BT-Drucksache 17/3293

Entwicklungszusammenarbeit zur Stärkung der Menschenrechte von Homo- und Transsexuellen

Vom 12. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3293
17. Wahlperiode 12. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Viola von
Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Ute
Koczy, Tom Koenigs, Agnes Malczak, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian
Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwicklungszusammenarbeit zur Stärkung der Menschenrechte von
Homo- und Transsexuellen

Die Lage der Menschenrechte von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen
ist in vielen Staaten katastrophal. In sieben Staaten wird nach Angaben der
International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA)
die Todesstrafe für gleichgeschlechtliche Beziehungen bzw. homosexuelle
Handlungen verhängt. Diese Staaten sind der Iran, Saudi-Arabien, der Jemen,
der Sudan, Somalia, Mauretanien und die nördlichen Landesteile von
Nigeria. 75 weitere Staaten und Territorien stellen Homosexualität unter Strafe,
darunter mindestens 16 Staaten, die Freiheitsstrafen von mehr als elf Jahren
vorsehen. In vielen Staaten werden zudem Straftaten gegen Lesben, Schwule,
Bi- und Transsexuelle nicht verfolgt.

Nach Aussage der Bundesregierung ist Ziel ihrer Außen- und Entwicklungs-
politik, den Menschenrechten zu voller Geltung zu verhelfen. Dazu gehören der
Schutz Homosexueller und die Bekämpfung ihrer Diskriminierung. Diese Auf-
fassung vertrat auch Dr. Guido Westerwelle als FDP-Vorsitzender: in einem
Interview sagte er der „Frankfurter Rundschau“ am 12. Dezember 2008, dass
die Entwicklungspolitik seiner Partei sich an „freiheitlichen Werten und den
Menschenrechten orientieren“ würde. Dazu gehöre, mit solchen Staaten, die
Männer und Frauen hinrichteten, nur weil sie schwul oder lesbisch sind, die
Entwicklungszusammenarbeit einzustellen. Die Zeitung zitierte weiterhin aus
einem Vermerk der Fraktion der FDP, wonach auch solche Staaten gemeint
seien, die für homosexuelle Handlungen Freiheitsstrafen von mehr als elf Jah-
ren verhängen würden.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisierte diese Forderung als zu
kurz gegriffen und unseriös: Deutschland würde sich so jeglicher direkter
Einflussnahme berauben. Zudem würden die Falschen bestraft, da viele Ent-
wicklungsprojekte gerade auch für mehr Toleranz werben. Besser wäre es,

konkrete Vereinbarungen über die Verbesserung der Menschenrechtslage und
den Aufbau von Rechtsstaatlichkeit mit den Partnerländern, die Entwicklungs-
gelder erhalten, zu vereinbaren.

Nach dem Regierungswechsel hat der neue Bundesminister für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, die Vorstellungen seiner Partei
im Interview mit der Zeitschrift „Respect!“ des Lesben- und Schwulenverban-
des Deutschland am 25. Mai 2010 korrigiert. Demnach komme eine Einstel-

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lung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit bei willentlichen und syste-
matischen Menschenrechtsverletzungen in Frage. Es könne allerdings mehr
gegen die Diskriminierung von Homosexuellen getan werden, wenn mit zivil-
gesellschaftlichen Partnern zusammengearbeitet werde und Strategien identifi-
ziert würden, mit denen Diskriminierungsmuster erfolgreich aufgebrochen wer-
den könnten. Außerdem kündigte der Bundesminister Fort- und Weiterbil-
dungsmaßnahmen für die Mitarbeitenden und externe Fachkräfte des Bundes-
ministeriums an, um diese für die Menschenrechtssituation von Schwulen und
Lesben zu sensibilisieren (vgl. www.queer.de). Mit diesen Klarstellungen hat
der Bundesminister die populistischen Forderungen seines Parteivorsitzenden
zu Recht als kontraproduktiv und falsch zurückgewiesen.

Im Jahr 2009 hat die damalige Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 16/11725) mit-
geteilt, dass neun Länder allgemeine Budgethilfe von der Bundesrepublik
Deutschland erhalten haben. Diese seien Benin, Sambia, Uganda, Mosambik,
Tansania, Burkina Faso, Ghana, Ruanda und Vietnam gewesen. Von diesen Staa-
ten verhängen nach Angaben der ILGA Sambia, Uganda, Tansania und Ghana
Freiheitsstrafen von über elf Jahren für homosexuelle Handlungen. Mosambik
und Benin sehen hier Höchststrafen von maximal drei Jahren vor.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welchem Rahmen und zu konkret welchen Daten hat die Bundesregierung
in dieser Legislaturperiode gegenüber den Regierungen von Uganda,
Tansania, Sambia, Ghana, Mosambik sowie Benin dafür geworben, die
Strafbarkeit von Homosexualität in den jeweiligen Strafgesetzen der Staaten
abzuschaffen (Gesprächspartner beider Seiten, Datum und Anlass bitte auf-
führen)?

2. Hat die Bundesregierung bei den Regierungsverhandlungen mit diesen
Staaten thematisiert, dass künftige allgemeine Budgethilfe an Reformen bei
den Menschenrechten, vor allem hin zu einer Entkriminalisierung von
Homosexualität geknüpft werden könnte?

3. Hat die Bundesregierung bei den Regierungsverhandlungen mit diesen
Staaten konkrete Vereinbarungen über die Verbesserung der Menschen-
rechtslage von Homosexuellen vereinbart?

Wenn ja, wie lauten diese?

4. Hat die Bundesregierung die allgemeine Budgethilfe für diese Staaten ein-
gestellt, gekürzt oder die Auszahlung von Tranchen verschoben?

Wenn ja, warum?

5. In welchem Rahmen und zu konkret welchen Daten hat die Bundesregierung
in dieser Legislaturperiode gegenüber den Regierungen von Iran, Saudi-
Arabien, dem Jemen, Somalia, Sudan, Mauretanien sowie Nigeria dafür
geworben, die Todesstrafe für gleichgeschlechtliche Beziehungen bzw.
sexuelle Handlungen abzuschaffen (Gesprächspartner beider Seiten, Datum
und Anlass bitte aufführen)?

6. Hat die Bundesregierung die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit
Partnerländern, in denen für Homosexualität die Todesstrafe gilt, gekürzt
oder beendet?

Wenn ja, warum?

7. Hat die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode konkrete Vereinbarun-
gen über die Verbesserung der Menschenrechtslage von Homosexuellen mit
den Regierungen des Iran, von Saudi-Arabien, dem Jemen, Somalia, Sudan,

Mauretanien sowie Nigeria vereinbart?

Wenn ja, wie lauten diese?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3293

8. Welche entwicklungspolitischen Projekte mit zivilgesellschaftlichen Part-
nern hat die Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode neu auf-
gelegt, um in den Partnerländern, die Homosexualität unter Strafe stellen,
gezielt gesellschaftliche Diskriminierungsmuster gegenüber Homosexuel-
len aufzubrechen?

9. Welche anderen Maßnahmen hat die Bundesregierung in dieser Legislatur-
periode neu ergriffen, um gezielt gesellschaftliche Diskriminierungsmuster
gegenüber Homosexuellen in diesen 82 Staaten und Territorien aufzu-
brechen?

10. Welche Weiter- und Fortbildungsangebote hat das Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in dieser Legislatur-
periode für die eigenen Mitarbeitenden und externen Fachkräfte durch-
geführt, um diese für die Lage der Menschenrechte von Homosexuellen zu
sensibilisieren?

Wie viele Mitarbeitende und externe Fachkräfte haben diese Angebote
genutzt?

11. Welche Maßnahmen zur Aufnahme von verfolgten Lesben, Schwulen und
Transsexuellen hat die Bundesregierung ergriffen?

12. Wie schützt und unterstützt die Bundesregierung Menschenrechtsverteidi-
ger von homo- bzw. transsexuellen Menschen direkt oder indirekt?

Berlin, den 12. Oktober 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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