BT-Drucksache 17/5288

Haltung der Bundesregierung zur angekündigten EU-Rechtsetzungsinitiative zu Dienstleistungskonzessionen und Stand der Vergaberechtsreform

Vom 25. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5288
17. Wahlperiode 25. 03. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kerstin Andreae, Fritz Kuhn, Britta Haßelmann,
Christine Scheel, Dr. Thomas Gambke, Maria Klein-Schmeink, Ingrid Nestle,
Brigitte Pothmer, Dr. Gerhard Schick und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Haltung der Bundesregierung zur angekündigten EU-Rechtsetzungsinitiative
zu Dienstleistungskonzessionen und Stand der Vergaberechtsreform

Bisher gelten bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen die durch Recht-
sprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) konkretisierten Grundsätze
des EU-Primärrechts (Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transpa-
renz), nicht die Vergaberegeln.

Dienstleistungskonzessionen unterscheiden sich von öffentlichen Aufträgen da-
durch, dass der Leistungserbringer nicht von der öffentlichen Hand entlohnt
wird, sondern sich direkt beim Nutzer seiner Leistung refinanziert. Die Haupt-
anwendungsfelder für Dienstleistungskonzessionen liegen in der Daseinsvor-
sorge (Wasser- und Abfallwirtschaft, Rettungswesen, Schulspeisung).

Die EU-Kommission hat im Oktober 2010 im Single Market Act (KOM(2010)
608) eine Rechtsetzungsinitiative zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen
für 2011 angekündigt.

Diese EU-Initiative stößt in Deutschland schon im Vorfeld überwiegend auf Ab-
lehnung. Wirtschaftsverbände und öffentlichen Auftraggeber bezweifeln, dass
zusätzliche Regeln zu mehr Wettbewerb und Transparenz auf den öffentlichen
Beschaffungsmärkten führen und sehen keinen diesbezüglichen Regelungsbe-
darf. Zu derselben Einschätzung kommen auch die kommunalen Spitzenver-
bände (vgl. Schreiben an die wirtschaftspolitischen Sprecher/-innen der Bundes-
tagsfraktionen vom 15. Februar 2011) Der Bundesrat (Beschluss vom Februar
2010) fürchtet um die bisherigen Gestaltungsspielräume der Mitgliedstaaten.
Wie auch das Europäische Parlament (sog. Rühle-Bericht vom Mai 2010) sieht
er wegen der bestehenden EuGH-Rechtsprechung zu Konzessionen kein Rege-
lungsbedürfnis.

Auch der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundes-
tages hat sich in seiner Sitzung am 1. Dezember 2010 „einmütig dafür aus-
gesprochen, dass die Rechtsetzungsinitiative kein Regelungsbestand der Euro-
päischen Union sein sollte. Es wird aus Gründen der Subsidiarität nicht als
angemessen angesehen, dass auch im Bereich der Daseinsvorsorge eine Dienst-

leistungskonzessionspflicht bestehen solle.“ (Schreiben des Vorsitzenden des
Ausschusses für Wirtschaft und Technologie Eduard Oswald an den EU-Kom-
missar für den Binnenmarkt und Dienstleistungen Michel Barnier vom
1. Dezember 2010). Er forderte in dem Schreiben im Namen des Ausschusses
den EU-Kommissar Michel Barnier auf, von diesem Regelungsvorschlag Ab-
stand zu nehmen.

Drucksache 17/5288 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die angekündigte Rechtsetzungsinitia-
tive der EU-Kommission zu Dienstleistungskonzessionen?

2. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung von Wirtschaftsverbänden und
öffentlichen Auftraggebern, dass eine Einbeziehung der Dienstleistungs-
konzessionen ins Vergaberecht nicht erforderlich ist?
Wenn nein, warum nicht?

3. Welche Auswirkungen hätte nach Einschätzung der Bundesregierung eine
Einbeziehung der Dienstleistungskonzessionen in das Vergaberecht auf die
Vergabe von Konzessionen durch die Kommunen?

4. Wie bewertet die Bundesregierung die Position der kommunalen Spitzen-
verbände, die eine Einbeziehung von Dienstleistungskonzessionen in das
Vergaberecht ablehnen?

5. Wird die Bundesregierung noch vor Erscheinen des angekündigten Recht-
setzungsaktes die breite Ablehnung der Rechtsetzungsinitiative in Parla-
ment, Bundesrat, Wirtschaftsverbänden und bei den öffentlichen Auftrag-
gebern an die EU-Kommission herantragen?
Wenn ja, in welcher Form?
Wenn nein, warum nicht?

6. Wann plant die Bundesregierung, die im Koalitionsvertrag zwischen CDU,
CSU und FDP bereits für 2010 angekündigte Reform des Vergaberechts
dem Parlament vorzulegen?

7. Welche Regelungsschwerpunkte wird die angekündigte Reform des Verga-
berechts beinhalten?

8. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen
der Evaluierung der mit den Konjunkturpaketen angehobenen Schwellen-
werte für Freihändige Vergaben und Beschränkte Ausschreibungen?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Anwendung des Vergabekriteriums
„Wirtschaftlichstes Angebot“ durch Vergabestellen des Bundes?

10. Wie beteiligt sich die Bundesregierung am Konsultationsprozess über die
Modernisierung der europäischen Politik im Bereich des öffentlichen Auf-
tragswesens, und worin besteht aus Sicht der Bundesregierung der wesent-
liche Reformbedarf im EU-Vergaberecht?

Berlin, den 25. März 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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