BT-Drucksache 17/5603

Blockade des Gaza-Streifens

Vom 18. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5603
17. Wahlperiode 18. 04. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck
(Köln), Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz,
Katja Keul, Ute Koczy, Tom Koenigs, Agnes Malczak, Omid Nouripour, Claudia
Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian Ströbele
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Blockade des Gaza-Streifens

Der Deutsche Bundestag hat in seiner Plenumsdebatte am 1. Juli 2010 einstim-
mig den Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN „Ereignisse um die Gaza-Flotille aufklären – Lage der Menschen in
Gaza verbessern – Nahost-Friedensprozess unterstützen“ (Bundestagsdruck-
sache 17/2328) verabschiedet. Die in diesem Antrag benannten Probleme beste-
hen fort. Sie haben sich nur teilweise leicht verbessert. Nach einem Bericht des
UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA) vom März
2011 hat die Lockerung der Blockade des Gazastreifens nur eine begrenzte
Erleichterung der Lebenssituation für die dortige Bevölkerung gebracht. Der
ausschlaggebende Charakter der weiterbestehenden Einschränkungen habe
zusammen mit der enormen Dimension der bestehenden Probleme insgesamt
dazu geführt, dass die Erleichterungen keine große Effektivität entfalten und so
nicht zu einer wirklichen Verbesserung der humanitären Lage führen konnten.
Während die Erleichterungen einen Schritt in die richtige Richtung darstellten,
müsse Israel die Blockade vollständig aufheben, um seine rechtlichen Verpflich-
tungen zu erfüllen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Ergebnisse der von der israelischen
Regierung eingesetzten sogenannten Turkel-Kommission, wonach die an der
Operation beteiligten israelischen Soldaten in Selbstverteidigung handelten
und die dreieinhalb jährige israelische Blockade des Gazastreifens nicht ge-
gen internationales Recht verstoße?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung den Bericht von 23 Entwicklungs-, Men-
schenrechts- und Friedensorganisationen vom Dezember 2010, wonach die
Umwandlung der Positivliste von Gütern, deren Einfuhr in den Gazastreifen
möglich ist, in eine Negativliste verbotener Güter nur eine teilweise Verbes-

serung der Lage gebracht habe, weil der Teil, der Dual-Use-Güter betrifft,
deutlich über die in der international anerkannten Wassenaar-Absprachen
festgelegten Kriterien hinausgehe und viele Güter, die nicht auf der Liste ste-
hen, dennoch eine Sondererlaubnis benötigten?

Drucksache 17/5603 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Ist es für die Bundesregierung akzeptabel, dass die israelische Regierung
nach wie vor die allgemeine Einfuhr von Baumaterial untersagt, obwohl
Baumaterialien weder nach israelischem Gesetz, noch nach internationalem
Recht als Dual-Use-Güter betrachtet werden?

4. Ist der Bundesregierung bekannt, dass bis Dezember 2010 lediglich 7 Pro-
zent der von der United Nations Relief and Works Agency for Palestine
Refugees in the Near East (UNRWA) im Gazastreifen beantragten Projekte
(Schulen, Kliniken, Wohneinheiten) genehmigt wurden?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die Information des Berichtes des
OCHA vom März 2011, wonach wegen der hohen Arbeitslosenrate verbun-
den mit dem großen Bedarf nach Baumaterial für tausende von Menschen
keine Alternative zu der Arbeit in den Tunneln unter der ägyptischen
Grenze oder der Suche nach Bauschutt in den Gebieten mit beschränktem
Zugang nahe des Grenzzaunes besteht. Dabei seien im Jahr 2010 mindes-
tens 58 palästinensische Zivilisten, darunter 9 Kinder ums Leben gekom-
men und 257, darunter 46 Kinder verletzt worden?

6. Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um sich dafür ein-
zusetzen, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen (VN) damit be-
auftragt wird, mit Israel über den Zugang nach Gaza auch auf dem Seeweg
und die Schaffung entsprechender technischer Voraussetzungen mit dem
Ziel zu verhandeln, dass unter Wahrung der Sicherheitsinteressen Israels
von den Vereinten Nationen benötigte Güter nach Gaza eingeführt werden
können?

7. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Internationalen Währungs-
fonds vom September 2010, dass eine signifikante wirtschaftliche Erholung
im Gazastreifen nur möglich sein wird, wenn die Exportbeschränkungen zu
Märkten außerhalb des Gazastreifens, einschließlich Israels beseitigt wer-
den und wenn das Importverbot für Baumaterialien aufgehoben wird?

8. Hat sich nach Auffassung der Bundesregierung seit Juli 2010 an der Ein-
schätzung von VN und Menschenrechtsorganisationen etwas geändert, dass
im Gazastreifen zwar kein Mangel an Grundnahrungsmitteln und grund-
legender medizinischer Versorgung herrscht, aber eine wirtschaftliche Ent-
wicklung als Grundlage für ein Leben in Würde wegen der israelischen
Blockade nicht möglich ist?

9. Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um auf die ägyp-
tische Regierung in dem Sinne einzuwirken, dass ein regelmäßiger und im
Interesse der Sicherheit der israelischen Bevölkerung kontrollierter Grenz-
verkehr ermöglicht wird?

10. Wie schätzt die Bundesregierung die möglichen Entwicklungen an der
Grenze zwischen Ägypten und dem Gazastreifen nach dem Rücktritt des
ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak ein?

11. Wie schätzt die Bundesregierung die kontroversen Diskussionen ein, die es
infolge der einstimmigen Verabschiedung des Antrages am 1. Juli 2010 im
Deutschen Bundestag in der deutschen und vereinzelt auch in der israeli-
schen Öffentlichkeit gegeben hat?

Ist dadurch Schaden für die deutsch-israelischen Beziehungen entstanden?

12. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung so auf die israelische
Regierung einzuwirken, dass diese den Obleuten des Auswärtigen Aus-
schusses des Deutschen Bundestages die Einreise in den Gazastreifen nicht
weiterhin verweigert und so die ursprünglich für Mitte Februar 2011 vorge-
sehene Reise nach Israel und in den Gazastreifen doch noch nachgeholt

werden kann?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5603

13. Wie beurteilt die Bundesregierung den Artikel von Richter Richard
Goldstone in der „The Washington Post“ vom 1. April 2011 und die Reak-
tion der israelischen Regierung darauf?

14. Welche Informationen hat die Bundesregierung über eine Beteiligung deut-
scher Gruppen an der für Mai 2011 geplanten Solidaritätsflotte nach Gaza?

War dies Thema der Gespräche mit dem israelischen Ministerpräsidenten
Benjamin Netanyahu und mit dem israelischen Außenminister Avigdor
Lieberman in Berlin am 7. April 2011?

Wie bewertet die Bundesregierung diese geplante Aktion?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung das Überschwappen der Demokratiebe-
wegungen im Nahen Osten auf die Palästinensergebiete, und welche Unter-
stützungsmaßnahmen leistet sie (bitte nach Einzelmaßnahmen in Westjord-
anland und Gaza auflisten)?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die jüngste Eskalation im Gazastreifen?

Berlin, den 15. April 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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