BT-Drucksache 17/6316

zu den Legislativvorschlägen der Europäischen Kommission "Wirtschaftspolitische Steuerung in der EU" (KOM (2010) 522, 523, 524, 525, 526, 527) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Bundesregierung muss unverzüglich europäisch gestalten

Vom 29. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6316
17. Wahlperiode 29. 06. 2011

Antrag
der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Priska Hinz (Herborn), Fritz Kuhn, Kerstin
Andreae, Birgitt Bender, Dr. Thomas Gambke, Katja Keul, Sven-Christian Kindler,
Stephan Kühn, Christine Scheel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu den Legislativvorschlägen der Europäischen Kommission „Wirtschafts-
politische Steuerung in der EU“ (KOM(2010) 522, 523, 524, 525, 526, 527)

hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3
des Grundgesetzes

Bundesregierung muss unverzüglich europäisch gestalten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung blockiert die notwendige Stärkung der haushalts- und
wirtschaftspolitischen Überwachung in der EU. Seit September 2010 verhan-
deln das Europäische Parlament und die nationalen Regierungen (Rat) sechs ent-
sprechende Gesetzesvorschläge der Europäischen Kommission zur Reform des
Stabilitäts- und Wachstumspaktes sowie zur Etablierung eines neuen Verfahrens
zur makroökonomischen Überwachung. Jetzt ließ die Bundesregierung einen
bereits zwischen allen Verhandlungsakteuren ausgehandelten Kompromiss kur-
zerhand platzen.

Die Bundesregierung will die Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes an
entscheidender Stelle verhindern. Richtig wäre, den politischen Einfluss auf die
Anwendung von Durchsetzungsmechanismen zu minimieren und sich aus-
nahmslos für „quasi-automatische Sanktionen“ einzusetzen. Stattdessen will die
Bundesregierung im wichtigen präventiven Arm der haushaltspolitischen Über-
wachung weiterhin die EU-Finanzminister entscheiden lassen. Dem bisher voll-
zogenen Kuhhandel zwischen den Mitgliedstaaten wäre damit keinerlei Riegel
vorgeschoben.

Zudem sabotiert die Bundesregierung eine vernünftige makroökonomische
Überwachung. Die Lasten zum Abbau von Ungleichgewichten in der Eurozone

will sie einseitig bei Ländern mit Leistungsbilanzdefiziten abladen.

Eine der wichtigsten Lehren der Schuldenkrise ist, dass wir dringend eine wirk-
same Koordinierung der Haushalts- und Wirtschaftspolitiken der EU-Mitglied-
staaten benötigen.

Mit ihrer arroganten Verhandlungstaktik stößt die Bundesregierung das Europä-
ische Parlament und die Mehrheit der Mitgliedstaaten vor den Kopf. Während

Drucksache 17/6316 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
sich alle um einen echten Kompromiss bemühen, beharrt die Bundesregierung
versessen auf ihrer Einzelmeinung. Europa funktioniert so nicht. Europa ist kein
Durchboxen von Mindermeinungen. Europa braucht Lösungen, die für alle trag-
bar sind.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– den Abschluss der Verhandlungen um die künftige haushalts- und wirt-
schaftspolitische Steuerung in der EU nicht weiter zu blockieren,

– das demokratische Mehrheitsprinzip anzuerkennen und sich endlich für euro-
päische anstelle von nationalen Lösungen einzusetzen,

– sich für einen symmetrischen Ansatz bei der Bekämpfung makroökonomi-
scher Ungleichgewichte stark zu machen, d. h. entsprechende Maßnahmen
müssen sowohl in Ländern mit Leistungsbilanzdefiziten als auch in Ländern
mit Leistungsbilanzüberschüssen getroffen werden. Art, Umfang und Dring-
lichkeit der Maßnahmen sind für jedes Land einzeln zu bewerten,

– Durchsetzungsmechanismen so zu gestalten, dass sie sich weitgehend politi-
scher Einflussnahme entziehen und weder den sozialen Zusammenhalt ge-
fährden noch prozyklisch wirken.

Berlin, den 28. Juni 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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