BT-Drucksache 17/3715

Geplante Standortschließungen bei der Deutschen Telekom AG und die Haltung der Bundesregierung

Vom 10. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3715
17. Wahlperiode 10. 11. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Jutta Krellmann, Sahra Wagenknecht,
Diana Golze, Matthias W. Birkwald, Heidrun Dittrich, Werner Dreibus, Klaus Ernst,
Katja Kipping, Harald Koch, Ralph Lenkert, Cornelia Möhring, Richard Pitterle,
Yvonne Ploetz, Ingrid Remmers, Michael Schlecht, Sabine Stüber, Dr. Axel Troost
und der Fraktion DIE LINKE.

Geplante Standortschließungen bei der Deutschen Telekom AG und die Haltung
der Bundesregierung

Die Deutsche Telekom AG will ihre Standorte in Deutschland vorerst im Be-
reich des Vertrieb und Service (VSD) und der IT-Abteilung drastisch reduzie-
ren. Beim Vertrieb und Service sollen 113 Standorte in 58 Städten geschlossen
werden, die IT-Standorte von 96 auf 5 sinken.

Während der geschäftspolitische Sinn dieses Rückzugs aus der Fläche um-
stritten ist, haben die radikalen Standortschließungen massive Folgen für die
rund 5 000 Beschäftigten dieser Bereiche. Die Gewerkschaft ver.di spricht von
einem strategisch angelegtem Großprojekt, um tausende Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter aus dem Unternehmen zu drängen. Sie macht mit verschiedenen
Aktionen dagegen mobil, um das unsoziale Standortkonzept vom Tisch zu be-
kommen und ergebnisoffen über ein zukunftsfähiges, den Beschäftigten ge-
recht werdendes und den Kunden gegenüber schlüssiges Unternehmens- und
Standortkonzept zu verhandeln.

Der Bund ist der größter Einzelaktionär am Unternehmen mit einem Anteil von
32 Prozent (16,87 Prozent KfW Bankengruppe, 14,83 Prozent direkt). Der Bun-
desregierung als Vertreterin des Bundes obliegt eine soziale Verantwortung. Sie
ist gefordert, ihren Einfluss zum Wohlergehen des Unternehmens und der Be-
schäftigten geltend zu machen.

In der letzten Legislaturperiode lehnte es die schwarz-rote Bundesregierung ab,
auf die Geschäftspolitik des Vorstandes Einfluss zu nehmen und über Tätigkeiten
ihrer Aufsichtsratsmitglieder Auskunft zu geben (vgl. Bundestagsdrucksache
16/5308). Es stellt sich die Frage, ob die derzeitige Bundesregierung an dieser
Position festhält. Jenseits des mehrheitlichen Streubesitzes vieler individueller
Aktionäre, bleiben als kollektiver Akteur nur noch drei Finanzinvestoren übrig,
die deutlich über 10 Prozent der Aktien halten und mit der Blackstone Group
einen eigenen Vertreter im Aufsichtsrat stellen.
Verweigert die Bundesregierung weiter eine aktive Einflussnahme, ist dies nur
dahingehend zu werten, dass den Finanzinvestoren bei der Unternehmens-
politik freie Hand gelassen wird. Darüber hinaus stellte bereits 2008 ein Gut-
achten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages fest, dass
die Bundesregierung bei teilprivatisierten Bundesunternehmen dem Parlament
die Auskunft nicht grundsätzlich verweigern darf.

Drucksache 17/3715 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung als Vertreterin des größten
Einzelaktionärs über die beabsichtigten Standortschließungen bei der
Deutschen Telekom AG?

2. Inwiefern wurden die Vertreter der Bundesregierung (Staatssekretär Jörg
Asmussen im Bundesministerium der Finanzen) bzw. der KfW Banken-
gruppe (Dr. Ulrich Schröder) im Aufsichtsrat über die Standortschlie-
ßungspläne informiert?

3. Welche Informationen hat die Bundesregierung darüber, dass es mit den
geplanten Standortreduzierungen vorrangig darum gehen soll, langjährige
Beschäftigte aus dem Unternehmen zu drängen?

4. Haben die Vertreter der Bundesregierung (Staatssekretär Jörg Asmussen)
bzw. der KfW Bankengruppe (Dr. Ulrich Schröder) im Aufsichtsrat mit
dem Vorstand der Deutschen Telekom AG zu den geplanten Standort-
schließungen Gespräche geführt?

Wenn ja, mit welchen Ziel und Ergebnis?

Wenn nein, warum nicht?

5. Wird sich die Bundesregierung als Vertreterin des größten Einzelaktionärs
in die Diskussion und Entscheidungsfindung über die geplanten Standort-
schließungen einbringen?

6. Welche Rolle haben die Vertreter an der Deutschen Telekom AG beteilig-
ten Finanzinvestoren bei der Entstehung des Standortschließungskonzeptes
gespielt?

7. Haben die Finanzinvestoren im Aufsichtsrat oder Vorstand bestimmte
Renditeziele formuliert?

Wenn ja, wie lauten diese?

8. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass eine Zentralisierung der Stand-
orte unsozial wäre, weil tausende Beschäftigte durch längere Anfahrtswege
belastet werden, im schlimmsten Fall aus dem Unternehmen gedrängt
werden, und wie begründet die Bundesregierung ihre Antwort?

9. Ist der Bundesregierung bekannt, dass durch vergleichbare Standortzusam-
menlegungen im Bereich des Kundenservice der Deutschen Telekom AG
mehr als 1 200 Beschäftigte (etwa 6 Prozent) das Unternehmen verlassen
haben, und kann es die Bundesregierung als Vertreterin des größten Anteils-
eigners tolerieren, dass künftig dadurch das Arbeitslosenheer vergrößert
wird?

10. Welche gesellschaftlichen Folgekosten (Ausgaben für Arbeitslosengeld
u. a., fehlende Einnahmen der Sozialversicherungen und an Steuern etc.)
ergeben sich schätzungsweise daraus?

11. Ist der Bundesregierung bewusst, dass von den 5 000 betroffenen Beschäf-
tigten ca. 50 Prozent Bundesbeamte sind, deren oberster Dienstherr der
Bundesminister der Finanzen ist?

Wie beabsichtigt die Bundesregierung ihre dienstrechtliche Fürsorgepflicht
als oberster Dienstherr bei einer solchen Standortzusammenlegung wahr-
zunehmen?

12. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass eine Zentralisierung der Stand-
orte familienfeindlich wäre, weil durch die neuen Belastungen die Ver-
einbarkeit von Familie und Beruf einseitig aufgekündigt wird, und wie

begründet die Bundesregierung ihre Antwort?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3715

13. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass eine Zentralisierung der Stand-
orte frauenfeindlich wäre, weil Teilzeitarbeit, die vor allem durch Frauen
wegen der Kindererziehung wahrgenommen wird, durch die weiten An-
fahrtswege fast unmöglich gemacht werden, und wie begründet die Bun-
desregierung ihre Antwort?

14. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass eine Zentralisierung der Stand-
orte umweltfeindlich wäre, weil die längeren Anfahrtswege in vielen Fäl-
len zu einem höheren CO2-Ausstoß führen werden und damit dem eigent-
lich vom Konzernvorstand erklärten Ziel, den CO2-Ausstoß zu reduzieren,
zuwider läuft, und wie begründet die Bundesregierung ihre Antwort?

15. Wie hoch wäre der geschätzte jährliche Mehrausstoß an CO2, der sich aus
einem längeren Anfahrtsweg von 1 000 Beschäftigten ergeben würde, legt
man eine arbeitstäglich zusätzliche Strecke von 60 Kilometer (Hin- und
Rückfahrt) und den durchschnittlichen CO2-Ausstoß eines PKWs in
Deutschland zu Grunde?

16. Wie hoch sollen nach der Ansicht der Deutschen Telekom AG die geplanten
Einsparungen sein, die mit den Standortschließungen realisiert werden
sollen?

17. Wie hoch waren seit 2005 die von der Deutschen Telekom AG erzielten
Gewinne (bitte absolute Jahreszahlen sowie die jährlich erzielte relative
Rendite angeben)?

Wie viele Dividenden wurden seit 2005 an die Aktionäre der Deutschen
Telekom AG ausgeschüttet (bitte jeweils Jahreszahlen über die absolute
Höhe der Ausschüttungen nennen sowie ihr Anteil am Gewinn)?

Welche Ausschüttungen sind für die nächsten Jahre geplant?

Welche Haltung hat die Bundesregierung zur Ausschüttungspolitik des
Konzerns?

Berlin, den 10. November 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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