BT-Drucksache 17/4686

Belarus - Repressionen beenden, Menschenrechtsverletzungen sanktionieren, Zivilgesellschaft stärken

Vom 9. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4686
17. Wahlperiode 09. 02. 2011

Antrag
der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln),
Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz,
Katja Keul, Ute Koczy, Tom Koenigs, Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln),
Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Belarus – Repressionen beenden, Menschenrechtsverletzungen sanktionieren,
Zivilgesellschaft stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag verurteilt nachdrücklich das brutale Vorgehen der
belarussischen Miliz gegen Führungskräfte und Anhänger der Opposition, die
Festnahmen von rund 700 Demonstranten und die Verfolgung der zivilgesell-
schaftlichen Kräfte seit den Präsidentschaftswahlen vom 19. Dezember 2010.
Dieses Vorgehen ist Ausdruck einer völligen Missachtung europäischer Werte
und Regeln durch die Regierung von Präsident Alexander Lukaschenko. Es be-
deutet einen herben Rückschlag für die Demokratisierung und Annäherung des
Landes an die Europäische Union.

Der Deutsche Bundestag fordert die Regierung Lukaschenko auf, umgehend
alle inhaftierten politischen Gefangenen frei zu lassen und die Repressionen ge-
gen Zivilgesellschaft, Nichtregierungsorganisationen und unabhängige Medien
zu beenden.

Der Deutsche Bundestag erkennt die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen
nicht an, sie waren weder frei noch fair und es gab erhebliche Abweichungen
von den Standards demokratischer Wahlen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt die Resolution der Parlamentarischen Ver-
sammlung des Europarates Nr. 1790 vom 27. Januar 2011 zur Situation in Bela-
rus nach den Präsidentschaftswahlen und bestärkt den Europarat darin, seine
Beiträge zur Stärkung von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demo-
kratie in Belarus fortzusetzen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt ausdrücklich, dass der Rat für Auswärtige
Angelegenheiten am 31. Januar 2011 Reisebeschränkungen und das Einfrieren
von Vermögenswerten für Präsident Alexander Lukaschenko und diejenigen

Personen beschlossen hat, die für die Gewaltaktionen, die politischen Repres-
sionen und für die Fälschung der Wahlergebnisse verantwortlich sind.

Die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung der Organisa-
tion für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) soll bei der nächsten
Gelegenheit eine Generaldebatte über die Lage in Belarus erwirken und einen
kritischen Antrag zur dortigen Entwicklung einbringen.

Drucksache 17/4686 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Kontakte mit der belarussischen Opposition und deren öffentliche Unter-
stützung bleiben wichtig und dienen der Ermutigung. Bisherige Veranstaltungs-
aktivitäten wie zum Beispiel das Minsk-Forum sind entsprechend der politi-
schen Situation anzupassen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich weiterhin für die Freilassung der politischen Gefangenen einzusetzen
und darauf hinzuwirken, dass der freie Zugang zu den Gefangenen, ihre
medizinische Versorgung und Rechtsbeistand sichergestellt sind, solange
sie sich im Gefängnis befinden;

2. den Opfern der Repression jede mögliche finanzielle und rechtliche Unter-
stützung zu gewähren;

3. sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, im Schengenraum die Vi-
sumpflicht für die Bürger und Bürgerinnen von Belarus aufzuheben;

4. die Tätigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen und Initiativen sowie
unabhängiger Medien mit angemessenen Mitteln zu fördern und zu unter-
stützen;

5. Programme zur Unterstützung von Studierenden, insbesondere derjenigen,
die von Studien in Belarus ausgeschlossen werden, zu stärken, Litauen und
Polen bei der Unterbringung von Studenten zu unterstützen, zusätzliche
Stipendien für belarussische Studierende an deutschen Hochschulen zu
schaffen und dabei diejenigen deutschen Universitäten einzubeziehen, die
sich bereits heute engagiert um Belarus kümmern, wie die Freie Universität
Berlin und die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder;

6. in der EU dafür einzutreten, dass eine Teilnahme von Belarus an EU-Pro-
grammen dahingehend überprüft wird, dass ein nachweisbarer Nutzen für
die Zivilgesellschaft und nicht für die Regierung sichergestellt ist sowie
makrofinanzielle Hilfen durch den Internationalen Währungsfonds (IWF),
die Europäische Investmentbank (EIB), die European Bank for Reconstruc-
tion and Development (EBRD) und die EU auf den Prüfstand gestellt wer-
den;

7. die Zusammenarbeit mit dem Zivilgesellschaftlichen Forum der Östlichen
Partnerschaft zu verstärken und die Zusammenarbeit mit Regierungsstellen
bis zur Freilassung der politischen Gefangenen auf hochrangige politische
Kontakte zu verzichten;

8. dafür einzutreten, dass sich die EU in diesen Fragen weiterhin eng mit den
internationalen Institutionen und Partnern abstimmt, und sich insbesondere
dafür einzusetzen, dass sie an Russland, das den Anspruch erhebt, mit der
EU dieselben Ideen und Wertvorstellungen über Europas Identität und Zu-
kunft zu teilen, herantritt, um die Entwicklung in Belarus mit dem Ziel zu
erörtern, gegenüber Präsident Alexander Lukaschenko und seiner Regie-
rung gemeinsam tätig zu werden;

9. sich in Abstimmung mit dem litauischen Vorsitz für Einwirkungsmöglich-
keiten der OSZE in Belarus einzusetzen, damit das OSZE-Büro in Minsk
seine Tätigkeit – einschließlich der Beobachtung der Menschenrechtslage
und der Kontaktpflege zur Zivilgesellschaft – ebenso ungehindert fortset-
zen kann wie der OSZE-Medienbeauftragte und das Büro für demokrati-
sche Institutionen und Menschenrechte der OSZE (ODIHR);

10. sich dafür einzusetzen, in der OSZE den Moskau-Mechanismus zu aktivie-
ren, um eine unabhängige internationale Kommission einzusetzen, die die

Vorgänge vom 19. und 20. Dezember 2010 untersuchen soll;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4686

11. diese Maßnahmen erneut zu überprüfen, sobald die politischen Gefangenen
freigelassen und die grundlegenden Bürgerrechte wiederhergestellt sind.

Berlin, den 8. Februar 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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