BT-Drucksache 17/5039

Alle Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern stoppen

Vom 16. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5039
17. Wahlperiode 16. 03. 2011

Antrag
der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth,
Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich,
Niema Movassat, Thomas Nord, Paul Schäfer (Köln), Alexander Ulrich,
Kathrin Vogler, Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Alle Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern stoppen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. In vielen Ländern der arabischen Welt erhebt sich die Bevölkerung gegen die
autokratischen Regime. Diese bekämpfen die protestierende Bevölkerung
zum Teil mit brutaler Gewalt, Tausende Menschen haben bereits im Kampf
für Freiheit und Demokratisierung in Tunesien, Ägypten, Jemen, Bahrain,
Oman und Libyen ihr Leben verloren. Es ist davon auszugehen, dass dabei
auch deutsche Waffen eingesetzt wurden. Die Bundesregierung hat allein im
Jahr 2009 Rüstungsexporte im Wert von 1 064 956 424 Euro in die Staaten
des Nahen und Mittleren Ostens genehmigt (Rüstungsexportbericht der
Bundesregierung 2009). Deutschland ist nach einer Veröffentlichung des
Friedensforschungsinstituts SIPRI auch im Jahre 2010 zum wiederholten
Male drittgrößter Rüstungsexporteur der Welt.

2. Ägypten durfte im vergangenen Jahrzehnt Rüstungsgüter im Wert von
276,2 Mio. Euro aus Deutschland importieren (Rüstungsexportberichte der
Bundesregierung 2000 bis 2009), darunter Waffen, die sich auch zur Nieder-
schlagung von Aufständen sowie Menschenrechtsverletzungen eignen, wie
Pistolen, Maschinenpistolen oder Scharfschützengewehre. Die Lieferungen
erfolgten, obwohl der Bundesregierung die massiven Menschenrechtsverlet-
zungen des Mubarak-Regimes bekannt waren. In ihren Menschenrechts-
berichten stellte die Bundesregierung fest, dass willkürliche Verhaftungen
ohne richterliche Anordnung sowie Folter und Misshandlung vor allem in
Polizeistationen verbreitet seien (z. B. 8. und 9. Bericht der Bundesregierung
über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen und in an-
deren Politikbereichen).

3. Auch Muammar al-Gaddafi profitiert bei der brutalen Niederschlagung der
libyschen Freiheitsbewegung von deutschen Rüstungslieferungen. Seit

Beendigung des Waffenembargos 2004 wurden Rüstungsgüter im Wert von
83 Mio. Euro nach Libyen genehmigt, darunter Hubschrauber, Gefechtsfeld-
überwachungsradar, Kommunikationsausrüstung und Störsender (Rüstungs-
exportberichte der Bundesregierung 2006 bis 2009). Die Lieferungen wurden
genehmigt, obwohl die Bundesregierung selbst die Menschenrechtslage im
Land als „sehr unbefriedigend“ einstufte und feststellte, dass im autoritären
Gaddafi-Regime politische Gegner verfolgt und weder bürgerliche und poli-

Drucksache 17/5039 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
tische Freiheitsrechte noch ein unabhängiges Justizwesen existieren (z. B.
8. und 9. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in
den auswärtigen Beziehungen und in anderen Politikbereichen).

4. Die Bundesregierung geht sogar so weit, autoritären Regimen, wie dem in
Saudi-Arabien, den Aufbau von Waffenfabriken mit deutscher Technologie
zu genehmigen. So hat das deutsche Rüstungsunternehmen Heckler & Koch
GmbH eine Lizenz an Saudi-Arabien zur Produktion des neuen Sturm-
gewehres G36 vergeben und baut gegenwärtig eine Produktionsanlage für
dieses Gewehr auf, wofür die Bundesregierung die erforderlichen Export-
genehmigungen erteilte (Rüstungsexportberichte 2004 bis 2009, Antwort auf
die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/
4383.) Die Fabrik in Saudi-Arabien wird bald fertiggestellt sein und dann über
Jahrzehnte diese Waffe produzieren können. Solche Lizenzvergaben stellen
eine besondere Gefahr dar. So hat Deutschland zum Beispiel 1966 eine Lizenz
für den Nachbau des Heckler & Koch-Sturmgewehrs G3 an den kaiserlichen
Iran vergeben (Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, B 57 569). Noch
heute produzieren die staatlichen iranischen Rüstungsbetriebe das Sturm-
gewehr G3 (www.diomil.ir), das in Kriegsgebieten in aller Welt auftaucht. So
finden sich „iranische G3“ u. a. in Bosnien (DIE ZEIT, 3. Mai 2007), im
Sudan (www.sueddeutsche.de, 28. Juli 2008) und wahrscheinlich in Somalia
(www. bpb.de/publikationen).

5. Die Bundesregierung genehmigte im vergangenen Jahrzehnt auch den Export
von Waffen und sonstigen Rüstungsgütern an Staaten, die sich in offenen
gewaltsamen Konflikten befinden bzw. die am Rande eines solchen stehen.
So wurde beispielsweise der Export von Rüstungsgütern für alle Waffen-
gattungen an Pakistan und Indien genehmigt (Rüstungsexportberichte der
Bundesregierung 2002 bis 2009), obwohl diese sich in einem gefährlichen
Dauerkonflikt befinden, der jederzeit eskalieren kann.

6. Jedes Jahr sterben rund 747 000 Menschen durch Waffengewalt, täglich also
mehr als 2 000 Menschen (www.armscontrol.org). Deutschland ist unter den
Staaten der Europäischen Union der größte Lieferant von Militärausrüstung,
noch vor Frankreich und Großbritannien. Deutsche Waffen gefährden welt-
weit die Stabilität und das friedliche Zusammenleben der Menschen, sie er-
höhen die Gefahr von inner- und zwischenstaatlichen Kriegen, können zu
einer erheblichen Konflikt- und Gewalteskalation beitragen sowie die Lö-
sung von Konflikten mit zivilen, gewaltfreien Mitteln verhindern. Deutsche
Waffen werden in vielen Ländern – unter ihnen Libyen und Saudi-Arabien –
zur Unterdrückung, Verfolgung und Einschüchterung der Bevölkerung ein-
gesetzt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem ein Verbot des Exports von Kriegs-
waffen und sonstigen Rüstungsgütern geregelt wird.

Berlin, den 16. März 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.