BT-Drucksache 17/4289

Entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Äthiopien

Vom 17. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4289
17. Wahlperiode 17. 12. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Tom Koenigs,
Kerstin Müller (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln),
Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Katja Keul, Agnes Malczak,
Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Äthiopien

Äthiopien gehört zu den ärmsten Ländern der Welt und ist einer der größten
Empfänger von Entwicklungsgeldern. In 2008 erhielt Äthiopien die Gesamt-
summe von 3,3 Mrd. US-Dollar. Deutschland gehört bi-und multilateral zu den
größten Gebern in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Etwa fünf
Millionen Menschen sind von Nahrungsmittelhilfe abhängig. Viele weitere be-
anspruchen täglich entwicklungspolitische Hilfsprogramme, die von verschie-
denen regierungsgeführten und teilweise durch das Ausland gestützten Pro-
grammen bereitgestellt werden.

Die politische Lage in Äthiopien hat sich in eine kritische Richtung entwickelt.
Die Menschenrechtssituation ist besorgniserregend. 2005 haben Unruhen nach
der Parlamentswahl zu unzähligen Toten und Gefangenen geführt. Die interna-
tionale Gebergemeinschaft reagierte daraufhin mit der Aussetzung einer verein-
barten Budgethilfe für Äthiopien. Auch die Weltbank definierte in diesem Zu-
sammenhang die Rahmenbedingungen ihrer Zusammenarbeit mit Äthiopien
neu. Aus den Kommunalwahlen in 2008 ging die Revolutionäre Demokratische
Front der Äthiopischen Völker (EPRDF) von Premierminister Meles Zenawi
mit 99,9 Prozent der Stimmen als Sieger hervor; bei der letzten Parlamentswahl
im März 2010 erhielt die EPRDF 99,6 Prozent der Stimmen.

Äthiopische Oppositionelle sowie verschiedene Nichtregierungsorganisationen
(NRO) haben wiederholt darauf hingewiesen, dass es in Äthiopien zum Miss-
brauch von Entwicklungsgeldern kommt. Beispielsweise wird der Zugang zu
landwirtschaftlicher Hilfe, Mikrokrediten, Saatgut und Dünger von der Unter-
stützung der Regierungspartei abhängig gemacht, so die Vorwürfe. Eine im
Oktober 2010 veröffentlichte Studie von Human Rights Watch „Development
without freedom“ (2010) zeigt auf, wie die Verwendung von Entwicklungsgel-
dern und politische Repression zusammenhängen. Auch die internationale
Gruppe bi- und multilateraler Geber, die Development Assistance Group

(DAG), verweist in ihrem Bericht „Aid Management and Utilisation“ (2010)
auf unzureichende Schutzmaßnahmen vor politischem Missbrauch des Welt-
bankprogramms „Protection of Basic Services“ (PBS), an dem auch Deutsch-
land beteiligt ist.

Für die zukünftige Ausrichtung der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit
mit Äthiopien kommt der Einschätzung dieser Ergebnisse durch die Bundes-

Drucksache 17/4289 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

regierung eine zentrale Rolle zu. Dies gilt auch für das restriktive Gesetz zur
Arbeit von NRO, das die äthiopische Regierung 2009 in Kraft gesetzt hat.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Schwerpunkte haben die Bundesregierung und Äthiopien in ihrer
entwicklungspolitischen Zusammenarbeit gesetzt, und in welchen Berei-
chen plant die Bundesregierung gemeinsam mit der äthiopischen Regie-
rung die Zusammenarbeit auszubauen?

2. In welchem finanziellen Umfang werden die jeweiligen Schwerpunkte,
Projekte und Programme auf bi- und multilateraler Ebene mit deutschen
Mitteln gefördert (bitte nach Projekten, Programmen, Titeln, Jahr und fi-
nanziellen Volumina auflisten)?

3. Wer sind die Zielgruppen und Partner der Projekte und Programme im Be-
reich Ländliche Entwicklung, und wie wurden die Projekte und Pro-
gramme in diesem Bereich seit Ausbruch der Nahrungsmittelkrise in 2008
finanziell, personell und thematisch erweitert bzw. neu ausgerichtet?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung die Kooperation mit anderen Gebern
hinsichtlich ihrer Zusammenarbeit mit Äthiopien, und wie beurteilt sie die
Zusammenarbeit mit der DAG?

5. Mit welchen Gebern und in welchen Bereichen ist die Zusammenarbeit der
Bundesregierung in Äthiopien erfolgreich, mit welchen Gebern und in wel-
chen Bereichen sieht die Bundesregierung Probleme und Handlungsbedarf?

6. Wie geht die Bundesregierung in ihrer gegenwärtigen und künftigen ent-
wicklungspolitischen Zusammenarbeit mit dem De-facto-Einparteiensys-
tem in Äthiopien um?

7. Welche entwicklungspolitischen Programme und Projekte hat die Bundes-
regierung in der Vergangenheit, und welche Programme und Projekte plant
die Bundesregierung zukünftig im Rahmen des Konzepts der vernetzten
Sicherheit zu unterstützen?

8. Welche Rolle spielt die entwicklungspolitische Zusammenarbeit in Äthio-
pien bei der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die regionalpolitische Bedeutung Äthio-
piens als Gastgeber der Afrikanischen Union und im Hinblick auf die Kri-
sen in Somalia und Sudan, und inwieweit ist diese Bedeutung relevant für
die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Äthiopien generell?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Menschenrechtslage (insbesondere
die Lage von religiösen Minderheiten, Frauen, Lesben, Schwulen und Op-
positionellen) in Äthiopien, und welche Konsequenzen zieht die Bundes-
regierung aus ihrer Beurteilung für ihre gegenwärtige und zukünftige ent-
wicklungspolitische Zusammenarbeit?

11. Inwiefern besteht ein Dialog mit der äthiopischen Regierung über Men-
schenrechtsfragen, in welchen Abständen wird dieser Dialog gepflegt, und
welche Themen standen seit 2008 auf der Agenda dieses Dialogs?

12. Inwiefern wird die Umsetzung von Menschenrechten in Äthiopien durch
die Entwicklungspolitik der Bundesregierung gefördert?

13. Inwieweit ist Demokratieförderung Teil der deutschen entwicklungspoliti-
schen Zusammenarbeit in Äthiopien?

a) In welcher Form und in welchem Umfang wird diese Förderung umge-
setzt?
b) Inwieweit wird diese Arbeit von dem Anti-Terror-Gesetz, „Anti-Terro-
rism Proclamation No. 652/2009“, beeinflusst?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4289

14. Welche Themen werden bei den anstehenden Regierungsverhandlungen
mit Äthiopien auf der Tagesordnung stehen?

a) Wie beurteilt die Bundesregierung die Anwendbarkeit des entwick-
lungspolitischen Instruments der allgemeinen und sektoralen Budget-
hilfe in Äthiopien, und wird Budgethilfe Thema in den kommenden Re-
gierungsverhandlungen mit Äthiopien sein?

b) Wird das Thema Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung sowie
das aktuelle Problem des „land grabbings“ auf der Tagesordnung ste-
hen?

15. In welchen Bereichen fördert die Bundesregierung Public Private Partner-
ships mit Äthiopien (Anzahl, Volumen, Art der Vorhaben)?

16. In welcher Form beteiligt sich die Bundesregierung in ihrer entwicklungs-
politischen Zusammenarbeit mit Äthiopien an dem Programm „Public
Sector Capacity Building Program“ (PSCAP)?

a) Welche Rolle spielte die Bundesregierung bei der Implementierung und
Beratung des PSCAP?

b) Welche Rolle spielten deutsche Durchführungsorganisationen bei der
Implementierung und Beratung des PSCAP?

17. In welcher Form beteiligt sich die Bundesregierung in ihrer entwicklungs-
politischen Zusammenarbeit mit Äthiopien an dem Programm „PBS“?

a) Welche Rolle spielte die Bundesregierung bei der Implementierung und
Beratung des PBS?

b) Welche Rolle spielten deutsche Durchführungsorganisationen bei der
Implementierung und Beratung des PBS?

c) Welche genauen Aufgaben hat die GTZ International Services übernom-
men bei der Implementierung der Komponente „soziale Verantwortung“
des PBS-Programms?

18. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis von den erhobenen Vor-
würfen verschiedener NRO (wie beispielsweise Human Rights Watch, vgl.
„Development without Freedom – How Aid Underwrites Repression in
Ethiopia“, 2010), insbesondere in Bezug auf den Missbrauch und die
Instrumentalisierung von Entwicklungsgeldern?

Wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung diese Vorwürfe, und welche
Konsequenzen zieht die Bundesregierung gegebenenfalls aus dieser Beur-
teilung?

19. Wie beschreibt und beurteilt die Bundesregierung die Zusammenarbeit
deutscher Durchführungsorganisationen in der Entwicklungszusammenar-
beit mit den äthiopischen Behörden auf nationaler, regionaler und lokaler
Ebene?

In welcher Form findet die Zusammenarbeit auf den einzelnen Ebenen statt
(bitte einzeln aufführen)?

20. Welche Mechanismen und Kontrollfunktionen hat die Bundesregierung, um
den Missbrauch vergebener Mittel der technischen und finanziellen Zusam-
menarbeit zu verhindern, und mit welchen Kontrollmechanismen arbeitet
die Bundesregierung auf den einzelnen Ebenen (national, regional, lokal)?

21. In welcher Form und mit welchem Ergebnis evaluiert die Bundesregierung
die Verwendung von Entwicklungsgeldern in Äthiopien?

Drucksache 17/4289 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
22. Auf welche Weise wird gewährleistet, dass deutsche Entwicklungsgelder in
Äthiopien nicht für parteipolitische Zwecke der regierenden EPRDF miss-
braucht werden

a) auf der nationalen Ebene,

b) auf der Verwaltungsbezirksebene (Woreda),

c) auf der Dorf- und Siedlungseinheitsebene (Kebelle),

d) auf anderen Ebenen?

23. In welcher Form erfolgt die entwicklungspolitische Zusammenarbeit der
Bundesregierung in Äthiopien

a) auf der nationalen Ebene,

b) auf der Verwaltungsbezirksebene (Woreda),

c) auf der Dorf- und Siedlungseinheitsebene (Kebelle),

d) auf anderen Ebenen?

24. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen des 2009 verabschie-
deten Gesetzes Charities and Societies Proclamation (CSP) für die deut-
schen Organisationen vor Ort?

a) Inwieweit hat sich dadurch die entwicklungspolitische Zusammenarbeit
mit Äthiopien geändert?

b) Inwieweit arbeitet die Bundesregierung in ihrer entwicklungspolitischen
Zusammenarbeit in Äthiopien mit NRO zusammen?

Wenn ja, in welchem finanziellen Umfang geschieht diese Zusammenarbeit?

Berlin, den 17. Dezember 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.