BT-Drucksache 17/4090

Marktmissbrauch und Manipulation der Strompreise

Vom 1. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4090
17. Wahlperiode 01. 12. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Hubertus Heil (Peine), Ulrich Kelber,
Ingrid Arndt-Brauer, Doris Barnett, Sören Bartol, Dirk Becker, Gerd Bollmann,
Marco Bülow, Edelgard Bulmahn, Martin Burkert, Petra Ernstberger, Michael
Gerdes, Iris Gleicke, Michael Groß, Petra Hinz (Essen), Dr. Bärbel Kofler,
Ute Kumpf, Thomas Oppermann, Holger Ortel, Heinz Paula, Gerold Reichenbach,
Bernd Scheelen, Frank Schwabe, Dr. Martin Schwanholz, Dr. Carsten Sieling,
Wolfgang Tiefensee, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Dr. Frank-Walter Steinmeier
und der Fraktion der SPD

Marktmissbrauch und Manipulation der Strompreise

Im Jahr 2002 wurde die European Energy Exchange AG (EEX) mit Sitz in Leip-
zig gegründet. Nach eigenen Aussagen ist die EEX ein international aufgestell-
ter europäischer Marktplatz für Energie und energienahe Produkte. Die Teilneh-
mer können über einen offenen, gleichberechtigten und kostengünstigen
elektronischen Zugang an der umsatzstärksten und teilnehmerstärksten Energie-
börse Europas handeln. Die EEX betreibt Spotmärkte für Strom, Gas und Emis-
sionsrechte sowie einen Terminmarkt, an dem Futures und Optionen auf Strom,
Gas, Emissionsrechte und Kohle gehandelt werden können. Die EEX ist eine
Börse nach dem deutschem Börsengesetz und ein geregelter Markt im Sinne der
MiFID (Markets in Financial Instruments Directive). Die EEX hat als Börsenor-
gane den Börsenrat, die Börsengeschäftsführung, Handelsüberwachungsstelle
und den Sanktionsausschuss.

Die EEX unterliegt zwar dem deutschen Börsenrecht, nicht aber dem Wert-
papierhandelsgesetz. Ein Verbot zum Beispiel von Insiderhandel gibt es somit
im Stromspothandel nicht.

Die Strombörse wirkt auch preisbestimmend für die Direktvermarktung mit ge-
werblichen Sonderverträgen, für den allgemeinen Stromhandel und die Termin-
geschäfte. Eine unzureichende Kontrolle der Preisbildung an der Strombörse
schlägt somit auf den allgemeinen Strompreis durch.

Grundlage eines Kartellverfahrens der EU-Kommission gegen ein führendes
Energieunternehmen war der Verdacht der Angebotsverknappung am Strom-
spotmarkt mit dem Ziel, die Preise in die Höhe zu treiben. Das Verfahren führte
zu einer Veräußerung von rund 20 Prozent der Erzeugungskapazitäten. Straf-

rechtliche Folgen gab es nicht, da es keinen Verbotstatbestand für ein solches
Verhalten gibt.

Drucksache 17/4090 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Seit September 2009 kooperiert die Leipziger Strombörse EEX mit dem fran-
zösischen Partner Powernext. Der deutsche Spotmarkt für Strom ist nach Paris
verlagert worden und unterliegt seither auch nicht mehr dem deutschen Börsen-
recht. Die bislang zuständige sächsische Börsenaufsicht hat ihre Zuständigkeit
verloren. Die an ihre Stelle getretene französische Börsenaufsicht hat keine
Zuständigkeit für den Handel im Ausland. Der Börsenhandel für den Spotmarkt
Elektrizität ist seither ohne Aufsicht im rechtsfreien Raum.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Plant die Bundesregierung eine Anpassung des Aufsichtsrechts, um den
Stromspotmarkt wieder dem deutschen Börsenrecht und einer behördlichen
Aufsicht zu unterwerfen?

2. Ist das System des Stromspotmarkts gegen eine Preismanipulation durch
Angebotsverknappung wirksam geschützt, und wenn nein, was unternimmt
die Bundesregierung, um solche Preismanipulationen zu unterbinden?

3. Ist nach Ansicht der Bundesregierung auf dem Stromspotmarkt eine ausrei-
chende Markttransparenz gegeben, und wenn nein, was unternimmt die
Bundesregierung, um diese herzustellen?

4. Welche Funktion und Aufgaben wird die von der Bundesregierung einzu-
richtende Markttransparenzstelle in Bezug auf den Stromspotmarkt bekom-
men?

5. Beabsichtigt die Bundesregierung, das Verbot des Insiderhandels an der
Strombörse allumfassend zu regeln?

6. Wie bewertet die Bundesregierung den Code of Conduct der EEX in Bezug
auf den Insiderhandel, und wie bewertet die Bundesregierung das ausdrück-
liche Fehlen des Verbots von Insiderhandel im Code of Conduct?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen der Spotmarktpreise
für Strom auf den außerbörslichen Handel und den Terminmarkt?

8. Welche Auswirkungen hat ein manipulierter Preis im Spotmarkt auf den
Endkundenpreis?

9. Welche marktbezogenen und gesamtwirtschaftlichen Folgen sieht die Bun-
desregierung aus der Angebotsverknappung und dem Insiderhandel?

10. Welche gesetzlichen und internen Dokumentationspflichten gibt es für die
Strombörse EEX?

11. Sind die Dokumentationspflichten ausreichend, um eine lückenlose Über-
wachung der Handelsgeschäfte sicherzustellen und auch tauglich, um bei
dem Verdacht auf Preismanipulation und Insiderhandel die Vorkommnisse
aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen?

12. Ist die EEX-interne Handelsüberwachungsstelle in der Lage und befugt, die
Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen jederzeit und für alle über die
EEX abgewickelten Geschäfte sicherzustellen?

13. Wer finanziert die Tätigkeit der Handelsüberwachungsstelle?

14. Trifft es zu, dass der Leiter der Handelsüberwachungsstelle in Personal-
union auch die Rechtsabteilung der EEX leitet, und beabsichtigt die
Bundesregierung, Schritte zu unternehmen, damit die Erfüllung der Über-
wachungsfunktion nicht durch die dagegenstehende Wahrung des Rechts-
schutzes für die EEX beeinträchtigt werden kann?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4090

15. Sieht die Bundesregierung in den aktuellen Preissteigerungen im Strombe-
zug für Endkunden einen Zusammenhang mit der unzureichenden Börsen-
funktion der EEX am Stromspotmarkt?

16. Beabsichtigt die Bundesregierung, angesichts der jüngsten Preissteigerung
für Strom die Möglichkeit des § 29 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbe-
schränkungen zu nutzen, um diese Preisanhebung zu überprüfen?

Berlin, den 1. Dezember 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.