BT-Drucksache 17/3985

Antiextremismuserklärung des Bundesprogramms Toleranz fördern - Kompetenz stärken

Vom 29. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3985
17. Wahlperiode 29. 11. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Diana Golze, Heidrun Dittrich, Werner Dreibus,
Klaus Ernst, Katja Kipping, Cornelia Möhring, Kornelia Möller, Petra Pau,
Jens Petermann, Yvonne Ploetz, Ingrid Remmers, Halina Wawzyniak,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Antiextremismuserklärung des Bundesprogramms Toleranz fördern –
Kompetenz stärken

Im Rahmen des neuen Bundesprogramms „Toleranz fördern – Kompetenz stär-
ken“ sollen die Zuwendungsempfänger eine Bestätigung unterschreiben, mit der
sie sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen und sich eben-
falls verpflichten, ihre potenziellen Partner in diesem Sinne zu überprüfen. Die
geforderte Erklärung sorgt innerhalb der Projekte für große Verunsicherung und
hat auch schon zu deutlichen Protesten geführt. Auf Seiten der Projekte und auch
von Seiten anderer Prominenter wird die geforderte Erklärung als eine Form der
Gesinnungsschnüffelei bewertet und in der Tradition des Radikalenerlasses der
70er-Jahre der alten Bundesrepublik Deutschland gesehen. Neben der Frage der
inhaltlichen Begründung, warum gegen Projekte, die sich im Themenfeld der
Auseinandersetzung mit der extremen Rechten bewegen, ein solcher General-
verdacht der Verfassungsfeindlichkeit formuliert wird, stellt sich auch die Frage
der konkreten Umsetzung. Wie einzelne Fälle in der Vergangenheit gezeigt ha-
ben, sind Berichte der Verfassungsschutzämter, auf die die Projekte in der gefor-
derten Erklärung verwiesen werden, keineswegs eine zuverlässige Quelle für die
Frage der demokratischen Verlässlichkeit potenzieller Partner der Projekte, kam
es doch hier schon häufiger zu falschen Anschuldigungen, die später aufgrund
von Klagen rückgängig gemacht werden mussten. Auch stellt sich die Frage, ob
die von den Projekten geforderte Erklärung Auswirkungen auf die Zusammen-
arbeit mit im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien haben.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche zuwendungsrechtlichen Konsequenzen hätte die Weigerung einzel-
ner Zuwendungsempfänger, die vom Ministerium verlangte Erklärung zu un-
terschreiben?

2. Welche zuwendungsrechtlichen Konsequenzen hätte ein Verstoß gegen die in
der Erklärung geforderten Bestätigungen

a) wenn der Zuwendungsempfänger selbst gegen das Bekenntnis zur frei-
heitlich demokratischen Grundordnung verstößt,

b) wenn Partner des Zuwendungsempfängers gegen das Bekenntnis zur frei-
heitlich demokratischen Grundordnung verstoßen?

3. Wer entscheidet über die Konsequenzen für den Zuwendungsempfänger,
wenn ein Verstoß gegen die geforderte Erklärung festgestellt wird?

Drucksache 17/3985 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
4. Wer überprüft, ob es Verstöße gegen die von den Zuwendungsempfängern
geforderte Erklärung gibt?

5. Betrachtet die Bundesregierung die temporäre Zusammenarbeit mit allen in
den Verfassungsschutzberichten aufgeführten und als extremistisch einge-
schätzten Organisationen, wenn sie als (temporäre) Partner der Zuwen-
dungsempfänger auftauchen, als Verstoß gegen die verlangte Erklärung?

6. Welche Konsequenzen hat die geforderte Erklärung für eine Zusammenar-
beit der Zuwendungsempfänger mit der Partei DIE LINKE.?

7. Welche Konsequenzen hat die geforderte Erklärung für eine Zusammenar-
beit der Zuwendungsempfänger mit der VVN (Vereinigung der Verfolgten
des Naziregimes)?

8. Ist für die Frage eines Verstoßes gegen die geforderte Erklärung entschei-
dend, ob der mögliche Partner des Zuwendungsempfängers im Verfas-
sungsschutzbericht des Bundesamtes genannt wird?

9. Dürfen Zuwendungsempfänger in den Bundesländern mit der Partei DIE
LINKE. zusammenarbeiten, in denen diese Partei nicht im Bericht des je-
weiligen Landesamtes genannt wird?

10. Welche Einschätzung welches Landesamtes für Verfassungsschutz ist bei
grenzüberschreitenden Kooperationen (z. B. Brandenburg und Sachsen) für
die Frage der Partnerauswahl entscheidend?

11. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen Projektpartner aufgrund
ihrer Aufführung im Verfassungsschutzbericht von der weiteren Förderung
ausgeschlossen wurden?

12. Wie beurteilt die Bundesregierung den Ausschluss des a.i.d.a.-Archivs
(Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle Mün-
chen e. V.) aus München aus dem bayerischen Beratungsnetzwerk aufgrund
des Eintrags in den bayerischen Verfassungsschutzbericht vor dem Hinter-
grund, dass dieser Eintrag laut Gerichtsbeschluss wieder rückgängig ge-
macht werden musste, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für
die geforderte Erklärung?

13. Wird die Bundesregierung die Zuwendungsempfänger bei der Überprüfung
potenzieller Partner zukünftig unterstützen, und können sich die Zuwen-
dungsempfänger bei Unklarheiten bezüglich der Verfassungstreue der Part-
ner an die Bundesregierung bzw. das zuständige Ministerium wenden?

14. In welchen anderen Modellprojekten des Bundes werden den Zuwendungs-
empfängern vergleichbare Erklärungen abverlangt (bitte einzeln auffüh-
ren)?

Berlin, den 29. November 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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