BT-Drucksache 17/4605

Steinkohleimporte aus Kolumbien

Vom 28. Januar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4605
17. Wahlperiode 28. 01. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Ute Koczy, Volker Beck (Köln), Hans-Josef Fell,
Bärbel Höhn, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth
(Quedlinburg), Nicole Maisch, Dr. Hermann Ott, Dr. Frithjof Schmidt, Dorothea
Steiner, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Steinkohleimporte aus Kolumbien

Im Jahr 2009 wurden ca. 76 Prozent der in Deutschland verbrauchten Steinkohle
aus dem Ausland importiert. Die wichtigsten Lieferländer Deutschlands sind in
absteigender Reihenfolge Russland, Kolumbien, die USA, Australien und Süd-
afrika. Nach Informationen des Statistischen Bundesamtes wurden zwischen
Januar und September 2010 5,5 Millionen Tonnen Steinkohle aus Kolumbien
nach Deutschland importiert. Dies entspricht ca. 18 Prozent der deutschen Stein-
kohleimporte in diesem Zeitraum. Im Zuge der Ausweitung der Bergbaukonzes-
sionen hat Kolumbien weitere gigantische Kohlereserven im Catatumbo (Norte
de Santander) sowie im mittleren Magdalenatal ausgewiesen, die in den nächs-
ten Jahren abgebaut werden sollen.

Nach Medienberichten und laut kolumbianischen und internationalen Menschen-
rechtsorganisationen kommt es beim Steinkohleabbau in Kolumbien regelmäßig
zu schweren Menschenrechtsverletzungen und gravierender Umweltzerstörung.
Armee und Paramilitärs „säubern“ das Land, wenn Bergbauunternehmen auf
neu ausgewiesene Abbaugebiete zugreifen wollen. Die Guerrilla schöpft in den
Bergbaugebieten Revolutionssteuern ab. Die lokale Bevölkerung gerät zwi-
schen die Fronten der bewaffneten Gruppen. Es kommt zu massenhaften Vertrei-
bungen und Gewaltakten gegen die Zivilbevölkerung. Menschenrechtsverteidi-
gerinnen/Menschenrechtsverteidiger, die in Kolumbien über die Problematik in
den Kohleabbaugebieten berichten, werden massiv bedroht und verfolgt. Es
werden weiter Enteignungen ohne Entschädigungszahlungen durchgeführt, ge-
setzlich vorgeschriebene Verfahren zur Konsultation der indigenen und afro-
kolumbianischen Bevölkerung werden nicht oder nur mangelhaft durchgeführt.
Die Bauern und Bäuerinnen sowie Angehörige Indigener Völker verlieren ihr
Land und ihre Lebensgrundlage. In den Minen werden Arbeitsschutzrichtlinien
nicht eingehalten, mit der Folge schwerer Erkrankungen für die Minenarbeite-
rinnen/Minenarbeiter und Anwohnerinnen/Anwohner. Darüber hinaus wird
nach Medienberichten die Gründung von Gewerkschaften von den Konzernen
vor Ort aktiv behindert und sogar Morde an führenden Gewerkschaftsmitglie-
dern werden mit der Unterdrückung gewerkschaftlicher Arbeit in Verbindung
gebracht.

Auch die ökologischen Folgen sind verheerend: Der Steinkohleabbau in Kolum-
bien geht mit einer massiven Abholzung ökologisch wertvoller Waldgebiete und
einer Belastung von Böden und Gewässern einher, wodurch diese für die Land-
wirtschaft unbrauchbar werden.

Drucksache 17/4605 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung hinsichtlich der
Herkunft der importierten Steinkohle, jeweils unterschieden nach Kraft-
werks- und Kokskohle, die von deutschen Unternehmen verwendet wird,
und wie werden diese Importe statistisch erfasst?

2. Welche Veränderungen gibt es im Hinblick auf die Herkunftsländer und die
von dort nach Deutschland importierten Mengen Steinkohle seit 1990
(wenn möglich nach einzelnen Jahren gegliederte Aufschlüsselung)?

3. Wie haben sich die vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
(BAFA) ermittelten Grenzübergangspreise für den Import von Steinkohle
und Kokskohle seit 1990 entwickelt?

4. Welche deutschen Unternehmen verwenden für ihre Produktion Steinkohle
aus dem Ausland, und um welche Mengen handelt es sich dabei, jeweils
unterschieden nach Kraftwerks- und Kokskohle?

5. Zu welchen Anteilen genau beziehen diese Unternehmen ihre Steinkohle
aus welchen Herkunftsländern (wenn möglich für jedes Unternehmen die
jeweiligen Herkunftsländer aufschlüsseln)?

6. Welche gesetzlichen Auflagen existieren für deutsche Kohlekraftwerksbe-
treiber, die Einhaltung der Menschenrechte sowie Sozial- und Umweltstan-
dards in den Abbaugebieten der importierten Steinkohle zu kontrollieren?

7. Welche Unternehmen betreiben in Kolumbien Steinkohlebergbau für den
Export?

8. Wem gehören diese Unternehmen und sind deutsche Finanzinstitute unter
den Anteilseignern dieser Unternehmen bzw. anderweitig involviert?

9. Existieren für deutsche Banken gesetzliche Auflagen, Kredite und andere
Finanzdienstleistungen nur an Bergbauunternehmen zu vergeben, die die
Einhaltung der Menschenrechte, Umwelt- und Sozialstandards kontrollie-
ren und sich zur Einhaltung der OECD-Leitsätze für multinationale Unter-
nehmen verpflichten?

10. Wo befinden sich die wichtigsten Minen, und wie viel Kohle wird dort
jeweils gefördert?

11. Erfolgt die Gewinnung jeweils ober- oder untertägig?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die Umweltfolgen des Steinkohleberg-
baus in den jeweiligen Minen?

13. Wie bewertet die Bundesregierung die Herkunft beträchtlicher Kohle-
importe nach Deutschland aus Konfliktgebieten?

14. Wie bewertet die Bundesregierung die Standards und deren Einhaltung bzw.
Überwachung durch staatliche Institutionen einerseits und die dort operie-
renden Unternehmen andererseits im Hinblick auf Arbeitsschutz, Umwelt-
schutz, Rechte von Bergbaubetroffenen usw. beim Steinkohleabbau in
Kolumbien generell und in den einzelnen Minen?

15. Welche der in Kolumbien Steinkohle fördernden Unternehmen liefern
Steinkohle an welche Unternehmen/Kraftwerke in Deutschland?

16. Welche deutschen Unternehmen beziehen jeweils kolumbianische Stein-
kohle von den Unternehmen Drummond und Glencore?

17. Von welchen Förderkosten ohne Transportkosten je Tonne geförderter
Steinkohle in Kolumbien geht die Bundesregierung aus?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4605

18. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um die in den Medien-
berichten geschilderten Menschenrechtsverletzungen bei der Förderung von
Steinkohle in Kolumbien zu überprüfen, und welche Maßnahmen leitet sie
im Falle eines positiven Ausgangs dieser Prüfung daraus ab?

19. Wie bewertet die Bundesregierung die Einhaltung der Prinzipien der Roh-
stoff-Transparenzinitiative in Kolumbien vor dem Hintergrund, dass Unter-
nehmen wie BHP Billiton, Anglo American, Xstrata, Vale und RWE Unter-
stützer von EITI sind?

20. Wie bewertet die Bundesregierung die Einhaltung der Prinzipien des Global
Compact durch die deutschen Stromkonzerne, welche kolumbianische
Kohle ankaufen, vor dem Hintergrund, dass diese Prinzipien beim Kohle-
abbau in Kolumbien häufig missachtet werden?

21. Wie kontrolliert die Bundesregierung, ob beim Steinkohleabbau in Kolum-
bien die am 13. September 2007 von den Vereinten Nationen verabschiedete
Deklaration der Rechte indigener Völker eingehalten werden, und welche
Schlüsse würde die Bundesregierung aus einer negativen Prüfung für die
Importe von Steinkohle aus Kolumbien ziehen?

22. Unterstützt die Bundesregierung das Prinzip des Free, Prior and Informed
Consent – wie in der ILO-Konvention 169 (ILO: Internationale Arbeits-
organisation) vorgesehen, die Kolumbien 1991 ratifiziert hat – nach wel-
chem die indigene Bevölkerung für alle wirtschaftlichen Aktivitäten und
politischen Maßnahmen, welche ihr Land und ihre Lebensweise beeinflus-
sen, konsultiert werden müssen, und wenn ja, wie kontrolliert die Bundes-
regierung die Einhaltung dieses Prinzips beim Steinkohleabbau in Kolum-
bien?

23. Welche Bemühungen unternimmt die Bundesregierung zur Einrichtung
eines Beschwerdemechanismus, der den Opfern von Menschenrechtsverlet-
zungen durch Unternehmen zu Entschädigungen und Wiedergutmachung
verhilft?

Berlin, den 28. Januar 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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