BT-Drucksache 17/5645

Umsetzung der Wehrpflicht im Jahr 2010

Vom 20. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5645
17. Wahlperiode 20. 04. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, Andrej Hunko, Harald Koch,
Niema Movassat, Thomas Nord, Kathrin Vogler, Katrin Werner und der Fraktion
DIE LINKE.

Umsetzung der Wehrpflicht im Jahr 2010

Mit der Annahme des Wehrrechtsänderungsgesetzes 2011 wird die Wehrpflicht
ab dem 1. Juli 2011 ausgesetzt. Zum 3. Januar 2011 sind zum vorerst letzten Mal
Wehrpflichtige zu einem Grundwehrdienst einberufen worden. In Zukunft soll
Männern wie Frauen die Möglichkeit eines freiwilligen Wehrdienstes angeboten
werden. Ausschlaggebend für die Entscheidung des Bundesministeriums der
Verteidigung, die Wehrpflicht auszusetzen, waren nicht der Zwangsdienst-
charakter der Wehrpflicht, sondern die von der Bundesregierung beschlossenen
Sparvorgaben für den Verteidigungshaushalt, die auch eine Verkleinerung des
Personals notwendig machen.

Insgesamt war von Seiten der Bundesregierung bis zuletzt eine breite gesell-
schaftliche Diskussion über die Wehrpflicht nicht gewünscht. Dies spiegelt sich
auch in der bisherigen Informationspolitik der Bundesregierung wider. Obwohl
die mit der Wehrpflicht verbundenen Zwangsdienste (Grundwehrdienst und
Zivildienst) und Zwangspflichten (u. a. Informationspflicht, Musterung, Ge-
nehmigungspflicht für Auslandsaufenthalte) die Lebensplanung von mehreren
Millionen Bürgern in Deutschland beschnitten und massiv in ihre Grundrechte
eingegriffen haben, war die Bundesregierung nicht bereit, transparent über die
Umsetzung der Wehrpflicht zu informieren und Rechenschaft abzulegen. Ob-
wohl zum Beispiel eine allgemeine Ausschöpfung der männlichen Geburten-
jahrgänge seit vielen Jahren nicht mehr gewährleistet werden konnte, hat die
Bundesregierung immer wieder behauptet, dass ein Verstoß gegen das Gebot der
Wehrgerechtigkeit nicht gegeben sei. Erst im Herbst 2010 hat der damalige Bun-
desminister der Verteidigung Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (z. B. in der
FAZ vom 15. September 2010) diesen Missstand öffentlich eingeräumt. Die
Bundesregierung war auch nicht bereit und in der Lage, Rechenschaft über die
Folgen des Zwangsdienstes für die Betroffenen abzulegen. Bis heute liegen
keine Angaben über die seit 1957 im Dienst ums Leben gekommenen Wehr-
pflichtigen vor, genauso wenig, wie es Angaben darüber gibt, wie viele Wehr-
pflichtige sich aufgrund ihres erzwungenen Militärdienstes das Leben genom-
men haben (siehe Bundestagsdrucksache 16/13808).
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie stark sind die einzelnen Jahrgänge 1983 bis 1987?

2. Wie stark haben sich diese Jahrgänge verändert

a) durch Sterbefälle,

b) durch Wegzug aus der Bundesrepublik Deutschland,

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c) durch Zuwanderung,

d) durch Einbürgerung?

3. Wie hoch ist demnach die Zahl der Wehrpflichtigen in den Jahrgängen 1983
bis 1987?

4. Wie hoch ist die Zahl der Wehrpflichtigen der Jahrgänge 1983 bis 1987 nach
den Datenbeständen des Wehrersatzwesens (bitte jeweils zum Ende eines
Jahres und nach Jahrgängen getrennt aufführen)?

5. Wie viele Wehrpflichtige sind wegen Wegzugs ohne Genehmigung nicht er-
reichbar?

6. Wie viele Erstuntersuchungen wurden im Kalenderjahr 2010

a) wehrdienstfähig (T1, T2),

b) vorübergehend nicht wehrdienstfähig (T4),

c) dauernd nicht wehrdienstfähig (T5) abgeschlossen?

7. Wie viele Wehrpflichtige der Jahrgänge 1983 bis 1994 (bitte aufgeschlüsselt
nach Jahrgängen) wurden bei der Erstuntersuchung

a) wehrdienstfähig (T1, T2),

b) wehrdienstfähig mit Einschränkungen in der Grundausbildung und für
bestimmte Tätigkeiten (T3),

c) wehrdienstfähig unter Freistellung von der Grundausbildung (T7),

d) vorübergehend nicht wehrdienstfähig (T4),

e) dauernd nicht wehrdienstfähig (T5) gemustert?

8. Wie viele Musterungen wurden im Kalenderjahr 2010 mit welchen Ergeb-
nissen abgeschlossen?

9. Wie viele Wehrpflichtige der Jahrgänge 1983 bis 1994 (bitte aufgeschlüsselt
nach Jahrgängen) waren am 31. Dezember 2010 noch

a) wehrdienstfähig (T1, T2),

b) wehrdienstfähig mit Einschränkungen in der Grundausbildung und für
bestimmte Tätigkeiten (T3),

c) wehrdienstfähig unter Freistellung von der Grundausbildung (T7),

d) vorübergehend nicht wehrdienstfähig (T4),

e) dauernd nicht wehrdienstfähig (T5) gemustert?

10. Wie viele polizeiliche Vorführungen zur Musterung wurden 2010 bundes-
weit angeordnet?

11. Wie viele richterliche Anordnungen auf polizeiliche Vorführungen zur Mus-
terung wurden 2010 beantragt, und wie viele wurden erteilt?

12. Wie viele Wehrpflichtige der Jahrgänge 1983 bis 1994 wurden nach Akten-
lage (§ 17 Absatz 10 des Wehrpflichtgesetzes – WPflG) gemustert (bitte
aufgeschlüsselt nach Jahrgängen)?

13. Wie viele Wehrpflichtige der Jahrgänge 1983 bis 1987 konnten bis heute
nicht gemustert werden (bitte aufgeschlüsselt nach Jahrgängen)?

14. Wie viele Wehrpflichtige der Jahrgänge 1983 bis 1987 (bitte aufgeschlüsselt
nach Jahrgängen und aufgeschlüsselt danach, ob der Grund vor oder wäh-
rend des Dienstes aufgetreten ist), die nicht als Kriegsdienstverweigerer an-

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erkannt sind, mussten von der Grundwehrdienstleistung wegen gesetzlicher
Wehrdienstausnahmen auf Dauer freigestellt werden

a) nach § 10 WPflG (Ausschluss vom Wehrdienst),

b) nach § 11 WPflG (Befreiung),

c) nach § 12 WPflG (unzumutbare Härte),

d) nach § 13 WPflG (Unabkömmlichkeitsstellung)?

15. Wie viele ungediente Wehrdienstfähige der Jahrgänge 1983 bis 1987, die
nicht als Kriegsdienstverweigerer anerkannt sind, können als über 23-Jäh-
rige nicht mehr einberufen werden (bitte aufgeschlüsselt nach Jahrgängen)?

16. Wie viele Wehrpflichtige der Jahrgänge 1983 bis 1987 (bitte aufgeschlüsselt
nach Jahrgängen) haben Wehrdienst geleistet oder leisten diesen auf Grund
eines Dienstantritts vor dem 31. Dezember 2010 heute noch

a) als Grundwehrdienstleistende,

b) als Wehrpflichtige, die sich dann freiwillig länger verpflichtet haben
(Freiwillig Wehrdienstleistende – FWDL – bis max. 23 Monate),

c) als Wehrpflichtige, die sich dann freiwillig länger verpflichtet haben
(zwei Jahre und mehr),

d) als freiwillige Soldaten mit max. zwei Jahren Dienstzeit,

e) als freiwillige Soldaten mit mehr als zwei Jahren Dienstzeit?

17. Wie viele Grundwehrdienstleistende (W 9) der Jahrgänge 1983 bis 1994
wurden nach Ableistung des Wehrdienstes einmalig zu Wehrübungen ein-
berufen (bitte aufgeschlüsselt nach Jahrgängen)?

18. Wie viele von diesen wurden noch ein zweites oder drittes Mal zu Wehr-
übungen einberufen?

19. Wie viele freiwillig länger dienende Wehrdienstleistende wurden nach Ende
ihrer Dienstzeit einmalig zu Wehrübungen einberufen?

20. Wie viele von diesen wurden noch ein zweites oder drittes Mal zu Wehr-
übungen einberufen?

21. Wie viele Militärdienstpflichtige der Jahrgänge 1983 bis 1987 (bitte aufge-
schlüsselt nach Jahrgängen) haben einen Dienst geleistet

a) als Helfer im Katastrophenschutz (§ 13a WPflG),

b) in der Entwicklungshilfe (§ 13b WPlfG),

c) im Vollzugsdienst der Polizei und beim Bundesgrenzschutz (§ 42 und
§ 42a WPflG)?

22. Wie viele Wehrpflichtige der Jahrgänge 1983 bis 1987 haben eine Anerken-
nung als Kriegsdienstverweigerer beantragt (bitte aufgeschlüsselt nach
Jahrgängen)?

23. Wie viele Wehrpflichtige dieser Jahrgänge wurden als Kriegsdienstverwei-
gerer anerkannt (bitte aufgeschlüsselt nach Jahrgängen)?

24. Wie viele Wehrpflichtige dieser Jahrgänge sind vor ihrer Einberufung zum
Wehrdienst als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden (bitte aufge-
schlüsselt nach Jahrgängen)?

25. Wie viele Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer sind 2010
durch die Kreiswehrersatzämter registriert worden (bitte aufgeschlüsselt
nach Ungedienten, Einberufenen/Vorbenachrichtigten, Soldaten, Reservis-

ten sowie nach Jahrgängen)?

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26. Wie viele Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer wurden
2010 zur Bearbeitung durch die Kreiswehrersatzämter an das Bundesamt
für den Zivildienst weitergeleitet (bitte aufgeschlüsselt nach Ungedienten,
Einberufenen/Vorbenachrichtigten, Soldaten, Reservisten sowie nach Jahr-
gängen)?

27. Wie viele Antragsteller wurden als Kriegsdienstverweigerer anerkannt
(bitte aufgeschlüsselt nach Ungedienten, Einberufenen/Vorbenachrichtig-
ten, Soldaten, Reservisten sowie nach Jahrgängen)?

28. Wie viele anerkannte Kriegsdienstverweigerer der Jahrgänge 1983 bis 1987
(bitte aufgeschlüsselt nach Jahrgängen) haben

a) Zivildienst voll geleistet,

b) Zivildienst nach angefangenen oder absolviertem Wehrdienst geleistet,

c) keinen Zivildienst geleistet, weil durch Wehrdienst abgegolten,

d) statt Zivildienst andere Ersatzdienste geleistet,

e) nach § 14 des Zivildienstgesetzes (ZDG) (Katastrophenschutz),

f) nach § 14a ZDG (Entwicklungsdienst),

g) nach § 14b ZDG (andere Dienste im Ausland),

h) nach § 14c ZDG (Freiwilliges Jahr),

i) nach § 15 ZDG (Polizeivollzugsdienst),

j) nach § 15a ZDG (Freies Arbeitsverhältnis),

k) trotz Einberufung keinen Dienst geleistet, da nicht angetreten,

l) den Dienst angetreten aber später abgebrochen?

29. Wie viele gesetzlichen Zivildienstausnahmen bei anerkannten Kriegsdienst-
verweigerern (bitte aufgeschlüsselt nach den Jahrgängen 1983 bis 1987 und
aufgeschlüsselt danach, ob der Grund vor oder nach dem Dienstantritt auf-
getreten ist) gab es

a) nach § 9 Absatz 1 ZDG (Ausschluss),

b) nach § 10 ZDG (Befreiung),

c) nach § 13 ZDG (unzumutbarer Härte),

d) nach § 16 ZDG (Unabkömmlichkeitsstellung),

e) weil die Dienstfähigkeit nach der Musterung weggefallen ist?

30. Wie viele tauglich gemusterte Wehrpflichtige der Jahrgänge 1983 bis 1987
ohne gesetzliche Wehrdienstausnahmen oder dauerhafte Befreiung bzw.
dauerhafte Zurückstellung sind noch nicht einberufen (bitte aufgeschlüsselt
nach Jahrgängen)?

31. Wie viele tauglich gemusterte anerkannte Kriegsdienstverweigerer der Jahr-
gänge 1983 bis 1987 ohne gesetzliche Wehrdienstausnahmen oder dauer-
hafte Befreiung bzw. dauerhafte Zurückstellung sind noch nicht zum Zivil-
dienst herangezogen worden (bitte aufgeschlüsselt nach Jahrgängen)?

32. Wie viele Wehrpflichtige wurden 2010 einberufen?

33. Bei wie vielen musste die Einberufung zurückgenommen werden

a) aus gesundheitlichen Gründen,

b) wegen gesetzlicher Wehrdienstausnahmen einschließlich Einberufungs-

hindernissen und Unabkömmlichkeitsstellungen,

c) aus organisatorischen Gründen?

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34. In wie vielen Fällen war ein Ersatz für Ausfälle vorbenachrichtigt?

35. In wie vielen Fällen war ein Ersatz für Ausfälle nicht mehr möglich?

36. Wie viele einberufene Wehrpflichtige haben den Grundwehrdienst angetre-
ten?

37. Wie viele waren nach Ablauf eines Monats noch im Grundwehrdienst?

38. Wie viele Wehrdienstleistende waren 2010 bei Dienstantritt bereits 22 Jahre,
aber noch nicht 23 Jahre alt, und wie viele waren bereits 24, aber noch nicht
25 Jahre alt?

39. Wie viele Wehrpflichtige waren 2010 bei ihrem Diensteintritt unter 18 Jahre
alt?

40. Welche durchschnittliche Personalstärke hatte die Bundeswehr im Jahr
2010 (bitte aufgeschlüsselt nach Berufssoldatinnen und -soldaten, Soldatin-
nen und Soldaten auf Zeit sowie Grundwehrdienstleistenden und FWDL,
Zahlen nicht aufgerundet)?

41. Wie viele Strafanzeigen wegen Fahnenflucht (§ 16 des Wehrdienststraf-
gesetzes – WStG) wurden 2010 gegenüber Grundwehrdienstleistenden so-
wie gegenüber freiwillig zusätzlich Wehrdienstleistende gestellt?

42. Wie viele Strafanzeigen wegen eigenmächtiger Abwesenheit (§ 15 WStG)
wurden 2010 gegenüber Grundwehrdienstleistenden sowie gegenüber frei-
willig zusätzlich Wehrdienstleistende gestellt?

43. Wie viele Strafanzeigen wegen Ungehorsam (§ 19 WStG) und wegen Ge-
horsamsverweigerung (§ 20 WStG) wurden 2010 gegenüber Grundwehr-
dienstleistenden sowie gegenüber freiwillig zusätzlich Wehrdienstleistende
in diesen Jahren gestellt?

44. In wie vielen Fällen wurden 2010 gegenüber Soldaten Disziplinararreste
verhängt (bitte nach Dauer sowie nach Grundwehrdienstleistenden und
Freiwilligen aufgeschlüsselt)?

45. Wie viele Zivildienstpflichtige wurden 2010 einberufen (bitte aufgeschlüs-
selt nach den einzelnen Jahrgängen)?

46. Wie viele Zivildienstleistende waren 2010 bei Dienstantritt bereits 22 Jahre,
aber noch nicht 23 Jahre alt, und wie viele waren bereits 24, aber noch nicht
25 Jahre alt?

47. Bei wie vielen Zivildienstpflichtigen musste die Einberufung zurückgenom-
men werden

a) aus gesundheitlichen Gründen,

b) wegen gesetzlicher Wehrdienstausnahmen einschließlich Einberufungs-
hindernisse und Unabkömmlichkeitsstellungen,

c) aus organisatorischen Gründen?

48. Wie viele Zivildienstpflichtige haben 2010 ihren Dienst angetreten?

49. Wie viele Zivildienstpflichtige waren nach Ablauf eines Monats noch im
Dienst?

50. Wie viele Zivildienstpflichtige haben sich in 2010 zu einem freiwilligen zu-
sätzlichen Zivildienst nach § 41a ZDG verpflichtet?

51. Wie viele Strafanzeigen wurden 2010 wegen eigenmächtiger Abwesenheit
(§ 52 ZDG) gestellt?

52. Wie viele Strafanzeigen wurden 2010 wegen Dienstflucht (§ 53 ZDG) ge-

stellt?

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53. Wie viele Strafanzeigen wurden wegen Nichtbefolgen von Anordnungen
(§ 54 ZDG) 2010 gestellt?

54. Wie viele Wehrübungstage wurden im Jahr 2010 insgesamt abgehalten?

55. Wie viele Reservisten haben im Jahr 2010 an Wehrübungen teilgenommen

a) als ehemalige Grundwehrdienstleistende,

b) als ehemalige freiwillig länger dienende Wehrdienstleistende,

c) als Zeitsoldaten?

56. Wie viele Grundwehrdienstleistende und freiwillig Wehrdienstleistende
waren 2009 in welchen Verwendungen eingesetzt?

Berlin, den 20. April 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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