BT-Drucksache 17/3274

Deutsche Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsdienstleistern in Afghanistan

Vom 8. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3274
17. Wahlperiode 08. 10. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Keul, Omid Nouripour, Tom Koenigs, Agnes Malczak,
Hans-Christian Ströbele, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln),
Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Ute Koczy,
Kerstin Müller (Köln), Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Deutsche Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsdienstleistern in Afghanistan

Staatliche und nichtstaatliche Institutionen greifen in bewaffneten Konflikten
immer häufiger auf die Dienste privater Anbieter von Sicherheitsdienstleistun-
gen zurück. So lässt die US-Armee ihre Logistik in Afghanistan vollständig
von Privatanbietern besorgen und militärisch schützen. Medienberichten zu-
folge setzen die Mitglieder der International Security Assistance Force (ISAF)
in Afghanistan private Dienstleister* (contractors) auch im Rahmen der militä-
rischen Aufklärung und Informationsgewinnung ein (vgl. jüngst The Washing-
ton Post vom 27. Juli 2010). Auch deutsche Sicherheitsunternehmen sind im
Ausland tätig und die Bundeswehr greift auf die Dienste privater Sicherheitsun-
ternehmen im Rahmen von Auslandseinsätzen zurück.

Präsident Hamid Karzai hat am 17. August 2010 per Dekret verfügt, dass sämt-
liche private Sicherheitsfirmen, die in Afghanistan aktiv sind, ihre Tätigkeit in-
nerhalb von vier Monaten komplett einstellen oder sich aber in die staatlichen
afghanischen Sicherheitskräfte einreihen. Angesichts des Todes eines deut-
schen Mitarbeiters einer privaten Sicherheitsfirma in Afghanistan im Juli 2010
und des erhärteten Verdachts, dass von NATO-Mitgliedstaaten beauftragte
Sicherheitsfirmen Verbrechen an Zivilisten begangen sowie mit Taliban oder
anderen Aufständischen Geschäftsbeziehungen unterhalten haben, besteht aku-
ter Klärungsbedarf.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie definiert die Bundesregierung private Anbieter von Sicherheit sowie
militärischer Sicherheit?

2. Zwischen welchen Arten von Anbietern privater Sicherheitsdienstleistungen
unterscheidet die Bundesregierung?

3. Aus welchen Gründen hält die Bundesregierung es für sinnvoll und rechtlich

zulässig, ggf. selbst private Militär- und Sicherheitsfirmen in Afghanistan
und für welche Aufgaben zu beauftragen?

Bitte unterteilen:

* „Dienstleister“ in folgender Frage meint auch „Werkdienstleister“.

Drucksache 17/3274 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

a) Objekt- oder Personenschutz für zivile Einrichtungen,

b) Objekt- oder Personenschutz für militärische Einrichtungen,

c) für militärische Kampfhandlungen.

4. Wie viele private Sicherheitsfirmen haben Bundeswehr und staatliche deut-
sche Stellen des Bundes in Afghanistan eingesetzt, und wie viele sind es
derzeit?

a) Um welche Sicherheitsfirmen handelt es sich?

b) Wie viele dieser Firmen haben in ihren Sitz in Deutschland und in wel-
chen anderen Ländern?

5. Für welche Aufgaben werden die privaten Sicherheitsdienste in Afghanis-
tan – bitte personellen und finanziellen Umfang angeben – eingesetzt?

6. Nach welchen Kriterien wurden die Firmen ausgewählt?

7. Wie kontrollieren deutsche Stellen die Tätigkeit ihrer Vertragspartner der
privaten Sicherheitsdienste?

8. Nach welchen Kriterien sucht ISAF private Mitarbeiter im Bereich der mi-
litärischen Aufklärung aus, und inwieweit ist die Bundeswehr hier invol-
viert?

9. Welche Bedeutung haben die Vorgaben der ISAF für den Einsatz privater
Dienstleister, insbesondere im Rahmen der militärischen Aufklärung im
Einzelnen, und seit wann gelten die aktuellen Vorgaben?

10. Wer trägt im Rahmen von ISAF die Verantwortung für private Mitarbeiter/
-innen im Bereich Aufklärung?

11. Welche Gesetze (deutsche oder afghanische) und Einsatzregeln finden für
die von deutschen Stellen oder ISAF beauftragten Sicherheitsfirmen An-
wendung?

12. Welche Vorwürfe, dass afghanische, deutsche oder internationale Rechts-
vorschriften von in deutschem oder ISAF-Auftrag tätigen privaten Dienst-
leistern missachtet werden, sind der Bundesregierung bekannt?

13. Welcher Gerichtsbarkeit unterliegen die in deutschem oder ISAF-Auftrag
in Afghanistan tätigen Firmen wegen ihrer dortigen Einsätze?

14. Wie viele ehemalige deutsche Berufs- und Zeitsoldaten/-soldatinnen sind
nach Kenntnisstand der Bundesregierung zurzeit für ein privates Sicher-
heitsunternehmen in Afghanistan tätig?

15. Welche Kriterien entscheiden darüber, ob ehemalige Bundeswehrsoldaten/
-soldatinnen bei einer beruflichen Tätigkeit lediglich „ihre/seine besondere
Fachkunde und seine Berufserfahrung nutzt“ (Antwort auf die Schriftli-
chen Fragen 28 und 29 auf Bundestagsdrucksache 17/2678), wonach eine
Anzeigepflicht gemäß § 20a des Soldatengesetzes (SG) nicht besteht, oder
ob ein „nicht unerheblicher Zusammenhang zwischen beabsichtigter Be-
schäftigung … und der dienstlichen Tätigkeit“ (ebd.) der ehemaligen Bun-
deswehrsoldaten/-soldatinnen besteht, wonach eine Anzeigepflicht gemäß
§ 20a SG besteht?

16. Inwiefern hatte der 32-jährige ehemalige Berufssoldat, der am 2. Juli 2010
in Kunduz durch einen Taliban-Anschlag getötet wurde, dem Bundes-
ministerium der Verteidigung angezeigt, dass er die Kenntnisse und Fähig-
keit eines Berufssoldaten im Auftrag eines US-amerikanischen Unterneh-
mens verwenden wollte?
17. Hat die Bundeswehr in der Vergangenheit militärische Entscheidungen,
insbesondere den Einsatz von Waffengewalt, auf Informationen, Hinweise

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3274

oder sonstige Arbeitsergebnisse privater Mitarbeiter/-innen gestützt, und
wenn ja, wie viele solcher Entscheidungen hatten Todesopfer oder Ver-
letzte zur Folge?

18. Bedient sich der Bundesnachrichtendienst (BND) im Rahmen seines Ein-
satzes in Afghanistan privater Dienstleister (Firmen, Einzelpersonen, Infor-
manten etc.) zu Aufklärungszwecken, zur Informationsbeschaffung und
zur Erfüllung anderer geheimdienstlicher Zwecke?

Wenn ja,

a) wie viele,

b) wie viele davon afghanisch,

c) mit welchen (Unternehmen, Clans, Milizen o. Ä.),

d) jeweils seit wann,

e) jeweils für welche Aufgaben,

f) jeweils gegen welche geldwerten Vorteile,

g) wie stellt der BND die staatliche Kontrolle dieser Dienstleister sicher?

19. Wie beurteilt die Bundesregierung das Dekret vom 17. August 2010 von
Staatspräsident Hamid Karzai und die Durchsetzbarkeit des Dekrets, das
die Beendigung der Tätigkeit sämtlicher privater Sicherheitsfirmen in Af-
ghanistan innerhalb von vier Monaten anordnet?

20. Welche Auswirkungen werden dieses Dekret und dessen Umsetzung sowie
die vorgegebene Viermonatsfrist auf die Situation und den Einsatz deut-
scher Stellen in Afghanistan, insbesondere von Bundeswehr, Polizeiauf-
baumission und Regierungsorganisationen, sowie auf von diesen beschäf-
tigte private Dienstleister haben?

a) Erschwert das Verbot von privaten Sicherheitsdienstleistern die Arbeit
der Bundeswehr, der deutschen Polizei oder deutscher Regierungsorga-
nisationen in Afghanistan?

b) Sieht die Bundesregierung die Sicherheit deutscher Soldaten oder Per-
sonen, die für deutsche Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen
in Afghanistan arbeiten, durch ein derartiges Verbot gefährdet?

c) Welche deutschen Firmen sind nach Kenntnis der Bundesregierung von
einem möglichen Arbeitsverbot in Afghanistan betroffen?

Berlin, den 8. Oktober 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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