BT-Drucksache 17/6142

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung -17/5864, 17/6133- Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon(UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und folgender Resolutionen, zuletzt 1937 (2010) vom 30. August 2010 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Vom 8. Juni 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/6142
17. Wahlperiode 08. 06. 2011

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Kerstin Müller (Köln), Marieluise Beck
(Bremen), Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel, Thilo Hoppe, Uwe
Kekeritz, Katja Keul, Ute Koczy, Tom Koenigs, Agnes Malczak, Omid Nouripour,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Hans-Christian Ströbele und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 17/5864, 17/6133 –

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United
Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701
(2006) vom 11. August 2006 und folgender Resolutionen, zuletzt 1937 (2010)
vom 30. August 2010 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Umbrüche in der arabischen Welt haben weitreichende und langfristige Fol-
gen für die ganze Region. Die Demokratiebewegungen haben alte verkrustete
Machtstrukturen aufgebrochen. Jetzt bietet sich die Chance für einen demokra-
tischen Wandel im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika. Insbeson-
dere die Unruhen in Syrien und das brutale Vorgehen des syrischen Regimes
gegen die friedlichen Demonstrationen haben unmittelbare Auswirkungen auf
den Nachbarn Libanon. Ein Wandel in Syrien würde nicht nur die gesellschaft-
lichen und politischen Verhältnisse im Libanon berühren, etwa die Rolle der
Hisbollah, sondern vermutlich das Gesicht der gesamten Region verändern.
Auch wenn noch nicht klar ist, wie sich die Situation in Syrien weiterentwickelt,
so stellt jedoch gerade „in diesen außergewöhnlichen Zeiten UNIFIL einen
Stabilitätsfaktor in der Region dar“ (so jedenfalls der UN-Sonderkoordinator für
den Libanon, Michael Williams).

Die Unruhen am 15. Mai 2011 im Grenzgebiet zwischen Israel, Syrien und
Libanon, bei denen 14 Menschen ums Leben kamen, machten deutlich, wie
gefährlich die Lage ist und wie leicht sie außer Kontrolle geraten kann. Ohne

substantielle Verhandlungen und eine Wiederbelebung des Nahost-Friedens-
prozesses zwischen Israelis und Palästinensern wird es keine Stabilität und
keinen Frieden geben. Dass eine weitere Eskalation ausblieb, ist auch der
Präsenz der UNIFIL zu verdanken, die die südlibanesische Grenze sicherte.

Der UNIFIL-Einsatz bleibt ein notwendiger und erfolgreicher Beitrag zum
Friedensprozess im Libanon und in der Region und wird von allen Konfliktpar-

Drucksache 17/6142 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

teien, insbesondere Israel, nach wie vor ausdrücklich begrüßt. Das gilt auch und
gerade für den deutschen Beitrag. Zwar konnte der Einsatz die weiterbestehen-
den Risiken einer innerlibanesischen sowie regionalen Destabilisierung nicht
beseitigen. Besorgniserregend bleibt die innenpolitische Blockadesituation im
Libanon. Seit Monaten gibt es keine Fortschritte bei einer Regierungsbildung,
die die Spaltung des Landes überwindet. Obwohl das Risiko eines erneuten be-
waffneten Konflikts mit Israel sowie ungelöste regionale Konflikte fortbeste-
hen, konnten sie doch auch dank UNIFIL minimiert werden. UNIFIL schafft
für beide Seiten einen akzeptablen Rahmen für direkte und indirekte Kontakte
und für Deeskalation.

Der Antrag der Bundesregierung hebt hervor, dass UNIFIL „die ihr zugewiese-
nen Aufgaben erfolgreich erfüllt“ und der Flottenverband MTF (Maritim Task
Force) an der Seegrenze des Libanon wesentlich dazu beigetragen haben. Es
bleibt nicht unerwähnt, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen in
seinem Fortschrittsbericht vom 28. Februar 2011 feststellt, dass es bei der Aus-
bildung libanesischer Kräfte verstärkter Anstrengung bedürfe. Unbeachtet da-
gegen bleibt, dass bei Kernforderungen der Resolution 1701 (2006) immer
noch wenige Fortschritte zu verzeichnen sind. Nach wie vor gibt es außerhalb
der staatlichen Sicherheitskräfte bewaffnete Milizen. Die Autorität des libane-
sischen Staates über den Südlibanon ist noch immer nicht erreicht. Der UN-Ge-
neralsekretär äußerte sich in seinem diesjährigen Umsetzungsbericht besorgt
über Verletzungen der Resolution, obwohl immerhin deren Anzahl im Ver-
gleich zur vorangegangenen Berichtsperiode zurückgegangen ist. Eine der
größten Herausforderungen bleiben das Problem der ungesicherten libanesisch-
syrischen Grenze und die Vorwürfe über anhaltenden Waffenschmuggel. Die
Resolution beinhaltet die Aufforderung an die libanesische Regierung, ihre
Grenzen zu sichern. Die internationale Gemeinschaft will die libanesische Re-
gierung in die Lage versetzen, dies zu gewährleisten. Solange die Landgrenze
nicht effektiv überwacht werden kann, bleibt der Erfolg von UNIFIL als stabili-
sierende Kraft unvollständig.

Der Deutsche Bundestag begrüßt die Bemühungen der libanesischen Regie-
rung, die Sicherung der Land- und Seegrenzen zu verbessern. Die selbststän-
dige Kontrolle der libanesischen Seegrenze ist bereits jetzt in Teilbereichen
möglich. Mit deutscher Unterstützung wird seit 2008 ein Projekt zum integrier-
ten Grenzmanagement an der nördlichen Landgrenze des Libanon zu Syrien
implementiert. Die substantielle Verbesserung im libanesisch-syrischen Ver-
hältnis ist besonders im Hinblick auf die Grenzsicherung bedeutend und muss
von Deutschland und der EU weiter unterstützt werden. Die libanesische Re-
gierung bekräftigt die Absicht zur Grenzdemarkierung mit Syrien. Verzögerun-
gen bei diesem Prozess würden den Erfolg der UNIFIL-Mission bedrohen.
Daher bedarf es der Unterstützung Deutschlands und der EU auch bei den Fest-
legungen hinsichtlich der zeitlichen Umsetzung und der entsprechenden Finan-
zierung seitens der Bundesregierung sowie der internationalen Gebergemein-
schaft. Der weitere Erfolg der UNIFIL-Mission wird zentral von den poli-
tischen Entwicklungen im Libanon selbst und in seiner Nachbarschaft, insbe-
sondere von den Entwicklungen in Syrien, abhängen.

Der UN-Sicherheitsrat hat am 30. August 2010 mit der Resolution 1937 (2010)
die UNIFIL-Mission mit einem Mandat bis zum 31. August 2011 verlängert.
Der Deutsche Bundestag befürwortet die Verlängerung der Mission durch den
UN-Sicherheitsrat um ein weiteres Jahr als Voraussetzung für eine weitere
deutsche Beteiligung. Deutschland muss die Möglichkeit haben, bei Bedarf
auch wieder die Führung übernehmen zu können und auch die Bereitschaft
dazu signalisieren. Libanon wünscht die Fortsetzung der deutschen Beteiligung
am UNIFIL-Flottenverband. Die FDP und der Bundesminister des Auswär-

tigen, Dr. Guido Westerwelle, haben in der Vergangenheit die Beteiligung der
Bundeswehr an UNIFIL abgelehnt. Schon die verkürzte Mandatsverlängerung

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/6142

im Dezember 2009 hat den Eindruck nahegelegt, aus sachfremden Motiven aus
der UNIFIL-Mission aussteigen zu wollen. Das ist aufgrund der stabilisieren-
den Rolle der UNIFIL kontraproduktiv. Deutschland muss die Bereitschaft
signalisieren, bei Bedarf wieder die Führung der MTF übernehmen zu können.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● die UN-Mission weiter zu unterstützen, damit diese ihre Aufgaben weiterhin
erfüllen kann. Dies muss auch im Mandatstext unterstrichen werden. Die
Einrichtung eines UNIFIL-Kontaktbüros in Tel Aviv ist weiter voranzutrei-
ben;

● dem Deutschen Bundestag einen Antrag auf eine Beteiligung der Bundes-
wehr an der UNIFIL vorzulegen, der die Möglichkeit und die Bereitschaft
enthält, weiterhin für die Führung der MTF zu Verfügung zu stehen;

● sich für eine konsequente Umsetzung der Ziele des UN-Mandats aus der
Resolution 1701 (2006) einzusetzen, insbesondere den libanesischen Staat
und die Armee bei der Ausübung ihrer Autorität im gesamten Hoheitsgebiet
zu unterstützen;

● den Fähigkeitenaufbau der libanesischen Streitkräfte durch Programme der
militärischen Ausbildungshilfe noch aktiver voranzutreiben und die Anzahl
der den libanesischen Streitkräften zur Verfügung stehenden Ausbildungs-
plätze in diesem Rahmen zu erhöhen;

● den politischen Prozess zur Stabilisierung und den Dialog- und Versöh-
nungsprozess im Libanon zu unterstützen und so zu den Voraussetzungen
für einen dauerhaften Frieden beizutragen;

● zur Verhinderung des Waffenschmuggels über die Landgrenzen gemeinsam
mit der EU einen relevanten Beitrag für die Fortsetzung und Ausweitung der
Grenzkontrollen verbindlich zuzusagen, dafür eine umfassende Strategie zu
entwerfen und einen breit angelegten Finanzierungsrahmen sowie eine funk-
tionierende Geberkoordinierung sicherzustellen;

● die libanesische Regierung weiterhin in ihren Bemühungen zu stärken, durch
einen nationalen Koordinator einen Entwurf für eine umfassende Grenz-
managementstrategie (draft strategy for border management) in Zusammen-
arbeit mit den relevanten libanesischen Sicherheitsinstitutionen und anderen
stakeholders zu verabschieden;

● regelmäßig den Fraktionen des Deutschen Bundestages über den Fortgang
des Grenzprojektes als wichtige Voraussetzung zur Schaffung einer effekti-
ven Grenzsicherheit im Libanon zu berichten;

● im Rahmen der Vereinten Nationen eine Demarkation der Grenze und eine
Lösung der Shebaa-Frage zu befördern;

● Gespräche für einen umfassenden Friedensprozess in der Region zu unter-
stützen.

Berlin, den 7. Juni 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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