BT-Drucksache 17/5646

Fehlerhafte Krankenhausabrechnungen

Vom 20. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5646
17. Wahlperiode 20. 04. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Harald Weinberg, Inge Höger, Dr. Ilja Seifert,
Kathrin Senger-Schäfer, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Fehlerhafte Krankenhausabrechnungen

Immer wieder gehen Meldungen durch die Presse, dass Krankenhäuser gegen-
über den Krankenkassen häufig zu viel abrechnen. Da Krankenhäuser als Element
der Daseinsvorsorge zuallererst einen Versorgungsauftrag haben, ist zu hinter-
fragen, wieso es zu diesen Abrechnungsfehlern kommen kann. Gründe könnten
in Personaleinsparungen und in Arbeitsverdichtung aufgrund der Finanzmisere
liegen, unter denen die Krankenhäuser seit Jahren durch politische Entscheidun-
gen leiden. Ebenso können die komplizierten Abrechnungsverfahren dabei eine
Rolle spielen. Für diese unabsichtlichen Falschabrechnungen spricht, dass es
auch Falschabrechnungen zuungunsten der Krankenhäuser gibt. Nicht auszu-
schließen ist, dass vorsätzlich falsch abgerechnet wird.

In Pressemeldungen ist von unterschiedlich hohen Falschabrechnungen die
Rede. So behaupten die Krankenkassen, dass 60 Prozent der geprüften Abrech-
nungen nicht korrekt seien, während die Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V.
von 40 Prozent ausgeht. Ebenso besteht Uneinigkeit über die Höhe der jährli-
chen Überzahlung der Krankenhäuser. Diese Zahlen schwanken zwischen 600
Mio. Euro und 1,5 Mrd. Euro. Der Bundesrechnungshof (BRH) geht in seinen
aktuellen Prüfungsergebnissen von 875 Mio. Euro aus (Pressemitteilung des
BRH vom 12. April 2011).

Bislang geht die falsche Abrechnung für Krankenhäuser mit keinen Sanktionen
oder auch nur Kostenbeteiligungen einher, solange nicht nachgewiesen ist, dass
diese vorsätzlich geschehen ist. Umgekehrt entstehen den Krankenkassen zu-
sätzliche Kosten in Höhe von 300 Euro für jede Überprüfung einer Abrechnung,
die keinen Fehler nachweist. Damit sind die Kassen gefordert, die Überprüfun-
gen so zu veranlassen, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die überprüften
Abrechnungen fehlerhaft sind. Dadurch werden nur etwa 10 Prozent der Rech-
nungen geprüft.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Fälle falscher Abrechnungen, die zu Überzahlungen durch die ge-
setzlichen Krankenkassen führen, werden jährlich durch den Medizinischen
Dienst der Krankenversicherungen (MDK) ermittelt?
Wie haben sich diese Zahlen seit Einführung der DRG (DRG: diagnosis re-
lated groups; Fallpauschalen) entwickelt?

2. Von welchen Dunkelziffern geht die Bundesregierung bezüglich der Falsch-
abrechnungen aus, da der MDK nur bei Verdacht einer Falschabrechnung ak-
tiv wird?

Drucksache 17/5646 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Weicht die Anzahl (pro 1 000 Abrechnungen) entdeckter Falschabrechnun-
gen von Krankenhaus zu Krankenhaus, von Krankenhausträger zu Kran-
kenhausträger sowie von Bundesland zu Bundesland voneinander ab?

Falls ja, in welchem Ausmaß weichen sie voneinander ab?

4. Wie viele Fälle falscher Abrechnungen, die zu Unterzahlungen durch die
gesetzlichen Krankenkassen führen, werden jährlich durch den MDK ermit-
telt?

Wie haben sich diese Zahlen seit Einführung der DRG und in Abhängigkeit
der Fallzahlen entwickelt?

5. Wie hoch ist die Anzahl von Falschabrechnungen zugunsten der Kranken-
häuser und die zu ihren ungunsten?

Wie erklärt die Bundesregierung diese Differenz?

6. Wie viel Geld wird durch Falschabrechnungen zugunsten der Krankenhäu-
ser und wie viel zu ihren ungunsten abgerechnet?

Wie erklärt die Bundesregierung diese Differenz?

7. Gibt es neben den Überprüfungen des MDK, die von den Krankenkassen
angefordert werden, auch unabhängige zufällige Stichprobenüberprüfungen
von Krankenhausabrechnungen, um realistische Zahlen über das Ausmaß
von Falschabrechnungen zu erhalten?

Gibt es Ergebnisse aus zufälligen Stichprobenüberprüfungen darüber, wie
oft zu hohe oder zu niedrige Abrechnungen seitens der Krankenhäuser ein-
gereicht werden?

Hält die Bundesregierung zufällige Stichprobenüberprüfungen von Abrech-
nungen für sinnvoll?

8. Wie hoch belaufen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die jährlichen
Überzahlungen aufgrund falscher Abrechnungen von gesetzlichen Kran-
kenkassen an die Krankenhäuser?

Wie haben sich diese Zahlen seit Einführung der DRG entwickelt?

9. Wie hoch ist der durchschnittliche Fehlbetrag pro falscher Abrechnung?

Wie hat sich diese Zahl seit Einführung der DRG entwickelt?

10. Wie viel Prozent der Krankenhausabrechnungen an gesetzliche Kranken-
kassen wurden seit dem Jahr 2000 jährlich überprüft?

11. Gibt es deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Krankenkassen bezogen
auf die Anzahl der Abrechnungsüberprüfungen durch den MDK?

12. Welche Gründe führt der MDK bei einer Einordnung als Falschabrechnung
auf (bitte häufigste Gründe nennen)?

13. Welche Ursachen liegen nach Ansicht der Bundesregierung für Falsch-
abrechnungen vor?

14. Welche Sanktionsmöglichkeiten bestehen, um Falschabrechnungen zu ahn-
den?

15. Wie oft pro Jahr werden solche Sanktionen bundesweit verhängt?

16. Wie oft pro Jahr werden absichtliche Falschabrechnungen erfasst?

17. Ist es möglich, dass absichtliche Falschabrechnungen von MDK und Kran-
kenkassen unbemerkt bleiben?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5646

18. Sieht die Bundesregierung bezüglich der Zahl der Falschabrechnungen
Handlungsbedarf?

Wenn ja, wann will sie aktiv werden?

19. Welche Möglichkeiten zur Verringerung der Falschabrechnungen erwägt
die Bundesregierung, und welche Möglichkeit bevorzugt sie?

20. Warum müssen die Krankenkassen für eine Überprüfung eine Gebühr von
300 Euro bezahlen, wenn die Abrechnung korrekt war?

21. Warum müssen die Krankenhäuser keine Gebühr entrichten, wenn eine
Überprüfung eine unkorrekte Abrechnung aufgedeckt hat?

22. Welche Anreize gibt es für Krankenhäuser, sorgfältig und korrekt abzurech-
nen?

23. Gibt es für Krankenhäuser verbindliche und unmissverständliche Kodier-
richtlinien?

24. Wer entscheidet im Zweifelsfall darüber, welche Kodierung bei Interpreta-
tionsspielräumen anzuwenden ist?

25. Welche Möglichkeiten haben Krankenhäuser, wie Krankenkassen, gegen
einen MDK-Gutachter vorzugehen, wenn dieser sich nicht an die Kodier-
empfehlungen der Expertengruppen des DGfM (Deutsche Gesellschaft für
Medizincontrolling e. V.) und des MDK hält?

26. Liegt es in der Natur eines komplexen Systems mit über 13 000 systemati-
schen und weiteren über 76 000 alphabetischen Diagnoseeinträgen sowie
über 27 000 systematischen und weiteren fast 31 000 alphabetischen Proze-
durenbezeichnungen, dass es häufig mehrere Kodiervarianten gibt, die viele
Fehlermöglichkeiten bieten?

Berlin, den 20. April 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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