BT-Drucksache 17/3344

Militärische Ausbildungs- und Ausstattungshilfe

Vom 21. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3344
17. Wahlperiode 21. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Dr. Frithjof Schmidt, Omid Nouripour,
Agnes Malczak, Tom Koenigs, Katja Keul, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck
(Köln), Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz,
Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Militärische Ausbildungs- und Ausstattungshilfe

Die militärische Ausbildungs- und Ausstattungshilfe (MAH) wird von Seiten
der Bundesregierung als sinnvolles Instrument der Demokratieförderung erach-
tet. Die MAH verfolgt das Ziel, die Beziehungen zu anderen Staaten sowie
demokratische Wertvorstellungen zu fördern.

Beispiele vor allem einiger afrikanischer Staaten legen jedoch nahe, dass die
von Seiten der Bundeswehr geleistete Hilfe nicht nur der demokratischen Ent-
wicklung von Staaten dient. Es besteht die Gefahr, dass MAH zur Ausweitung
und Stärkung politischer Repression missbraucht wird.

Die Bundeswehr leistete bisher u. a. für die Streitkräfte von Guinea, Niger,
Nigeria und Äthiopien Ausbildungshilfe – Armeen, die nach Angaben von
Amnesty International mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht
werden (Artikel der Deutschen Welle vom 4. März 2010).

Insbesondere der Fall des guineischen Putschistenführers Moussa Dadis
Camara, der laut UN-Bericht an dem Massaker vom 28. September 2009 im
Stadion von Conakry beteiligt war und in Deutschland im Rahmen der MAH
für Guinea zum Fallschirmjäger ausgebildet wurde, wirft zahlreiche Fragen be-
züglich der durch die Bundesregierung geleisteten militärische Ausbildungs-
hilfe auf.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Fragen zur Ausbildungshilfe

1. Wie wurde die Ausbildungshilfe des Bundesministeriums der Verteidigung
(BMVg) einschließlich Geschäftsbereich von der Bundesregierung für die
Jahre 2007 bis heute für jedes einzelne Land (bitte einzeln aufschlüsseln)
organisiert, und wie wurden die Mittel in den einzelnen Jahren dort jeweils
verwendet (anders als in der Antwort auf die Kleine Anfrage aus dem Jahr

2008, Bundestagsdrucksache 16/7699, unterblieben)?

2. Welchem Zweck und Ziel diente die geförderte Ausbildung jeweils in jedem
einzelnen Land?

3. Was war der jeweilige Ausbildungsinhalt in jedem einzelnen Land?

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4. Welchen Stellenwert hatte die politische Bildung wie die Vermittlung von
demokratischen Werten und Menschenrechten dabei, bzw. wie groß war
deren monetärer und zeitlicher Anteil an der gesamten Ausbildungshilfe (in
jedem einzelnen Land)?

5. Wie findet die Ausbildung konkret in diesen Bereichen statt, und wie wird
der Ausbildungserfolg speziell in diesen Bereichen eingestuft?

6. Wie lange dauerten bzw. dauern die Ausbildungen jeweils?

7. Wo fanden bzw. finden die Ausbildungshilfen konkret statt (z. B. an wel-
chen deutschen Orten bzw. Bundeswehrstandorten und in welchen Bundes-
behörden)?

8. Wie findet die Auswahl der auszubildenden Soldaten in den jeweiligen
Empfängerländern statt?

9. Wie werden deutsche Ausbildungshilfen mit denen anderer Staaten bzw.
auf EU-Ebene abgestimmt, und welche formellen und informellen Formen
der Koordination gibt es?

10. Inwiefern sieht die MAH eine Nachbetreuung der ausgebildeten Personen
vor, und wird die MAH anschließend jeweils evaluiert?

11. In welchen Fällen hat die Bundeswehr von ihrem Vetorecht bei der Ent-
scheidung über eine MAH für ein Land Gebrauch gemacht, und falls ja,
um welche Länder handelte es sich dabei, und welche Ausschlusskriterien
kamen zur Anwendung?

12. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass sie über das spätere Schicksal
und die Einsätze der mit deutscher Hilfe Ausgebildeten informiert wird?

II. Fragen zur Ausstattungshilfe

13. Wie wurde die Ausstattungshilfe des BMVg einschließlich Geschäftsbe-
reich für die Jahre 2007 bis heute von der Bundesregierung für jedes ein-
zelne Land (bitte einzeln aufschlüsseln) organisiert, und wie wurden die
Mittel jeweils in den einzelnen Jahren verwendet?

14. Welchem Zweck und Ziel diente die geförderte Ausstattung bzw. Ausrüs-
tung jeweils?

15. Welche Ausstattung oder Ausrüstung wurde in welchem Umfang geliefert
(bitte genaue Bezeichnung, keine Sammelbegriffe)?

16. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die gelieferte Ausstattung zum
Zweck der Demokratieförderung eingesetzt wird?

17. Inwiefern gab es Hilfen, die nicht Aufgaben von Sicherheitsbehörden im
engeren Sinn dienten, wie z. B. Durchführung von Wahlen?

III. Fragen zur Einzelfallprüfung

18. Nach welchen Richtlinien und spezifischen Kriterien richtet sich die Bun-
desregierung bei der Gewährung der militärischen Ausbildungshilfe?

19. Welche Abteilungen in welchen Bundesministerien sind für die Einzelfall-
prüfungen verantwortlich?

20. Nach welchen spezifischen Kriterien erfolgt eine Aussetzung der MAH
(bitte wenn möglich unter Angabe eines Katalogs schriftlich fixierter
Richtlinien)?

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21. Auf Basis welcher Informationen und Daten findet eine Einzelfallprüfung
über eine Erteilung oder Aussetzung von militärischer Ausbildungshilfe
und Ausstattungshilfe statt?

22. Inwiefern unternimmt die Bundesregierung eine eigenständige Evaluation
der Sicherheitslage und der demokratischen Entwicklung der von der MAH
unterstützten Länder?

a) Welche Stellen der Bundesregierung sind hier konkret beteiligt?

b) Welche Stellen sind für welche Aufgabenbereiche verantwortlich?

23. In welchen Fällen (2000 bis 2010) fand eine Neubewertung der Gewährung
von MAH statt?

a) Auf die Initiative welches Bundesministeriums fand in diesen Fällen
eine Neubewertung der MAH statt?

b) In welchen Fällen (2000 bis 2010) hat das BMVg eine vom Bundes-
ministerium des Innern vorgeschlagene MAH nicht gewährt?

24. Wie beurteilt die Bundesregierung im Nachhinein die MAH für Usbekistan
während des EU-Waffenembargos?

a) Teilt die Bundesregierung die vom Parlamentarischen Staatssekretär beim
Bundesminister der Verteidigung Christian Schmidt am 29. April 2010
auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann
gegebene Mitteilung auch zum heutigen Zeitpunkt: „Die MAH für Usbe-
kistan wurde auf Grund der ab November 2005 geltenden Verordnung
(EG) Nr. 1859/2005 einer Einzelfallprüfung unterzogen und stand zu
jedem Zeitpunkt im Einklang mit dieser Verordnung. Darüber hinaus
bestand kein Anlass, Usbekistan im Bereich der MAH grundsätzlich neu
einzustufen.“?

b) Stimmt die Bundesregierung der vom Rat der Europäischen Union in
der Verordnung (EG) Nr. 1859/2005 gegebenen Begründung für restrik-
tive Maßnahmen gegenüber Usbekistan zu?

c) Sieht die Bundesregierung die vom Rat der Europäischen Union in der
Verordnung (EG) Nr. 1859/2005 erwägten Gründe für restriktive Maß-
nahmen gegenüber Usbekistan als hinlänglich relevant für eine grund-
sätzliche Neueinstufung der MAH für Usbekistan an, und wenn ja,
warum ist diese bisher nicht erfolgt?

25. Inwiefern stimmt die Bundesregierung außerdem der in einem Bericht der
DW (Deutsche Welle vom 26. März 2010) dem BMVg in Bezug auf Ein-
satz von in Deutschland erhaltener militärischer Qualifikation zur politi-
schen Repression zugeschriebenen Aussage – „Sie können nie ausschlie-
ßen, dass darunter schwarze Schafe sind“ – zu?

a) Wie stellt die Bunderegierung sicher, dass von der Bundeswehr be-
schulte Soldaten ihr in der MAH erworbenes Wissen nicht missbräuch-
lich beispielsweise zur politischen Repression einsetzen?

b) Wie garantiert die Bundesregierung, dass die MAH der nachhaltigen
Entwicklung demokratisch orientierter Streitkräfte dient?

26. Inwiefern kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, welche kon-
kreten Ausbildungsinhalte die MAH für Guinea bis einschließlich 2009
beinhaltete?

27. Inwieweit sind der Bundesregierung weitere Fälle neben dem Putschisten-
führer und laut UN-Bericht Hauptschuldigen Moussa Dadis Camara, die in

Deutschland im Rahmen der MAH für Guinea ausgebildet wurden und an

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dem Massaker vom 28. September 2009 im Stadion von Conakry beteiligt
waren, bekannt?

28. Welche Erkenntnisse hinsichtlich der Wirkung der MAH sowie der poli-
tischen Entwicklung in Guinea wurden von Verteidigungsattachés seit 2007
jeweils und in welchen Abständen berichtet?

29. Berücksichtigt die Bundesregierung die Menschenrechtslage in den Län-
dern, denen militärische Ausbildungshilfe gewährt wird?

Wenn ja, nach welchen rechtlichen und politischen Kriterien wird die Men-
schenrechtslage in den Empfängerländern bewertet bzw. eingestuft?

a) Welche Stellen der Bundesregierung sind an dieser Bewertung bzw.
Einstufung beteiligt?

b) Ist eine Prüfung der Menschenrechtslage Teil der Einzelfallprüfung?

c) Welche Stellen sind für welche Aufgabenbereiche verantwortlich?

30. Wie bewertet die Bundesregierung zusammenfassend Erfolge und Rück-
schläge, Aufwand und Ertrag ihrer Ausbildungs-, Ausstattungs- und Aus-
rüstungshilfe seit 2007?

a) Welche Erfolge sind nach Ansicht der Bundesregierung vor allem im
Bereich der Verbesserung der Menschenrechtslage und der Stärkung
von Rechtsstaatlichkeit in den Empfängerländern zu verzeichnen?

b) Bei welchen Bereichen der MAH existiert nach Meinung der Bundes-
regierung Verbesserungsbedarf, und mit welchen konkreten Maßnah-
men plant die Bundesregierung darauf zu reagieren?

31. Inwiefern und durch welche Maßnahmen genau bewertet sie bei den Hilfen
sowohl bei der Planung als auch bei der Durchführung ihr Handeln als zu-
träglich für die Menschenrechtssituation im jeweiligen Empfängerland
(bitte je nach Einzelfall aufschlüsseln)?

32. In welchen Empfängerländern dieser Hilfen sieht die Bundesregierung seit
2007 die Menschenrechtslage als weiterhin problematisch an, und wie hat
sie darauf jeweils hinsichtlich der MAH reagiert?

Berlin, den 21. Oktober 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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