BT-Drucksache 17/3676

Rechte indigener Völker stärken - ILO-Konvention 169 ratifizieren

Vom 10. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3676
17. Wahlperiode 10. 11. 2010

Antrag
der Abgeordneten Thilo Hoppe, Tom Koenigs, Undine Kurth (Quedlinburg),
Hans-Christian Ströbele, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Cornelia
Behm, Viola von Cramon-Taubadel, Hans-Josef Fell, Winfried Hermann, Ulrike
Höfken, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Ute Koczy, Agnes Malczak, Kerstin Müller
(Köln), Omid Nouripour, Friedrich Ostendorff, Dr. Hermann Ott, Claudia Roth
(Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Markus Tressel, Daniela Wagner
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rechte indigener Völker stärken – ILO-Konvention 169 ratifizieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Rund 400 Millionen Menschen in über 70 Ländern zählen laut den Vereinten
Nationen (VN) zu den indigenen Völkern. Ihre Lebensgrundlagen und traditio-
nellen Rechte sind jedoch vielerorts bedroht. Menschenrechtsverletzungen von
Seiten der Regierungen und die Missachtung ihrer Rechte, auch von Seiten
nationaler und internationaler Unternehmen, sind keine Seltenheit.

Berichte des VN-Sonderberichterstatters für die Rechte indigener Völker und
des Ständigen Forums für indigene Angelegenheiten (UNPFII) zeigen, dass in
vielen Ländern indigene Rechte weiterhin verletzt werden.

Die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (International
Labour Organization; ILO) von 1989 ist das einzige völkerrechtlich verbind-
liche Dokument, das die Rechte indigener Völker weltweit und umfassend an-
erkennt.

Die in der Konvention definierten Grundrechte decken im Wesentlichen fol-
gende Bereiche ab:

1. Das Recht auf traditionelles Land und Territorien sowie die Gewährleistung
der örtlichen Kontrolle über natürliche Ressourcen,

2. das Recht auf Selbstbestimmung (Anspruch auf Selbstverwaltung, Partizipa-
tion und Demokratisierung) und

3. das Recht auf die Aufrechterhaltung der politischen, wirtschaftlichen und
sozialen Systeme indigener Völker. Damit gehen die Schaffung kultur-
adäquater Arbeitnehmerrechte, die Förderung lokaler Produktionen, eine

angemessene soziale Absicherung und der Zugang zu Ausbildung (unter
Berücksichtigung indigener Sprachen) sowie zum Gesundheitswesen einher.

Der besondere Wert des ILO-Übereinkommens 169 liegt u. a. in den Vorgaben
zu speziellen Konsultations- und Partizipationsverfahren für alle Vorhaben
Dritter auf indigenen Territorien. Diese Normen sind jedoch nur in den Staaten

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verpflichtend und einklagbar, die das Abkommen ratifiziert und in nationale
Gesetze überführt haben.

Ein wichtiger Fortschritt ist die Erklärung der VN über die Rechte der indi-
genen Völker (Resolution 61/295), die im September 2007 von der VN-Gene-
ralversammlung mit überwältigender Mehrheit verabschiedet wurde. Deutsch-
land hatte dieser Resolution nicht nur zugestimmt, sondern war im Vorfeld auch
aktiv an ihrer Ausarbeitung beteiligt. Deshalb wäre es nur folgerichtig und
logisch, wenn Deutschland nun auch die ILO-Konvention 169 ratifizieren
würde. Mit der Annahme der Bundestagsdrucksache 15/136 forderte der Bun-
destag bereits die Bundesregierung auf, auf die Ratifizierung der ILO-Konven-
tion 169 hinzuwirken.

Die VN-Resolution und die ILO-Konvention 169 haben die gleiche Zielrich-
tung. Aber nur die ILO-Konvention 169 ist rechtlich verbindlich. Sie ist in den
letzten vier Jahren von fünf weiteren Staaten ratifiziert worden: von Spanien
(2007), Nepal (2007), Chile (2008) Nicaragua (2010) und der Zentralafrika-
nischen Republik (2010).

Die Rechte indigener Völker sind eng mit dem Schutz von Klima und Biodiver-
sität verbunden. Ein erheblicher Teil der indigenen Völker lebt in Gebieten, die
für den Schutz dieser globalen Gemeinschaftsgüter von zentraler Bedeutung
sind. Mit ihrem traditionellen Wissen können indigene Völker einen großen
Beitrag zum Schutz und auch zur nachhaltigen Bewirtschaftung dieser Gebiete
leisten. Auch in diesem Zusammenhang wäre es ein wichtiges Signal, wenn
Deutschland 2010 – dem Internationalen Jahr der Biodiversität – die Konven-
tion ratifizieren würde. Zugleich sollte das traditionelle Wissen durch ein völ-
kerrechtlich verbindliches Abkommen zum gerechten Vorteilsausgleich ge-
schützt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die ILO-Konvention 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker
umgehend zu ratifizieren;

2. Richtlinien für die Entwicklungszusammenarbeit und Außenwirtschaftsför-
derung zu erarbeiten, die die Rechte indigener Völker entsprechend der
ILO-Konvention 169 berücksichtigen;

3. sich innerhalb der Vereinten Nationen für die Schaffung eines Übereinkom-
mens über die Rechte indigener Völker einzusetzen;

4. sich im Politikdialog mit den Partnerregierungen in den entsprechenden
Ländern aktiv für die Umsetzung der ILO-Konvention insbesondere in Pro-
grammen der Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen;

5. den entwicklungs- und menschenrechtspolitischen Dialog mit Repräsentan-
tinnen und Repräsentanten indigener Völker zu stärken;

6. bi- und multilaterale Initiativen zum Schutz indigener Völker stärker zu
unterstützen;

7. sich für eine angemessene Ausstattung des 2002 eingerichteten Ständigen
Forums für indigene Angelegenheiten einzusetzen;

8. in der Welthandelsorganisation dafür einzutreten, dass im Rahmen interna-
tionaler Patentrechte und intellektueller Eigentumsrechte die Rechte indi-
gener Völker gewahrt werden;

9. die herausragende Rolle indigener Völker beim Erhalt der biologischen
Vielfalt anzuerkennen, sie diesbezüglich und bei ihren Anstrengungen zum
Schutz und zur nachhaltigen Nutzung globaler Gemeingüter zu unterstützen

und ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen zum gerechten Vorteils-
ausgleich voranzutreiben;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3676

10. die Mitbestimmung indigener Völker in internationalen Institutionen zu
fördern und sich dafür einzusetzen, dass auch innerhalb der EU indigene
Völker konsequent als Partner behandelt werden;

11. die systematische Datenerhebung und -bearbeitung zu den Lebensumstän-
den indigener Völker zu fördern und damit zum Schutz ihrer Rechte und
zur Sicherung ihrer kulturellen Identität beizutragen.

Berlin, den 9. November 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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