BT-Drucksache 17/4743

Gleichstellung der Frauen im Erwerbsleben

Vom 10. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4743
17. Wahlperiode 10. 02. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Jutta Krellmann, Cornelia Möhring,
Diana Golze, Matthias W. Birkwald, Heidrun Dittrich, Werner Dreibus, Klaus Ernst,
Katja Kipping, Kornelia Möller, Yvonne Ploetz, Ingrid Remmers, Jörn Wunderlich
und der Fraktion DIE LINKE.

Gleichstellung der Frauen im Erwerbsleben

In diesem Jahr jährt sich zum 100. Mal der Internationale Frauentag. Die For-
derung nach einer Gleichstellung der Frau insbesondere im Erwerbsleben ist
nach wie vor nicht eingelöst. Das dokumentiert auch das jüngst erschienene
Sachverständigengutachten zum ersten Gleichstellungsbericht der Bundes-
regierung. Die steigende Erwerbsbeteiligung der Frauen beruht zu großen Tei-
len in einem Zuwachs an prekärer Beschäftigung. Steuert die Politik nicht um,
zementiert der derzeitige Aufschwung die bestehende Ungleichheit auf dem
Arbeitsmarkt.

(Soweit für die Beantwortung der Fragen nicht auf endgültige statistische Da-
ten zurückgegriffen werden kann, bitte im Sinne einer aktuellen Sachstandbe-
schreibung vorläufige, hochgerechnete oder geschätzte Daten heranziehen.)

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Bilanz zieht die Bundesregierung hinsichtlich der Gleichstellung der
Frau im Erwerbsleben im 100. Jahr des Internationalen Frauentages?

2. Welche der Forderungen der 2. Internationalen Sozialistischen Frauenkonfe-
renz in Kopenhagen vom 27. August 1910 sieht die Bundesregierung im Be-
reich des Erwerbslebens in der Bundesrepublik Deutschland eingelöst?

3. Welche politischen Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem
Sachverständigengutachten zum ersten Gleichstellungsbericht der Bundes-
regierung hinsichtlich der Gleichstellung der Frau im Erwerbsleben?

4. Teilt die Bundesregierung die Aussagen des Sachverständigengutachtens
zum ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, wonach

– das Ehegattensplitting, die abgeleiteten Sozialversicherungen sowie die
Minijobs starke Anreize für verheiratete Frauen setzen, nicht oder nur in
geringfügiger Beschäftigung tätig zu sein (Sachverständigengutachten

Zusammenfassung S. 6);

– die Entlohnung gerade in Dienstleistungsbranchen mit hohen Frauenan-
teilen in den letzten 15 Jahren zunehmend von der allgemeinen Einkom-
mensentwicklung abgekoppelt wurde, Gründe hierfür die abnehmende
Tarifbindung und die abnehmende Zahl von Allgemeinverbindlichkeits-
erklärungen seien, durch die Tariflöhne auch auf nicht tarifgebundene
Unternehmen ausgedehnt werden können (S. 7);

Drucksache 17/4743 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

– Arbeitgeber meist in Verbindung mit Fürsorgeaufgaben stehende „Aus-
stiege“ von Frauen entsprechend traditioneller Rollenmodelle erwarten,
aber weniger in die Weiterbildung und Entwicklung weiblicher Beschäf-
tigter investieren (S. 7);

– es im Eheverlauf mehrheitlich zu einer Retraditionalisierung der fami-
liären Arrangements kommt, mit der Folge, dass Frauen beruflich zurück-
stecken und dabei die Möglichkeiten, eigenes Einkommen zu erzielen,
einbüßen (S. 8);

– durch die geschlechterpolitischen Implikationen der Reformen für mo-
derne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz-Reformen) die Lebens-
gestaltungsoptionen von Frauen, insbesondere die Verbindung in neuen
Partnerschaften nach Trennung und/oder Scheidung, erheblich be-
schränkt sind (S. 12, 16)

(bitte die Teilfragen jeweils einzeln beantworten)?

5. Welche politischen Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus,
dass laut Sachverständigengutachten zum ersten Gleichstellungsbericht der
Bundesregierung die starken Unterschiede der Arbeitszeiten zwischen den
Geschlechtern nicht die Wunschvorstellungen von Müttern und Vätern ab-
bilden, vielmehr Eltern ein deutliches Interesse daran artikulieren, ihre Ar-
beitszeit einander anzunähern, indem Väter ihre Wochenarbeitszeit verrin-
gern und Frauen mit Teilzeitarbeitsplätzen eher länger arbeiten wollen?

Erwägt die Bundesregierung konkrete gesetzliche Maßnahmen?

Wenn ja, welche, und wenn nein, warum nicht?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die vom Sachverständigengutachten
zum ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung vorgeschlagenen
einzelnen Maßnahmen zur Gleichstellungspolitik im Bereich des Erwerbs-
lebens (bitte jeweils zu den Empfehlungen einzeln Stellung nehmen, insbe-
sondere der Forderung nach Abschaffung der Minijobs und Einführung
eines gesetzlichen Mindestlohns)?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirkung der in Deutschland beste-
henden Regelungen zur Entgeltgleichheit?

Wie oft wurde bisher nach § 17 Absatz 2 des Allgemeinen Gleichbehand-
lungsgesetzes eine Lohndiskriminierung gerichtlich geltend gemacht, und
mit welchem Ausgang?

8. Wie hat sich seit 2009 die Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern ver-
ändert, insgesamt und in Vollzeitäquivalenten (bitte nach Jahren und Län-
dern aufschlüsseln)?

9. Wie hat sich seit 2009 die Erwerbsquote von Frauen und Männern verän-
dert (bitte nach Jahren und Ländern aufschlüsseln)?

10. Welches sind derzeit die zehn Branchen, in denen

a) nach absoluter Zahl und

b) nach Anteil

die meisten Frauen arbeiten?

Welche zehn Branchen sind entsprechend für die Männer zu nennen?

Wie hoch sind jeweils die durchschnittlichen Stundenlöhne und Arbeitszei-
ten (bitte diesmal nicht nur die vollbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer ausweisen, vgl. Bundestagsdrucksache 17/874, Antwort der
Bundesregierung zu Frage 6)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4743

11. Wie haben sich seit 2008 die Lohnunterschiede von Frauen und Männern
in Deutschland entwickelt?

12. Wie haben sich seit 2008 die Lohnunterschiede von Frauen und Männern
in den Mitgliedsländern der Europäischen Union entwickelt?

13. Wie viele Frauen und Männer arbeiteten 2009 und 2010 in

– sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung,

– sozialversicherungspflichtiger Teilzeit,

– Minijob bzw. geringfügiger Beschäftigung,

– befristeten Arbeitsverhältnissen,

– Leiharbeit

(bitte für jedes Jahr jeweils absolut und relativ aufzählen sowie nach Ost-/
Westdeutschland)?

Wie bewertet die Bundesregierung diese Zahlen?

14. Wie hat sich von 2005 bis 2010 nach Geschlecht die Zahl und der Anteil
der atypischen Beschäftigung entwickelt?

15. Welche der Branchen, die seit Ende der letzten Wirtschaftskrise ein starkes
Beschäftigungswachstum verzeichnen, haben einen überproportional ho-
hen Anteil von weiblichen Arbeitskräften?

In welchem Umfang beruhte das Beschäftigungswachstum dort auf Teilzeit-
und geringfügiger Beschäftigung?

Wie hoch ist in diesen Branchen verglichen mit der Gesamtwirtschaft der
Niedriglohnsektor?

16. Wie hat sich seit Ende der letzten Wirtschaftskrise in den Branchen mit
überproportional vielen weiblichen Arbeitskräften die Zahl der Leihar-
beitsverhältnisse verändert (bitte sowohl absolute wie relative Zahlen nen-
nen und gesamtwirtschaftliche Vergleichswerte angeben)?

17. Wie hat sich seit Ende der letzten Wirtschaftskrise in den Branchen mit
überproportional vielen weiblichen Arbeitskräften die Zahl der gering-
fügigen Beschäftigungsverhältnisse verändert (bitte sowohl absolute wie
relative Zahlen nennen und gesamtwirtschaftliche Vergleichswerte ange-
ben)?

18. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das Problem der er-
zwungenen Teilzeitarbeit, und wie verhält sie sich dazu?

19. Wie stellt sich im europäischen Vergleich bei teilzeitarbeitenden Frauen die
durchschnittliche Wochenarbeitszeit dar (bitte Werte für EU-Länder auf-
führen und für Deutschland auch nach Ost und West differenzieren)?

20. Welche Belege kann die Bundesregierung anführen für eine Brückenfunk-
tion der sogenannten Mini- und Midijobs in voll sozialversicherungspflich-
tiger Beschäftigung?

21. Wie haben sich seit 2009 bei den Aufstockerinnen und Aufstockern (Er-
werbstätige mit Arbeitslosengeld II) die Zahl und der Anteil der Frauen
bzw. Männer entwickelt?

Wie hoch sind pro Kopf monatlich die aufstockenden Leistungen, und wie
hoch alle Leistungen seit 2009 in der Summe (wenn möglich, auch nach
Geschlecht ausweisen)?

Drucksache 17/4743 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
22. Wie hat sich – nach Geschlecht – seit 2005 bis heute gemessen am Brutto-
stundenlohn die Niedriglohnbeschäftigung entwickelt (bitte absolute und
relative Zahlen angeben)?

23. Wie viele Frauen arbeiten derzeit zu einem Stundenlohn von weniger als
10 Euro und weniger als 8,50 Euro (bitte absolute und relative Zahlen nen-
nen)?

Wie lauten die entsprechenden Zahlen für Männer?

24. Wie oft waren Maßnahmen zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen
und Männern im Erwerbsleben, insbesondere die Entgeltgleichheit von
Frauen und Männern, Bestandteil von Ausschreibungen öffentlicher Auf-
traggeber, seitdem das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom
20. April 2009 (vgl. Bundestagsdrucksache 17/874, Antwort der Bundes-
regierung zu Frage 19) und die entsprechende Regelung in § 97 Absatz 4
Satz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Kraft
getreten sind (bitte absolute und relative Zahlen nennen)?

Wie oft wurde bisher gegen diese Anforderung verstoßen?

25. Plant die Bundesregierung zukünftig die Vergabe von Aufträgen der öffent-
lichen Hand auch daran zu knüpfen, dass die jeweiligen Unternehmen bzw.
Betriebe gleichstellungsorientiert arbeiten?

Wenn ja, in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 10. Februar 201

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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