BT-Drucksache 17/5599

Aktuelle Entwicklungen in der Rüstungsexportpolitik

Vom 18. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5599
17. Wahlperiode 18. 04. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Keul, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln),
Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Ute Koczy,
Tom Koenigs, Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aktuelle Entwicklungen in der Rüstungsexportpolitik

Die Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung sehen vor, dass die
Bundesregierung dem Deutschen Bundestag jährlich einen Rüstungsexport-
bericht vorlegt. In der Vergangenheit ist dieser jedoch mit erheblicher Ver-
spätung, teilweise erst im übernächsten Jahr, erschienen. Da die Bundesregie-
rung abseits des Berichts zudem nur äußerst selten umfassende Informationen
zu ihrer Rüstungsexportpraxis veröffentlicht, wird dem legitimen Informations-
bedürfnis des Parlaments sowie der Öffentlichkeit nicht ausreichend entspro-
chen. Eine kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Rüstungsexport-
politik ist nur möglich, wenn aktuelle Informationen zeitnah zur Verfügung
stehen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was ist der genaue Bearbeitungsstand des Rüstungsexportberichts für das
Jahr 2010, und welche Stelle ist derzeit mit der Bearbeitung befasst?

2. Wie bewertet die Bundesregierung die Ankündigung zahlreicher Rüstungs-
unternehmen wie Rheinmetall AG und EADS, den Nahen Osten, Indien
oder auch Brasilien als Zukunftsmärkte erschließen zu wollen, insbesondere
im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit den Rüstungsexportrichtlinien der
Bundesregierung?

3. Wann genau wurden die Genehmigungen der in den Jahren 2009, 2010 und
2011 ausgeführten Kriegswaffen jeweils erteilt, und wie lang war die durch-
schnittliche Dauer zwischen Genehmigung und tatsächlicher Ausfuhr der
Kriegswaffen?

4. Welche die Ausfuhr von Rüstungsgütern und Kriegswaffen betreffenden Re-
gierungsvereinbarungen bestehen derzeit, und welche Auswirkungen haben
sie jeweils auf die Ausfuhrkontrolle welcher Rüstungsgüter bzw. Kriegswaf-

fen?

5. Wie plant die Bundesregierung zu verhindern, dass die nationalen Ausfuhr-
kontrollen in einem vergemeinschafteten Markt für Rüstungsgüter und
Kriegswaffen ins Leere laufen?

Drucksache 17/5599 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Inwiefern bildeten seit 2006 deutsche Polizistinnen, Polizisten, Soldatinnen
oder Soldaten Sicherheitskräfte im Ausland an Militärgerät, das von deut-
schen Unternehmen direkt oder in deren Lizenz durch Dritte geliefert
wurde (bitte nach Umfang, Dauer, Kosten, Kostenübernahme, Ausbil-
dungsinhalten, industriellen Partnern/Auftraggebern, Projektträgern auf-
schlüsseln)?

7. Auf welcher Rechtsgrundlage wurden die in Frage 6 genannten Polizistin-
nen, Polizisten, Soldatinnen oder Soldaten jeweils entsandt?

8. Auf welcher Rechtsgrundlage wurden deutsche Bundespolizistinnen und
-polizisten nach Saudi-Arabien zur Schulung dortiger Sicherheitskräfte im
Zusammenhang mit dem Aufbau eines Grenzsicherungssystems durch die
Firma Cassidian (vgl. ARD-Magazin FAKT vom 4. April 2011) entsandt?

9. In welchem Umfang waren Ausbildungsleistungen durch deutsche Polizis-
tinnen, Polizisten, Soldatinnen oder Soldaten seit 2006 mit Industriever-
trägen über die Lieferung von Rüstungsgütern und Waffen verknüpft?

10. Inwiefern haben die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenar-
beit (GIZ) GmbH bzw. die in ihr aufgegangenen Organisationen in der Ver-
gangenheit für Schulungsmaßnahmen ausländischer Sicherheitskräfte deut-
sche Polizistinnen, Polizisten, Soldatinnen oder Soldaten beschäftigt (bitte
aufschlüsseln nach Umfang, Dauer, Kosten, Kostenübernahme, Tätigkeits-
inhalten, industriellen Partnern/Auftraggebern, Projektträgern)?

11. Wer bat die Bundesregierung bzw. die deutsche Seite, in dem in Frage 9 ge-
nannten Fall, deutsche Polizistinnen und Polizisten in Saudi-Arabien zur
Ausbildung einzusetzen: Saudi-Arabien, die Firma Cassidian, oder wer
sonst?

12. Haben jemals zuvor schon einmal (ggf. öffentlich beherrschte) Privatunter-
nehmen für einen Auslandseinsatz deutscher Sicherheitskräfte Geld bezahlt
(falls ja, bitte aufschlüsseln nach Umfang, Dauer, Kosten, Kostenüber-
nahme, Tätigkeitsinhalten, industriellen Partnern/Auftraggebern, Projekt-
trägern)?

13. Gibt es derzeit Anfragen von Privatunternehmen an die Bundesregierung,
staatliche Sicherheitskräfte in Empfängerländern gegen Entgelt einzu-
setzen (falls ja, bitte aufschlüsseln nach Umfang, Dauer, Kosten, Kosten-
übernahme, Tätigkeitsinhalten, industriellen Partnern/Auftraggebern, Pro-
jektträgern)?

14. Hält die Bundesregierung ihre praktizierte Rüstungsexportpolitik insbeson-
dere vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Ländern wie Libyen,
Bahrain oder Tunesien nach wie vor für geeignet, und wo sieht sie ggf.
Änderungsbedarf?

15. Wie schätzt die Bundesregierung in folgenden Fällen die Menschenrechts-
lage im jeweiligen Empfängerland ein, und wie stellt(e) sie sicher, dass fol-
gende Rüstungsexporte nicht zur internen Repression oder zu Menschen-
rechtsverletzungen genutzt werden:

a) Transportpanzer Fuchs und entsprechender Produktionsstätten nach
Algerien?

b) Grenzsicherungssysteme nach Saudi-Arabien?

c) Teile für Waffen und entsprechende Produktionsstätten nach Saudi-Ara-
bien?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5599

16. Was ist das besondere außen- oder sicherheitspolitische Interesse der Bun-
desrepublik Deutschland, das für eine ausnahmsweise Genehmigung des
Aufbaus einer G36-Waffenfabrik in Saudi-Arabien spricht?

a) Wie definiert die Bundesregierung in diesem Zusammenhang „aus-
nahmsweise“ im Sinne der Rüstungsexportrichtlinien, insbesondere mit
Blick auf die in der Vergangenheit erteilten Lizenzen für die Produktion
für Gewehre des Typs G-3 und Maschinenpistolen MP-5?

b) Wie bewertet die Bundesregierung den Aufbau einer Produktionsstätte
für Gewehre in Saudi-Arabien im Lichte der Intervention des Landes in
Bahrain und der dort herrschenden Menschenrechtslage?

17. Was ist das besondere außen- oder sicherheitspolitische Interesse der Bun-
desrepublik Deutschland, das für die Genehmigung von Kriegswaffenaus-
fuhren in die Vereinigten Arabischen Emirate spricht (bitte jeweils für die
im Jahr 2009 und alle seitdem genehmigten Ausfuhren darlegen)?

18. Welche Informationen liegen der Bundesregierung darüber vor, ob die
durch die Staaten des Golf-Kooperationsrates nach Bahrain entsandten
Truppen auch mit deutschen Rüstungsgütern und Waffen ausgestattet sind?

a) Inwiefern ist die Verbringung aus Deutschland gelieferter bzw. vor Ort
in Lizenz produzierter Waffen in weitere Drittstaaten im Rahmen einer
solchen Intervention mit den Endverbleibserklärungen der Empfänger-
staaten vereinbar?

b) Hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Genehmigungen
für die Wiederausfuhr in Lizenz produzierter Waffen erteilt?

19. Wie viele Bußgeldverfahren bzw. Strafverfahren wegen Verstößen gegen
das Außenwirtschaftsgesetz bzw. Kriegswaffenkontrollgesetz wurden in
den letzten fünf Jahren eingeleitet?

a) Wie viele führten zu einer Festsetzung bzw. Verurteilung?

b) In wie vielen der unter Frage 19a genannten Fälle regte die Bundesregie-
rung bzw. das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle danach
bei der zuständigen Gewerbeaufsicht eine Überprüfung der gewerbe-
rechtlichen Zuverlässigkeit des betreffenden Unternehmens an?

c) Falls nicht, jeweils warum nicht?

d) Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die zuständigen Gewerbe-
aufsichtsämter von einschlägigen Verfahren oder Sanktionen die nötige
Kenntnis erhalten?

e) Falls die Gewerbeaufsichtsämter die nötige Kenntnis bisher nicht erhal-
ten, wie gedenkt die Bundesregierung dies zu ändern und die ausnahms-
lose zeitnahe Unterrichtung der Gewerbeaufsichtsämter sicherzustellen?

20. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um den am Zollamt
Halbergmoos vorherrschenden Kontrolldefiziten zu begegnen (vgl. Süd-
deutsche Zeitung vom 4. April 2011)?

21. In welchem Umfang weisen andere Zollämter ähnliche Defizite wie der
Fall in Frage 20 auf?

22. Wurde die am 18. März 2010 zwischen ThyssenKrupp Marine Systems AG
und der griechischen Regierung vereinbarte Fertigung von zwei weiteren
U-Booten der Klasse 214 durch die Hellenic Shipyards S.A., oder damit
verbundene Zulieferungen inzwischen durch die Bundesregierung geneh-
migt, bzw. liegt dafür ein Exportantrag vor?

Drucksache 17/5599 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
23. In welchem Umfang hat die Bundesregierung im ersten Quartal 2011 Ex-
portgenehmigungen für Rüstungsgüter und Kriegswaffen erteilt (bitte Zahl
der Genehmigungen für Rüstungsgüter und Kriegswaffen, das jeweilige
Empfängerland, das jeweilige Finanzvolumen, die Art der Rüstungsgüter
bzw. Kriegswaffen und die jeweilige Ausfuhrlistenposition angeben)?

24. In welchem Umfang hat die Bundesregierung im ersten Quartal 2011 Export-
genehmigung für Rüstungsgüter und Kriegswaffen abgelehnt (bitte Zahl der
Genehmigung für Rüstungsgüter und Kriegswaffen, das jeweilige Empfän-
gerland, das jeweilige Finanzvolumen, die Art der Rüstungsgüter bzw.
Kriegswaffen, die jeweilige Ausfuhrlistenposition und den Ablehnungs-
grund angeben)?

Berlin, den 15. April 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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