BT-Drucksache 17/4923

Umsetzung des Europäischen Semesters

Vom 24. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4923
17. Wahlperiode 24. 02. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Alexander Bonde, Kerstin Andreae,
Marieluise Beck (Bremen), Viola von Cramon-Taubadel, Dr. Thomas Gambke,
Katrin Göring-Eckardt, Priska Hinz (Herborn), Agnes Malczak, Jerzy Montag,
Beate Müller-Gemmeke, Omid Nouripour, Dr. Gerhard Schick
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umsetzung des Europäischen Semesters

Das Europäische Semester ist nach Ansicht der Bundesregierung der neue
Prozess der wirtschafts- und finanzpolitischen Koordinierung innerhalb der
Europäischen Union. Zum einen stärkt es den präventiven Arm des Stabilitäts-
und Wachstumspakts und somit die Überwachung nationaler Haushaltspolitik.
Zum anderen soll durch die nationalen Reformprogramme die Umsetzung der
EU 2020 und damit eine stärkere Koordinierung der nationalen Wirtschafts-
politiken erfolgen. Anfang April 2011 wird die Bundesregierung sowohl ihr
Stabilitätsprogramm als auch ihr Nationales Reformprogramm (NRP) an die
Europäische Kommission schicken. Ein erster von der Bundesregierung bereits
im November 2011 vorgelegter Entwurf für das Nationale Reformprogramm
Deutschlands wurde von der EU-Kommission für nicht ehrgeizig genug be-
funden, die Lücke zwischen Worten und Taten müsse noch geschlossen
werden.

Das Europäische Semester endet im Juni 2011 mit der Annahme der länder-
spezifischen Empfehlungen durch den Europäischen Rat. In welcher Form die
Umsetzung dieser Empfehlungen auf EU-Ebene überprüft werden soll, ist bis-
her unklar. Ebenso die von der Bundesregierung beabsichtigte Beteiligung des
Deutschen Bundestages an den einzelnen Verfahrensschritten.

Beim Europäischen Rat am 4. Februar 2011 hat Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy
eine Initiative zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Staaten vorge-
stellt, welche als Vorschlag für eine vertiefte wirtschaftspolitische Koordinie-
rung zu werten sei. Mit der Umsetzung der deutsch-französischen Initiative
würden irreführende Parallelstrukturen zum Europäischen Semester geschaffen
werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welchen Stellenwert misst die Bundesregierung dem Prozess des Europäi-
schen Semesters bei?

2. Erachtet die Bundesregierung das Europäische Semester als zentrales Instru-
ment einer verstärkten wirtschafts- und haushaltspolitischen Koordinierung?

Drucksache 17/4923 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Ist nach Auffassung der Bundesregierung eine weitreichende Beteiligung
des Europäischen Parlaments im Verfahren des Europäischen Semesters,
beispielsweise bei der Erarbeitung der Leitlinien des Europäischen Rates
oder der länderspezifischen Empfehlungen wünschenswert, und wenn nein,
warum nicht?

4. An welchen Punkten wird die Bundesregierung den von der EU-Kommission
als nicht ehrgeizig genug bewerteten Entwurf des Nationalen Reformpro-
gramms Deutschlands ändern?

5. Plant die Bundesregierung, das deutsche Ziel zur Verringerung von Armut
(660 000 Personen), zu erhöhen, und wenn nein, warum nicht?

6. Wird die Bundesregierung vor der Abgabe des finalen Nationalen Reform-
programms im April 2011 noch Gespräche mit der Europäischen Kommis-
sion führen, und wenn ja, welche Termine stehen an?

7. In welcher Form wird die Bundesregierung die Länder an der Erarbeitung
des Nationalen Reformprogramms beteiligen?

8. Welche Fristen werden den Ländern eingeräumt, um sich zum Entwurf des
Nationalen Reformprogramms zu äußern?

9. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung den Rückäußerungen der
Länder zu, nach welchen Kriterien werden diese berücksichtigt, und wie
werden die Beiträge dokumentiert?

10. Wie kann eine Beteiligung des Bundesrates vor Übersendung des Natio-
nalen Reformprogramms gewährleistet werden?

11. In welcher Form wird die Bundesregierung den Deutschen Bundestag an
der Erarbeitung des Stabilitätsprogramms und des Nationalen Reformpro-
gramms beteiligen?

12. Wird die Bundesregierung das Stabilitätsprogramm und das Nationale Re-
formprogramm noch vor Weiterleitung an die Europäische Kommission
und den Rat dem Deutschen Bundestag vorlegen, und wenn nein, warum
nicht?

13. Welche Rolle spielt das Europäische Semester für die Aufstellung des Bun-
deshaushalts?

14. Fließen die im Entwurf des Nationalen Reformprogramms angedachten
Maßnahmen in die derzeit laufenden Vorbereitungen des Haushaltsentwurfs
2012 ein?

Existieren bereits konkrete Eckdaten für den Haushalt 2012, an denen sich
der Einfluss des Nationalen Reformprogramms festmachen ließe?

15. Beabsichtigt die Bundesregierung die länderspezifischen Leitlinien bei der
Erarbeitung ihres Bundeshaushaltsentwurfs 2012 zu berücksichtigt?

Wenn ja, wie möchte die Bundesregierung dies praktisch vollziehen, wenn
die länderspezifischen Leitlinien Ende Juni 2011 vom Europäischen Rat
angenommen werden und der Kabinettsbeschluss zum Bundeshaushalts-
entwurf 2012 ebenfalls für Ende Juni 2011 geplant ist?

Sieht die Bundesregierung in diesem engen Zeitfenster ein Problem?

16. Wird die Bundesregierung, wie am 11. Februar 2011 in der Sitzung des
Unterausschusses des Haushaltsausschusses das Bundesministerium der
Finanzen mitteilte, tatsächlich den Entwurf des Bundeshaushalts 2012 nach
Brüssel übersenden?

Wenn ja, in welcher Form wird der Entwurf des Bundeshaushalts in Brüs-

sel überprüft, und wenn nein, aus welchen Gründen wurde dies mehrfach
von der Bundesregierung behauptet?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4923

17. Welchen Grad der Verbindlichkeit misst die Bundesregierung den länder-
spezifischen Empfehlungen bei?

18. Inwieweit wird ab Juli 2011 auf europäischer Ebene überprüft werden, ob
die länderspezifischen Empfehlungen bei der Aufstellung der nationalen
Haushalte berücksichtigt wurden?

Welche Konsequenzen sind bei einer Nichtbeachtung der Empfehlungen
geplant?

19. Aus welchen Gründen beabsichtigt die Bundesregierung mit dem Pakt für
Wettbewerbsfähigkeit ein weiteres Instrument der wirtschafts- und haus-
haltspolitischen Koordinierung und damit Parallelstrukturen zum Europäi-
schen Semester bzw. zu bereits von der Europäischen Kommission geplan-
ten oder bereits auf den Weg gebrachten Initiativen (z. B. Grünbuch der
EU-Kommission – Angemessene, nachhaltige und sichere europäische Pen-
sions- und Rentensysteme; geplanter Richtlinienvorschlag der EU-Kommis-
sion für eine einheitliche konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungs-
grundlage; Grundsatz der vorsichtigen Haushaltspolitik in der bereits vor-
liegenden Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97) zu
schaffen?

20. In welcher Form soll nach Ansicht der Bundesregierung das Europäische
Parlament und der Deutsche Bundestag bei Schaffung und Ausgestaltung
des Pakts für Wettbewerbsfähigkeit beteiligt werden?

Berlin, den 24. Februar 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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