BT-Drucksache 17/4757

Strukturreform der deutschen technischen Zusammenarbeit

Vom 11. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4757
17. Wahlperiode 11. 02. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ute Koczy, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Dörner,
Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel,
Ulrike Höfken, Katja Keul, Tom Koenigs, Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln),
Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Strukturreform der deutschen technischen Zusammenarbeit

Die Anforderungen an die Entwicklungspolitik haben sich dramatisch verän-
dert. Auf die neuen Herausforderungen wie Klimawandel und neuen Macht-
konstellationen muss mit veränderten Maßnahmen und Methoden reagiert wer-
den. Auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit muss reagieren und bes-
ser werden. Dafür ist es unerlässlich, erstens den Mitteleinsatz wirksamer und
zielgenauer zu machen und zweitens die deutsche Politik gegenüber den Part-
nerländern einheitlich und kohärent zu gestalten. Seit der „Paris Declaration“
und der „Accra Agenda for Action“ stehen Kohärenz und Wirksamkeit der Ent-
wicklungszusammenarbeit ebenso im Zentrum der entwicklungspolitischen
Debatte wie die stärkere Verantwortung der Partnerländer. Reformen der deut-
schen Entwicklungszusammenarbeit müssen diesen Zielen entsprechen.

Viele Jahre wurde national und international gefordert, die Strukturen der deut-
schen Entwicklungszusammenarbeit grundlegend zu reformieren. Die Organi-
sation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kritisierte
in ihrem Prüfbericht von 2005, dass die Organisationen- und Verfahrensvielfalt
der deutschen Entwicklungspolitik zu Effizienz- und Koordinierungsverlusten
führt und die Partnerländer in den Entwicklungsländern vor große Herausforde-
rungen stellt.

Das Bundeskabinett hat die Zusammenführung der drei staatlichen Durchfüh-
rungsorganisationen Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit
(GTZ) GmbH, Deutscher Entwicklungsdienst (DED) gGmbH und Inwent – In-
ternationale Weiterbildung und Entwicklung gGmbH am 7. Juli 2010 beschlos-
sen. Am 1. Januar 2011 hat die neue Organisation ihre Arbeit aufgenommen, die
zu 100 Prozent in der Hand des Bundes liegt und den nur leicht veränderten
Namen Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH
trägt. Neben der GIZ sollen eine Servicestelle für bürgerschaftliches Engage-
ment sowie eine Institution für die unabhängige Evaluierung und Sicherung der

Qualität von Wirkungsmessung entstehen. Die Regierung begrenzt die Struktur-
reform allerdings auf die technische Zusammenarbeit, obwohl gerade die Zu-
sammenlegung von technischer und finanzieller Zusammenarbeit essentiell für
die Effizienz der Entwicklungszusammenarbeit und eine kohärente deutsche
Entwicklungspolitik ist. Nach wie vor sehen sich die Partnerländer also einer
Trias aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung (BMZ), der GIZ und der KfW Bankengruppe gegenüber.

Drucksache 17/4757 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nachdem die kleine Fusion zunächst vielversprechend begann, gab es auf der
Zielgeraden verschiedene Rückschläge für die deutsche Entwicklungszusam-
menarbeit. Das BMZ hat es bisher versäumt, darzulegen, welche inhaltlichen
Ziele mit der Reform verfolgt werden. Stattdessen hat sich das BMZ auf struk-
turelle Maßnahmen konzentriert. Nach einem Hin und Her bei der Frage des
Hauptsitzes überraschte das BMZ die Öffentlichkeit mit der Berufung eines sie-
benköpfigen Vorstandes, der zudem ausschließlich aus Männern besteht.

Eine offene Debatte darüber, wie die Verschmelzung inhaltlich ausgerichtet
werden soll und wie Öffentlichkeit und Deutscher Bundestag stärker beteiligt
werden können, hat es bislang nur in Ansätzen gegeben. Weiterhin stellt sich
die Frage, ob das BMZ künftig verstärkt als „Agenda Setter“ auftreten wird und
sich dabei gegen die personell sehr viel besser ausgestattete GIZ durchsetzen
kann.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche inhaltlichen Ziele sollen für die GIZ leitend sein?

Wie und unter welcher Beteiligung wird eine solche Zielbestimmung ent-
wickelt?

2. Welche qualitativen Ziele sollen mit der Reform umgesetzt werden?

3. Wie werden die neuen Herausforderungen der Entwicklungszusammenar-
beit (z. B. Klimawandel, neue Geber, Rohstoffausbeutung) bei der Reform
berücksichtigt?

4. Wie werden die Erfahrungen der Partnerinnen und Partner in den Empfän-
gerländern, aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und von anderen Gebern
genutzt und in die Reform mit einbezogen?

5. Inwieweit wird sich die GIZ in Zukunft verstärkt im Rahmen einer zivil-
militärischen Zusammenarbeit, wie etwa in Afghanistan oder in Kolum-
bien, engagieren?

6. Ist es geplant, im zivil-militärischen Bereich Kompetenzen aufzubauen?

Wenn ja, wie, in welcher Form, in welchen Schritten, und in welchen Län-
dern und Regionen?

7. Wie soll das Geschäftsmodell der GIZ aussehen, bzw. wie wird der Prozess
zu seiner Erstellung konkret ausgestaltet, und welche zeitliche Perspektive
ist vorgesehen?

8. An welchen Indikatoren wird der Erfolg der Reform gemessen?

9. Wie hoch sind die zusätzlichen Kosten für die Beibehaltung von zwei
Standorten in Eschborn und Bonn?

In welchem Umfang werden Umbaumaßnahmen an den Standorten durch-
geführt?

10. Wird langfristig die Zusammenführung von technischer und finanzieller
Entwicklungszusammenarbeit angestrebt, und wenn ja, welche Schritte
werden dafür unternommen?

Wenn nein, warum nicht?

11. Wie soll die dringend notwendige Abstimmung zwischen technischer und
finanzieller Zusammenarbeit in Zukunft verbessert werden?

12. Wie soll künftig die Zusammenarbeit mit anderen „Stakeholdern“ aus Part-
nerländern, Wissenschaft und Zivilgesellschaft konkret aussehen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4757

13. Wie ist die Ausgestaltung des Beirats der GIZ geplant, und welche Aufga-
ben soll er wie erfüllen?

14. Wie wird zukünftig die fachliche Begleitung des Aufsichtsrats der GIZ
durch den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
des Deutschen Bundestages gewährleistet?

15. Welche Maßnahmen und Strukturen sind geplant, um eine effektive Steue-
rung der technischen Zusammenarbeit und der GIZ durch das BMZ zu ge-
währleisten (bitte einzelne Maßnahmen und Zeitschiene angeben)?

16. Wie ist geplant, die Arbeit des neu gegründeten Ressortkreises für tech-
nische Zusammenarbeit zu organisieren?

a) Welche Effekte werden durch den Ressortkreis erwartet?

b) Aus welchem Anlass wird er einberufen?

c) Wer leitet die Sitzungen?

d) Gibt es ein Sekretariat oder Stellen für den Ressortkreis?

Wenn ja, wie viele, und wie ist ihre Arbeitsbeschreibung?

e) Gibt es eine Agenda für die Treffen des Ressortkreises?

f) Wie häufig tagt er?

g) Wer nimmt an den Sitzungen teil (bitte nach Anzahl, Beschäftigungs-
ebene und Bundesministerien aufschlüsseln)?

h) Welche Themen werden in dem Ressortkreis besprochen, und wie wer-
den sie ausgewählt?

i) An wen und in welcher Form werden die Ergebnisse der Treffen des
Ressortkreises kommuniziert?

j) Ist eine Koordination des Ressortkreises mit Institutionen der finanziel-
len Zusammenarbeit geplant?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, warum nicht?

k) Ist eine Abstimmung mit anderen ressortübergreifenden Gremien, etwa
dem Ressortkreis zivile Krisenprävention, geplant?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, warum nicht?

17. Wie steht die Bundesregierung zu der Idee, das Deutsche Institut für Ent-
wicklungspolitik (DIE) mit der Durchführung unabhängiger Evaluierungen
zu beauftragen?

18. Was sind die konkreten Planungen für die Einrichtung der Institution für
Evaluierung und Wirkungsmessung?

a) Wird die Institution als eigenständige Organisation gegründet oder wird
sie an einem bestehenden Institut aufgehängt?

Falls Letzteres, welches und wie ist dann die Leitung geregelt?

b) Wie wird die Unabhängigkeit der Institution gewährleistet?

c) Welche Ziele werden mit der Institution verfolgt?

d) Wie sieht der konkrete Zeitplan bis zur Gründung und darüber hinaus aus?

e) Wo soll die Institution ihren Sitz haben?

Drucksache 17/4757 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

f) Wie soll die Leitungsstruktur der Institution aussehen, und wie werden
entsprechende Personen ausgewählt?

g) Wird eine Frauenquote für die Leitung der neuen Organisation gelten?

Wenn ja, welche?

h) Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung für die Gründung der
Institution?

i) Mit welchen Kosten kalkuliert die Bundesregierung jährlich für den Be-
trieb der Institution?

j) Wie viele Stellen sind für die Institution geplant, welches Anforde-
rungsprofil müssen Bewerber erfüllen, und nach welchen Kriterien wer-
den sie ausgewählt?

k) Werden alle Maßnahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit
evaluiert oder lediglich die der technischen Zusammenarbeit?

l) Wie wird die Institution aktiv werden, und wie regelmäßig werden Maß-
nahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit evaluiert?

m)Wie soll die Wirkungsmessung von Maßnahmen deutscher Entwick-
lungszusammenarbeit methodisch vonstatten gehen?

n) Werden die entsprechenden Berichte veröffentlicht?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wann, welche, und in welchem Umfang?

o) Wie wird die Arbeit der Institution mit internationalen Initiativen har-
monisiert?

p) Soll die Institution auch die Entwicklungszusammenarbeit zivilgesell-
schaftlicher Organisationen evaluieren?

Wenn ja, warum, und in welchem Umfang bzw. auf welche Veränderun-
gen müssen sich zivilgesellschaftliche Organisationen in der Arbeit ein-
stellen?

Wenn nein, warum nicht?

q) Wie soll die finanzielle Entwicklungszusammenarbeit der KfW Banken-
gruppe zukünftig evaluiert werden?

r) Wie soll die Arbeit der Institution für Evaluierung und Wirkungsmes-
sung evaluiert und bewertet werden?

19. Welche Reformen sind für die GTZ/GIZ International Services und Dritt-
geschäfte geplant?

a) Wie soll zukünftig der Geschäftsbereich GTZ/GIZ International Ser-
vices organisiert werden?

b) Welchen Anteil am Gesamtgeschäft der GIZ wird das Drittgeschäft haben?

c) Wie soll die Leitungsstruktur der Institution aussehen, und wie werden
entsprechende Personen ausgewählt?

d) Wird eine Frauenquote für die Leitung gelten?

Wenn ja welche?

e) Wie soll das einheitliche Auftragsverfahren, das 2012 realisiert werden
soll, aussehen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/4757

f) Wie soll die Vergabe von Direktaufträgen durch öffentliche Auftragge-
ber gestaltet werden?

Was wird aus dem bisherigen Zuwendungsverfahren?

g) Wie soll die Auftragsvergabe von öffentlichen Auftraggebern an die
GIZ zukünftig koordiniert werden?

Welche Strukturveränderungen im BMZ sollen mit diesen Veränderun-
gen einhergehen?

h) In welchem Maß steht das Auftragsverfahren in Konkurrenz zu lokalen
Firmen in den Partnerländern?

20. Welche Maßnahmen sind im Rahmen der Reform für eine Dezentralisie-
rung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit geplant?

a) Wie sollen ein einheitliches deutsches Auftreten in den Partnerländern
und mehr Kohärenz zwischen den Politiken der verschiedenen Ressorts
gewährleistet werden?

b) Wie soll der politische Dialog mit den Partnerinnen und Partnern zu-
künftig gestaltet werden?

c) Wird das BMZ in den deutschen Häusern personell vertreten sein?

Wenn ja, in welchem Maß?

Wenn nein, warum nicht?

d) In welchem Zeitraum und in welchem Ausmaß soll die personelle Prä-
senz des BMZ in den Partnerländern ausgebaut werden?

e) Wie ist die zukünftige Organisationsstruktur der deutschen Häuser ge-
plant?

f) Wie wird die KfW in die Arbeit vor Ort einbezogen, und wie wird zu-
künftig die technische und finanzielle Zusammenarbeit vor Ort koordi-
niert?

g) Wie wird das Verfahren zur Bestimmung der Leitung der Landesbüros
in den Partnerländern konkret aussehen (bitte nach Verfahrensschritten
aufschlüsseln)?

h) Wird die Beteiligung der Botschaften und Konsulate in den Partnerlän-
dern im Zuge der Reform in der Programmierung von Entwicklungszu-
sammenarbeit gestärkt?

Wenn ja, wie?

i) Wird die Anzahl der Referenten für Wirtschaftliche Zusammenarbeit
(WZ-) an den Botschaften erhöht?

j) In welchen Pilotländern wird die Dezentralisierung der deutschen Ent-
wicklungszusammenarbeit bereits getestet, und welche werden wann
dazukommen?

k) Nach welchen Kriterien wurden und werden die Pilotländer ausge-
wählt?

l) Welche Maßnahmen werden in den Pilotländern konkret vorgenom-
men?

m)Wie werden die Maßnahmen in den Pilotländern evaluiert, und wann
und in welcher Form werden erste Ergebnisse vorliegen?

Wann werden diese öffentlich gemacht?

Drucksache 17/4757 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

21. Welche Auswirkungen sieht die Bundesregierung durch die Fusion der
Durchführungsorganisationen auf die Entwicklungszusammenarbeit der
Bundesländer?

a) Wie werden die Bundesländer an der Fusion beteiligt?

b) Wie werden die regionalen Zentren und dezentralen Fachabteilungen,
die von Inwent gGmbH betrieben wurden, in die Planung mit einbezo-
gen?

c) Was sind die kurz-, mittel- und langfristigen Planungen für die regiona-
len Zentren (bitte nach den regionalen Zentren aufschlüsseln)?

d) Wie schätzt die Bundesregierung die zukünftige regionale Bedeutung der
regionalen Zentren und dezentralen Fachabteilungen, die von Inwent
gGmbH betrieben wurden, ein?

e) In welcher Form wird die entwicklungspolitische Expertise der Bundes-
länder in den Reformprozess eingebunden?

f) Werden die regionalen Einrichtungen auch auf übergeordnete strategi-
sche Überlegungen Einfluss nehmen können?

g) Wie werden sie an operationalen und organisatorischen Entscheidungen
beteiligt?

22. Wie ist der Stand der vorgesehenen Novelle des Entwicklungshelfer-Ge-
setzes (EhfG)?

a) Welche Änderungen zum EhfG sollen in 2011 vorgenommen werden,
und welches Ziel haben diese Änderungen?

b) Welche Folgen werden die Änderungen zum EhfG für die derzeit be-
schäftigten Entwicklungshelfer haben?

c) In welchem Zeitrahmen ist eine Änderung des EhfG geplant?

Berlin, den 11. Februar 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.