BT-Drucksache 17/5229

Finanzierungsbedingungen des Mittelstands verbessern

Vom 23. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5229
17. Wahlperiode 23. 03. 2011

Antrag
der Abgeordneten Peter Friedrich, Dr. Carsten Sieling, Garrelt Duin,
Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ingrid Arndt-Brauer, Doris Barnett, Klaus Barthel,
Lothar Binding (Heidelberg), Martin Dörmann, Petra Ernstberger, Martin Gerster,
Iris Gleicke, Hubertus Heil (Peine), Rolf Hempelmann, Petra Hinz (Essen),
Nicolette Kressl, Ute Kumpf, Manfred Nink, Thomas Oppermann, Bernd Scheelen,
Wolfgang Tiefensee, Andrea Wicklein, Manfred Zöllmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier
und der Fraktion der SPD

Finanzierungsbedingungen des Mittelstands verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mittelständische Unternehmen bilden einen zentralen Pfeiler der sozialen
Marktwirtschaft. Sie sind Motor für Wachstum und Beschäftigung und haben
damit eine herausragende Bedeutung für die Konjunktur und die wirtschaftliche
Entwicklung in Deutschland. Dementsprechend kommt eine adäquate Unter-
stützung des Mittelstandes nicht nur den betreffenden Unternehmen zugute, son-
dern liegt überdies im gesamtwirtschaftlichen Interesse: Die sichere und ausrei-
chende Finanzierung ist für das Wachstum des Mittelstandes von zentraler
Bedeutung. Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen einiger konjunkturell
nachlaufender Branchen stoßen jedoch auch in der aktuellen Aufschwungphase
auf Finanzierungsschwierigkeiten. Dafür sind mehrere Faktoren verantwortlich.

Obwohl kleine und mittelständische Unternehmen die Wirtschafts- und Finanz-
krise bemerkenswert gut überstanden haben, leiden sie oftmals an einer dünnen
Eigenkapitaldecke. Vor allem kleinere Betriebe haben nach der Umfrage des
Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) „Kreditkonditionen“
vom Februar 2011 beim Eigenkapital eher Schwierigkeiten: Jedes vierte kleine
Unternehmen (bis zu zehn Beschäftigte) hat aktuell Probleme, im Mittelstand
(200 bis 1 000 Beschäftigte) ist es rund jedes siebte Unternehmen. Im Krisenjahr
2009 hat sich nach Angaben der Deutschen Bundesbank das absolute Eigen-
kapitalvolumen der Unternehmen um 1,5 Prozent reduziert, während die Unter-
nehmensbilanzen um 3,5 Prozent schrumpften, so dass sich die steigende Eigen-
kapitalquote mit Bilanzkürzungen erklärt (Bankenverband Februar 2011, Zur
Lage der Unternehmensfinanzierung).

Die Zahlen verdeutlichen, dass die Eigenkapitalquote deutscher Mittelstands-
unternehmen sowohl deutlich unter derjenigen von Großunternehmen liegt wie

auch unter jener vergleichbarer Unternehmen in anderen europäischen Ländern.
Dies ist insofern bedenklich, als die Innenfinanzierung in Form von Eigenkapital
nach wie vor die Hauptfinanzierungsquelle für Leistungsfähigkeit und Innova-
tionskraft des Mittelstandes in allen Unternehmensphasen ist. Zudem stellt die
Eigenkapitalbasis die zentrale Größe dar, von der der Zugang zu günstigen
Bankkrediten abhängig ist. Diese sind nach wie vor die von kleinen und mittle-
ren Unternehmen am meisten genutzte Form der Fremdfinanzierung.

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Insbesondere seit den strikteren Regulierungen der Banken durch Basel II und
Basel III, nach denen die Banken quantitativ mehr und qualitativ besseres Eigen-
kapital vorhalten müssen, spielt das Eigenkapital der Unternehmen bei der Ver-
gabe von Krediten eine noch gewichtigere Rolle. Denn geringe Eigenkapital-
quoten führen zu schlechten Ratings und somit zu schlechten Zinskonditionen
bei der Kreditvergabe. Höhere Anforderungen an Sicherheiten sind neben den
Zinsen laut der DIHK-Umfrage „Kreditkonditionen“ aktuell die höchste Kredit-
hürde. Zwar sollen angemessene Übergangsfristen und Vertrauensschutzregeln
die Einschränkung der Kreditvergabe der Banken verhindern. Nach Schätzun-
gen der Bundesbank müssen die Banken hierzu aber in den kommenden Jahren
ca. 50 Mrd. Euro neues Kernkapital bilden. Das kann im Ergebnis das insgesamt
zur Verfügung stehende Kreditvolumen verringern. Andererseits kann infolge
des Konjunkturaufschwungs mit einer steigenden Investitionsbereitschaft und
einer steigenden Kreditnachfrage der Unternehmen gerechnet werden. Im Er-
gebnis steht einem verringerten Angebot eine zunehmend steigende Nachfrage
gegenüber, was die Situation insgesamt verschärfen kann. Das kann auch Aus-
wirkungen auf den Mittelstand haben, weil er im Gegensatz zu den Großunter-
nehmen in der Regel nicht über einen direkten Zugang zum Kapitalmarkt ver-
fügt und damit besonders stark von der Kreditvergabebereitschaft der Banken
abhängig ist.

Zu den genannten Finanzierungsschwierigkeiten tritt hinzu, dass den mittelstän-
dischen Unternehmen vor allem die steigenden Rohstoff- und Energiepreise
Sorgen bereiten, weil diese zu höheren Produktionskosten führen (siehe dazu
Ernst & Young, Mittelstandsbarometer, Januar 2011, S. 22). Als Folge muss in
diesen Bereichen mit verschärften Finanzierungsschwierigkeiten gerechnet
werden: So befürchten nach dem Industriereport 2010/2011 des DIHK bei-
spielsweise überdurchschnittlich viele Maschinenbauer Finanzierungsprobleme
(22 Prozent; Durchschnitt der Industrie: 16 Prozent).

Darüber hinaus droht dem Mittelstand dieses Jahr eine milliardenschwere
Finanzierungslücke: Betroffen sind ca. 650 mittelständische Unternehmen, die
insgesamt 5 Mrd. Euro Eigenkapital aufnehmen müssen, um auslaufende
Mezzaninfinanzierungen abzulösen. Da durch die Finanzkrise der Verbriefungs-
markt weitgehend ausgetrocknet ist, kann nur ein Bruchteil der Unternehmen die
mezzanine Finanzierung aus eigener Kraft zurückzahlen. Auch hier sind vor
allem mittelständische Unternehmen und Familienunternehmen betroffen.

Trotz der guten konjunkturellen Entwicklung bestehen somit weiterhin erheb-
liche Schwierigkeiten und Risiken bei der Finanzierung mittelständischer Unter-
nehmen. So stellt auch der DIHK in seiner Gesamtbeurteilung zur Umfrage
„Kreditkonditionen“ vom Februar 2011 fest, dass die Entwicklung bei den
Finanzierungsbedingungen hinter der wieder sehr guten Geschäftssituation der
Unternehmen zurückbleibt. Im Vergleich zur Vorumfrage vom Oktober 2010 sei
die Kredithürde für die Wirtschaft sogar wieder etwas höher – mehr als jedes
sechste Unternehmen berichtet aktuell von verschlechterten Kreditkonditionen
oder abgelehnten Krediten. Im Übrigen kam schon diese DIHK-Studie vom
Oktober 2010 zum Ergebnis, dass insbesondere die KFZ-Zulieferer, der Werk-
zeugmaschinenbau und die Schifffahrtsbranche der positiven gesamtwirtschaft-
lichen Entwicklung bei den Finanzierungsbedingungen deutlich hinterher-
laufen. Insgesamt kann eine Schieflage zwischen elementarer Bedeutung des
Mittelstandes für die deutsche Wirtschaft auf der einen Seite und seiner teilweise
unbefriedigenden Finanzsituation auf der anderen Seite konstatiert werden.

Auch vor diesem Hintergrund war es ein Fehler, dass die Bundesregierung den
Wirtschaftsfonds Deutschland zum Jahresende 2010 hat auslaufen lassen. Der
Wirtschaftsfonds Deutschland war eine Erfolgsgeschichte für den Mittelstand.
Aus den Mitteln des Fonds wurden rund die Hälfte an mittelständische Unter-

nehmen vergeben. Der Ausstieg aus den Unterstützungsmaßnahmen des Wirt-
schaftsfonds Deutschland war deshalb angesichts unterschiedlicher Entwick-

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lungen von Branchen und Betriebsgrößen verfrüht – eine Weiterführung
erfolgreicher Instrumente hat die Bundesregierung kategorisch abgelehnt.

Das Auslaufen des Wirtschaftsfonds Deutschland darf angesichts des noch nicht
selbsttragenden Aufschwungs und weiter bestehender Finanzierungshemmnisse
auch nicht dazu führen, dass sinnvolle Erweiterungen, die noch dazu nicht haus-
haltsrelevant sind, nicht fortgeführt werden: So sind parallel zum Wirtschafts-
fonds Deutschland bestimmte Erweiterungen des Instrumentariums der Bürg-
schaftsbanken auf den Weg gebracht worden. Mit Hilfe dieser Maßnahmen
konnten die Bürgschaftsbanken die Kreditversorgung des Mittelstands in der
Krise in erheblichem Umfang stabilisieren. Diese Maßnahmen haben sich in der
Praxis bewährt, was auch in der im Auftrag der Bundesregierung vorgenomme-
nen Evaluierung des erweiterten Bürgschaftsprogramms zum Ausdruck gekom-
men ist. Die im Rahmen dieser Evaluierung durch die Firma McKinsey befragten
Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, Kreditinstitute und Bürg-
schaftsbanken beurteilten als wichtigste Erweiterungen des Bürgschaftspro-
gramms die Ausweitung der Möglichkeiten für Betriebsmittelfinanzierungen
auf maximal 50 Prozent und die Einräumung einer Eigenkompetenz für die
Bürgschaftsbanken für Bürgschaftsvolumina bis 150 000 Euro. Die Evaluierung
kommt zu dem Ergebnis, dass für die Weiterentwicklung des Bürgschaftspro-
gramms geprüft werden müsse, welche Elemente auch über das Jahr 2010 hin-
aus fortgeführt und gegebenenfalls in das reguläre Angebot der Bürgschaftsban-
ken übernommen werden müssen.

In diesem Kontext ist es bedauerlich und unverständlich, dass das von den Bürg-
schaftsbanken zusammen mit den Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften
Anfang 2010 neu zur Liquiditätsbereitstellung gestartete sogenannte Kombipro-
gramm von der Bundesregierung bereits zum Jahresende 2010 wieder einge-
stellt wurde. Denn das Kombiprogramm hat insbesondere den Mittelstand in der
notwendigen Kreditversorgung unterstützt.

Die Finanzierungsbedingungen, insbesondere kleinerer und mittlerer Unterneh-
men, müssen daher weiter verbessert werden. Die Bundesregierung tut zu wenig
zur Unterstützung des Mittelstandes für eine nachhaltige Aufschwungs- und
Wachstumsfinanzierung. Um dem Investitionsbedarf im Aufschwung gerecht zu
werden und Liquiditätsengpässe zahlreicher kleiner und mittlerer Unternehmen
mittel- und langfristig zu minimieren, ist vor allem auch die Förderung alter-
nativer Finanzierungsinstrumente weiter voranzutreiben. Eine Möglichkeit zur
Steigerung von Eigenkapital kann in der vermehrten Nutzung von Private
Equity liegen, also der langfristigen Bereitstellung von Eigenkapital für nicht-
börsennotierte Unternehmen durch Investoren, die durch eine zeitlich begrenzte
Beteiligung eine angemessene Rendite erzielen möchten. Vorteilhaft ist hierbei
für das Unternehmen, keine banküblichen Sicherheiten vorweisen zu müssen.
Vielmehr sind Private-Equity-Geber als Mitgesellschafter an Gewinnen wie
Verlusten beteiligt. Die Akzeptanz von Private Equity steigt zusehends; Studien
weisen sogar darauf hin, dass sich die Aufnahme von Beteiligungskapital zu
einer der bedeutendsten Alternativen für die Mittelstandsfinanzierung entwi-
ckeln könnte. Es ist zu prüfen, ob und an welchen Stellen die Rahmenbedingun-
gen für private Beteiligungsgesellschaften verbessert werden können.

Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken haben sich in der Wirtschafts-
und Finanzkrise als verlässliche Partner der mittelständischen Unternehmen er-
wiesen. Eine Mittelstandsanleihe ist über diese Finanzierungsangebote hinaus
ein geeignetes Instrument, mit dem der Liquiditätsbedarf der mittelständischen
Wirtschaft im Land mittelfristig zu annehmbaren Konditionen sichergestellt
werden kann. Kreditanfragen mittelständischer Unternehmen könnten zu einer
zeichnungsfähigen Anleihe gebündelt auf den Markt gebracht werden. Damit

ein attraktives Wertpapier entsteht, das insbesondere für institutionelle Anleger
attraktiv wäre, müsste ein Teil des Ausfallsrisikos verbürgt werden. Mit der Mit-

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telstandsanleihe wäre ein Instrument geschaffen, das den Unternehmen ihre
Fortentwicklung für die Zeit des Aufschwungs sicherstellt.

Zudem sollten über die Einrichtung eines erweiterten Mikrobürgschaftspro-
gramms durch die Bürgschaftsbanken Personen mit niedrigem Kapitalbedarf
Kredite angeboten werden, die von Banken für gewöhnlich nicht bedient wer-
den. In diesen Fällen sind insbesondere Haftungserleichterungen gegenüber
bereits bestehenden Programmen zu prüfen. Des Weiteren sollten Maßnahmen
ergriffen werden, um die Kommunikation zwischen mittelständischen Unter-
nehmen und Kreditinstituten weiter zu verbessern. Gerade für mittelständische
Kreditnehmer ist häufig nicht nachvollziehbar, anhand welcher Kriterien ihre
Kreditwürdigkeit auf- bzw. vor allem abgewertet wird. Bankkunden müssen
– unter angemessener Wahrung der Geschäftsgeheimnisse kreditvergebender
Banken – möglichst umfassend und selbsttätig über die Kriterien des ange-
wandten Ratings und dessen Ergebnisse informiert werden. Um die Auswir-
kungen von Veränderungen der Bankenregulierung auf die Finanzierungsbe-
dingungen im Mittelstand genauer abschätzen zu können, muss in geeigneter
Form die Erstellung einer Wirkungsstudie vorangetrieben werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

zur Sicherstellung der Mittelstandsfinanzierung
– in einer gemeinsamen Anstrengung von Staat und Finanzwirtschaft eine Mit-

telstandsanleihe aufzulegen, die den steigenden Liquiditätsbedarf der mittel-
ständischen Wirtschaft zu annehmbaren Konditionen sicherstellen kann,

– das von den Bürgschaftsbanken gemeinsam mit den Mittelständischen Betei-
ligungsgesellschaften aufgelegte Kombiprogramm zur Liquiditätssicherung
für kleine und mittlere Unternehmen durch Bereitstellung von Betriebsmit-
teln und eigenkapitalstärkendem Beteiligungskapital weiterzuführen. Be-
währte Erweiterungen des Instrumentariums der Bürgschaftsbanken sind
ebenfalls fortzusetzen. Konkret sind dies folgende Maßnahmen:
– Die prozessbeschleunigende Eigenkompetenz für Bürgschaftsentschei-

dungen bis zu 150 000 Euro,
– der von 1 auf 2 Mio. Euro heraufgesetzte Bürgschaftshöchstbetrag,
– die von 35 auf 50 Prozent erhöhte Sollgrenze für den Betriebsmittelanteil

am Gesamtobligo einer Bürgschaftsbank.

Eine Evaluierung dieser Regelungen ist innerhalb von zwei Jahren vorzusehen,
– die Einrichtung eines erweiterten Mikrobürgschaftsprogramms durch die

Bürgschaftsbanken zu unterstützen, über das Gründer mit vergleichsweise
geringem Kapitalbedarf eine Finanzierung erhalten. In diesen Fällen sind ins-
besondere Haftungserleichterungen gegenüber bereits bestehenden Program-
men zu prüfen,

– zu prüfen, ob und an welchen Stellen die Rahmenbedingungen für private
Beteiligungsgesellschaften verbessert werden können,

– geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Kommunikation zwischen mit-
telständischen Unternehmen und Kreditinstituten weiter zu verbessern und

– eine Studie auf den Weg zu bringen, die die Auswirkungen von Veränderungen
der Bankenregulierung auf die Finanzierungsbedingungen im Mittelstand
dokumentiert, insbesondere wenn die Erhöhung des Eigenkapitals der Banken
schneller voranschreitet als der in Basel III vorgesehene Anpassungspfad.

Berlin, den 23. März 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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