BT-Drucksache 17/5524

Versorgung der privat Versicherten im Basistarif sicherstellen

Vom 13. April 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5524
17. Wahlperiode 13. 04. 2011

Antrag
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer,
Kathrin Vogler, Harald Weinberg und der Fraktion DIE LINKE.

Versorgung der privat Versicherten im Basistarif sicherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Durch das international einmalige Nebeneinander der gesetzlichen und der pri-
vaten Krankenvollversicherung in Deutschland haben Bürgerinnen und Bürger
einen unterschiedlich guten Zugang zur Gesundheitsversorgung. Wie zahlreiche
Studien belegen, haben privat Versicherte in der Regel einen besseren und
schnelleren Zugang zu Gesundheitsleistungen als gesetzlich Versicherte. Dieser
Unterschied in der Gesundheitsversorgung wird in der Öffentlichkeit unter dem
Begriff „Zwei-Klassen Medizin“ gefasst.

Es gibt seit dem 1. Januar 2009 aber auch privat Versicherte, die einen schlech-
teren Zugang zum Gesundheitssystem haben als gesetzlich Versicherte. Dies
sind die privat Versicherten im Basistarif. In Deutschland sind derzeit ungefähr
21 000 Menschen im Basistarif einer privaten Krankenversicherung versichert
und haben nach § 12 des Versicherungsaufsichtsgesetzes Anspruch auf eine ver-
gleichbare Versorgung wie gesetzlich Versicherte. Gemäß § 75 Absatz 3a Satz 1
des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) sind die Kassenärztlichen Verei-
nigungen und die entsprechenden Bundesvereinigungen zur Sicherstellung der
Versorgung von Versicherten im Basistarif verpflichtet. Dennoch ist es in der
Regel für Ärztinnen, Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte ohne Sanktionen mög-
lich, die Behandlung zu verweigern. Es fehlen meistens Verträge oder Regelun-
gen der Kassenärztlichen und -zahnärztlichen Vereinigungen, die Ärztinnen,
Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte dazu verpflichten, Versicherte im Basistarif
zu versorgen.

Die schon niedrig bemessenen Vergütungen für Leistungen an Versicherte im
Basistarif wurden in den Verhandlungen der Kassenärztlichen Bundesvereini-
gung (KBV) und dem Verband der privaten Krankenversicherung zum 1. April
2011 noch weiter abgesenkt. Die KBV wollte so die sinnvolle Regelung verhin-
dern, nach der die Behandlung von Versicherten im Basistarif und von gesetzlich
Versicherten gleich honoriert wird. Hier findet eine Interessenspolitik der Ver-
tragsärztinnen und -ärzte und der privaten Versicherungen auf dem Rücken der

Versicherten im Basistarif statt. Damit ist es noch weniger lukrativ für Vertrags-
ärztinnen und -ärzte geworden, Versicherte im Basistarif zu behandeln. Die
Folge ist, dass Versicherte im Basistarif immer wieder feststellen müssen, dass
Ärztinnen und Ärzte bzw. Zahnärztinnen und Zahnärzte die Behandlung verwei-
gern. Die Versorgung der Versicherten im Basistarif ist so nicht sichergestellt.

Grundursache der oben beschriebenen besseren wie schlechteren Versorgung
von privat krankenversicherten Bürgerinnen und Bürgern gegenüber gesetzlich

Drucksache 17/5524 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Krankenversicherten ist das Nebeneinander der gesetzlichen und der privaten
Krankenversicherung. Dies kann umfassend und sozial gerecht nur durch die
Abschaffung der privaten Krankenvollversicherung geändert werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

in einem ersten Schritt unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem
geregelt wird, dass

1. die Vertragsärztinnen und -ärzte sowie die Vertragszahnärztinnen und -zahn-
ärzte gesetzlich verpflichtet werden, die privat Versicherten im Basistarif
ebenso wie die gesetzlich Versicherten zu behandeln,

2. die Leistungen, die an privat Versicherte im Rahmen des Basistarifs erbracht
werden, genau so hoch wie die entsprechenden Leistungen, die an gesetzlich
Versicherte erbracht werden, zu vergüten sind und die Behandlungen von pri-
vat Versicherten im Basistarif in die Budgets bei den Regelleistungen für ge-
setzlich Versicherte einbezogen werden.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

in einem zweiten Schritt einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die private Kran-
kenvollversicherung abschafft und die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland
in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert.

Berlin, den 13. April 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Eine sozial gerechte und wirklich solidarische Krankenversicherung und das
Ende einer Zwei-Klassen-Medizin erfordert es, das Nebeneinander von gesetz-
licher und privater Krankenvollversicherung zu beenden. Stattdessen müssen
alle Menschen in einer solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung ver-
sichert und alle Einkommen herangezogen werden. Solange eine solidarische
Bürgerinnen- und Bürgerversicherung nicht eingeführt und umgesetzt ist, muss
trotzdem allen Menschen in Deutschland eine hochwertige Gesundheitsversor-
gung garantiert werden. Dafür müssen alle Menschen in Deutschland mindes-
tens die garantierten Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten,
auch wenn sie privat versichert sind. Die Versorgung der privat Versicherten im
Basistarif ist derzeit nicht ausreichend gesichert.

Versicherte im Basistarif werden derzeit wie privat Versicherte dritter Klasse be-
handelt. So wurde beispielsweise im Fernsehmagazin Kontraste (28. Oktober
2010) bekannt, dass in Heilbronn von 128 Zahnärztinnen und Zahnärzten nur
fünf Patientinnen und Patienten im Basistarif behandeln. Um die Versorgung der
privat Versicherten im Basistarif sicherzustellen reicht es nicht aus, die Kassen-
zahnärztlichen wie Kassenärztlichen Vereinigungen und die entsprechenden
Bundesvereinigungen zur Sicherstellung der Versorgung zu verpflichten. Dar-
aus ist keine Verpflichtung des einzelnen Vertragsarztes bzw. Vertragszahnarztes
abzuleiten, Versicherte im Basistarif zu behandeln (siehe Begründung des Bun-
desverfassungsgerichts zur Nichtzulassung einer Beschwerde eines Arztes, der
gegen die Verpflichtung zur Behandlung von Versicherten im Basistarif Verfas-

sungsbeschwerde erhoben hatte; vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2008,
1 BvR 808/08).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5524

Um Vertragsärztinnen und -ärzte sowie Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte
zur Behandlung von Versicherten im Basistarif zu verpflichten, müssen bislang
die Kassenärztlichen und -zahnärztlichen Vereinigungen ihre Satzungen ändern
oder Verträge mit den Ärztinnen und -ärzten abschließen. Der Bundesregierung
sind keine solchen Satzungsänderungen oder Verträge der Kassenärztlichen Ver-
einigungen und nur einige der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen bekannt
(Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE., Bundestagsdrucksache 17/4782).
Damit kommen die Kassenärztlichen Vereinigungen und die meisten Kassen-
zahnärztlichen Vereinigungen ihrer Verpflichtung zur Sicherstellung der Ver-
sorgung von privat Versicherten im Basistarif nur unzureichend nach. Deshalb
werden Versicherte im Basistarif von Ärztinnen, Ärzten, Zahnärzten oder
Zahnärztinnen nicht behandelt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass es
sich um Einzelfälle handelt, ohne darzulegen, wie sie zu dieser Einschätzung
kommt. Da ihr dazu keine Daten vorliegen, kann es sich ebenso um ein häufiges
Problem handeln. Unabhängig davon ist der Staat für die Gesundheitsversor-
gung von Einzelfällen verantwortlich (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember
2005 – 1 BvR 347/98: „Der Schutz des Einzelnen in Fällen von Krankheit ist in
der sozialstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes eine Grundaufgabe des Staa-
tes.“). Daher ist es notwendig, nachzubessern und die Vertragsärztinnen, -ärzte,
Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte gesetzlich zu verpflichten, privat Ver-
sicherte im Basistarif zu behandeln und mit entsprechenden Sanktionen zu be-
legen, wenn die Behandlung wegen der Versicherung im Basistarif verweigert
wird.

Allerdings reicht es nicht aus, die Behandlungsverpflichtung gegenüber privat
Versicherten im Basistarif gesetzlich zu verankern. Derzeit wird beispielsweise
für privat Versicherte im Basistarif eine Psychotherapiesitzung in der tiefen-
psychologisch fundierten Psychotherapie mit 48,26 Euro und in der Verhaltens-
therapie mit 52,46 Euro honoriert, während die gesetzlichen Krankenkassen die-
selben Leistungen mit jeweils 81,14 Euro vergüten. Will man die Benachteili-
gung von privat Versicherten im Basistarif gegenüber gesetzlich Versicherten
effektiv verhindern, müssen Leistungen genauso hoch vergütet werden, wie die
entsprechenden Leistungen bei gesetzlich Versicherten. Um zu verhindern, dass
daraufhin privat Versicherte im Basistarif besser behandelt werden als gesetzlich
Versicherte, sind die Behandlungen von privat Versicherten im Basistarif auf die
Regelleistungsvolumen der Vertragsärztinnen und -ärzte anzurechnen. So ent-
fallen sämtliche Anreize, privat Versicherte im Basistarif schlechter oder besser
zu behandeln als gesetzlich Versicherte.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.