behörden sollten jedoch den Inhalt der veröffentlichten Informationen nicht
beeinflussen oder ein Urteil zu der vom Unternehmen gewählten Lösung abgeben. Dennoch
könnten die Behörden die Kontrollergebnisse veröffentlichen, um bewährte Praktiken zu
62 Siehe http://www.corporategovernanceboard.se/the-code/current-code, Punkt 10.2.
63 Auf die Rolle der Abschlussprüfer wird hier nicht eingegangen, da eine Konsultation zur Rolle der

gesetzlichen Abschlussprüfung Gegenstand eines gesonderten Grünbuchs ist, das unter folgender
Adresse abrufbar ist:
http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/docs/2010/audit/green_paper_audit_en.pdf.

Drucksache 17/6506 – 32 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE 23 DE

fördern und Unternehmen zu einer besseren Transparenz anzuhalten. Auch könnten formelle
Sanktionen für die schwersten Fälle der Nichteinhaltung ins Auge gefasst werden64.

Eine Möglichkeit zur Verbesserung der Kontrolle könnte in der Definition der
Corporate Governance-Erklärung als vorgeschriebene Information im Sinne von Artikel 2
Absatz 1 Buchstabe k der Richtlinie 2004/109/EG bestehen, um sie so den Befugnissen der
zuständigen Behörden gemäß Artikel 24 Absatz 4 der Richtlinie zu unterwerfen.

Was die verschiedenen von den Aufsichtsbehörden entwickelten Praktiken betrifft, so
bestehen zahlreiche Möglichkeiten für die Verbesserung und Ausweitung des Austausches der
bewährten Praktiken.

Fragen:

(24) Stimmen Sie der Tatsache zu, dass Unternehmen, die von den Empfehlungen der
Corporate Governance-Kodizes abweichen, gehalten sein sollten, detaillierte
Erläuterungen dafür beizubringen und die alternativen Lösungen zu beschreiben?

(25) Sollten Ihrer Auffassung nach die Aufsichtsbehörden befugt sein, die
Informationsqualität der Erläuterungen in den Corporate Governance-Erklärungen zu
überprüfen und die Unternehmen zu einer eventuellen Vervollständigung dieser
Erläuterungen aufzufordern? Wenn ja, wie sollte ihre Rolle im Einzelnen aussehen?

4. NÄCHSTE SCHRITTE

Die Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament, der Europäische Wirtschafts- und
Sozialausschuss sowie andere interessierte Parteien, sind gehalten, ihre Stellungnahmen zu
den in diesem Grünbuch genannten Vorschlägen zu übermitteln. Beiträge werden bis zum
22. Juli 2011 an folgende E-Mail-Adresse erbeten: [email protected]. Im
Anschluss an dieses Grünbuch und auf der Grundlage der erhaltenen Antworten wird die
Kommission über die nächsten Schritte entscheiden. Jedem künftigen Vorschlag mit oder
ohne Rechtsetzungscharakter wird eine eingehende Folgenabschätzung vorausgehen, die das
Erfordernis, die Unternehmen nicht übermäßig in Bezug auf ihre Verwaltung zu belasten,
mitberücksichtigen wird.

Die eingegangenen Beiträge werden im Internet veröffentlicht. Daher sollte die diesem
Grünbuch beigefügte spezielle Datenschutzerklärung gelesen werden, die Informationen zur
Verarbeitung personenbezogener Daten und zur Behandlung der Beiträge enthält.
64 Wie z.B. in Spanien — siehe Studie über die Praktiken bei der Überwachung und rechtlichen

Durchsetzung der Corporate Governance in den Mitgliedstaaten, S. 63.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 33 – Drucksache 17/6506

DE 24 DE

Anhang 1: Fragenkatalog

Allgemeine Fragen

(1) Sollten die EU-Corporate Governance-Maßnahmen die Größe börsennotierter
Gesellschaften berücksichtigen? Wenn ja, wie? Sollte für kleine und mittlere
börsennotierte Unternehmen eine unterschiedliche und zweckmäßige Lösung gefunden
werden? Wenn ja, gibt es geeignete Definitionen oder Schwellenwerte? Wenn ja,
schlagen Sie bitte bei der Beantwortung der nachstehenden Fragen Möglichkeiten für
ihre eventuelle Anpassung an KMU vor.

(2) Sollten Corporate Governance-Maßnahmen auf EU-Ebene für nicht börsennotierte
Unternehmen ergriffen werden? Sollte sich die EU auf die Förderung der Entwicklung
und Anwendung freiwilliger Kodizes für nicht börsennotierte Unternehmen
konzentrieren?

Verwaltungsrat

(3) Sollte die EU versuchen, eine klare Trennung der Aufgaben und Zuständigkeiten des
Verwaltungsratsvorsitzenden und des „Chief Executive Officer“/CEO zu
gewährleisten?

(4) Sollen im Rahmen der Personalpolitik das Profil der Verwaltungsratsmitglieder und
des Verwaltungsratsvorsitzenden genau definiert und ausreichende Befähigungen der
Verwaltungsratsmitglieder sowie Vielfalt bei der Zusammensetzung des
Verwaltungsrats gewährleistet werden? Wenn ja, wie könnte dies am Besten
geschehen und auf welcher Governance-Ebene, d.h. auf nationaler, auf EU- oder auf
internationaler Ebene?

(5) Sollten börsennotierte Unternehmen zur Veröffentlichung einer eventuell vorhandenen
Diversitätsstrategie angehalten werden und wenn ja, sollten sie dann ihre Ziele und
ihren wesentlichen Inhalt beschreiben sowie regelmäßige Fortschrittsberichte
offenlegen?

(6) Sollten börsennotierte Unternehmen gehalten sein, für ein besseres Gleichgewicht in
den Verwaltungsräten zu sorgen, und wenn ja, wie?

(7) Sollte Ihrer Auffassung nach auf EU-Ebene eine Maßnahme bestehen, die die Zahl der
Mandate eines nicht geschäftsführenden Verwaltungsratmitglieds begrenzt? Wenn ja,
wie sollte sie formuliert sein?

(8) Sollten börsennotierte Unternehmen dazu angehalten werden, regelmäßig eine externe
Beurteilung durchzuführen (z. B. alle drei Jahre)? Wenn ja, wie sollte dies geschehen?

(9) Sollte die Offenlegung der Vergütungspolitik, des Jahresvergütungsberichts (ein
Bericht über die Art und Weise der Umsetzung der Vergütungspolitik im Vorjahr) und
der Einzelvergütung der geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Mitglieder
der Unternehmensleitung obligatorisch werden?

(10) Sollte eine Abstimmung der Aktionäre über die Vergütungspolitik und den
Vergütungsbericht obligatorisch werden?

Drucksache 17/6506 – 34 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE 25 DE

(11) Stimmen Sie damit überein, dass der Verwaltungsrat den 'Risikoappetit' des
Unternehmens billigen und dafür verantwortlich sein sowie ihn den Aktionären
verständlich machen sollte? Sollten diese Offenlegungsanforderungen auch relevante
wichtige Gesellschaftsrisiken umfassen?

(12) Sollte der Verwaltungsrat Ihrer Meinung nach gewährleisten, dass die Vorkehrungen
im Zusammenhang mit dem Risikomanagement des Unternehmens wirksam und
seinem Risikoprofil angemessen sein sollten?

Aktionäre

(13) Bitte nennen Sie uns alle etwaigen EU-Rechtsvorschriften, die Ihrer Meinung nach
zum unangemessenen kurzfristigen Denken unter Anlegern beitragen, und unterbreiten
Sie Vorschläge, wie diese Bestimmungen im Hinblick auf die Verhinderung eines
solchen Verhaltens geändert werden könnten.

(14) Sind Maßnahmen – und wenn ja, welche – im Hinblick auf die Anreizstrukturen für
Vermögensverwalter, die die Portfolios von langfristig orientierten institutionellen
Anlegern verwalten, und ihre Leistungsbewertung zu ergreifen?

(15) Sollten die EU-Rechtsvorschriften eine wirksamere Überwachung der
Vermögensverwalter durch die institutionellen Anleger vorsehen, was Strategien,
Kosten, den Handel und die Frage angeht, in welchem Maße sich Vermögensverwalter
in Unternehmen, in die investiert werden wird, einbringen sollen? Wenn ja, wie?

(16) Sollte in den EU-Vorschriften eine gewisse Unabhängigkeit vom Leitungsorgan der
Vermögensverwalter, wie z. B. der Muttergesellschaft, festgeschrieben werden, oder
sind andere (Legislativ-) Maßnahmen erforderlich, um die Offenlegung und die
Handhabung von Interessenkonflikten zu verbessern?

(17) Wie könnte die Zusammenarbeit zwischen Aktionären in der EU am Besten erleichtert
werden?

(18) Sollte in den EU-Rechtsvorschriften eine größere Transparenz der Berater für die
Stimmrechtsvertretung gefordert werden, wenn es beispielsweise um ihre
Analysemethoden, Interessenkonflikte und ihre Konfliktbewältigungsstrategie und/
oder um die Anwendung bzw. Nichtanwendung eines Verhaltenskodexes geht? Wenn
ja, wie könnte dies am Besten erreicht werden?

(19) Sind Ihrer Auffassung nach weitere (Legislativ-)Maßnahmen erforderlich, z. B.
Einschränkungen der Möglichkeit für die Berater, Consulting-Dienstleistungen für
Unternehmen, in die investiert werden soll, zu erbringen?

(20) Halten Sie die Einführung eines technischen und/ oder rechtlichen Mechanismus auf
EU-Ebene für erforderlich, mit dem Emittenten ihre Aktionäre leichter identifizieren
können, um so den Dialog zu Corporate Governance-Fragen zu erleichtern? Wenn ja,
würde dieser Mechanismus auch der Zusammenarbeit zwischen Anlegern zugute
kommen? Bitte nennen Sie Einzelheiten (z. B. verfolgte(s) Ziel(e), bevorzugtes
Instrument, Häufigkeit, Detailniveau und Kostenzuweisung)..

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 35 – Drucksache 17/6506

DE 26 DE

(21) Benötigen Ihrer Meinung nach Minderheitsaktionäre zusätzliche Rechte, um ihre
Interessen in Unternehmen mit Mehrheitsaktionären oder Aktionären mit
beherrschendem Einfluss wirksam zu vertreten?

(22) Sollten Minderheitsaktionäre Ihrer Auffassung nach stärker gegen Transaktionen mit
nahe stehenden Unternehmen und Personen geschützt werden? Wenn ja, welche
Maßnahmen sollten ergriffen werden?

(23) Sind Maßnahmen – und wenn ja, welche – zur Förderung der Kapitalbeteiligung von
Arbeitnehmern zu ergreifen?

Überwachung und Umsetzung der Corporate Governance- Kodizes

(24) Stimmen Sie der Tatsache zu, dass Unternehmen, die von den Empfehlungen der
Corporate Governance-Kodizes abweichen, gehalten sein sollten, detaillierte
Erläuterungen dafür beizubringen und die alternativen Lösungen zu beschreiben?

(25) Sollten Ihrer Auffassung nach die Aufsichtsbehörden befugt sein, die
Informationsqualität der Erläuterungen in den Corporate Governance-Erklärungen zu
überprüfen und die Unternehmen zu einer eventuellen Vervollständigung dieser
Erläuterungen aufzufordern? Wenn ja, wie sollte ihre Rolle im Einzelnen aussehen?

Drucksache 17/6506 – 36 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DE 27 DE

Anhang 2: Aufstellung der EU-Maßnahmen auf dem Gebiet der Corporate Governance

– Richtlinie 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 zur
Änderung der Richtlinien des Rates 78/660/EWG über den Jahresabschluss von
Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, 83/349/EWG über den konsolidierten
Abschluss, 86/635/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von
Banken und anderen Finanzinstituten und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den
konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen (ABl. L 224 vom 16.8.2006,
S. 1-7).

– Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf
Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten
Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. L 390 vom
31. 12. 2004, S. 38-57).

– Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über
die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften
(ABl. L 184 14. 7. 2007, S. 17-24).

– Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004
betreffend Übernahmeangebote (ABl. L 142 vom 30. 4. 2004, S. 12-23).

– Empfehlung 2005/162/EG der Kommission vom 15. Februar 2005 zu den Aufgaben von
nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter
Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats (ABl. L 52 vom
25. 2. 2005, S. 51-63).

– Empfehlung 2004/913/EG der Kommission vom 14. Dezember 2004 zur Einführung einer
angemessenen Regelung für die Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung
börsennotierter Gesellschaften (ABl. L 385 vom 29.12.2004, S. 55-59).

– Empfehlung 2009/385/EG der Kommission vom 30. April 2009 zur Ergänzung der
Empfehlungen 2004/913/EG und 2005/162/EG zur Regelung der Vergütung von
Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften (ABl. L 120 vom
15. 5. 2009, S. 28–31).

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